Fachinfos - Judikaturauswertungen 18.08.2023

Auskunftspflicht des Gesundheitsministers zu COVID-19-Verordnungen

Der Gesundheitsminister war zur Übermittlung von Dokumenten verpflichtet, die für Verordnungen im Zuge der COVID 19 Pandemie herangezogen worden waren. (18. August 2023)

BVwG 5.7.2023, W298 2260837-1/6E

Ein Journalist beantragte die Übermittlung von Dokumenten nach dem Auskunftspflichtgesetz, die für Verordnungen im Zuge der COVID‑19 Pandemie herangezogen worden waren. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) entschied, dass der Zugang zu den Originaldokumenten gemäß Art. 10 EMRK grundrechtlich geschützt sei und ein erhöhtes öffentliches Interesse an den verlangten Dokumenten bestehe, weshalb der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) zur Auskunft verpflichtet gewesen sei.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer richtete am 31. Dezember 2021 ein Auskunftsbegehren an den BMSGPK und beantragte, dass ihm die fachlichen Begründungen für die im Spruch näher bezeichneten Verordnungen übermittelt werden. Mit Bescheid vom 3. August 2022 wies der BMSGPK das Auskunftsbegehren ab und begründete dies damit, dass eine Auskunft dann nicht zu erteilen sei, wenn dadurch eine der Akteneinsicht ähnliche Rechtsposition geschaffen werde. Zudem dienten die Dokumente lediglich dem Zweck der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes und nicht der Veröffentlichung. Hinzu komme, dass ein Großteil der nicht zu beauskunftenden Informationen aus öffentlichen Quellen käme. Zudem bestehe eine sehr hohe Belastung durch gleichlautende Anfragen, mit denen eine Gruppe von Antragsteller:innen lediglich einen hohen Aufwand für die Behörde erzeugen wolle.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde an das BVwG und führte aus, dass ihm als Journalist die Rolle eines public watchdog zukäme und es nach ständiger Rechtsprechung als gesichert anzusehen sei, dass damit ein erhebliches öffentliches Interesse einhergehe. Zudem sei das Recht auf Auskunft nicht dem Recht auf Akteneinsicht gleichzustellen, wenn bloß bestimmte Dokumente verlangt würden. Auch sei der Grund des Erstellens der Akten unerheblich.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das BVwG bejahte die Rolle des Journalisten als public watchdog und nannte diese Tätigkeit einen Grundpfeiler der Demokratie, da nur informierte Bürger:innen ihre politischen Rechte wirkungsvoll ausüben können. Das BVwG bejahte zudem ein erhöhtes öffentliches Interesse an den verlangten Dokumenten, da die Verordnungen, denen die verlangten Dokumente als Basis dienten, in der COVID‑19 Pandemie teilweise zu starken Protestbewegungen geführt hatten. Außerdem sei der Zugang zu Originaldokumenten durch Art. 10 EMRK grundrechtlich geschützt. Der BMSGPK habe damit argumentiert, dass umfangreiche (öffentlich zugängliche) Informationen zur Verfügung gestanden hätten. Jedoch sei im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer gerade interessant, welche – unter den zur Verfügung stehenden – Informationen verwendet und welche Lageeinschätzung den Verordnungen zu Grunde gelegt worden seien.

Nach Ansicht des BVwG war jedenfalls nicht ersichtlich, warum die Weigerung der Auskunft und damit die einhergehende Pflicht zur Erlassung eines begründenden Bescheids weniger belastend sein soll als ein schlichtes Entsprechen.

Zudem könne nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer eine der Akteneinsicht gleichgestellte Position erreichen wolle. Er habe weder alle Dokumente und Prozesse im Zuge der Erlassung der Verordnungen verlangt, noch würde ihn die Herausgabe der begehrten Informationen in die Position einer Quasi-Partei im Verordnungsgebungsprozess bringen. Der Beschwerdeführer habe konkrete Dokumente verlangt, die beim BMSGPK bereits vorhanden gewesen seien. Zudem müsse die erteilte Auskunft in aller Regel nicht die Detailliertheit aufweisen, die bei einer Akteneinsicht zu gewinnen wäre.

Darüber hinaus sei auch kein Grund ersichtlich, ein Auskunftsbegehren abzulehnen, das mit journalistischer Tätigkeit begründet werde, weil andere Auskunftswerber:innen ihr Recht missbräuchlich ausgeübt hätten. Soweit sich der BMSGPK damit offenbar auch auf generalpräventive Zwecke stütze, seien diese weder in § 1 Auskunftspflichtgesetz noch in Art. 20 Abs. 3 B‑VG als zulässige Einschränkung der Auskunftspflicht genannt.

Schließlich überwiege das Interesse an der Auskunftserteilung das Interesse an der Nichtbeauskunftung. Das BVwG behob daher den Bescheid, mit dem der BMSGPK die Erteilung der Auskunft verweigert hatte.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.