Seit 30. April 2024 gelten neue EU-Fiskalregeln, die die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherstellen sollen und das Ausgabenwachstum in das Zentrum der haushaltspolitischen Überwachung rücken.
Das neue Fiskalregelwerk sieht vor, dass EU-Mitgliedstaaten mit einem Maastricht-Defizit über 3 % des BIP bzw. einem öffentlichen Schuldenstand über 60 % des BIP von der Europäischen Kommission (EK) einen länderspezifischen Referenzpfad erhalten. Dieser Referenzpfad stellt das aus Sicht der EK notwendige Konsolidierungs- bzw. Anpassungserfordernis dar, mit dem sich die Schuldenquote auch in den Jahren nach der Anpassung ohne neue Maßnahmen mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit rückläufig entwickelt. Grundsätzlich erfolgt diese Anpassung über einen Zeitraum von vier Jahren, verpflichtet sich der Mitgliedstaat zu einem Reform- und Investitionspaket kann die Konsolidierung aber auch langsamer über einen Zeitraum von sieben Jahren erfolgen.
In nationalen mittelfristigen Fiskalstrukturplänen legen die EU-Mitgliedstaaten ihren Nettoausgabenpfad auf Basis dieses Referenzpfads, ihre budgetären Ziele sowie ihre vorrangigen Reformen und Investitionen für die nächsten vier bzw. fünf Jahre (je nach Dauer der Legislaturperiode) dar.
Zur Vorbereitung der ersten Fiskalstrukturpläne, die im Übergangsjahr 2024 bis 20. September vorgelegt werden sollen, übermittelte die EK am 21. Juni 2024 die Referenzpfade an die EU-Mitgliedstaaten. Der Referenzpfad der EK für Österreich wurde am 26. Juni 2024 vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) an den Budgetausschuss des Parlaments übermittelt und auf der Website des BMF veröffentlicht.
Dieser Referenzpfad beschränkt das maximal zulässige nominelle Nettoausgabenwachstum für Österreich bei einem vierjährigen Anpassungszeitraum auf durchschnittlich 2,6 % pro Jahr bzw. sieht eine entsprechende jährliche Verbesserung des strukturellen Primärsaldos um 0,5 %-Punkte vor. Im Vergleich zur aktuell vorliegenden BMF-Fiskalprognose vom April 2024 ergibt sich aus der EK-Vorgabe für 2025 ein Konsolidierungserfordernis iHv 2,6 Mrd. EUR, das bis 2028 auf 9,9 Mrd. EUR anwächst. Dazu müssten in den Jahren 2025 bis 2028 jährlich zusätzliche, dauerhaft wirksame ausgaben- bzw. einnahmenseitige Konsolidierungsmaßnahmen iHv durchschnittlich rd. 2,5 Mrd. EUR erzielt werden. Verpflichtet sich Österreich zur Umsetzung eines den Vorgaben entsprechenden Reform- und Investitionspakets kann der Anpassungszeitraum auf sieben Jahre verlängert werden. In diesem Fall wäre ein Nettoausgabenwachstum von durchschnittlich 2,9 % pro Jahr zulässig. Gegenüber der letztverfügbaren BMF-Prognose vom April 2024 bedeutet dies für 2025 ein Konsolidierungserfordernis iHv 1,5 Mrd. EUR, das bis 2028 auf 5,3 Mrd. EUR ansteigt.
Da in Österreich am 29. September 2024 ein neuer Nationalrat gewählt wird, wird das BMF der EK vorschlagen, dass der erste österreichische Fiskalstrukturplan von der nächsten Regierung erstellt wird. Diese kann dafür im Vorfeld von der EK einen neuen Referenzpfad anfordern. Sowohl der Referenzpfad als auch die Fiskalprognose können aufgrund neuer Rahmenbedingungen (z. B. Konjunkturprognose, Budgetvollzug 2024, neue Maßnahmen) von den derzeitigen Werten abweichen und das Anpassungserfordernis entsprechend verändern.
Die Fiskalstrukturpläne sollten die in den länderspezifischen Empfehlungen identifizierten Herausforderungen adressieren und im Einklang mit den Prioritäten der EU stehen. Dies ist insbesondere bei einem Antrag auf Verlängerung des Anpassungszeitraums von vier auf sieben Jahre entscheidend, das Reform- und Investitionspaket muss außerdem resilienz- und wachstumsfördernd sein. Dabei muss das zuletzt erzielte Niveau der öffentlichen Investitionen aufrechterhalten werden.
Im Rahmen des Frühjahrspakets vom 19. Juni 2024 hat die EK ihre Empfehlungen an den Rat der EU für vier länderspezifische Empfehlungen 2024 für Österreich vorgelegt. Die Empfehlung 1 bezieht sich auf die rechtzeitige Übermittlung des mittelfristigen Finanzstrukturplans und auf das als mittelschwer angesehene Risiko der Stabilisierung der Schuldenquote. In die Empfehlung wurden Aspekte früherer Empfehlungen integriert, die insbesondere das Gesundheits- und Pflegesystem, die Vereinfachung der Finanzbeziehungen und Zuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen sowie die Verbesserung des Steuermix betreffen. In der Empfehlung 2 wird auf die weitere Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans (ARP) gedrängt. Das REPowerEU-Kapitel soll zügig umgesetzt und die Reformen und Investitionen, die die Abhängigkeit der EU von Einfuhren fossiler Brennstoffe aus Russland beenden sollen, zum Abschluss gebracht werden. Empfehlung 3 zielt darauf ab, Herausforderungen am österreichischen Arbeitsmarkt zu adressieren (u. a. Fachkräftemangel, Missverhältnis Qualifikationsangebot und -nachfrage). Empfehlung 4 regt an, die Energieversorgungssicherheit zu verbessern, indem die Gasversorgung unter Abkehr von russischen Quellen schneller diversifiziert wird und die Emissionen, insbesondere im Verkehrssektor, weiter zu verringern.