Budgetdienst - Europäisches Semester 02.07.2024

Update neue EU-Fiskalregeln und Europäisches Semester 2024

Analyse des Budgetdienstes

Überblick

Seit 30. April 2024 gelten die neuen EU-Fiskalregeln. Die Europäische Kommission veröffentlichte am 19. Juni 2024 mit dem Frühjahrs­paket zum Europäischen Semester die Länder­berichte, Vorschläge für neue länder­spezifische Empfehlungen und identifizierte Mitglied­staaten, für die aus ihrer Sicht ein Defizit­verfahren eingeleitet werden sollte. Am 21. Juni 2024 übermittelte sie den länder­spezifischen Referenz­pfad für das Ausgaben­wachstum an das österreichische BMF, das diesen veröffentlichte. Das vorliegende Update informiert über die neu eingelangten Unterlagen und ihre Auswirkungen.

Die vollständige Analyse zum Download:

BD - Update neue EU-Fiskalregeln und Europäisches Semester 2024 / PDF, 1 MB

BD - Update neue EU-Fiskalregeln und Europäisches Semester 2024 (barrierefreie Version) / PDF, 1 MB

Kurzfassung

Seit 30. April 2024 gelten neue EU-Fiskalregeln, die die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherstellen sollen und das Ausgaben­wachstum in das Zentrum der haushalts­politischen Überwachung rücken.

Das neue Fiskalregelwerk sieht vor, dass EU-Mitgliedstaaten mit einem Maastricht-Defizit über 3 % des BIP bzw. einem öffentlichen Schulden­stand über 60 % des BIP von der Europäischen Kommission (EK) einen länderspezifischen Referenz­pfad erhalten. Dieser Referenz­pfad stellt das aus Sicht der EK notwendige Konsolidierungs- bzw. Anpassungs­erfordernis dar, mit dem sich die Schulden­quote auch in den Jahren nach der Anpassung ohne neue Maßnahmen mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit rückläufig entwickelt. Grundsätzlich erfolgt diese Anpassung über einen Zeitraum von vier Jahren, verpflichtet sich der Mitglied­staat zu einem Reform- und Investitions­paket kann die Konsolidierung aber auch langsamer über einen Zeitraum von sieben Jahren erfolgen.

In nationalen mittelfristigen Fiskal­struktur­plänen legen die EU-Mitgliedstaaten ihren Netto­ausgaben­pfad auf Basis dieses Referenz­pfads, ihre budgetären Ziele sowie ihre vorrangigen Reformen und Investitionen für die nächsten vier bzw. fünf Jahre (je nach Dauer der Legislatur­periode) dar.

Zur Vorbereitung der ersten Fiskalstrukturpläne, die im Übergangs­jahr 2024 bis 20. September vorgelegt werden sollen, übermittelte die EK am 21. Juni 2024 die Referenz­pfade an die EU-Mitgliedstaaten. Der Referenz­pfad der EK für Österreich wurde am 26. Juni 2024 vom Bundes­ministerium für Finanzen (BMF) an den Budget­ausschuss des Parlaments übermittelt und auf der Website des BMF veröffentlicht.

Dieser Referenzpfad beschränkt das maximal zulässige nominelle Netto­ausgaben­wachstum für Österreich bei einem vierjährigen Anpassungs­zeitraum auf durch­schnittlich 2,6 % pro Jahr bzw. sieht eine entsprechende jährliche Verbesserung des strukturellen Primär­saldos um 0,5 %-Punkte vor. Im Vergleich zur aktuell vorliegenden BMF-Fiskal­prognose vom April 2024 ergibt sich aus der EK-Vorgabe für 2025 ein Konsolidierungs­erfordernis iHv 2,6 Mrd. EUR, das bis 2028 auf 9,9 Mrd. EUR anwächst. Dazu müssten in den Jahren 2025 bis 2028 jährlich zusätzliche, dauerhaft wirksame ausgaben- bzw. einnahmenseitige Konsolidierungs­maßnahmen iHv durch­schnittlich rd. 2,5 Mrd. EUR erzielt werden. Verpflichtet sich Österreich zur Umsetzung eines den Vorgaben entsprechenden Reform- und Investitions­pakets kann der Anpassungs­zeitraum auf sieben Jahre verlängert werden. In diesem Fall wäre ein Netto­ausgaben­wachstum von durch­schnittlich 2,9 % pro Jahr zulässig. Gegenüber der letzt­verfügbaren BMF-Prognose vom April 2024 bedeutet dies für 2025 ein Konsolidierungserfordernis iHv 1,5 Mrd. EUR, das bis 2028 auf 5,3 Mrd. EUR ansteigt.

Da in Österreich am 29. September 2024 ein neuer Nationalrat gewählt wird, wird das BMF der EK vorschlagen, dass der erste österreichische Fiskalstruktur­plan von der nächsten Regierung erstellt wird. Diese kann dafür im Vorfeld von der EK einen neuen Referenz­pfad anfordern. Sowohl der Referenz­pfad als auch die Fiskal­prognose können aufgrund neuer Rahmen­bedingungen (z. B. Konjunktur­prognose, Budget­vollzug 2024, neue Maßnahmen) von den derzeitigen Werten abweichen und das Anpassungs­erfordernis entsprechend verändern.

Die Fiskalstrukturpläne sollten die in den länderspezifischen Empfehlungen identifizierten Herausforderungen adressieren und im Einklang mit den Prioritäten der EU stehen. Dies ist insbesondere bei einem Antrag auf Verlängerung des Anpassungs­zeitraums von vier auf sieben Jahre entscheidend, das Reform- und Investitions­paket muss außerdem resilienz- und wachstums­fördernd sein. Dabei muss das zuletzt erzielte Niveau der öffentlichen Investitionen aufrechterhalten werden.

Im Rahmen des Frühjahrs­pakets vom 19. Juni 2024 hat die EK ihre Empfehlungen an den Rat der EU für vier länder­spezifische Empfehlungen 2024 für Österreich vorgelegt. Die Empfehlung 1 bezieht sich auf die rechtzeitige Über­mittlung des mittelfristigen Finanz­struktur­plans und auf das als mittelschwer angesehene Risiko der Stabilisierung der Schulden­quote. In die Empfehlung wurden Aspekte früherer Empfehlungen integriert, die insbesondere das Gesundheits- und Pflege­system, die Vereinfachung der Finanz­beziehungen und Zuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen sowie die Verbesserung des Steuermix betreffen. In der Empfehlung 2 wird auf die weitere Umsetzung des Aufbau- und Resilienz­plans (ARP) gedrängt. Das REPowerEU-Kapitel soll zügig umgesetzt und die Reformen und Investitionen, die die Abhängigkeit der EU von Einfuhren fossiler Brennstoffe aus Russland beenden sollen, zum Abschluss gebracht werden. Empfehlung 3 zielt darauf ab, Herausforderungen am österreichischen Arbeitsmarkt zu adressieren (u. a. Fachkräfte­mangel, Miss­verhältnis Qualifikations­angebot und -nachfrage). Empfehlung 4 regt an, die Energie­versorgungs­sicherheit zu verbessern, indem die Gas­versorgung unter Abkehr von russischen Quellen schneller diversifiziert wird und die Emissionen, insbesondere im Verkehrs­sektor, weiter zu verringern.