Dossiers EU & Internationales 17.01.2025

Neues aus Brüssel: Polen übernimmt EU-Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2025

Das Verbindungsbüro des österreichischen Parlaments informiert über die Prioritäten des polnischen Ratsvorsitzes und informiert über den Amtsantritt der neuen EU-Kommission.

Polnischer Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2025

Polen übernimmt von Anfang Jänner bis Ende Juni 2025 zum zweiten Mal seit 2011 den EU-Ratsvorsitz. Der Fokus des Vorsitzes soll auf der Stärkung der europäischen Sicherheit in all ihren Dimensionen liegen: Äußeres, Inneres, Information, Wirtschaft, Energie, Ernährung und Gesundheit. Im Bereich Äußeres stehen Verteidigung und Sicherheit im Mittelpunkt. So soll die Verteidigungsbereitschaft auf der Grundlage höherer Militärausgaben, einer stärkeren Verteidigungsindustrie und der Schließung von Lücken bei den Verteidigungsfähigkeiten erhöht werden. Ein Ziel des polnischen Vorsitzes wird auch darin bestehen, die Zusammenarbeit mit der NATO und gleichgesinnten Nicht-EU-Ländern, vor allem den USA, sowie dem Vereinigten Königreich, Südkorea und anderen Ländern zu stärken.

Der Bereich innere Sicherheit betrifft den Schutz der Bürger:innen und der Grenzen. Hier sollen Lösungen zur Bewältigung der Herausforderungen in Bezug auf Migration und die Sicherheit an den EU-Außengrenzen, zur Verringerung der irregulären Migration und zu einer effizienteren Rückkehrpolitik gefunden werden. Der polnische Vorsitz möchte außerdem angemessene Reaktionen der EU auf hybride Bedrohungen, insbesondere die Instrumentalisierung der Migration, erarbeiten. Auch das ordnungsgemäße Funktionieren des Schengenraums, die Verbesserung der Kapazitäten für Katastrophenschutz und -resilienz sowie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Terrorismus und der Radikalisierung zählen zu diesem Punkt. Zur Priorität Informationssicherheit zählen die Stärkung der Demokratie und die Eindämmung von Polarisierung und Radikalisierung. Vor diesem Hintergrund braucht es die Befähigung, Desinformation sowie ausländische Einflussnahme zu erkennen und zu eliminieren, unter anderem langfristig durch politische Bildung und Stärkung der Zivilgesellschaft.

Einen weiteren Schwerpunkt legt der polnische Vorsitz auf die Entwicklung moderner, sicherer digitaler Services. Zum Themenkomplex der unternehmerischen Sicherheit und Freiheit zählt der polnische Vorsitz Maßnahmen, die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem technologischen Wandel, der Energie- und Klimawende sowie der geopolitischen Lage adressieren. Der Binnenmarkt soll vertieft und Hindernisse für grenzüberschreitende Tätigkeiten, insbesondere im Dienstleistungssektor, beseitigt werden. Auch Initiativen zur Verbesserung des Zugangs zu privatem Kapital für Unternehmen, der Abbau regulatorischer Belastungen sowie der Erhalt fairer Wettbewerbsbedingungen für die Industrie auf globaler Ebene zählen zu dieser Priorität.

Im Bereich Energie wird die Verlässlichkeit und Sicherheit der Energieversorgung hervorgehoben. Der polnische Vorsitz wird Maßnahmen fördern, die auf einen vollständigen Rückzug von Einfuhren russischer Energiequellen abzielen und Schritte unternehmen, um die Energiepreise in der EU zu senken. Außerdem soll die Abhängigkeit im Technologiebereich, Komponentenbereich und im Bereich kritischer Rohstoffe verringert werden. Im Mittelpunkt der Priorität Ernährungssicherheit stehen die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der europäischen Landwirtschaft. Hierzu zählen die Stärkung der Landwirte in der Wertschöpfungskette, die Einhaltung von EU-Standards auch durch nichteuropäische Akteure sowie eine starke Gemeinsame Agrarpolitik. Letztere soll Landwirte ermutigen, statt sie zu zwingen, Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen, und die Vorteile der Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels aufzeigen. Zur Priorität Gesundheitssicherheit zählen der digitale Wandel der Gesundheitsversorgung und die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit in der EU. Außerdem legt der polnische einen Fokus auf die seelische Gesundheit junger Menschen im digitalen Zeitalter.

Insgesamt entsprechen die Zielsetzungen des polnischen Vorsitzes in einigen Aspekten dem 2024 veröffentlichten "Draghi-Bericht". Dieser Bericht hat unter anderem die Notwendigkeit eines umfassenderen und kooperativen Ansatzes für die europäische Sicherheit hervorgehoben.

Polish Presidency of the EU Council – PARLIAMENTARY DIMENSION / 1 January – 30 June 2025

Die visuelle Identität der polnischen Ratspräsidentschaft

Das Logo der polnischen Präsidentschaft wurde von der jüngsten Geschichte Polens inspiriert. Es symbolisiert die Wiedergeburt der polnischen Demokratie und Zivilgesellschaft, erinnert an die Traditionen der Gewerkschaft Solidarność und markiert die Rückkehr Polens zum Mainstream der europäischen Debatte. Die polnische Flagge im Zentrum der Europäischen Union symbolisiert die Gegenwart und unterstreicht die Begeisterung der Polen für die EU sowie die Führungsrolle Polens in Bezug auf die europäische Integration. Das Logo wurde von Jerzy Janiszewski entworfen, dem Autor des 1980 geschaffenen Solidaritätssymbols sowie des Logos der polnischen Präsidentschaft 2011.

Das Logo des polnischen EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2025.

Terminübersicht

Folgende interparlamentarische Termine finden im Rahmen des polnischen Vorsitzes statt:

  • 26. bis 27. Jänner 2025: Treffen der Vorsitzenden der Europaausschüsse (COSAC) in Warschau
  • 17. bis 18. Februar 2025: Europäische Parlamentarische Woche 2025 und Interparlamentarische Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU in Brüssel
  • 23. bis 24. Februar 2025: Treffen des Gemeinsamen Parlamentarischen Kontrollausschusses für Europol in Warschau
  • 23. bis 25. März 2025: Interparlamentarische GASP/GSVP-Konferenz in Warschau
  • 13. bis 14. April 2025: Interparlamentarische Konferenz in Warschau (Thema steht noch nicht fest)
  • 18. bis 19. Mai 2025: Interparlamentarische Konferenz zum Thema "Herausforderungen für die
    Gesundheitssicherheit in der EU in Warschau
  • 8. bis 10. Juni 2025: LXXIII. COSAC in Warschau

Neue EU-Kommission im Amt seit 1. Dezember 2024

Am 27. November 2024 stimmte das Plenum des EU-Parlaments über die Zusammensetzung der neuen EU-Kommission ab und nahm diese mit 370 Ja-Stimmen an (282 Nein-Stimmen, 36 Enthaltungen). Zuvor, zwischen dem 4. und dem 12. November, führten die Ausschüsse die Hearings mit den designierten EU-Kommissar:innen durch. Von den 27 (inkl. EK-Präsidentin) nominierten Kommissar:innen sind 14 der EVP zuzuordnen, 5 Renew, 4 S&D, 1 EKR, und 3 sind als fraktionslos anzusehen. Das Kollegium setzt sich aus insgesamt 11 Frauen und 16 Männern zusammen.

Die Prioritäten der neuen EU-Kommission beruhen auf den von EK-Präsidentin von der Leyen im Juli präsentierten politischen Leitlinien und umfassen folgende Schwerpunkte: 1) Ein neuer Plan für nachhaltigen Wohlstand und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit in Europa, 2) eine neue Ära für die europäische Verteidigung und Sicherheit, 3) Menschen unterstützen, unsere Gesellschaften und unser Sozialmodell stärken, 4) Lebensqualität erhalten: Ernährungssicherheit, Wasser und Natur, 5) Demokratie schützen und unsere Werte wahren, 6) Europa in der Welt: unseren Einfluss und unsere Partnerschaften nutzen, 7) Gemeinsam handeln und die Zukunft unserer Union vorbereiten.

Wie aus den Mandatsschreiben der neuen Kommissar:innen hervorgeht, soll die Arbeitsweise der EU-Kommission auf kollegialer Zusammenarbeit beruhen und die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger stärker berücksichtigen. Dies soll unter anderem durch folgende Grundsätze umgesetzt werden:

  • Verstärkung der Beziehungen zu den anderen EU-Organen (Präsenz im EP; Zusammenarbeit mit den MS; Anwesenheit in den Ratsformationen);
  • Stärkere Präsenz der Kommissar:innen in den Mitgliedstaaten (auch in den nationalen Parlamenten)
  • Aktive Kommunikation der Kommissar:innen zu den Vorteilen von EU-Maßnahmen;
  • Organisation von jährlichen jugendpolitischen Dialogen zur Einbindung junger Menschen;
  • Dauerhafte Kultur der partizipativen Demokratie zur Erhöhung der Bürgerbeteiligung u. a. durch ein Europäisches Bürgerforum;
  • Ausgewogenheit bei Geschlechterverhältnis und geographischer Herkunft in den Kabinetten der Kommissar:innen;

Die Zusammensetzung der neuen EU-Kommission kann hier abgerufen werden: Kollegium der Kommissionsmitglieder - Europäische Kommission

Magnus Brunner (EVP), EU-Kommissar für Inneres und Migration, beim Hearing vor dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Europäischen Parlament.

Interparlamentarischer Austausch über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU in Budapest von 3. bis 4. Oktober 2024

Vom 3. bis 4. Oktober 2024 fand im Rahmen der parlamentarischen Dimension des ungarischen Ratsvorsitzes die Interparlamentarische Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU (Fiskalpaktkonferenz) in Budapest statt. Für das österreichische Parlament nahmen die Abgeordneten Andreas Minnich (ÖVP), Manfred Hofinger (ÖVP), Kai Jan Krainer (SPÖ), Hubert Fuchs (FPÖ) und Nina Tomaselli (Grüne) teil. Im Rahmen einer Debatte zum Thema "Wettbewerbsvorteile durch das Aufkommen von Elektroautos in der EU und die erforderlichen Vorbereitungen für die Entscheidungsfindung" betonte Péter Cseresnyés, Obmannstellvertreter des ungarischen Ausschusses für Wirtschaft die Notwendigkeit, die Verkehrssysteme nachhaltig zu gestalten, um weiterhin eine bestmögliche Lebensqualität sicherstellen zu können. Péter Kaderják, Geschäftsführer des ungarischen Batterieverbandes, erläuterte, dass Ungarn den Fokus auf E-Mobilität sowie deren weitere Attraktivierung für die Bevölkerung setze und bei der Batteriezellenentwicklung bis 2030 auf einen Anteil von rund 20% innerhalb der EU kommen wolle. Máté Lóga, Staatssekretär für Wirtschaftsstrategie, Finanzressourcen und makroökonomische Analyse des ungarischen Ministeriums für nationale Wirtschaft, sah Nachhaltigkeit als Leuchtturm, um bis 2050 erster klimaneutraler Kontinent werden zu können. Im anschließenden Meinungsaustausch der Teilnehmer:innen wurde auf die jeweilige Lage in den Mitgliedstaaten Bezug genommen. In einer weiteren Session wurde "Die Reform des Rahmens der wirtschaftspolitischen Steuerung" behandelt. In der Debatte wurde der Abbau von Bürokratie und eine Reduktion von Defiziten als prioritär angesehen und gleichzeitig betont, wie wichtig mehr Investitionen zur Meisterung der gemeinsamen Herausforderung seien. Die letzte Session behandelte "Die Auswirkungen des EU-Haushalts für Kohäsionspolitik auf den mehrjährigen Finanzrahmen", wobei Zoltán Tessely, Vorsitzender des ungarischen Ausschusses für europäische Angelegenheiten, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira undTibor Navracsics, Minister für öffentliche Verwaltung und regionale Entwicklung in Ungarn Einleitungsstatements hielten. Im Meinungsaustausch sprachen sich die Teilnehmer:innen für Solidarität und mehr Flexibilität aus, um gezielter auf Probleme reagieren zu können.

v. l. n. r.: NR-Abgeordnete Andreas Minnich (ÖVP), Hubert Fuchs (FPÖ), Manfred Hofinger (ÖVP), Kai Jan Krainer (SPÖ) und Nina Tomaselli (Grüne)

Prioritäten des ungarischen EU-Vorsitzes, Wechsel der EU-Gesetzgebungsperiode und demografische Fragen im Fokus der Konferenz der Europausschüsse

Im Rahmen der parlamentarischen Dimension des ungarischen EU-Ratsvorsitzes fand von 27. bis 29. Oktober 2024 die LXXII. COSAC (Konferenz der Europausschüsse) in Budapest statt. Für das österreichische Parlament nahmen die Abgeordneten Dagmar Belakowitsch (FPÖ) und Wolfgang Gerstl (ÖVP) sowie die Bundesräte Christian Buchmann (ÖVP) und Stefan Schennach (SPÖ) teil.

Erste Sitzung

Zum ersten Themenschwerpunkt, der sich mit den Prioritäten des ungarischen EU-Ratsvorsitzes beschäftigte, erläuterte János Boka, Minister für EU-Angelegenheiten, die aktuelle (geo)politische Lage, die im Gegensatz zum ersten EU-Vorsitz Ungarns 2011 viel komplizierter sei. An Herausforderungen nannte er den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, den Konflikt im Nahen Osten, das große Ausmaß an illegaler Migration sowie den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Er forderte rasche und entschlossene Maßnahmen wie beispielsweise die Verringerung des Verwaltungsaufwandes, die Reform des EU-Strommarktes, die Verstärkung der Kapitalmarktunion sowie eine angepasste Handelspolitik. Boka sprach sich für einen raschen EU-Beitritt der Westbalkanländer aus. Viele Kandidatenländer erfüllen die technischen Voraussetzungen, es fehle aber politischer Konsens der Mitgliedstaaten. In der anschließenden Debatte thematisierte Abgeordnete Belakowitsch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und forderte, jeden Versuch zu unternehmen, um Frieden zu erreichen. Zum Thema illegale Migration sah sie die Gefahr, dass ohne Maßnahmen die Bevölkerung nicht mehr mit der Politik mitgehen.

BR Buchmann betonte, dass die Grundlage einer starken Union die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaft seien, wobei KMU besonders berücksichtigt werden müssten. BR Schennach betonte, es sei wichtig, die eingeforderte Solidarität und Verpflichtungen zu erfüllen – auch im Hinblick auf die Achtung der gemeinsamen Werte. Er kritisierte die Reise des ungarischen Premierministers nach Georgien, wo kürzlich Wahlen stattgefunden hatten und das EU-kritische Lager als Gewinner hervorgegangen war.

Zweite Sitzung

Die zweite Session behandelte die Lage der EU im Lichte des Wechsels der Gesetzgebungsperiode sowie des 15-Jahresjubilämus des Abschlusses des Lissabonner Vertrages. EK-Vizepräsident Maroš Šefčovič, der Staatssekretär im ungarischen Europaministerium Barna Pál Zsigmond, der Vorsitzende des EP-Ausschusses für konstitutionelle Fragen Sven Simon sowie der Vorsitzende des Ausschusses für EU-Politiken der italienischen Abgeordnetenkammer, Alessandro Giglio Vigna hielten einleitende Wortmeldungen. Zsigmond bezeichnete den EU-Beitritt Ungarns 2004 damals wie heute als alternativlos – dabei gehe es aber auch darum, die EU zu verändern. Simon unterstrich, dass Krisen nur gemeinsam gelöst werden können und sah Verbesserungspotential im Subsidiaritätsprüfungsverfahren. Giglio Vigna kritisierte die Ausweitung der EU-Zuständigkeiten durch den Lissabonner Vertrag, sowie, dass der Anteil von Verordnungen gegenüber Richtlinien sukzessive angestiegen sei – die Souveränität der EU-Mitgliedstaaten erodiere. Abg. Belakowitsch erklärte in ihrer Wortmeldung, dass sich die EU in den letzten 15 Jahren sehr verändert habe – sie sei zur Schuldenunion geworden und eine weitere Abschaffung der Einstimmigkeit im Rat stehe im Raum. Doch brauche man vielmehr ein Europa, dass die Europäer unterstützt. BR Schennach unterstrich, dass die 15 Jahre Lissabonner Vertrag die EU demokratischer gemacht haben. Dennoch gebe es Raum für Verbesserungen, zu denen das österreichische Parlament in den letzten Jahren Vorschläge vorgebracht hätte, wie beispielsweise eine Verringerung delegierter Rechtsakte oder die Verlängerung der Frist für die Subsidiaritätsprüfung.

v. l. n. r.: BR Stefan Schennach (SPÖ), NR-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ), BR Christian Buchmann (ÖVP) und NR-Abgeordneter Wolfgang Gerstl (ÖVP)

Dritte Sitzung

Die dritte Session thematisierte europäische demographische Trends und Antworten auf nationaler und EU-Ebene. Zsófia Koncz, Staatssekretärin im Kultur-und Innovationsministerium, erläuterte die Maßnahmen und Erfolge der ungarischen Familienpolitik, die seit 2010 eine Priorität darstelle. Die vierte Session behandelte die europäische Sicherheit und Verteidigung. EP-Vizepräsident Esteban Gonzáles Pons (EPP) betonte, dass die europäischen Werte und Rechtsstaatlichkeit auf dem Prüfstand seien und die EU weder Feind noch Konkurrent der EU-Mitgliedstaaten im Bereich Sicherheit und Verteidigung sei. Die fundamentale Frage sei, ob die EU Player oder im schlimmsten Fall nur das "Schachbrett" sein will. Péter Sztáray, Staatssekretär im ungarischen Außen- und Handelsministerium, verwies auf die geopolitischen Entwicklungen (Ukraine, Naher Osten, Klimawandel), für die man gemeinsame Instrumente finden müsse. Dabei habe er den Eindruck, dass immer weniger rational diskutiert wird. Zum Krieg gegen die Ukraine meinte der Staatssekretär, man sei einig, dass Russland Aggressor gegenüber der Ukraine ist. Bei der Lösung habe Ungarn aber andere Konzepte, denn es gebe keine militärische Lösung, vielmehr müssen beide Parteien zum Verhandlungstisch finden. Abg. Belakowitsch betonte, Österreich nehme vor dem Hintergrund der zahlreichen Herausforderungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung eine aktive friedenstiftende Rolle als neutraler Staat ein. Sie forderte einen Fokus auf umfassende Sicherheit, die militärische, energiewirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte beinhaltet. Schließlich bedeute Sicherheit im Innern auch eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich Asyl und Migration. Abgeordnete Gerstl sah die globale Sicherheit in einem Transformationsprozess von einer bipolaren zu einer multipolaren Welt. Die Digitalisierung werde von militärischem Aktionismus begleitet, China rüstet auf. Die transatlantischen Beziehungen müssten nach den Wahlen in den USA (5. November 2024) womöglich neu bewertet werden. Die EU müsse jedenfalls in der Lage sein, auch ohne den USA einen kriegerischen Angriff abzuwehren.

Interparlamentarische Ausschusstreffen in Brüssel beleuchten ein breites Themenspektrum

Parlamentarischer Austausch über die Tätigkeit von Europol am 12. November 2024

Für das österreichische Parlament nahmen am Treffen des Gemeinsamen Parlamentarischen Kontrollausschusses für Europol am 12. November Abg. Werner Herbert (FPÖ), Abgeordnete Reinhold Maier (FPÖ) und Abgeordnete Wolfgang Gerstl (ÖVP) teil. Das Treffen befasste sich mit den Europol-Aktivitäten von März bis November 2024 sowie einem Bericht des Europäischen Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowski, der die im letzten Halbjahr durchgeführten Prüftätigkeiten seiner Behörde erläuterte. Thematisiert wurden außerdem die Europol-Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Weitere Tagesordnungspunkte behandelten die Themen "Notwendigkeit, Sicherheitsbedrohungen wie den Anschlag von Solingen durch die Bekämpfung der illegalen Migration zu verhindern" sowie "Der Kampf gegen Cyberkriminalität, insbesondere gegen Verbrechen, die künstliche Intelligenz nutzen".

v. l. n. r.: NR-Abgeordnete Wolfgang Gerstl (ÖVP), Werner Herbert (FPÖ) und Reinhold Maier (FPÖ)

Parlamentarischer Austausch über die Tätigkeit von Eurojust am 2. Dezember 2024

An diesem Treffen nahmen für das österreichische Parlament die stellvertretende Vorsitzende des EU-Unterausschusses des Nationalrates, Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ), teil.

Michael McGrath, der neue EU-Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit, hatte seinen ersten offiziellen Auftritt im Rahmen eines Ausschusstreffens. Er hob die zentrale Rolle von Eurojust bei der Bekämpfung grenzüberschreitender schwerer Verbrechen hervor. Letztes Jahr habe Eurojust mehr als 13.000 Fälle betreut, weiters zu mehr als 4.200 Festnahmen und zum Einfrieren knapp 1 Mrd. Euro beigetragen. Seit dem Krieg gegen die UA sorge Eurojust auch dafür, dass Verbrechen in der UA dokumentiert werden. Die organisierte Kriminalität nehme immer mehr zu. Vor diesem Hintergrund müsse das Mandat von Eurojust gestärkt werden. Der Österreicher Michael Schmid, seit 15. November 2024 Präsident von Eurojust, gab in seinem Redebeitrag einen Überblick über den Jahresbericht 2023 von Eurojust. Die steigende Zahl der bearbeiteten Fälle spiegle nicht nur die zunehmende Komplexität der grenzüberschreitenden Kriminalität wider, sondern auch das wachsende Vertrauen in das Fachwissen der Agentur. Ein weiterer Tagesordnungspunkt behandelte den Kampf gegen organisierte Kriminalität und Drogenhandel. Der Vizepräsident von Eurojust, Boštjan Škrlec und José de la Mata Amaya, Mitglied des Eurojust-Kollegiums für Spanien erläuterten aktuelle Herausforderungen und rezente Erfolge. Der letzte Tagesordnungspunkt widmete sich dem Krieg gegen die Ukraine. Margarita Šniutytė-Daugėlienė, Vizepräsidentin von Eurojust erläuterte die Tätigkeit des Gemeinsamen Ermittlungsteams, das eine enge Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Parteien sowie den raschen Austausch von Beweismitteln, sowie die rechtliche, analytische, logistische und finanzielle Unterstützung von Eurojust ermögliche. Myroslava Krasnoborova, Verbindungsstaatsanwältin für die Ukraine, erläuterte die Rolle des Internationalen Zentrums für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine (ICPA). Das im Juli 2023 eingerichtete Zentrum zielt darauf ab, Beweise für Aggressionsverbrechen im Hinblick auf künftige Strafverfolgungsmaßnahmen zu sammeln und zu analysieren.

Digitalisierung der Justiz und europäische Zusammenarbeit im Fokus

Am interparlamentarischen Ausschusstreffen des JURI-Ausschusses zum Thema "E-Recht: Lessons learned aus nationaler Perspektive" im Europäischen Parlament am 4. Dezember 2024 in Brüssel nahm seitens des österreichischen Parlaments Abgeordneter Hannes Amesbauer (FPÖ) teil.

Nils Behrndt, stellvertretender EK-Generaldirektor für Digitale Transformation, Justiz und Verbraucher, betonte in seiner Einleitung die Chancen, aber auch Risiken dieser Thematik, wobei es gelte, letztere zu identifizieren und einzuschränken. Nach Verabschiedung der Verordnung für die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit Ende des Jahres 2023 gelte es nun, bis Ende 2025 eine Strategie zu entwickeln. Dabei sollten unter anderem Fragen wie die Schaffung von EU-Instrumentarien für die Justiz, die sichere Nutzung von Künstlicher Intelligenz und gemeinsame Ideen für die Finanzierung beachtet werden. Anschließend berichtete der estnische Abgeordnete Kalle Laanet über die Erfahrungen Estlands im Bereich der Digitalisierung der Justiz in Zivil- und Handelssachen. Im daran anschließenden Block "Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation der Justiz in Zivil- und Handelssachen - Perspektiven der nationalen Parlamente und der EU" erläuterten Daniel Florea, Mitglied der rumänischen Abgeordnetenkammer sowie Lazaros Tsavdaridis, Mitglied des hellenischen Parlaments die Gegebenheiten in ihrem Land. Einhelliger Tenor in der Debatte war, dass menschliche Entscheidungen in der Justiz keinesfalls durch KI und Digitalisierung ersetzt werden dürften.

Abgeordnete tauschen sich aus über Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die Rolle der Zivilgesellschaft am 12. Dezember 2024

Am 12. Dezember fand ein interparlamentarisches Ausschusstreffen mit dem Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EP (LIBE) statt. Für das österreichische Parlament nahmen Abg. Wolfgang Gerstl (ÖVP) sowie die Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring (FPÖ) und Elisabeth Kittl (Grüne) teil.

Der erste Tagesordnungspunkt beleuchtete die Lage der Rechtsstaatlichkeit im Jahr 2023. Der Vorsitzende des EP-LIBE Ausschusses Javier Zarzalejos hob den Einsatz und die Forderungen des EP zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit hervor. Der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus der EU-Kommission könnte ehrgeiziger sein und einen breiteren Anwendungsbereich umfassen. Der neue EU-Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit Michael McGrath bezeichnete die Rechtsstaatlichkeit als einen der Kernwerte der EU, die notwendig sei für den Schutz aller anderen EU-Werte. Er erläuterte die Werkzeuge der EK, darunter den Rechtsstaatlichkeitsbericht. Dieser sei ein präventives Instrument, um Entwicklungen in der Frühphase aufzudecken. Die EK habe festgestellt, dass der Bericht in einigen MS positive Reformen angestoßen habe. Er hob die Rolle der nationalen Parlamente bei der Beachtung der EU-Werte und besonders der Rechtsstaatlichkeit hervor. Claire Bazy Malauire, Präsidentin der Venedig-Kommission des Europarates erläuterte die Tätigkeit der Venedig-Kommission. Aus der aktuellen Arbeit sei festzustellen, dass die Rechtsstaatlichkeit zunehmend in unterschiedlichen Ausprägungen bedroht sei. Normalerweise sollte sich das justizielle und politische System selbst regulieren, was oftmals nicht mehr ausreiche, um Resilienz und Demokratie zu schützen. Laurent Pech konstatierte der EU eine Aushöhlung von Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten, was nicht zuletzt auf den mangelnden politischen Willen, alle Rechtsstaatlichkeitsinstrumente auszunützen, zurückzuführen sei. Die EU verfüge über genügend brauchbare Instrumente, es mangle jedoch an deren Durchsetzung. 

BR Kittl verwies in ihrer Wortmeldung auf die Wichtigkeit der aktiven Beobachtung demokratischer Institutionen, gerade wenn rechte Parteien in der EU gewinnen. Sie beschrieb außerdem Reformen, die die bisherige österreichische Regierung in Angriff genommen habe, wie beispielsweise die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Der zweite Tagesordnungspunkt widmete sich dem Thema "Checks and Balances als Pfeiler der Rechtsstaatlichkeit - wie können die Organisationen der Zivilgesellschaft zu diesem Pfeiler der Rechtsstaatlichkeit beitragen?" Gabriel Toggenburg, Vertreter der EU-Grundrechteagentur, gab sich besorgt über zunehmende Angriffe auf zivilgesellschaftliche Organisationen. Er bemängelte, dass die EU keinen Monitoringmechanismus habe, um den zivilgesellschaftlichen Raum zu beobachten. Michael Hamilton, Amnesty International erläuterte anhand eines rezenten Berichts zum Versammlungsrecht, dass viele nationale Gesetze das Versammlungsrecht überregulieren, indem sie weite Ermessensbefugnisse, unzulässige Beschränkungsgründe, bürokratische Verfahren und belastende Verbindlichkeiten schaffen. Sylwia Gregorzyk-Abram hob die Bedeutung der polnischen Zivilgesellschaft im Zusammenhang mit dem Regierungswechsel in PL hervor. Sie erläuterte die Tätigkeit der von ihr mitbegründeten NGO Free Courts Initiative. András Léderer gab einen Einblick über die Situation in HU, wo er für das ungarische Helsinki Komitee arbeite.

Dem Zeitplan für den Rechtsstaatlichkeitsdialog im Rat folgend, waren Parlamentarier:innen jener vier Mitgliedstaaten (Österreich, Malta, Polen, Niederlande), deren länderspezifische Debatte im zweiten Halbjahr 2024 stattfanden, eingeladen, die Situation in ihrem Land zu beschreiben. In diesem Zusammenhang erläuterte BR Spanring, dass Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit miteinander verbunden seien und die Grundlage für das Vertrauen der Bürger in den Staat und dessen Institutionen bilden. Österreich könne auf seine starke Zivilgesellschaft stolz sein. Die Corona-Pandemie habe jedoch das Vertrauen in den Rechtsstaat verletzt. Auf EU-Ebene werde der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus als politisches Druckmittel herangezogen, um Mitgliedstaaten zu bestrafen, die sich gegen den Willen der EK stellen.

Interparlamentarisches Ausschusstreffen mit dem Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EP (LIBE).