RN/42
12.26
Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zu Beginn zu meinem Vorredner: Anscheinend kann die FPÖ nichts anderes, als Opfer zu sein. Anders kann ich seine Rede nicht interpretieren. (Beifall bei ÖVP, NEOS und Grünen sowie des Abg. Oxonitsch [SPÖ]. – Abg. Martin Graf [FPÖ]: Wenn man intellektuell so schmalspurig aufgestellt ist, dann kann man sich ...!)
Bevor ich ins Detail gehe, gleich zu Ihrer Information, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ: Wir sind auf die FPÖ zugegangen, wir haben diesen Schulterschluss versucht. (Abg. Stefan [FPÖ]: Was?!) Wir sind auch zum Herrn Präsidenten gegangen (Abg. Stefan [FPÖ]: Nachher! Nach dem Ausschuss!) und haben das Gespräch mit ihm gesucht. (Abg. Stefan [FPÖ]: Und was hat er gesagt?) Sie hätten jede Möglichkeit gehabt, auch einen Alternativvorschlag einzubringen, auch der Herr Präsident selbst.
Aber bevor ich ins Detail über die Rolle des Herrn Präsidenten Rosenkranz komme, möchte ich für die Zuseherinnen und Zuseher noch ein bisschen ausführen: Was ist die Aufgabe des Nationalfonds und seit wann gibt es ihn? – Es gibt ihn seit 1995. Er ist für die Opfer des Nationalsozialismus eingerichtet und sein Ziel war und ist, das Leid der unter dem NS-Regime verfolgten Menschen anzuerkennen und Maßnahmen zur Wiedergutmachung zu setzen. Dazu gehören finanzielle Leistungen, aber auch Unterstützungen von Filmen, Broschüren, Ausstellungen, Gedenkfeiern und die Betreuung der österreichischen Ausstellung in Auschwitz-Birkenau, aber auch die der Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte hier in Wien. Insgesamt unterstützt der Nationalfonds rund 2 950 Projekte. Heuer werden damit schwerpunktmäßig Projekte gefördert, die der Identifikation und Bekämpfung der Desinformation in Onlinemedien dienen.
Nun zum Präsidenten, im Nationalfonds spielt der Nationalratspräsident eine ganz besondere Rolle: Er steht an der Spitze des Kuratoriums, das das oberste Organ des Nationalfonds bildet. Er spielt auch eine wesentliche Rolle bei der Bestellung des Vorstandes und er trägt auch große Verantwortung bei der Abwicklung des Simon-Wiesenthal-Preises. Der Nationalfonds ist beim Nationalrat eingerichtet, und das ist nicht selbstverständlich, denn es wäre eigentlich ein Akt der Vollziehung und nicht ein Akt der Gesetzgebung, aber 1995 wollte man damit ganz besonders zum Ausdruck bringen, dass sich der Nationalrat – das oberste Organ des österreichischen Volkes, die Volksvertretung – mit der Einrichtung des Fonds und seiner Zielsetzung verantwortlich zu fühlen hat. Das ist der Grund, warum er da ist: diese große Verantwortung für ganz Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)
Jetzt noch zu den Personen im Nationalfonds: Wie man den Erläuterungen zur Beschlussfassung für das Nationalfondsgesetz auch entnehmen kann, sollen die Personen im Fonds – ich zitiere jetzt wörtlich – „gleichsam das ‚moralische Gewissen‘ Österreichs repräsentieren“. Nun fasste das Präsidium der Israelitischen Kultusgemeinde im November 2024 den Beschluss, so lange nicht an Sitzungen des Kuratoriums teilzunehmen, solange diese von Walter Rosenkranz geleitet werden.
Nun kann dies von Ihrer Seite, Herr Präsident Rosenkranz, als ungerecht empfunden werden. Tatsache ist jedoch, dass Sie Mitglied der Burschenschaft Olympia sind, die laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Verbindungen zum organisierten Neonazismus hat. (Abg. Darmann [FPÖ]: Fake News! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das stimmt ja nicht einmal! – Abg. Stefan [FPÖ]: Nicht einmal das stimmt! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Schlecht recherchiert, Herr Kollege!) Weiters schrieben Sie mehrfach für die rechtsextreme Zeitschrift „Aula“. 2009 bezeichneten Sie in einem Sammelband mehrere Nationalsozialisten als Leistungsträger, darunter einen Staatsanwalt, der 1945 über 40 politische Häftlinge erschießen ließ.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben uns 1995 einstimmig zur Verantwortungsübernahme gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus verpflichtet. Ich appelliere daher auch heute an alle Parteien hier im Haus, bei der heutigen Änderung des Nationalfondsgesetzes einstimmig vorzugehen.
Sehr geehrter Herr Präsident Rosenkranz, ich schätze es sehr, dass Sie in Ihrer Antrittsrede gesagt habe, nicht anzustehen, „als Person zur Seite zu treten und nicht aus Bestemm oder Eitelkeit die Teilnahme“ von Opferverbänden zu behindern. Leider haben Sie Ihren Worten bis jetzt keine Taten folgen lassen. Nachdem Ihnen die Parlamentsdirektion bestätigt hat, dass eine Vertretung nicht für alle Positionen derzeit rechtlich möglich ist, für die es aber notwendig wäre, sind Sie selber auch nicht tätig geworden. Sie haben keine entsprechende Novelle vorgeschlagen.
Seit November des letzten Jahres liegt aber ein Antrag der Grünen vor, der Ihre Abwahl als Vorsitzender des Kuratoriums vorsieht. Wir haben daraufhin viele Gespräche aufgenommen, von allen Parteien und mit allen Parteien: SPÖ, NEOS, Grüne, ÖVP, auch unter Einbeziehung der Freiheitlichen Partei, auch wenn es nur kurz war. Wir haben einen neuen Vorschlag erarbeitet, dieser wird in der Zwischenzeit von vier Parteien befürwortet, und in diesem Vorschlag sind wir ganz bewusst auf Ihre Antrittsrede, Herr Präsident Rosenkranz, eingegangen. Das war auch mir, Herr Präsident, ein besonders wichtiges Anliegen, weil ich Sie beim Wort nehmen möchte. Gerade auch weil Sie kommuniziert haben, dass die derzeitige gesetzliche Regelung nicht ausreicht, um Ihnen ein generelles Zurseitetreten zu ermöglichen, war es mir so wichtig, diese Änderung am Vorschlag der Grünen noch vorzunehmen.
Ich weiß, es ist Ihnen nicht recht, Herr Präsident, dass wir damit auch eine Möglichkeit für den Fall schaffen, dass Sie Ihrer Ankündigung nicht entsprechen. Aber verstehen Sie: Ihre Ankündigung, die Geschäfte des Nationalratspräsidenten so verantwortungsbewusst wie Ihre Vorgänger fortzuführen, ist leider nicht mehr glaubwürdig. Ich erinnere daran: Staatsbesuch von Ministerpräsident Orbán, an dem nur Sie und Ihr freiheitlicher Parteiobmann Kickl teilnehmen durften. Mindestens genauso verstörend war die Tatsache, dass bei diesem Staatsbesuch erstmals keine EU-Fahne im Hohen Haus aufgestellt war.
Ich könnte jetzt auch noch über die Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft gegenüber freiheitlichen Abgeordneten, deren hausinterne Zustellung an alle Fraktionen eine ungewöhnliche lange Zeit benötigte (Abg. Fürst [FPÖ]: Geh!), oder über Ihren Büroleiter Schimanek sprechen, den Sie bis vor Kurzem noch als „integre Persönlichkeit“ bezeichnet und dem Sie ein Vertrauen von über 100 Prozent ausgesprochen haben. Dabei ging es um nicht weniger als um den Fund von NS-Devotionalien und 30 Kilogramm Munition an seinem Hauptwohnsitz und die Verbindung zu einer rechtsextremen Gruppierung. Mehrere Aussagen von Herrn Schimanek offenbaren gelinde gesagt ein erschreckendes Geschichtsbewusstsein. – Aus all diesen Gründen ist unser Vertrauen in Ihre Amtsführung erschüttert. Daher sieht unser Gesetzesvorschlag auch eine Möglichkeit zur Abwahl vor.
Im Sinne Ihrer Glaubwürdigkeit und der Verpflichtung, dass ganz Österreich seiner historischen Verantwortung nachkommt, appelliere ich in zweifacher Weise: erstens an die FPÖ, dem vorliegenden Gesetzesvorschlag zuzustimmen, um in dieser so wichtigen Angelegenheit weiterhin Einstimmigkeit zu zeigen; zweitens appelliere ich an den Nationalratspräsidenten Dr. Walter Rosenkranz, seine Ankündigung wahrzumachen und freiwillig zur Seite zu treten.
Herr Präsident, Sie entscheiden, ob Sie Teil des moralischen Gewissens Österreichs oder nur der FPÖ sind. Gerade weil Ihr Parteiobmann Herbert Kickl bei seinen seltenen Auftritten im Österreichischen Rundfunk immer bewusst und überlaut „Grüß Gott“ sagt, schließe ich mit dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 7, Vers 15 bis 20: „Hütet euch vor den falschen Propheten“ (Abg. Martin Graf [FPÖ]: Ja!), „sie kommen zu euch in Schafskleidern, im Inneren aber sind sie reißende Wölfe.“ Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie erkennen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Stefan [FPÖ]: Zum Beispiel? Zum Beispiel welche Taten jetzt?)
Der Herr Präsident - - (Abg. Stefan [FPÖ]: Welche Taten jetzt?) – Sie fragen mich, an welchen Taten wir Sie erkennen? Der Herr Präsident kann seine Aussage, dass er zur Seite tritt, wahrmachen. Wir werden es in Kürze sehen. (Abg. Stefan [FPÖ]: Aber das ist der reißende Wolf? Der reißende Wolf sagt, er tritt zur Seite? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ]. – Abg. Darmann [FPÖ]: Da schämt sich sogar Ihre Fraktion für die Rede!)
Ich darf jetzt noch einen Abänderungsantrag einbringen, der notwendig ist, um die Geschäfte des Fonds auch personell entsprechend abzuwickeln:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 16/A der Abgeordneten Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (41 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (16/A) in der Fassung des Berichts des Verfassungsausschusses (41 d.B.), wird wie folgt geändert:
1. (Verfassungsbestimmung) Z 1 lautet:
„1. (Verfassungsbestimmung) § 3 Abs. 4 lautet:
„(4) (Verfassungsbestimmung) Die Verwaltung des Fonds wird unter Leitung des Vorsitzenden des Kuratoriums bei der Parlamentsdirektion geführt. Der Präsident des Nationalrates stellt auf Vorschlag des Vorsitzenden des Kuratoriums das hierfür notwendige Personal dem Fonds zur Verfügung. Bei ihrer Tätigkeit für den Fonds sind die Bediensteten der Parlamentsdirektion fachlich an die Weisungen des Vorsitzenden des Kuratoriums gebunden. Der Fonds kann die Abwicklung von Leistungen, die von ihm zuerkannt werden, auch dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz übertragen.““
Begründung
In § 3 Abs. 4 sollen die beiden Sätze „Der Präsident des Nationalrates stellt auf Vorschlag des Vorsitzenden des Kuratoriums das hierfür notwendige Personal dem Fonds zur Verfügung. Bei ihrer Tätigkeit für den Fonds sind die Bediensteten der Parlamentsdirektion fachlich an die Weisungen des Vorsitzenden des Kuratoriums gebunden.“ eingefügt werden, um sicherzustellen, dass auch im Falle, dass keine Personenidentität zwischen Nationalratspräsident und Kuratoriumsvorsitzenden gegeben ist, der Fonds bei seiner Aufgabenbewältigung durch die Parlamentsdirektion so wie bisher personell unterstützt wird.
Der Antrag wird von meiner Wenigkeit, Muna Duzdar, Nikolaus Scherak, Lukas Hammer und Sabine Schatz eingebracht. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, NEOS und Grünen.)
12.37
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (AA-10)
Präsident Peter Haubner: Danke vielmals.
Der eingebrachte Abänderungsantrag wurde verlesen (Abg. Darmann [FPÖ]: ... nicht zugehört haben!), ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.
Wir kommen zur nächsten Rednerin: Frau Abgeordnete Muna Duzdar. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.