RN/4
9.07
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke, Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Geschätzte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens einmal möchte ich, weil ich hier im Haus noch nicht die Gelegenheit hatte, dem Herrn Bundesminister für Finanzen für seine langjährige wirtschaftswissenschaftliche, aber auch wirtschaftspolitische Arbeit meine Anerkennung, fast ein Lob aussprechen. Ich sage das deshalb, weil ja auch im einen oder anderen Medium, angeheizt durch den einen oder anderen, im parteipolitischen Getöse Zweifel angemeldet wurden. Ich würde dem massiv widersprechen, weil ich auch glaube, dass er pragmatische Wirtschaftspolitik können wird. Das ist aber dann die nächste Herausforderung. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Gleich zu den Herausforderungen: Ja, Österreich steckt in wirtschaftlichen und damit in finanziellen und damit in budgetären Schwierigkeiten. Daran gibt es überhaupt nichts herumzudeuteln. Gleichzeitig ist es aber so, dass Österreich immer noch lange zu den reichsten und auch zu den fähigsten und damit zu den zukunftsreichsten Ländern der Europäischen Union gehört. Es besteht also kein Grund, alles mieszumachen oder auch nur den Kopf in den Sand zu stecken (Abg. Wurm [FPÖ]: Ist das eine Entschuldigung, Werner?), sodass man dann gar nicht mehr heraussieht. – Ja, dass Sie da genau den Zwischenruf platzieren (Abg. Wurm [FPÖ]: Ja, ja!), das war ja eh einkalkuliert; danke fürs Einlösen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Wurm [FPÖ]: Schuldeingeständnis! – Ruf bei der FPÖ: Sie kennen ja nicht einmal den Namen vom Kollegen! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Er ist jetzt Satiriker geworden!) Das ist das, was Sie können. Sie haben ja eh auch mit dazu beigetragen, dass der eine oder andere Unsinn nach Brüssel geschickt wurde, und damit kann sich jetzt dieser Finanzminister herumschlagen, der ja so loyal war und gesagt hat: Na gut, wir werden uns daran halten!
Wir kommen der Sache aber eh schon näher, denn jetzt muss man sich natürlich fragen: Wenn das alles so ist, woher kommt das? (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die Schulden? – Grüne Regierungsbeteiligung! – Abg. Kickl [FPÖ]: Ich glaub’, die Grünen gehörten einmal renaturiert!) Und wohin gehen Lösungen? Es wird Sie jetzt nicht überraschen, dass ich den Titel dieser Aktuellen Stunde ein bisschen spezifiziere oder ihr, wenn man so will, sogar ein größeres Dach gebe, nämlich: Sinnvoll sparen und investieren versus im Zweifel unintelligent kürzen!
Woher kommt also die Situation? – Ja, Österreich ist vor allem ein exportorientiertes Land, die österreichische Wirtschaft ist exportorientiert (Ruf bei der FPÖ: 5 Jahre Schwarz-Grün! ...!), und wir sind in manchen Bereichen besonders abhängig, vor allem was Ressourcen von anderen Ländern betrifft. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Vielleicht haben wir zu viel ausgegeben, jetzt Jahre?) Das hat sehr viel zur Krise beigetragen – man darf ja fragen, wo es herkommt.
Die Wirtschaftskrise beziehungsweise die Prognosen, die gekommen sind, waren für die Jahre 2023, 2024, 2025 halt schon andere, und das erklärt ja auch den Gap – ich will nicht sagen, das Loch – in den Budgetplanungen. Das muss man einmal sehen. Die meisten Einschläge kommen ja nicht deshalb, weil Kollege Brunner so ein Gauner war und rechtzeitig nach Brüssel geflüchtet ist, wie Sie behaupten (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ach nicht?! Ah so!), sondern die kommen daher, dass die Prognosen nicht halten. (Abg. Wurm [FPÖ]: Aha!)
Jetzt darf man eh immer noch fragen, wo das herkommt (Abg. Wurm [FPÖ]: Aha, die Prognosen waren es! Gut! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ah die Prognosen sind jetzt schuld! Ah so!) – das tue ich, da kann man auch verantwortlich sein, weil es da um die Wirtschaftssituation geht. Das haben Sie ja im Budgetausschuss am Montag diskutiert. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aha, die Prognosen haben das Budget aufgefressen! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Stimmen die Prognosen beim Klimawandel?) Der Fiskalrat sagt das Gleiche, alle Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher: dass 1 Prozent weniger Wachstum – Wirtschaft – ein halbes Prozent mehr Budgetdefizit auslöst. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Und warum haben wir weniger Wachstum?) Das ist alles durchdiskutiert (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Warum haben wir so wenig Wachstum? – Abg. Kassegger [FPÖ]: Das wäre interessant!), das wollen wir nur einmal für das Protokoll abhaken.
Jetzt ist es natürlich so, dass wir in diese Lage gekommen sind – auch dazu haben Sie einen Beitrag geleistet – nicht nur wegen der Exportabhängigkeit, sondern auch, weil wir uns in einer unverantwortlichen Art und Weise – ich habe das oft genug gesagt und ich wiederhole es an jeder Stelle, denn da ist kein Frieden mit mir zu finden – in eine Gasabhängigkeit von Russland begeben haben, obwohl wir es schon längst hätten besser wissen müssen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurm [FPÖ]: Ach so! Die Russen, die waren es! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ah so!) Seit 2014 bis zum Schluss von 50 auf 90 Prozent – das ist ein wirtschaftspolitisches Verbrechen, und zwar nicht nur ein ökologisches, sondern ein wirtschaftspolitisches! (Abg. Wurm [FPÖ]: Die Russen waren es! Ein Wahnsinn!) Man kann sich doch nicht von einem Land so abhängig machen, noch dazu von einem solchen! Ich will da jetzt gar nicht wirtschaftsethisch oder irgendwie weiter moralisieren, das ist eine andere Frage. Das war einer der Hauptgründe, und deshalb ist es ja so gut, dass die Vorgängerbundesregierung es geschafft hat – danke, Leonore Gewessler –, dass wir bis 2026, 2027 – alles ist angerichtet – zu 100 Prozent aus dieser Gasabhängigkeit rauskommen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Dafür sind wir jetzt verschuldet! Gibt es da einen Zusammenhang?)
Wenn Sie das Risiko einpreisen, dann wird das auch zukünftig, mit dem Risikofaktor multipliziert, immer noch die teuerste Lösung sein. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in die Energiewende investieren – jetzt ziehe ich das vor –, wodurch mehr Unabhängigkeit rauskommt und damit mehr Sicherheit, damit mittelfristig eine günstigere Energie, und nachhaltig sowieso. Dann ersparen wir uns hinten raus die Strafzahlungen. Wenn wir die Regeln aus Brüssel schon so ernst nehmen, wie wir es tun, entlang dieser Budgetfragen, dann müssen wir sie auch in der Frage der Strafzahlungen für das Versäumen von Klimaschutzzielen ernst nehmen – und dann geht es wieder um Milliarden, und zwar nicht zu knapp, sondern um bis zu 9, 10 Milliarden Euro, das sagt Ihnen auch der Rechnungshof, immerhin ein Organ dieses Hauses. (Beifall bei den Grünen.)
Also, schauts drauf, das Ganze sehen, das ist das Plädoyer! Deshalb raus aus diesem Russengas!
Um richtig zu investieren, wenn wir schon dabei sind, sagen wir auch: Raus aus Öl und Gas, generell!, sagen wir: Gebäudesanierung! Da sind für jeden investierten Euro die meisten Arbeitsplätze drinnen, immer noch, und das bringt sehr, sehr viel. Wir haben ja im Hochbau die Krise und nicht im Tiefbau, das müssen Sie einmal sehen. Und wenn wir dort etwas tun wollen, dann muss man eben woanders hinschauen.
Was heißt jetzt: sinnvoll sparen versus unintelligent kürzen? – Natürlich sollen wir nicht bei diesen Förderungen ansetzen. Man kann sie umbauen, man kann sie dort oder da treffsicherer machen, was die Haushalte betrifft, keine Frage. Wir dürfen auch bei der Industrie nicht nachlassen – denn da geht es um die mittelfristige Glaubwürdigkeit –, dass die transformiert wird und dann die Chancen am Weltmarkt nutzen kann – vom grünen Stahl bis zu allem, was da dranhängt. Das sind die zukunftsorientierten Arbeitsplätze, um die es da geht, das sollten Sie mitnehmen.
Deshalb ist es auch umgekehrt verständlich – wenn wir jetzt schon sparen müssen; wir sind ja dafür, die Frage ist, wie viel und wo überall im Detail, aber dafür ist jetzt nicht ausreichend Zeit –, dass man grosso modo schon sagen kann: Wenn wir in der ökologischen Modernisierung der Wirtschaft und in der Klimaschutzpolitik nicht besonders intensiv auf Regeln setzen wollen – wofür, wogegen, muss ich eigentlich sagen, sich ja immer alle erheben –, dann wird man halt als Second-Best-Lösung, wie es heißt, auch mit Förderungen arbeiten müssen.
Wenn Sie die rausziehen, was wird passieren? – Die Wirtschaftskammer, die zuerst am anderen Ende unterwegs war, wo man immer darauf schauen muss, dass nicht wieder die Gasagenten, wie vorhin beschrieben, die Öllobbyisten und die Betonbarone aus- und eingehen und alleinig das Ruder übernehmen, genau diese Wirtschaftskammer hat Sekunden später geschrien – zu Recht! –, dass es da nicht nur um ein paar Tausend, sondern um viele Tausende Arbeitsplätze geht; allein in der ersten Runde, wenn wir beim Heizkesseltausch – da hängen ganz viele Gewerbe dran – rausgehen, und erst recht für das ganze Gebilde, Baunebengewerbe, wie vorhin beschrieben, und den Umbau der Industrie. Also da sehen wir, was es heißt, richtig zu investieren.
Und was heißt jetzt umgekehrt richtig sparen? – Ja, wenn wir schon diese Krisen haben – ich habe sie uns ja zugestanden – und sie im Übrigen nicht immer richtig bekämpft haben – ja, ich kann da selbstkritisch sein, wir hätten den Mietpreisdeckel früher gebraucht, ich sehe das richtig, denn dann wäre die Inflationsspirale nicht so angeheizt worden; die Auslöser waren dort, das muss man schon sehen –: Wo kann man dann aber sparen, denn ohne das wird es nicht gehen? Das wird die Finanzmärkte interessieren, das wird unsere Zinszahlungen beeinflussen: glaubwürdige, langfristige Pläne, deshalb müssen wir schon sparen, das ist richtig (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wo denn?), und nicht irgendwelche abstrakte Regeln. (Abg. Wurm [FPÖ]: Das ist ja sowas von intelligenzlos!) Das ist die Frage, weil einzig und allein die Zinszahlungen ausschlaggebend sind, was hier von Relevanz ist, genau wie es der Herr Finanzminister erklärt hat, genau wie es Professor Badelt sagt.
Also wenn schon ein Sparzwang da ist, ja, dann verstehe ich aber wirklich nicht mehr, warum man dort kürzen will – das ist aufgelegt, Frau Herr –, aber dort, wo es sinnvoll wäre, mit einer Dreifachdividende, bei den umweltschädlichen Subventionen, da passiert schon wieder nichts. (Abg. Shetty [NEOS]: Aber ihr habt schon mitregiert die letzten fünf Jahre, oder?) – Ja, wir haben auch nicht alles durchgesetzt, sonst wären sie eh schon weg, das stimmt. Wir wissen auch, woran es liegt: an der Wiedner Hauptstraße – aber deshalb muss man ja weiterkämpfen und sich durchsetzen wollen, und wir plädieren dafür.
Jetzt sind wir dort, wo wir noch hingehören. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Jetzt wissen wir es!) Es gehört jetzt endlich einmal Schluss gemacht mit diesem Dieselprivileg, mit dem Dienstwagenprivileg (Beifall bei den Grünen), und auch die Pendlerpauschale darf man einmal so organisieren, dass diejenigen, die es brauchen, vielleicht sogar mehr haben; aber nicht so, dass die, die reich sind, mit dem SUV durch die Gegend cruisen, zur Arbeit nach Wien fahren, ein Vielfaches von dem kriegen, was der, der arm ist und mit der kleinen Kraxn herumfährt, an Pendlerförderung hat. Das ist weder christlich, das ist noch sozial, es ist vor allem unintelligent; wie angekündigt. (Beifall bei den Grünen.)
Wenn Sie das alles im Gesamten sehen, dann kommen Sie auf Milliardenbeträge, nicht auf ein paar Millionen, sondern auf Milliardenbeträge, und dorthin müssen wir die Aufmerksamkeit lenken, so muss man das angehen, finde ich.
Das waren jetzt nur ein paar kleine Auszüge, meine Kolleginnen und Kollegen werden bei den einzelnen Tagesordnungspunkten noch Stellung nehmen.
Abschließend – die Redezeit ist aus, sehe ich da –: Österreich kann viel, wir brauchen diese Zuversicht. Das geht aber nur mit einer gewissen Entschlossenheit und ein bisschen Mut, seid mir nicht böse! Man muss die Dinge angehen, und wir müssen bei denen mehr sparen, die es sich besser leisten können, als bei denen, die nicht so viel tragen können. Das Gleiche gilt auch für die Gewerbebetriebe und die Arbeitsplätze. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurm [FPÖ]: Ein peinlicher Auftritt!)
9.17
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Für eine einleitende Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Finanzen Dr. Markus Marterbauer. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.