11.17
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in dieser gemeinsamen Debatte dieser zwei Tagesordnungspunkte drei Gesetzesnovellen, über die wir debattieren.
Der erste Punkt ist eine Novelle des Medizinproduktegesetzes. In diesem Punkt muss man sagen: Ja, wir stehen in der Praxis in der Versorgungsrealität tatsächlich vor dem Problem, dass viele Medizinprodukte die notwendige Weiterzertifizierung beziehungsweise teilweise auch Neuzertifizierung nicht bekommen können, weil die sogenannten Benannten Stellen heillos überfordert sind.
Für mich ist das ein Paradebeispiel für zwei Dinge: erstens überbordende und nicht konsequenzenbedachte EU-Politik – daher stammt die Richtlinie, die diese Probleme verursacht hat. Der zweite Punkt ist allerdings, dass diese Richtlinie ja schon vor mehreren Jahren beschlossen worden ist und die Bundesregierung im Endeffekt säumig war, das in den vergangenen Jahren zeitnah umzusetzen – und auf den letzten Drücker Übergangsbestimmungen und Adaptierungen vornehmen muss, die eben auch wieder nicht vollständig durchdacht sind. Deshalb werden wir dieser Gesetzesnovelle auch unsere Zustimmung verweigern.
Das zweite Gesetz, das hier behandelt wird, ist das Bundesgesetz zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung. Auch da zeigt sich, dass die Bundesregierung eine Ad-hoc-Maßnahme nach der anderen trifft – die aber leider Gottes vielfach an der Realität vorbeigehen und das gewünschte Ziel natürlich nicht erreichen.
Wenn wir daran denken, was die Bundesregierung bis dato beschlossen hat und was sie jetzt aktuell plant: Wir sehen auf der einen Ebene eine Wirkstoffbevorratung durch die pharmazeutischen Großhändler. Das ist wunderbar; da stehen dann Großgebinde mit Antibiotikapulver in den Regallagern des pharmazeutischen Großhandels.
Keiner hat sich überlegt, wie sie diese Wirkstoffpulver dann tatsächlich zur Anwendung bringen, denn sie müssen sie portionieren, sie müssen sie in kleinere Gefäße bringen, sie müssen sie in weiterer Folge gebrauchsfertig machen. Das Pulver kann ja keiner direkt essen. Da hat sich keiner mitüberlegt, wie das passieren soll. Das könnte eigentlich nur auf Ebene der öffentlichen Apotheken mit entsprechenden Laboren für die magistrale Herstellung oder in Krankenanstalten stattfinden. Daran hat man nicht gedacht.
Das Zweite war ein Sicherungsbeitrag für den pharmazeutischen Großhandel, der eigentlich notwendig war, weil die Kostenstrukturen nicht mehr gepasst haben – weil die Transport-, die Energie-, die Personalkosten, die Lagerkosten viel zu hoch geworden sind, auch die Finanzierungskosten bei den sehr teuren Arzneimitteln. Dann hat man gesagt: Na ja, ihr lagert eh die Antibiotikapulver und ähnliche Sachen ein, dann zahlen wir euch dafür einen Betrag und der deckt alles andere auch ab! – Bürokratisch begrenzt, ursprünglich auf ein Jahr, dann auf das zweite Jahr verlängert – das ist keine strukturelle Maßnahme, keine nachhaltige Sicherung in der Versorgung, sondern wieder häppchenweise Anlassgesetzgebung, mit der das Problem verschoben, aber nicht gelöst wird.
Jetzt kommt eine Bevorratungspflicht für die Inverkehrbringer beziehungsweise für die Hersteller neu dazu. Auf der obersten Ebene wird jetzt vorgeschrieben, dass größere Arzneimittelspezialitäten vorrätig gehalten werden müssen. Nur wissen wir seit der Coronazeit, dass diese übergeordneten Zentrallager der Hersteller eben nicht entsprechend verteilt, oft nicht einmal in Österreich sind und eine Verteilung dieser Vorräte sehr schwierig oder im Krisenfall unter Umständen gar nicht möglich ist.
Das heißt, eine Bevorratungsverpflichtung besteht per Gesetz ja schon jetzt für den vollsortierten pharmazeutischen Großhandel, aber auch für die öffentlichen Apotheken. Das wären jene Strukturen, die flächendeckend verteilt sind und die auch über die Logistik verfügen, um diese Arzneispezialitäten tatsächlich an die Bevölkerung zu verteilen. Genau dort bevorratet man aber natürlich nicht, sondern eine Ebene weiter oben, unter Umständen vielleicht sogar im Ausland, worauf wir im Krisenfall gar keinen Zugriff haben.
Sie sehen, auch diese Maßnahmen sind wieder einmal nicht umfangreich bedacht. Das Problem ist richtig identifiziert, die Lösung ist leider Gottes ungeeignet, Herr Minister. Ich habe auch schon versucht, das Ihrer Sektionschefin in der letzten Ausschusssitzung zu erklären. Vielleicht könnte man auch das noch einmal überarbeiten.
Das dritte Gesetz, das auch eine typische Anlassgesetzgebung ist oder auf Lobbying basiert, ist eine Novelle des Rotkreuzgesetzes. Ja, das Österreichische Rote Kreuz übernimmt ganz wichtige soziale und auch versorgungsrelevante Aufgaben in Österreich – aber so, wie Sie jetzt planen, das Ganze zu reformieren, machen Sie nichts anderes, als das gesamte Arzneimittelgesetz zu torpedieren. Sie schaffen da eine Gesetzesnovelle, eine Ausnahmeregelung, die einem anderen Gesetz widerspricht. Da hilft auch der Abänderungsantrag, den Sie jetzt eingebracht haben oder einbringen werden, nicht weiter. Das funktioniert nicht. Es gibt eine klare gesetzliche Regelung in Österreich, wie Arzneimittel sicher verteilt werden und an den Patienten gebracht werden können.
Mit dem Gesetz, das Sie jetzt hier verabschieden wollen, schaffen Sie eine Ausnahmebestimmung, einen Ausnahmetatbestand, der im Endeffekt, wenn man es zynisch betrachtet, bedeutet, dass die Arzneimittelsicherheit für sozial Bedürftige nicht so streng gehandhabt wird und nicht so viel wert ist wie für alle anderen Patienten in diesem Land. Das ist schäbig, das ist eine Ausnahmelösung, die eigentlich zulasten der Betroffenen geht und die überflüssig ist.
Wenn es denn so wichtig wäre, dass zum Beispiel ein Direktbezugsrecht für das Österreichische Rote Kreuz etabliert werden sollte und eine Direktversorgungsmöglichkeit da ist, dann müssten Sie das Österreichische Rote Kreuz als öffentliche Behörde titulieren. Öffentliche Behörden dürfen direkt Arzneimittel einkaufen und verteilen. Dann können Sie das machen – oder Sie lassen das Österreichische Rote Kreuz, ähnlich wie zum Beispiel auch das österreichische Bundesheer, die Gesetze einhalten. Dann muss man halt eine Anstaltsapotheke machen oder sich um eine Apothekenkonzession bemühen. Dann kann man diese Verteilung rechtskonform durchführen.
Sie brechen die Systematik, Sie schaffen Ausnahmetatbestände und im Endeffekt schaffen Sie auch in diesem Bereich mehr Unsicherheit als Sie überwinden. (Beifall bei der FPÖ.)
11.23
Präsidentin Doris Bures: Der Ausdruck „schäbig“, Herr Abgeordneter, hat an sich keinen Platz hier im Hohen Haus.
Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.