21.54

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Landwirtschaftsminister! Ich glaube, dass eines der großen Probleme hier im Haus der fast allgemein vorherrschende verfassungsrechtliche Dilettantismus ist, mit dem da operiert wird. Noch schlimmer ist es nur im Innenministerium. Deswegen hatte ich eigentlich vor, mit dem Innenminister, der leider erkrankt ist – auf diesem Weg: gute Besserung! –, heute einmal eine Grundsatzdiskussion zu führen, wie er es mit der Verfassung hält. (Ruf bei der ÖVP: ... mit dem Norbert auch!)

Ich bin aber – da diese Diskussion wahrscheinlich eh sinnlos ist – ganz froh, dass Sie hier sind, Herr Landwirtschaftsminister. Sie haben ja einschlägige juristische Expertise, waren Referent für Landwirtschaft und Menschenrechte im ÖVP-Parlamentsklub und sind vielleicht deswegen auch um einiges geeigneter in diesen Fragen als der Herr Innenminister, weil der es jedenfalls nicht ist. (Beifall bei den NEOS.) Es ist so sicher wie das Amen im Gebet, wenn der Herr Innenminister Vorschläge macht, dass das, was er vorschlägt, verfassungsrechtlich nicht haltbar sein wird.

Er schlägt zum wiederholten Male – es ist jetzt der vierte Versuch, nicht in diesem Gesetz, aber im Rahmen von anderen Vorschlägen – einen Bundestrojaner in Österreich vor. Wir hatten das 2016 schon einmal, Justizminister Brandstetter hat es zurückgezogen. Wir hatten es 2017, da ist der Entwurf zum Glück im Parlament gescheitert. Dann gab es einen Beschluss von ÖVP und FPÖ, der wurde von uns NEOS und der SPÖ vor dem Verfassungsgerichtshof erfolgreich bekämpft. Jetzt schickt der Herr Innenminister dem Koalitionspartner wieder einen Entwurf zum Bundestrojaner, der wiederum verfassungswidrig ist. Es ist ziemlich skurril, denn: Man müsste sich einfach nur die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes bis zum Ende durchlesen, dann wüsste man, dass man mit so untauglichen Versuchen erst gar nicht zu operieren braucht.

In Bezug auf den Bundestrojaner hat der Verfassungsgerichtshof gesagt, dass dieser allein deswegen grundrechtswidrig ist, weil nicht gewährleistet ist, dass die Überwachungsmaßnahmen nur zur Verfolgung von hinreichend schwerwiegenden Straftaten verwendet werden. (Abg. Bürstmayr: Bundestrojaner?!)

Jetzt schickt der Innenminister – man muss sich überlegen, das damalige Gesetz ging wenigstens auf konkrete Verdachtsmomente – einen neuen Entwurf zum Bundestrojaner. (Abg. Bürstmayr: Bundestrojaner?!) – Herr Kollege Bürstmayr, ich erkläre es gleich. Es ist eine längere Geschichte über den Innenminister und sein Grundrechtsverständnis. (Zwischenrufe der Abg. Bürstmayr und Lukas Hammer.) – Sie müssen ganz ruhig sein. Es ist wirklich irritierend, dass die Grünen bei so einer grundrechtswidrigen Maßnahme mitmachen; aber es wäre wichtig, insgesamt ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie unsere Verfassung unsere Grundrechte schützt. (Beifall bei den NEOS.)

Der Innenminister schickt einen Entwurf an den Koalitionspartner, in dem drinsteht: In Zukunft soll der Bundestrojaner gar nicht erst bei Verdachtsmomenten, sondern auch schon im Vorfeld bei der erweiterten Gefahrenforschung eingesetzt werden können. – Herr Landwirtschaftsminister, meine Bitte an Sie als ausgewiesenen Menschenrechtsexperten ist: Gehen Sie einmal in ein Sparring mit dem Innenminister und sagen Sie ihm, dass das sicherlich nicht grundrechtskonform sein kann!

Jetzt kommen wir zu dem Gesetz, Herr Kollege Bürstmayr, von dem Sie überzeugt sind, dass es verfassungskonform ist. Das ist skurril, ich halte Sie für einen sehr intelligenten Juristen, aber Sie haben offensichtlich in dem Zusammenhang das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht bis zum Ende gelesen, genauso wie übrigens Kollege Gerstl. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Was stimmt, ist, dass der Verfassungsgerichtshof die Kennzeichenerfassung aus mehreren Gründen aufgehoben hat. Ein Grund war, dass es eine Vorratsdatenspeicherung war. Im Übrigen war es damals schon skurril, dass man überhaupt auf die Idee gekommen ist, nachdem der Verfassungsgerichtshof Jahre zuvor die Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig betitelt hatte, eine Kennzeichenerfassung mit Vorratsdatenspeicherung zu machen. Das ist ein Grund, wieso er es aufgehoben hat.

Ein weiterer Grund, Herr Kollege Bürstmayr – und das ist genau das Problem, das nun wiederum da ist –, ist, dass der Verfassungsgerichtshof gesagt hat, dass der Eingriff durch die Kfz-Kennzeichenerfassung allein deswegen unverhältnismäßig ist, weil diese auch für die Abwehr von Vorsatztaten von leichten und leichtesten Vermögensdelikten eingesetzt werden kann. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) Es geht also nicht nur, wie Kollege Gerstl sagt, um irgendwelche Kfz-Diebstähle. Darüber könnte man diskutieren. Das jetzige Gesetz ermöglicht die Kfz-Kennzeichenerfassung bei einem einfachen Kaugummidiebstahl. Genau das hat der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben – und das beschließen Sie jetzt gemeinsam mit der ÖVP. Das ist das mangelnde Grundrechtsverständnis der Grünen und das vollkommen mangelnde Grundrechtsverständnis der ÖVP und des Innenministers. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Gerstl: Das stimmt überhaupt nicht ... falsch!)

Herr Landwirtschaftsminister, ich bitte Sie inständig: Gehen Sie in einen Diskurs mit dem Innenminister, weil er alleine es, glaube ich, nicht schafft. Er ist nicht in der Lage, sich mit unserer Bundesverfassung und mit Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes auseinanderzusetzen.

Gehen Sie mit ihm in einen Diskurs, lesen Sie mit ihm die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Zeile für Zeile durch und erklären Sie ihm, was es bedeutet, was die österreichische Bundesverfassung und unsere Grund- und Menschenrechte für unsere Bürgerinnen und Bürger in Österreich vorsehen. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Ruf bei den NEOS: Treffer, versenkt! – Abg. Bürstmayr: Kannst du sagen, warum du der einzige Jurist ..., der die Weisheit mit Löffeln gefressen hat?)

21.59