20.14

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Ich möchte an das anschließen, was Kollege Hammer gesagt hat – und natürlich waren es wirklich unwürdige Streitereien, die da im Hintergrund losgegangen sind. Wir haben am Tag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gefordert, dass wir jetzt tatsächlich schauen müssen, dass wir den WAG-Loop ausbauen. – Sie, Herr Kollege, werden sich erinnern, Sie waren ja auch mit mir im Ausschuss.

Dann ist aber jahrelang de facto nichts passiert – es steht im Plan als hochstrategisches Projekt, dass das ausgebaut werden muss –, und dann kam die große Frage: Von wem kommt jetzt das Geld? (Abg. Lukas Hammer: Ihr seid dafür, dass wir das mit Steuergeld zahlen!) – Ich muss ehrlich sagen, es gibt noch einen dritten Player, den man da auch nicht ganz aus der Verantwortung lassen kann, und das ist der Verbund. (Abg. Lukas Hammer: Ja! – Ruf: Also doch Streit!)

Der Verbund hat in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro Gewinn gemacht – nicht Umsatz, Gewinn! – und versteckt sich wieder einmal hinter dem Aktiengesetz und sagt: Das geht mich nichts an! Soll doch die Republik zahlen (Abg. Lukas Hammer: Genau!), wenn es um die Infrastruktur geht! – Also ich finde tatsächlich, dass vor allem bei einem Betrieb, bei dem 51 Prozent in der Hand der Republik sind, andere Verantwortlichkeiten durchaus einmal angemessen wären, Herr Finanzminister. Sie sehen es offenbar anders.

Nichtsdestotrotz ist der WAG-Loop strategisch extrem wichtig. Ja, wir werden nicht sterben, wenn der WAG-Loop morgen nicht ausgebaut wird. Es gibt reichlich Gas am Markt – auch das wissen wir alle –, aber wenn wir unsere Nachbarländer auch noch mitversorgen wollen – und das sollten wir natürlich tun –, ist er durchaus strategisch wichtig. Wir wissen auch, dass der Transitvertrag betreffend russisches Gas durch die Ukraine 2024 enden wird. Also gibt es hier tatsächlich etwas zu tun, und wir fordern auch, dass da rasch etwas passiert. Deswegen gehen wir bei diesem Gesetz auch mit.

Es gibt aber noch einen weiteren Antrag zugunsten österreichischer Unternehmerinnen und Unternehmer, die vor allem auch unter dem vielfach rechtswidrigen Vorgehen des Putin-Regimes leiden, und dem wollen wir heute als NEOS entgegentreten. Sie wissen, dass zum Beispiel die OMV einen 25-Prozent-Anteil an einem Gasfeld in Russland hatte, und die wurde einfach über Nacht enteignet. Diese Anteile haben 1,75 Milliarden Euro gekostet, also das ist ja nicht nichts, man kann aber tatsächlich nichts tun. Deswegen hat Estland ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, neben dem eingefrorenen russischen Staatsgeld auch auf die Vermögenwerte von Oligarchen zuzugreifen, und zwar auf die jener, die zu rechtswidrigen Handlungen Russlands beigetragen haben – das ist ein ganz wichtiger Punkt. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Mit diesem Vorstoß wollte Ministerpräsidentin Kaja Kallas anderen Staaten der Union eine Rechtsvorlage geben, wie man so etwas wirklich rechtsstaatlich einwandfrei machen kann, um eben Mittel für die Wiedergutmachung von Schäden, die der russische Angriffskrieg ja verursacht, heranziehen zu können – ein ganz, ganz wichtiges Thema.

Deswegen bringen wir diesbezüglich noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kompensationsfonds für enteignete österreichische Firmen aus eingefrorenen russischen Geldern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, die in Österreich eingefrorenen Gelder der russischen Staatsbank in einen Fonds zu überführen, aus dem österreichische Unternehmen, die nachweislich in Russland durch widerrechtliche Eingriffe in ihre Vermögens- oder Vertragsrechte geschädigt wurden, für ihr Verluste gänzlich oder teilweise kompensiert werden können.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, in Österreich eingefrorene russische Privatvermögen dahingehend zu überprüfen, ob ihre Eigentümer an Enteignungen österreichischer Unternehmen in Russland profitiert haben, und im gegebenen Fall auch diese Vermögen zur Kompensation von Verlusten aus widerrechtlichen Eingriffen heranzuziehen.“

*****

Wir bitten Sie sehr um Zustimmung zu diesem Antrag. Ich glaube, es ist ein wichtiger Antrag, der für Fairness sorgen kann – zumindest ein wenig, wenn man in diesem Umfeld davon überhaupt noch sprechen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

20.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kompensationsfonds für enteignete österreichische Firmen aus eingefrorenen russischen Geldern

eingebracht im Zuge der Debatte in der 270. Sitzung des Nationalrats über Bereitstellung von Bundesmitteln für die Errichtung des Infrastrukturprojektes WAG Teil-Loop (2681 d.B.) – TOP 20

Im Mai diesen Jahres verabschiedete Estland ein Gesetz, das es erlaubt, neben eingefrorenem russischen Staatsgeld auch auf Vermögenswerte von Einzelpersonen und Unternehmen zuzugreifen, die zu rechtswidrigen Handlungen Russlands beigetragen haben. Die juristische Rechtfertigung der Übertragung von Vermögenswerten liegt beim Außenministerium. Mit diesem Vorstoß wollte Estland- laut Ministerpräsidentin Kaja Kallas- anderen Staaten und der Europäischen Union eine Vorlage bieten, wie man die Vermögen von russischen Oligarchen und staatsnahen Unternehmen rechtsstaatlich einwandfrei für die Wiedergutmachung von Schäden, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine herbeigeführt hat, heranziehen kann.

Die Europäische Union entschied kurz nach Verabschiedung des estnischen Gesetzes, die Erträge aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen für die Unterstützung der Ukraine umzuwidmen. Dabei handelt es sich um bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr, aus einem eingefrorenen Vermögen von etwas über 260 Milliarden. Das Kapital selbst wird durch diese Entscheidung der Europäischen Union nicht angetastet. Ebenso unbetroffen bleiben eingefrorene Vermögen von Privatpersonen oder russischen Unternehmen, selbst wenn sie staatsnahe sind oder von illegalen Aktivitäten des Putin-Regimes profitieren.

Seit Ende letzten Jahres enteignet Russland Auslandsinvestoren teilweise oder vollständig, je nach Gutdünken des Machthabers Wladimir Putin. Einerseits müssen Unternehmen, die sich vom russischen Markt zurückziehen wollen, nun nach einem neuen Gesetz einen Verkaufspreis von nicht mehr als 50% des Marktpreises akzeptieren, und müssen darauf noch eine exit tax bezahlen. Diese neue Gesetzgebung greift widerrechtlich in bestehende Abkommen ein und stellt damit eine Form von Enteignung dar. Andererseits werden manche, wie etwa der dänische Bierbrauer Carlsberg, vor Abschluss des ohnehin ungünstigen Verkaufs einfach noch vollständig enteignet. Danone oder Winterschall Dea sind weitere prominente, internationale Unternehmen, die in Russland rechtswidrig enteignet werden.

Auch österreichische Unternehmen leiden unter der Rechtswidrigkeit des Putin-Regimes. Die OMV etwa verlor letzten Dezember über Nacht ihren 25%-Anteil an einem russischen Gasförderprojekt durch Enteignung – der Kaufpreis für die OMV hatte ursprünglich 1,75 Milliarden betragen. Der OMV-Anteil des Projekts wurde an zwei russische Unternehmen übertragen. Putin sichert sich mit diesen Übertragungen die Loyalität von Unterstützern, die für das Überleben des Putin-Regime notwendig sind. So ist auch ein Verwandter des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow unter den Begünstigten des Enteignungs-plus-Umverteilungsprogramms Putins.

Die OMV und andere Unternehmen versuchen ihre Rechte zu wahren, indem sie ein Investitions-Schiedsgericht anrufen, aber das Putin-Regime besteht auf russische Gerichte, deren "Unabhängigkeit" sprichwörtlich ist, was daher die Verfahrenskosten ex ante zu einem Abschreibeposten werden lässt.

Nun hat eine nicht öffentlich genannte, in Russland geschädigte Unternehmung im Energiesektor bei einem internationalen Gericht einen Erlass auf Pfändung russischer Assets durchgesetzt. Wie medial umfassend berichtet wurde, kann dieses Unternehmen nun z.B. finanzielle Werte von Gazprom bei der OMV einpfänden. Geld, das die OMV der Gazprom für Gaslieferungen schuldet, kann auf diese Weise zur Bedienung der gerichtlich anerkannten Schulden der Gazprom einbehalten und direkt an den Kläger ausgezahlt werden. Insgesamt sind sechs Gerichts- und weitere zehn Schiedsgerichtsverfahren gegen Gazprom anhängig.

In den Gazprom-Fällen handelt es sich um Forderungen aus vertragsrechtlichen Disputen. So soll die OMV Gas Marketing & Trading 575 Mio. Euro von Gazprom über ein Schiedsgericht fordern. Aber auch aufgrund von Verletzungen von internationalen oder bilateralen Handelsabkommen können Forderungen gegen Russland gestellt werden. Zwischen Österreich und Russland besteht ein bilaterales Investitionsschutzabkommen (https://www.bmaw.gv.at/Themen/International/Handels-und-Investitionspolitik/Investitionspolitik/BilateraleInvestitionsschutzabkommen-Laender.html). In diesem verpflichtet sich Russland, österreichische Investitionen in keiner Weise ungünstiger als die anderer Länder zu behandeln (das Prinzip der most-favored nation clause). Auch verletzt die Enteignung bestimmter ausländischer Investoren internationales Recht.

Österreich hat damit das Recht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und russische Vermögen als Kompensation für widerrechtliche Verluste zu pfänden. Damit eine sogenannte Repressalie gerechtfertigt ist, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, unter anderem muss sie verhältnismäßig sein, d.h. das Ziel muss eine Kompensation, nicht Bestrafung sein. Geregelt sind die Voraussetzungen in Art 22 und Art 49 ff der Völkerrechtskommission (International Law Commission – ILC).

Während österreichische Unternehmen in Russland widerrechtlich enteignet werden und ihr investiertes Geld, wie auch alle zukünftigen Profitmöglichkeiten, verlieren, liegen in Österreich geschätzte 17 Milliarden Euro an eingefrorenem russischen Staatsvermögen plus weitere, private Vermögenswerte (https://www.statista.com/statistics/1298593/frozen-assets-of-bank-of-russia-by-country/). Die Möglichkeit der Beschlagnahme dieser Assets würde es erlauben, österreichische Unternehmen, die in Russland widerrechtlich enteignet wurden oder deren vertraglichen Rechte rechtswidrig beschnitten wurden, ohne Kosten für österreichische Steuerzahler:innen zu entschädigen, und die Wahrscheinlichkeit von weiteren Enteignungen zu reduzieren, weil die Kosten dafür letztendlich von Russland oder russischen Unternehmen getragen würden.

Der Entschädigungsfonds kann auch für Unternehmen aus anderen EU-Staaten zugänglich gemacht werden, sofern diese eine widerrechtliche Schlechterstellung durch Maßnahmen der russischen Föderation nachweisen können. Die Abschöpfung der Erträge der russischen Vermögen gemäß den Entscheidungen der Europäischen Union bleibt von diesen Maßnahmen unbetroffen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, die in Österreich eingefrorenen Gelder der russischen Staatsbank in einen Fonds zu überführen, aus dem österreichische Unternehmen, die nachweislich in Russland durch widerrechtliche Eingriffe in ihre Vermögens- oder Vertragsrechte geschädigt wurden, für ihr Verluste gänzlich oder teilweise kompensiert werden können.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, in Österreich eingefrorene russische Privatvermögen dahingehend zu überprüfen, ob ihre Eigentümer an Enteignungen österreichischer Unternehmen in Russland profitiert haben, und im gegebenen Fall auch diese Vermögen zur Kompensation von Verlusten aus widerrechtlichen Eingriffen heranzuziehen."

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