5223/J XXVII. GP

Eingelangt am 04.02.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Josef Muchitsch
und GenossInnen

an den Bundesminister für Arbeit

betreffend Reform der Abfertigung

Für alle Dienstverhältnisse, die ab dem 1.1.2003 abgeschlossen wurden, gibt es mit der Abfertigung Neu ein Abfertigungssystem über eine betriebliche Vorsorgekasse (BVK).

Der Arbeitgeber bezahlt 1,53 % des monatlichen Entgelts (inkl. Sonderzahlungen, Prämien, etc.) der ArbeitnehmerInnen an den zuständigen Krankenversicherungsträger. Dieser leitet die Beiträge an die gewählte BVK weiter. Abfertigungsbeiträge sind z.B. auch für Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes, bei Bezug von Wochen- und Krankengeld bei aufrechtem Dienstverhältnis etc. zu leisten.

Seit 1.1.2008 sind - neben den unselbständig Beschäftigten auch freie DienstnehmerInnen und Selbständige bzw.  Land- und ForstwirtInnen einbezogen.

Die Entscheidung, welche betriebliche Vorsorgekasse gewählt wird und der Vertragsabschluss sind durch eine Betriebsvereinbarung zwischen ArbeitgeberIn und Betriebsrat vorzunehmen. Die Aufsicht über die betrieblichen Vorsorgekassen erfolgt durch die Finanzmarktaufsicht.

Das Ziel der Reform der Abfertigung durch die Abfertigung Neu – den Anspruchskreis auf alle AN auszuweiten -- ist im Wesentlichen als erreicht zu bezeichnen. Insofern war die Reform ein wichtiger sozialpolitischer Meilenstein. Anzumerken ist allerdings, dass eine Auszahlung mindestens 36 Beitragsmonate voraussetzt und bei Selbstkündigung nicht zusteht.

Nicht eingelöst werden konnte allerdings das damalige Versprechen, dass die   ArbeitnehmerInnen im Regelfall eine Abfertigung in der Höhe ihres Jahresgehaltes bis zum Ende ihres Berufslebens erreichen werden. Dies ist wohl auch zu einem beträchtlichen Teil dem gewählten System geschuldet, das durch einen niedrigen Beitragssatz, sehr hohen Verwaltungsaufwand und geringe Nettorendite aus der Veranlagung der Abfertigungsbeiträge geprägt ist.

Die Abfertigung Neu wird aktuell über acht betriebliche Vorsorgekassen abgewickelt (APK Vorsorgekasse AG, Allianz Vorsorgekasse AG, BONUS Vorsorgekasse AG, BUAK Betriebliche Vorsorgekasse GesmbH, fair-finance Vorsorgekasse AG, Niederösterreichische Vorsorgekasse AG, Valida Plus AG, VBV – Vorsorgekasse AG). Drei der Vorsorgekassen – VBV Vorsorgekasse AG, Valida Plus AG und die Allianz Vorsorgekasse AG – verwalten rund 70 % des Vermögens.

 

Einer Studie der GPA zufolge

-           verwalteten die Vorsorgekassen Ende 2019 insgesamt ein Vermögen von rund EUR 13,31 Mrd.

-           Die Zahl der Anwartschaftsberechtigten lag Ende 2019 bei 3,62 Mio. inklusive der einbezogenen Selbständigen.

-           Die Veranlagungserträge in den Veranlagungsgemeinschaften betragen im Zeitraum 2003-2019 EUR 2,36 Mrd.

-           Die Verwaltungskosten die den Veranlagungsgemeinschaften in Abzug gebracht werden, summierten sich auf EUR 892,7 Mio. Das heißt, dass die von den Kassen verrechneten Kosten 37,8% der erzielten Erträge ausgemacht haben.

-           2019 beliefen sich die Gewinne der Kassen auf etwa EUR 51,3 Mio. Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite aller Vorsorgekassen lag 2019 bei 21,6 %.

 

-           Die Ausschüttungsquote, die die Dividenden an die Eigentümer angibt, lag 2019 bei 24 %.

-           Die Verwaltungskosten lagen bei 1,3 % und 2,2 %. Bei den Vermögensverwaltungskosten verrechnen aber noch 4 von 8 Anbietern relativ hohe 0,6 % bzw. 0,7 % des Vermögens (APK, Allianz, Bonus, Valida Plus, VBV). Im Gegensatz dazu gibt es aber einen Anbieter, der auch mit 0,4 % Vermögensverwaltungskosten auskommt: die BUAK – das ist jene Kasse, die keinen Finanzinstitutionen gehört und damit nicht unter Renditedruck seitens der Eigentümer steht.

Der FMA-Jahresbericht 2019 zeichnet zu den betrieblichen Vorsorgekassen folgendes Bild:

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehende

 

Anfrage:

 

1.         Wie viele Abfertigungen wurden 2018, 2019 und 2020 ausbezahlt – gegliedert nach Höhe der Abfertigung (Gesamtbetrag; arithmetisches Mittel; Quartile), nach Zahl der Beitragsmonate (Gesamtsumme; Durchschnitt) und nach Geschlecht? (bitte bei Auszahlung von Teilbeträgen aus verschiedenen Kassen die ausbezahlten Gesamtbeträge ausweisen)?

2.         Wie hoch sind der Abfertigungsansprüche bei Fortschreibung der bisherigen Trends nach 40 Beitragsjahren in Relation zum aktuellen Entgelt?

3.         Wie viele ArbeitnehmerInnen hatten 2018, 2019 und 2020 trotz Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Auszahlung bereits erworbener Abfertigungsanwartschaften, weil zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die erforderlichen drei Beitragsjahre noch nicht erreicht waren bzw. das Dienstverhältnis ohne Auszahlungsanspruch beendet wurde? (bitte gegliedert nach betrieblichen Vorsorgekassen, nach Bundesländern und Geschlecht anführen)

4.         Geringe Veranlagungserträge, hohe Kosten auf Beiträge und verwaltetes Vermögen und der bescheidene Beitragssatz von 1,53 Prozent bewirken, dass die Leistungshöhe der Abfertigung Neu deutlich unter der alten Abfertigung bzw deutlich unter den Erwartungen bei Schaffung der „Abfertigung neu“ bleibt. Liegen Ihrem Ressort dazu statistische Erhebungen vor? Wenn ja, was besagen diese? Wenn nein, werden Sie eine entsprechende Studie in Auftrag geben?

5.         Welche Möglichkeiten sieht Ihr Ressort, damit die Höhe der Abfertigung Neu an die Höhe der Abfertigung Alt herangeführt bzw den ursprünglichen Erwartungen gerecht wird? Ist die Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge in die betrieblichen Vorsorgekassen z.B. auf 2,5% geplant?

6.         Arbeiterkammern, der ÖGB aber auch die GPA fordern schon seit längerem die Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen, um eine kostengünstigere Administration der „Abfertigung neu“ sicherzustellen. Welche Schritte sind diesbezüglich seitens Ihres Ressorts geplant, damit von Effizienzverbesserungen bei einer Reform des Systems auch die ArbeitnehmerInnen als Anwartschaftsberechtigte deutlich profitieren?

7.         ArbeitnehmerInnen, die öfter den Dienstgeber wechseln, haben ihre Abfertigungsanwartschaften bei mehreren betrieblichen Vorsorgekassen liegen. Ist geplant, die Anwartschaften nach dem „Rucksack-Prinzip“ bei der jeweils aktuellen Kasse zusammenzuführen?

8.         Nach geltender Rechtslage (§ 26 BMSVG) dürfen betriebliche Vorsorgekassen von den eingenommenen Abfertigungsbeiträgen Verwaltungskosten abziehen. Die gesetzliche Bandbreite ist zwischen 1,0 % und 3,5 % der Abfertigungsbeiträge festgesetzt. Wie hoch waren die verrechneten Verwaltungskosten 2018, 2019 und 2020 bei den einzelnen betrieblichen Vorsorgekassen? Welcher Prozentsatz wurde durchschnittlich im Kalenderjahr 2018, 2019 und 2020 veranschlagt?

 

9.         ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen fordern die Herabsetzung der gesetzlichen Obergrenzen für die Verrechnung von Verwaltungskosten durch die betrieblichen Vorsorgekassen; vor allem wird – vor dem Hintergrund des massiven Anstiegs des verwalteten Vermögens – eine Reduktion der höchsten gesetzlich zulässigen Verrechnung von Vermögensverwaltungskosten von 0,8% auf 0,5 % gefordert. Welche Position nimmt Ihr Ressort zu dieser Forderung ein?

10.      Ist es geplant, bei den betrieblichen Vorsorgekassen durch die verpflichtende Ausweisung der Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio) für mehr Transparenz bei den Kosten der eingesetzten Veranlagungsprodukte zu sorgen?

11.      In den letzten Jahren steigen die Einnahmen der betrieblichen Vorsorgekassen aus verrechneten Verwaltungskosten deutlich stärker als deren real anfallende Betriebsaufwendungen. Diese Differenz vergrößert sich mit steigendem Veranlagungsvolumen laufend, was zu steigenden Eigenkapitalrenditen geführt hat. Ist geplant, die verrechenbaren Gebühren bzw. Kostensätze gesetzlich enger zu limitieren und zu senken, damit die Abfertigungskassen nicht nur ein Geschäft für ihre Eigentümer sind, sondern auch eine positive Realverzinsung für die ArbeitnehmerInnen bringen?

12.      Die Coronakrise hat zu massiven Verwerfungen am Arbeitsmarkt geführt. Zahlreiche Menschen sind arbeitslos und würden zur Überbrückung finanzieller Engpässe gerne auf ihre Abfertigungsansprüche zurückgreifen – was aufgrund geltender Rechtslage aber nur für jene möglich ist, die bereits mindestens drei Einzahlungsjahre erreicht haben. Welche Schritte werden Sie setzen, dass  die Auszahlung der Abfertigung Neu unabhängig von der Beitragsdauer bei Arbeitgeberkündigung möglich sein wird?

13.      Ende 2019 gab es 3,62 Mio Anwartschaftsberechtigte (siehe oben). Wie viele Anwartschaften entfielen auf Unselbständige bzw Selbständige und zu wie vielen bestehenden Anwartschaften wurden jeweils laufende Beiträge gezahlt?