Eingelangt am 17.01.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen
und Kollegen
an den Bundesminister für
Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Erstattungen für
Allergentherapien
Die Datenlage zu Gesundheitsfragen in
Österreich ist zwar oftmals gerade noch als schwierig zu bezeichnen,
soweit man es nachvollziehen kann, nimmt die Anzahl an Menschen mit
allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma oder auch
Lebensmittelallergien aber immer weiter zu - Allergien zählen bereits zu
den häufigsten chronischen Krankheiten unter der österreichischen
Bevölkerung (1). Noch bis vor wenigen Jahren schien es aussichtslos,
wirksame Gegenmittel dafür zu finden, Medikamente setzten erst bei den
Symptomen an (2).
Mit Therapieallergenen wurde hier ein gewisser
Durchbruch geschafft, immerhin sollen diese durch einen Gewöhnungseffekt
dafür sorgen, dass es zu keinen weiteren übermäßigen
Reaktionen des Immunsystems kommt (3). Schon vor Jahren war der
Zulassungsstatus der diversen Test- und Therapieallergene aber bestenfalls
„heterogen“, wie das BASG es nannte (4). Ziel war zwar eine
europaweit einheitliche Praxis, diese konnte bis dato allerdings nicht
erarbeitet werden.
Ganz im Gegenteil: Bei einigen
Therapieallergenen wird mit Individualrezepturen gearbeitet, für die
teilweise der wissenschaftliche Nachweis zur Wirksamkeit noch fehlt. Für
Produkte kann das BASG Genehmigungsbescheide ausstellen, der §7a
Arzneimittelgesetz sieht für den Erhalt eines solchen Bescheids aber
keinen verpflichtenden Nachweis der Wirksamkeit vor (5).
Bereits bei Homöopathie gab es immer
wieder Diskussionen, ob es legitim sei, Versicherungsbeiträge für die
Erstattung von Präparaten auszugeben, die maximal einen funktionierenden
Placebo-Effekt vorweisen können. Ende 2021 gab die ÖGK in Folge der
hohen Ausgaben für Homöopathika bekannt, dass diese in Zukunft nicht
mehr erstattet würden (6). Eine Vorgehensweise, die wohl auch für
einige Therapieallergene als Vorbild zählen könnte. Immerhin wird
auch in Deutschland seit 2008 mit der Therapieallergene-Verordnung (TAV) ein
Schema zur Überprüfung der Wirksamkeit vorgegeben. Seit 2018 sind
Therapieallergene, deren Wirksamkeit gemäß dieser Verordnung
nachgewiesen wurde, in Deutschland regulär zugelassen (7). Dennoch gibt es
nach wie vor Präparate, deren Wirkung nicht nachgewiesen wurde und um
deren Erstattung hat sich in Deutschland ein intensiver Streit entwickelt (8).
Klar nachgewiesene Wirkung hatten laut TAV im
Oktober 2023 lediglich 43 von 6.654 Individualrezepturen (9), wobei für
einen Großteil der Präparate nicht einmal ein Zulassungsantrag
gestellt wurde. Nachdem, wie bereits erwähnt, auch auf einheitliche
Prozesse innerhalb der gesamten EU hingearbeitet wird, empfiehlt auch die HMA,
sich an den Zulassungen anderer Länder zu orientieren und so den Markt auf
wirksame Produkte einzuschränken (10).
Auch die aktuelle Leitlinie zur
Allergen-Immuntherapie empfiehlt die bevorzugte Anwendung von zugelassenen
Präparaten oder solchen, die eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz aufweisen
(11). 2020 noch wurde davon ausgegangen, dass jede:r zweite Immuntherapie-Patient:in
Präparate ohne Wirksamkeitsnachweis verschrieben bekommt (12). Das, obwohl
für die weit verbreiteten Allergien wie Gräser, Milben und Bienen-
oder Wespengifte auch zugelassene Therapieallergene von verschiedenen
Herstellern sowohl für die subkutane als auch für die sublinguale
Applikationsform in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Nachdem eine
frühe und wirksame Therapie die Entstehung weiterer Allergien verhindern
kann, ist die Verschreibung bzw. zumindest die Erstattung von wirkungslosen
Patient:innen gegenüber zumindest als verantwortungslos zu klassifizieren,
nicht davon zu sprechen, welchen Umgang mit Beitragsgeldern dies
veranschaulicht.
- https://jasmin.goeg.at/1869/1/FS%20Chronische%20Erkrankungen%20bf.pdf
- https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2018/11/eine-kurze-geschichte-der-allergien
- https://www.pei.de/DE/arzneimittel/allergene/therapie-subkutan/subkutane-therapie-node.html
- https://www.basg.gv.at/marktbeobachtung/amtliche-nachrichten/detail/zulassungsstatus-von-test-und-therapie-allergene
- https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010441
- https://www.vol.at/keine-homoeopathie-auf-krankenschein-mehr/7168255
- https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2018/13-therapieallergene-verordnung-traegt-fruechte.html#:~:text=Im%20August%202018%20erhielten%20die,und%20weiteren%20fr%C3%BChbl%C3%BChenden%20B%C3%A4umen%20zugelassen.
- https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/131829/Regressstreit-um-Allergenmedikamente
- https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/mitteilungen/231031-stand-produktentwicklung-allergenspezifische-immuntherapeutika.pdf?__blob=publicationFile&v=3
- https://www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/CMD_h_/procedural_guidance/01_General_Info/CMDh_399_2019_clean_Rev0_2020_07.pdf
- https://dgaki.de/wp-content/uploads/2022/09/Leitlinie_AIT_Pfaar-dtsch_09-2022.pdf
- https://www.karl-landsteiner.at/pdf/1907-TAV_White%20Paper.pdf
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Wie viele Therapieallergene sind in
Österreich auf dem Markt verfügbar?
- Für wie viele davon gibt es eine
Veröffentlichung des Arzneimittelpreises durch das BMSGPK?
- Wie viele davon sind in Folge eines
Bescheides des BASG verfügbar?
- Für wie viele der Präparate wurde
die Wirksamkeit nachgewiesen?
- Wie viele davon sind gemäß EKO
der Sozialversicherung erstattungsfähig?
- Für wie viele der Präparate wurde
die Wirksamkeit nachgewiesen?
- In welchem finanziellen Ausmaß wurden
Therapieallergene, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen wurde, von der
ÖGK beziehungsweise den einzelnen Gebietskrankenkassen als
Rechtsvorgänger erstattet? (Getrennt nach Trägern und den
Jahren 2020 bis 2023)
- Bis zu welchem finanziellen
Höchstmaß wurden Therapieallergene, deren Wirksamkeit nicht
nachgewiesen wurde, von den einzelnen Gebietskrankenkassen erstattet?
(Getrennt nach Trägern und den Jahren 2020 bis 2023)
- Bis zu welchem finanziellen
Höchstmaß werden Therapieallergene, deren Wirkung nicht nachgewiesen
wurde, von der ÖGK erstattet? (Bitte um jeweilige Angabe
für die Jahre 2020 bis 2023)
- In welchem finanziellen Ausmaß wurden
Therapieallergene, deren Wirkung nicht nachgewiesen wurde, von anderen
Trägern der Krankenversicherung erstattet? (Getrennt nach
Trägern und den Jahren 2020 bis 2023)
- Bis zu welchem finanziellen
Höchstmaß werden Homöopathika, deren Wirksamkeit nicht
nachgewiesen wurde, von anderen Trägern der Krankenversicherung
erstattet? (Getrennt nach Trägern und der jeweiligen Angabe für
die Jahre 2020 bis 2023)
- Welche Träger haben Vereinbarungen mit
den Ärztekammern bei der Erstattung von Therapieallergenen, deren
Nettopreis eine festgesetzte Summe nicht übersteigt, von einer
Einzelfallbewilligung abzusehen?
- Wie hoch ist dieser Betrag je Träger?
(Getrennt nach Trägern und den Jahren 2020 bis 2023)
- Auf Basis welcher medizinischen Grundlage
werden Therapieallergene erstattet, wenn ihre Wirkungslosigkeit
wissenschaftlich außer Streit steht?
- Welches wissenschaftliche Material
(Studien, Gutachten, Forschungsergebnisse, usw.) zieht das Ministerium
zur Beurteilung Wirksamkeit von Therapieallergenen heran, um eine
Erstattung dieser Arzneimittel als Kassenleistung aus dem Blickpunkt der
Aufsicht tolerieren zu können?
i. Wo können diese Materialien eingesehen werden?
- Wie bringt das Ministerium als
Aufsichtsbehörde die Kostenübernahme von wirkungsfreien
Therapieallergenen durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung
mit § 133 Abs 2 ASVG in Einklang?
- Wie bringt die ÖGK die allfällige
beziehungsweise bisherige Kostenübernahme von wirkungslosen
Therapieallergenen durch einzelne Träger mit den RöV in
Einklang?
- Mit welcher Argumentation vergütet
die ÖGK Therapieallergene, deren medizinische Wirksamkeit nicht
ausreichend erwiesen ist?
- Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrer
Aufsichtsfunktion, um die Einhaltung des Gesetzes, insbesondere des §
133 ASVG, zu gewährleisten, wonach die Leistungen aus der
Krankenversicherung zweckmäßig sein müssen und das
Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen?
- Ist dem Ministerium zur Erfüllung
dieser Aufsichtspflicht die Empfehlung des HMA bekannt?
- Falls ja: Welche Auswirkung auf die
Genehmigung von Bescheiden oder Veröffentlichung von Preisen hat
diese?
- Falls nein: Ist angedacht, die bisherige
Genehmigungspraxis infolge dieser Leitlinie zu überarbeiten?
- Wurde seitens des BMSGPK seit 2019
geprüft, ob auf nationaler Ebene spezifische Maßnahmen zur
Regulierung und Kontrolle von Named-Patient-Products ergriffen werden
können?