17494/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.01.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Erstattungen für Allergentherapien

Die Datenlage zu Gesundheitsfragen in Österreich ist zwar oftmals gerade noch als schwierig zu bezeichnen, soweit man es nachvollziehen kann, nimmt die Anzahl an Menschen mit allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma oder auch Lebensmittelallergien aber immer weiter zu - Allergien zählen bereits zu den häufigsten chronischen Krankheiten unter der österreichischen Bevölkerung (1). Noch bis vor wenigen Jahren schien es aussichtslos, wirksame Gegenmittel dafür zu finden, Medikamente setzten erst bei den Symptomen an (2).

Mit Therapieallergenen wurde hier ein gewisser Durchbruch geschafft, immerhin sollen diese durch einen Gewöhnungseffekt dafür sorgen, dass es zu keinen weiteren übermäßigen Reaktionen des Immunsystems kommt (3). Schon vor Jahren war der Zulassungsstatus der diversen Test- und Therapieallergene aber bestenfalls „heterogen“, wie das BASG es nannte (4). Ziel war zwar eine europaweit einheitliche Praxis, diese konnte bis dato allerdings nicht erarbeitet werden.

Ganz im Gegenteil: Bei einigen Therapieallergenen wird mit Individualrezepturen gearbeitet, für die teilweise der wissenschaftliche Nachweis zur Wirksamkeit noch fehlt. Für Produkte kann das BASG Genehmigungsbescheide ausstellen, der §7a Arzneimittelgesetz sieht für den Erhalt eines solchen Bescheids aber keinen verpflichtenden Nachweis der Wirksamkeit vor (5).

Bereits bei Homöopathie gab es immer wieder Diskussionen, ob es legitim sei, Versicherungsbeiträge für die Erstattung von Präparaten auszugeben, die maximal einen funktionierenden Placebo-Effekt vorweisen können. Ende 2021 gab die ÖGK in Folge der hohen Ausgaben für Homöopathika bekannt, dass diese in Zukunft nicht mehr erstattet würden (6). Eine Vorgehensweise, die wohl auch für einige Therapieallergene als Vorbild zählen könnte. Immerhin wird auch in Deutschland seit 2008 mit der Therapieallergene-Verordnung (TAV) ein Schema zur Überprüfung der Wirksamkeit vorgegeben. Seit 2018 sind Therapieallergene, deren Wirksamkeit gemäß dieser Verordnung nachgewiesen wurde, in Deutschland regulär zugelassen (7). Dennoch gibt es nach wie vor Präparate, deren Wirkung nicht nachgewiesen wurde und um deren Erstattung hat sich in Deutschland ein intensiver Streit entwickelt (8).

Klar nachgewiesene Wirkung hatten laut TAV im Oktober 2023 lediglich 43 von 6.654 Individualrezepturen (9), wobei für einen Großteil der Präparate nicht einmal ein Zulassungsantrag gestellt wurde. Nachdem, wie bereits erwähnt, auch auf einheitliche Prozesse innerhalb der gesamten EU hingearbeitet wird, empfiehlt auch die HMA, sich an den Zulassungen anderer Länder zu orientieren und so den Markt auf wirksame Produkte einzuschränken (10).

Auch die aktuelle Leitlinie zur Allergen-Immuntherapie empfiehlt die bevorzugte Anwendung von zugelassenen Präparaten oder solchen, die eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz aufweisen (11). 2020 noch wurde davon ausgegangen, dass jede:r zweite Immuntherapie-Patient:in Präparate ohne Wirksamkeitsnachweis verschrieben bekommt (12). Das, obwohl für die weit verbreiteten Allergien wie Gräser, Milben und Bienen- oder Wespengifte auch zugelassene Therapieallergene von verschiedenen Herstellern sowohl für die subkutane als auch für die sublinguale Applikationsform in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Nachdem eine frühe und wirksame Therapie die Entstehung weiterer Allergien verhindern kann, ist die Verschreibung bzw. zumindest die Erstattung von wirkungslosen Patient:innen gegenüber zumindest als verantwortungslos zu klassifizieren, nicht davon zu sprechen, welchen Umgang mit Beitragsgeldern dies veranschaulicht.

  1. https://jasmin.goeg.at/1869/1/FS%20Chronische%20Erkrankungen%20bf.pdf
  2. https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2018/11/eine-kurze-geschichte-der-allergien
  3. https://www.pei.de/DE/arzneimittel/allergene/therapie-subkutan/subkutane-therapie-node.html
  4. https://www.basg.gv.at/marktbeobachtung/amtliche-nachrichten/detail/zulassungsstatus-von-test-und-therapie-allergene
  5. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010441
  6. https://www.vol.at/keine-homoeopathie-auf-krankenschein-mehr/7168255
  7. https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2018/13-therapieallergene-verordnung-traegt-fruechte.html#:~:text=Im%20August%202018%20erhielten%20die,und%20weiteren%20fr%C3%BChbl%C3%BChenden%20B%C3%A4umen%20zugelassen.
  8. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/131829/Regressstreit-um-Allergenmedikamente
  9. https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/mitteilungen/231031-stand-produktentwicklung-allergenspezifische-immuntherapeutika.pdf?__blob=publicationFile&v=3
  10. https://www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/CMD_h_/procedural_guidance/01_General_Info/CMDh_399_2019_clean_Rev0_2020_07.pdf
  11. https://dgaki.de/wp-content/uploads/2022/09/Leitlinie_AIT_Pfaar-dtsch_09-2022.pdf
  12. https://www.karl-landsteiner.at/pdf/1907-TAV_White%20Paper.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Wie viele Therapieallergene sind in Österreich auf dem Markt verfügbar?
    1. Für wie viele davon gibt es eine Veröffentlichung des Arzneimittelpreises durch das BMSGPK?
  1. Wie viele davon sind in Folge eines Bescheides des BASG verfügbar?
    1. Für wie viele der Präparate wurde die Wirksamkeit nachgewiesen?
  1. Wie viele davon sind gemäß EKO der Sozialversicherung erstattungsfähig?
    1. Für wie viele der Präparate wurde die Wirksamkeit nachgewiesen?
    2. In welchem finanziellen Ausmaß wurden Therapieallergene, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen wurde, von der ÖGK beziehungsweise den einzelnen Gebietskrankenkassen als Rechtsvorgänger erstattet? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2020 bis 2023)
    3. Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß wurden Therapieallergene, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen wurde, von den einzelnen Gebietskrankenkassen erstattet? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2020 bis 2023)
    4. Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß werden Therapieallergene, deren Wirkung nicht nachgewiesen wurde, von der ÖGK erstattet? (Bitte um jeweilige Angabe für die Jahre 2020 bis 2023)
    5. In welchem finanziellen Ausmaß wurden Therapieallergene, deren Wirkung nicht nachgewiesen wurde, von anderen Trägern der Krankenversicherung erstattet? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2020 bis 2023)
    6. Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß werden Homöopathika, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen wurde, von anderen Trägern der Krankenversicherung erstattet? (Getrennt nach Trägern und der jeweiligen Angabe für die Jahre 2020 bis 2023)
    7. Welche Träger haben Vereinbarungen mit den Ärztekammern bei der Erstattung von Therapieallergenen, deren Nettopreis eine festgesetzte Summe nicht übersteigt, von einer Einzelfallbewilligung abzusehen?
    8. Wie hoch ist dieser Betrag je Träger? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2020 bis 2023)
    9. Auf Basis welcher medizinischen Grundlage werden Therapieallergene erstattet, wenn ihre Wirkungslosigkeit wissenschaftlich außer Streit steht?
    10. Welches wissenschaftliche Material (Studien, Gutachten, Forschungsergebnisse, usw.) zieht das Ministerium zur Beurteilung Wirksamkeit von Therapieallergenen heran, um eine Erstattung dieser Arzneimittel als Kassenleistung aus dem Blickpunkt der Aufsicht tolerieren zu können?

                                          i.    Wo können diese Materialien eingesehen werden?

  1. Wie bringt das Ministerium als Aufsichtsbehörde die Kostenübernahme von wirkungsfreien Therapieallergenen durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung mit § 133 Abs 2 ASVG in Einklang?
  2. Wie bringt die ÖGK die allfällige beziehungsweise bisherige Kostenübernahme von wirkungslosen Therapieallergenen durch einzelne Träger mit den RöV in Einklang?
  3. Mit welcher Argumentation vergütet die ÖGK Therapieallergene, deren medizinische Wirksamkeit nicht ausreichend erwiesen ist?
  4. Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrer Aufsichtsfunktion, um die Einhaltung des Gesetzes, insbesondere des § 133 ASVG, zu gewährleisten, wonach die Leistungen aus der Krankenversicherung zweckmäßig sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen?
  5. Ist dem Ministerium zur Erfüllung dieser Aufsichtspflicht die Empfehlung des HMA bekannt?
    1. Falls ja: Welche Auswirkung auf die Genehmigung von Bescheiden oder Veröffentlichung von Preisen hat diese?
    2. Falls nein: Ist angedacht, die bisherige Genehmigungspraxis infolge dieser Leitlinie zu überarbeiten?
  1. Wurde seitens des BMSGPK seit 2019 geprüft, ob auf nationaler Ebene spezifische Maßnahmen zur Regulierung und Kontrolle von Named-Patient-Products ergriffen werden können?