12798/J XXVII. GP
Eingelangt am 27.10.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Meri Disoski, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend: Wieso ignorierte die Polizei Hinweise auf eine akute Gefährdung?
Mehreren Medienberichten zufolge wurde am 24. September 2022 eine 23-jährige Frau von einem 34-jährigen Mann in Ternberg, Oberösterreich, ermordet. Der mutmaßliche Täter soll die Tat bereits gestanden haben.
Nun erhebt ein Strafverteidiger medial schwerwiegende Vorwürfe gegen die oberösterreichische Polizei: „Laut Strafverteidiger Arnbacher-Stöger nahm die Polizei Anrufe von Kolleginnen der als Escort-Service arbeitenden 23-Jährigen zwölf Stunden lang nicht ernst“[1], schreibt Der Standard. Und weiter:
Laut dem Strafverteidiger Manfred Arbacher-Stöger haben Freundinnen der Toten schon mehr als zwölf Stunden vor dem Polizeizugriff Alarm geschlagen, ohne dass die Sicherheitsbehörden eingegriffen hätten. Schließlich habe er die Beamten zur Wohnung des mutmaßlichen Täters geführt – aus Wien, per Telefon, sagte der Anwalt der „Kronen Zeitung“.
Davor
habe ihn eine ehemalige Mandantin kontaktiert und um Hilfe gebeten, schildert
Arbacher-Stöger. Ihre Kollegin sei in eine Kundenwohnung gegangen und
nicht mehr hinausgekommen. Sie habe schon mehrmals bei der Polizei angerufen,
diese aber würde nichts machen.
In der Folge rief der Strafverteidiger selbst am Posten in Garsten an. Dort sei
ihm gesagt worden, „dass in Ternberg nie etwas passieren würde
– aber wenn ich so große Sorge hätte, solle ich mich ans
Landeskriminalamt wenden“. Im Landeskriminalamt habe er dann den
Sonntagsjournaldienst erreicht, der seine Bedenken ernst nahm: „Nur wenig
später hat die Cobra die Wohnung gestürmt“.[2]
Auch in den Oberösterreichischen Nachrichten erhebt der Anwalt schwere Vorwürfe gegen die Polizei:
Er
habe nach einem Anruf einer ehemaligen Mandantin, die mit der 23-Jährigen
befreundet war, bereits in der Nacht auf Sonntag die örtliche Polizei über den Sachverhalt
informiert.
„Ich wurde aber nicht ernst genommen,
abgewürgt und an das Landeskriminalamt verwiesen", sagt
Arbacher-Stöger. Erst dort habe ein Beamter des Journaldienstes die Lage
erkannt. Polizisten der Inspektion in Garsten dürften aber
tatsächlich bereits in der Nacht auf Sonntag, zwischen zwei und drei
Uhr früh, vor Ort gewesen sein und an der Tür des 34-Jährigen
geklingelt haben. Weil niemand öffnete, sollen sie auch am Vormittag noch
einmal in die Sportplatzstraße gefahren sein. Als sie nachmittags zum
dritten Mal versuchten, den 34-Jährigen zu erreichen, entdeckten die
Beamten durch ein Fenster die am Bett liegende reglose Frau. Nachdem sie auch
eine weitere Person mit einer brennenden Zigarette in der Hand sahen, forderten
sie die Spezialeinheit Cobra an.“[3]
Beim Eintreffen der Cobra war die 23-Jährige tot.
Medienberichten zufolge wies „ihr Körper Zeichen extremer
Gewalteinwirkung auf“[4].
Ein Sprecher der oberösterreichischen Polizei bestätigte, dass die Polizei zunächst bei der falschen Adresse Nachschau gehalten habe[5].
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1.
Ist
es zutreffend, dass Freundinnen der 23-jährigen getöteten Frau
mehrfach den Polizeinotruf gewählt, die diensthabenden Beamt*innen auf
eine akute Gefährdung der Frau aufmerksam gemacht und auf einen Eingriff
der Sicherheitsbehörden gedrängt haben?
2. Ist es zutreffend, dass von der ersten Kontaktaufnahme durch die Kolleginnen
der
ermordeten Frau bis zum Einschreiten der Cobra 12 Stunden vergangen sind?
3. Wenn ja: Wie oft haben die Freundinnen der 23-Jährigen in diesem
Zeitfenster den Polizeinotruf gewählt?
4. Wenn nein: Welche Zeitspanne verging zwischen der ersten Kontaktaufnahme
mit dem Polizeinotruf und dem
Einschreiten der Cobra?
5. Hat die Polizei aufgrund der gegenüber dem Polizeinotruf gemachten
Angaben eine
Gefährdungsanalyse durchgeführt?
6. Wenn
ja: Zu welchem Ergebnis kam diese Analyse?
7. Wenn
nein: Wieso nicht?
8. Nach
welchen Kriterien führen diensthabende Beamt*innen des Polizei-Notrufes in
solchen Fällen Gefährdungsanalysen durch?
9. Nach welchen Kriterien haben die diensthabenden Beamt*innen entschieden,
im konkreten Fall keinen
sicherheitsbehördlichen Eingriff vorzunehmen?
10. Ist es zutreffend, dass den diensthabenden Beamt*innen des Polizei-Notrufes
die konkrete Adresse der
Kundenwohnung genannt worden ist?
11. Wenn ja: Wurden die an dieser Adresse als wohnhaft gemeldeten Personen
polizeilich
überprüft? Insbesondere auch in Hinblick auf etwaige Einträge in
der zentralen Gewaltschutzdatei (§ 58c SPG)?
12. Wenn ja:
Was ergab diese Überprüfung?
13. Wenn nein: Wieso nicht?
14. Laut der
Aussagen von Strafverteidiger Arbacher-Stöger haben Freundinnen der
ermordeten Frau „schon mehr als zwölf Stunden vor dem Polizeizugriff
Alarm geschlagen, ohne dass die Sicherheitsbehörden eingegriffen
hätten“. Wieso wurden die Hinweise der Frauen nicht ernstgenommen
und ignoriert, während Anrufe des Strafverteidigers zu einem Cobra-Einsatz
führten?
15. „Sollte
es zu Gewalt kommen, oder wenn Sie eine Gewaltausübung befürchten,
verständigen Sie unverzüglich die Polizei über den Polizeinotruf
133“[6]
– ist auf der Website des Innenministeriums zu lesen. Die Freundinnen der
getöteten Frau haben wegen einer befürchteten Gewaltausübung den
Polizeinotruf verständigt – ein Eingriff der
Sicherheitsbehörden erfolgte trotzdem nicht.
„Damit
gingen in Oberösterreich zweimal hintereinander Hilferufe einer Frau ins
Leere. Erst Ende Juli nahm sich Ärztin Lisa Maria Kellermayr das Leben,
nachdem sie von Impfgegnern massiv bedroht worden war – und sich von der
Polizei nicht genug geschützt gefühlt hatte. Ein Polizeisprecher
hatte zuvor im Radio gesagt, dass sich Kellermayr nur in die
Öffentlichkeit drängen wolle“, schreibt Agnes Preusser im
„Kurier“[7].
Innerhalb
kurzer Zeit gingen in Oberösterreich zwei Hilferufe von Frauen ins Leere.
Wieso hat die Polizei Hinweise auf eine befürchtete Gewaltausübung
ignoriert, anstatt ihnen unmittelbar nachzugehen? Wieso wurden in beiden
Fällen Hilferufe von Frauen nicht ernst genommen?
16. Eine
interne Prüfung wurde angekündigt: Wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen?
In welcher Form werden Sie die Öffentlichkeit über die Ergebnisse und
etwaige daraus abgeleitete Maßnahmen informieren?
17. Der
34-jährige Täter soll Medienberichten zufolge bislang unbescholten
gewesen sein. Ist dies zutreffend und wenn nein: Wegen welcher Vergehen ist der
34-Jährige amtsbekannt?
[1] Brutaler Tod junger Frau: Anwalt erhebt Vorwürfe gegen die Polizei - Panorama - derStandard.at › Panorama, abgerufen am 18. Oktober 2022.
[2] Ebd; Hervorhebungen durch MD.
[3] „23-Jährige nach Streit um Bezahlung getötet“, In: Oberösterreichische Nachrichten vom 29. September 2022, S. 27; Hervorhebungen durch MD.
[4] Hilferufe ins Leere | kurier.at, abgerufen am 18. Oktober 2022.
[5] Tötung von Escort-Dame in Oberösterreich: Polizei fuhr zu falscher Adresse - Kriminalität - derStandard.at › Panorama; abgerufen am 18. Oktober 2022
[6] Sicher zu Hause (bmi.gv.at); abgerufen am 27. September 2022.
[7] Hilferufe ins Leere | kurier.at; abgerufen am 27. September 2022.