1943/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 12.10.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag. Stefan

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Schaffung eines Gesetzes zum Elternentfremdungssyndrom = Parental Alienation Syndrom (PAS)

 

Im Februar 2011 wurden dieKinderrechte in die Österreichische Verfassung aufgenommen. Bereits am 13.Jänner 2011 wurde in einem Experten-Hearing im Verfassungsausschuss zu den Kinderrechten die Notwendigkeit der Durchsetzung dieser Rechte für die Entwicklung des Kindes von medizinisch-psychiatrischer Seite hervorgehoben und seitens der Verantwortlichen (Jugendwohlfahrtsträger, Gerichtssachverständige, Justiz) Qualitätssicherung dringend gefordert.

Inhaltlich geht es um die weithin ungesehenen und teilweise sogar ignorierten Themen

Im Falle von PAS sind die beiden Art 2 und 5 miteinander verwoben.

 

Psychische Kindesmisshandlung / psychischer Kindesmissbrauch wird weithin nicht erkannt, ist schwer zu erkennen, wird aber auch ignoriert und toleriert. Eine Sonderform der psychischen Kindesmisshandlung ist das Elternentfremdungssyndrom (Parental Alienation Syndrom, PAS), dass als schwere mentale und behandlungsbedürftige Störung zu bezeichnen ist. Die Symptome betreffen im Einzelfall Angst- und Panikstörungen, Entwicklungsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens, sowie Störungen durch negative Kindheitserlebnisse und Familienzerrüttung durch Trennung und Scheidung.

Im Gegensatz zu den in der Presse von Vertretern der Behörde (JWF, KIJA) immer wieder hervorgehobenen Elternstreitigkeiten oder Rosenkriegen handelt es sich hier um eine seit 20 Jahren in der medizinischen Literatur genau beschriebene Form des Kindesmissbrauchs ausgehend von einem Elternteil, der mit versteckter Aggression handelt und sowohl das Kind als auch den anderen Elternteil mit unwissentlicher Unterstützung von Behörden und Justiz schwer misshandelt und missbraucht.

 

Auch die Internetplattform der deutschen Polizei beschreibt psychische Misshandlung als schwer erkennbar, aber ebenso folgeschwer wie andere Formen der Kindesmisshandlung:

„Seelische Gewalt ist ebenso grausam wie Schläge, wenn nicht sogar schlimmer, da sie nicht so sichtbar ist, nicht so wahrgenommen werden kann wie andere Formen der Kindesmisshandlung.“

 

Im deutschen Ärzteblatt[1] wird dieses Syndrom schon 2003 thematisiert: „Das von Gardner  beschriebene Parental Alienation Syndrome (PAS) hebt sich von dem Besuchsrechtssyndrom und von Fällen ab, in denen ein Kind Misshandlungen oder Vernachlässigungen erfahren hat und deshalb kontaktunwillig ist. PAS entwickelt sich nur dann, wenn ein Kind – bewusst oder unbewusst – vom betreuenden Elternteil in einen starken Loyalitätskonflikt getrieben, der Umgang mit dem anderen Elternteil massiv erschwert wird und das Kind durch seinen Wunsch, den Kontakt zu behalten, Schuldgefühle entwickelt. Bei den betreuenden Eltern liegt häufig eine durch den Trennungsprozess aktivierte Borderline-Problematik zugrunde: Sie fühlen sich durch den erhöhten Stress der Nachtrennungssituation überfordert und reglementieren das Kind verstärkt. Es gerät oft in die Rolle eines Partnerersatzes, und es entwickelt sich eine symbiotische Beziehung. Jeder Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil löst panikartige Verlustängste aus. Häufig werden Besuchstermine abgesagt. Dem Kind wird durch viele Entfremdungsstrategien ein negatives Bild des anderen Elternteils vermittelt – ein intensiver Loyalitätskonflikt wird gefördert. Im Gegensatz zum Besuchsrechtssyndrom zeigen sich beim PAS mehrere, einfach erkennbare Symptome im Verhalten des Kindes:

- Es werden Meinungen und wörtliche Formulierungen vom betreuenden Elternteil übernommen, die dessen Haltung zum anderen charakterisieren. Das Gesagte wird in nicht kindgerechter Sprache („Er hat einen Machtkomplex.“) und gekünstelter Stimmlage vorgebracht. Es werden neue Ablehnungsgründe „hinzuerfunden“, das Kind wirkt beim Gespräch motorisch unruhig und gespannt.
- Nicht nur der andere Elternteil, sondern dessen gesamtes soziales und familiäres Umfeld wird in die Ablehnung miteinbezogen, zum Beispiel früher geliebte Großeltern und Freunde.

- Das Kind „spaltet“: Der betreuende Elternteil ist nur „gut“, der andere nur „schlecht“, die natürliche Ambivalenz fehlt. Das Kind ergreift reflexhaft für den Betreuer Partei.
- Das Kind betont auffällig, dass alles, was es sagt, sein eigener Wille sei („Ich will das.“).
Wenn der Entfremdungsprozess fortgeschritten und sich der betreuende Elternteil sicher ist, dass das Kind keinen Wunsch nach Kontakt zum anderen mehr äußert, betont er oft: „Ich wäre der/die Letzte, die etwas gegen Besuche hat, aber das Kind will nicht.“ Ein weiteres Indiz für ein Entfremdungssyndrom ist, dass der betreuende Elternteil den anderen abwertet und den Gesprächspartner in eine Allianz gegen diesen einzubinden versucht. Gleichzeitig werden Diskurs und Vermittlungsbemühungen, die seine Person und Rolle im Trennungsprozess betreffen, jedoch ablehnt.

 

Des Weiteren wird im deutschen Ärzteblatt empfohlen: „Es besteht die Chance, den Eltern eine stützende Therapie/Beratung oder Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe zu empfehlen. Die Selbstdarstellung von PAS-Eltern als „bedauernswertes Opfer“ verführt leicht zum Mitagieren und Helferimpulsen. Die Ausgrenzungslösung wird aber dadurch vom Arzt/Therapeuten zusätzlich unterstützt. Hingegen sollte den Eltern vergegenwärtigt werden, dass:

- das Kind zum anderen Elternteil früher ein gutes und liebevolles Verhältnis hatte;

- der entfremdende Elternteil tatsächlich Unterstützung und Zuwendung benötigt, diese jedoch nicht darin bestehen kann, Ausgrenzungsbestrebungen zu unterstützen;

- es sich bei den Anschuldigungen des betreuenden Elternteils zumeist um Projektionen handelt.

Wenn aktiv entfremdendes Verhalten mit der Folge eines PAS beim Kind auffällt, muss den betreuenden Eltern einerseits das Destruktive und Unmoralische ihres Handelns vor Augen geführt werden, andererseits aber auch ihre emotionale Bedürftigkeit angenommen werden. Mit dem für Borderline-Therapien wichtigen ausgewogenen Verhältnis von Konfrontation und Empathie lassen sich entfremdende Eltern am ehesten erreichen.

Die Kinder benötigen keine Therapie. Das Verhalten normalisiert sich schnell, wenn das Kind erfährt, dass es den anderen Elternteil verlässlich und ohne Schuldgefühle besuchen und sich an der gemeinsamen Zeit erfreuen darf.“

 

In Deutschland ist das PAS akzeptiert und die Therapien dafür anerkannt. Immer mehr Therapiezentren und Praxen[2] für Psychotherapie bieten heute, bezogen auf diese Art von Kindesmisshandlung, Hilfe an.

 

Dr. med. Wilfrid v. Boch-Galhau, F.A. f. Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie i. R. schreibt über die internationale Konferenz PAS 2020 folgendes:

Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Ländern wird die Behandlung des PAS ernst genommen. In England[3] (z. B. in London) gibt es in Zusammenarbeit mit dem „Child and Youth Protection Center“ in Zagreb, Kroatien eine Klinik, die in diesem komplizierten Feld „Eltern-Kind-Entfremdung nach Trennung und Scheidung“ kompetent arbeitet (s. das Buch Woodall, K. & Woodall, N.: „Understanding Parental Alienation, learning to cope, helping to heal“, Charles C. Thomas, Springfield, IL., USA, 2017.) In USA, Kanada, Australien, Südafrika, England, Spanien, Israel, Kroatien und in einigen wenigen Fällen in Deutschland werden einige ähnliche Interventionsprogramme bei Eltern-Kind-Entfremdung angewandt und evaluiert (s. mein Artikel „Parental Alienation (Syndrome) eine ernst zu nehmende Form von psychischer Kindesmisshandlung in Neuropsychiatrie, 2018, 32 (3): 133 – 148)[4].“

 

Das brasilianische Parlament ist dem österreichischen 11 Jahre voraus. In Brasilien hatten die Regierung und die Abgeordneten erkannt, dass es hier einen massiven Handlungsbedarf gibt. Am 26. August 2010 wurde ein Gesetz gegen Elterliche Entfremdung ratifiziert. Das Gesetz definiert Elterliche Entfremdung als eine Form von Kindesmissbrauch. Es eröffnet brasilianischen Richtern und Gerichten sieben Maßnahmen bei Elterlicher Entfremdung, darunter Geldstrafen und Auswirkungen bei Sorge-/Pflegerecht und Aufenthalts- und Aufsichtsentscheidungen. (Gesetz Nr. 12 318, vom 26. AUGUST 2010 betreffend die Elterliche Entfremdung, als Änderung des Art. 236 des Gesetzes Nr. 8069 13)

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellst möglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche die „Elterliche Entfremdung” (PA - Parental Alienation) definiert und als eine Form von Kindesmissbrauch unter Strafe stellt.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf die erste Lesung um Zuweisung an den Justizausschuss ersucht.



[1] https://www.aerzteblatt.de/archiv/35550/Parental-Alienation-Syndrome-Nicht-instrumentalisieren-lassen

 

[2] https://ritter-gerstner.de/stichwort-der-psychologie-elterliches-entfremdungssyndrom

[3] https://www.familyseparationclinic.com)

[4] https://doi.org/10.1007/s40211-018-0267-0