OStR Mag. Siegmund Michelitsch                                                           Graz, 22. Sept. 2013

An das

Präsidium des Nationalrats

per E-Mail

 

Stellungnahme zur Dienstrechts-Novelle 2013 – Pädagogischer Dienst

 Die Umsetzung des vorliegenden Entwurfes zum neuen Lehrerdienstrecht würde zu einer massiven Qualitätsminderung des Unterrichtes und des Schulbetriebes führen, da wesentliche Punkte der schulischen Ausbildung in keiner Weise berücksichtigt werden. Davon sind alle Schulpartner betroffen, vor allem aber sehe ich die Zukunft unserer Jugend und auch des österreichischen Staates dadurch drastisch gefährdet. 

Mir liegt ein qualitativ hochwertiges Schulwesen am Herzen, das durch ein modernes, leistungsorientiertes gerechtes Besoldungsrecht abgesichert werden muss. Dies ist durch den vorliegenden Entwurf nicht gewährleistet:

·         Durch die Streichung der Lehrverpflichtungsgruppen und gleichzeitige Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung erhöht sich allein schon die Unterrichtszeit  z.B.  eines Sprachlehrers (der weder Klassenvorstand noch Mentor ist) bei  geringerer Bezahlung  um  40%!!! Wie kann eine Streichung der Lehrverpflichtungsgruppen auch nur angedacht werden, wo doch klar sein muss, dass ein Hauptfach (Schularbeitenfach) mit der Korrektur von Hausübungen (4-5 Wochenstunden), Schularbeiten viel stärker belastet ist als jedes andere Fach! Zu dem soll noch die Unterrichtsverpflichtung einheitlich auf 24 Unterrichtsstunden pro Woche erhöht werden! Das ist der helle Wahnsinn. Und das soll der Bevölkerung dann noch als qualitätsbezogene Bildungsreform weisgemacht werden!  Das ist ein reines Sparpaket! Schon jetzt liegt Österreich bei den Bildungsausgaben unter dem  OECD-Schnitt! Diese Erhöhung der Wochenunterrichtszeit bedeutet nicht etwa mehr Zeit für und mit den SchülerInnen, sondern im Gegenteil weniger Zeit für mehr SchülerInnen! Schon jetzt ist man als engagierter und gewissenhafter Lehrer mit modernen Unterrichtsmethoden oft am Limit des Leistbaren. Für mich bedeutet das derzeit bei 20 Wochenunterrichtsstunden (2-Stunden Fächer: Biologie, Chemie, Physik) einen Unterricht in 10 Klassen mit insgesamt über 200 SchülerInnen (bei einer angenommenen durchschnittlichen Klassengröße um 20 SchülerInnen). Bei einer Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung auf 24 Wochenstunden kommen noch 2 Klassen zusätzlich dazu! Damit erhöht sich die Schülerzahl auf 250! Zusätzliche Arbeitsblätter, Tests, die zu korrigieren sind usw.! Wie bitte soll das zu einer Qualitätssteigerung des Unterrichtes führen?   In meiner über 30-jährigen Unterrichtstätigkeit musste ich einmal für eine erkrankte Kollegin 2 Klassen zusätzlich für ein halbes Jahr übernehmen, da keine Vertretung für die Kollegin bewilligt wurde – schon damals wurde gespart! Ja, ich habe es damals als gerade 40-jähriger Lehrer geschafft! Aber ein qualitätsvoller Unterricht war das keiner! Das war nicht Limit, sondern darüber hinaus purer Stress! Abgesehen davon, bedeutet eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung um 4 Wochenstunden in meinen Fächern, dass jede/r  6. vollbeschäftigter Fachkollegin/e arbeitslos wird!!! Es sind aber nicht alle vollbeschäftigt! Wollen Sie wirklich zahlreiche LehrerInnen in die Arbeitslosigkeit schicken? Das wird der Bevölkerung wohlweislich verschwiegen! Dass sich unsere Gewerkschaft verständlicherweise dagegen wehrt, als unkooperativ in den Verhandlungen hingestellt!

·         Zudem erschwert die steigende Zahl von verhaltensschwierigen SchülerInnen den laufenden Unterricht! Gerade für diese SchülerInnen fehlt in Österreich das dringend erforderliche unterstützende Fachpersonal, welches in den meisten Ländern selbstverständlich ist (z.B. das allseits gelobte und als Vorbild hingestellte Finnland). Das wird im neuen Entwurf nicht einmal erwähnt.

·         Ein weiterer Qualitätsfaktor für schulische Bildung sind die Arbeitsbedingungen, unter denen Lehrer im Konferenzzimmer arbeiten müssen. Auf einem Tisch mit 1.85 m2 müssen beispielsweise acht KollegInnen unserer Schule ihre Hefte und Bücher ablegen und korrigieren bzw. an Konferenzen teilnehmen!

·         Für eine  qualitativ hochwertige Ausbildung unserer Kinder ist eine ebenso hochwertige Ausbildung aller LehrerInnen eine wesentliche Voraussetzung.  Und diese macht mir große Sorgen! Natürlich war und ist eine fundierte pädagogische Ausbildung sehr wichtig, doch darf darunter die fachliche Ausbildung nicht zu kurz kommen!  Aus diesem Grund muss es auch weiterhin masterwertig ausgebildete LehrerInnen geben.  Ich bin daher entschieden dagegen, alle LehrerInnen unabhängig von ihrer Ausbildung in jeder  Schulart und in jedem Fach einsetzen zu können! Dieses Vorhaben hätte eine starke Minderung des Unterrichtsertrages, der Qualität und des Bildungsniveaus zur Folge!!! Wie sollen wir international mithalten? Pisa würde noch viel schlimmer ausfallen!!! Es darf nicht dazu kommen, dass das österreichische Bildungssystem zu einer Volksverdummung führt, weil drittklassig ausgebildete LehrerInnen an Schultypen unterrichten, für die sie gar nicht qualifiziert sind!

Der Entwurf für das neue Lehrerdienstrecht ist arbeitnehmerfeindlich, leistungsfeindlich und qualitätsfeindlich!!

 

Mit freundlichen Grüßen

OStR Mag. Siegmund Michelitsch (Pestalozzi-Gymnasium Graz)                                                                                                                                                                                                                                           

Es wird um Veröffentlichung gebeten!