VERWALTUNGSGERICHTSHOF

 

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PRÄSIDIUM

 

Zl. 1800/6-Präs/2007

 

 

 

 

 

An das

Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst

Ballhausplatz 2

1014 Wien

 

 

E-Mail: v@bka.gv.at

 

 

 

Zu GZ Staatsreform/Allgemeines/Vorlage 26 vom 23. Juli 2007

 

 

 

Der Verfassungsdienst hat mit dem oben zitierten Schreiben den von der "Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform" ausgearbeiteten Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, übermittelt. Das Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes möchte zunächst der Expertengruppe und dem Verfassungsdienst seinen Dank für die Vorbereitung dieses Entwurfes aussprechen. Die folgenden kritischen Bemerkungen zu einzelnen Punkten insbesondere des Reformmodells der Verwaltungsgerichtsbarkeit ändern nichts an der grundsätzlich positiven Einschätzung. Ein derart tiefgehender Reformprozess muss es zwangsläufig mit sich bringen, dass Strukturprobleme deutlich werden. Der Verwaltungsgerichtshof darf darauf hoffen, auch weiterhin in den legistischen Vorbereitungen Gehör zu finden.

 

I. Zum Aufbau der Stellungnahme

 

Im Lichte der besonderen Interessenlage des VwGH folgt die Stellungnahme nicht wie üblich der Reihenfolge der einzelnen Novellierungsanordnungen, sondern ist wie folgt aufgebaut: Der folgende Teil (II.) enthält die Positionen des VwGH zu den Schlüsselfragen: Dringlichkeit der Reform, Bestellungsvoraussetzungen für den VwGH und die Verwaltungsgerichte, Konzept der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere Frage der Entscheidungsbefugnisse, Ablehnung/Revisionszulassung und Säumnisschutz. Danach folgen in einem Teil (III.) weitere Bemerkungen zum Komplex "Verwaltungsgerichtsbarkeit". Der abschließende Teil (IV.) enthält Bemerkungen und Anregungen des Präsidiums des VwGH zu anderen verfassungspolitischen Neuerungen.

 

II. Schlüsselfragen der Reform

 

Nach dem Vorblatt zu den Erläuterungen soll die Einrichtung von Verwaltungsgerichten erster Instanz der "Verbesserung des Rechtsschutzsystems durch die Einführung einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes sowie die Überführung der zahlreichen gerichtsähnlichen Sonderbehörden in die neu zu schaffenden Verwaltungsgerichte erster Instanz" dienen. Unter den folgenden "Hauptgesichtspunkten des Entwurfs" heißt es unter anderem, dass es
- abgesehen von der Selbstverwaltung - nur mehr eine administrative Instanz geben soll, gegen deren Entscheidungen das Verwaltungsgericht angerufen werden kann.

Ziele des Entwurfs sind somit die Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes im Bereich der Staatsfunktion "Verwaltung" mittels einer Vereinheitlichung des Behördenaufbaus und der Steigerung der judiziellen Qualität der in erster Instanz einschreitenden Tribunale, insgesamt die Straffung und Beschleunigung des Rechtsschutzsystems mit dem besonderen Ziel der Entlastung des VwGH, und schließlich eine Verwaltungsreform im Wege des Abbaus der administrativen Berufungsinstanz zugunsten von Verwaltungsgerichten erster Instanz.

Der vorliegende Entwurf ist grundsätzlich geeignet, diese Ziele zu verwirklichen. Wie weit dies aber tatsächlich gelingen wird, hängt zum einen vom Zeitfaktor, zum anderen von der Qualität der Reform insbesondere in den folgenden wesentlichen Elementen ab:

A. Der Verwaltungsgerichtshof befindet sich seit mehr als zehn Jahren in einer krisenhaften Situation. In den beiden letzten Jahren ist eine neuerliche Zuspitzung eingetreten. Mit Juli 2007 sind - erstmals seit mehreren Jahren - wieder mehr als 10.000 Beschwerdefälle anhängig. Die Annahme, dass der Anhängigkeitsstand bis Ende 2009 16.000 betragen oder übersteigen könnte, ist durchaus realistisch. Obzwar auch die Erledigungszahlen des VwGH steigen - vgl. die jährlichen Tätigkeitsberichte - muss klar ausgesprochen werden, dass entlastende Maßnahmen nicht nur dringend erforderlich, sondern längst überfällig sind. Für die einzelnen mit Asylsachen befassten Mitglieder des VwGH ergibt sich daraus eine unerträgliche Arbeitssituation. Zum Stand vom Juli 2007 weisen die fünf meist belasteten Mitglieder von Asylsenaten Rückstände zwischen 525 und 686 Beschwerdefälle auf. Eine dem vergleichbare Situation besteht auch in den Senaten, die fremdenrechtliche Materien judizieren.

Es steht die politische Aussage im Raum, dass die zweigliedrige Verwaltungsgerichtsbarkeit erst ab 2010 verwirklicht werden soll. Nun verspricht diese selbst nach ihrem Inkrafttreten weder das gleichsam automatische Verschwinden der bis dahin entstandenen Rückstände noch eo ipso eine Verminderung des Beschwerdezuganges, zumal der VwGH - durch den Wegfall der Sperre des bisherigen Art. 133 Z. 4 B-VG - dann größere Verwaltungsbereiche zu kontrollieren haben wird.

Nur unter der Voraussetzung, dass die Reform den qualitativen Anforderungen gerecht wird - vgl. darüber später - kann mittelfristig mit einer Entlastung des VwGH gerechnet werden.

Da dies aber erst im besten Fall für die Zeit ab 2010 gelten soll, stellt sich mit großer Vehemenz die Frage, wie es mit dem VwGH in den nächsten Jahren weitergehen soll. Abgesehen davon, dass die gesamte Reform wenn möglich eben früher als erst 2010 umgesetzt werden sollte, sind Sofortmaßnahmen dringend geboten. Diese könnten insbesondere darin bestehen, dass das Verwaltungsgericht des Bundes - das in seinem Kern ja die Agenden des UBAS übernehmen soll - nicht erst 2010, sondern unverzüglich eingerichtet wird. Zur Entlastung des VwGH wäre ein ähnliches Modell wie nach 1997 mit der Einrichtung des UBAS zu erwägen, nämlich ein allenfalls kaskadenmäßiges Abtreten von Beschwerden dorthin. Es wäre auch zu überlegen, dem Verwaltungsgericht des Bundes - entgegen den im Entwurf vorgenommenen Kompetenzabgrenzungen - auch verwandte Materien des Integrationsrechtes zu übertragen, was den VwGH weiter entlasten könnte. Zu überlegen wäre auch die Ausdehnung des Ablehnungsrechts auf Entscheidungen des UFS.

Auch unter diesen Voraussetzungen sollte aber gewährleistet sein, dass vom Verwaltungsgericht des Bundes ein - wenn auch verengter - Rechtsweg zum VwGH führt.

B.1. Ein weiteres Schlüsselelement liegt in den Ernennungsvoraussetzungen für die Verwaltungsgerichte und den VwGH, die sich in den neuen Art. 134 Abs. 2, 3 und 4 finden. Diese sind zunächst in das Licht folgender grundsätzlicher Überlegungen zu stellen: Der Erfolg der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit - kürzere Verfahrenszeiten bei Wahrung der Qualität der Rechtsprechung - kann nur erreicht werden, wenn der Standard der Verwaltungsgerichtsbarkeit insgesamt entsprechend hoch ist, wobei als Maßstab - neben dem VwGH - vor allem die gegliederte ordentliche Gerichtsbarkeit in Betracht kommt. Das Präsidium des VwGH übersieht nicht, dass die Regelung der Dienstverhältnisse der Richter der Verwaltungsgerichte erster Instanz nicht vollkommen der der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit entsprechen kann, würde dies doch ein einheitliches Richterdienstrecht bedingen, das zwar erstrebenswert, aber im Hinblick auf den föderalen Aufbau Österreichs kaum realisierbar erscheint. Immerhin sollte getrachtet werden, beide Arten der Gerichtsbarkeit einander soweit als möglich anzugleichen. Der Entwurf gewährleistet dies nicht und spricht - im Hinblick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen - sogar selbst davon, dass es zwar eine Durchlässigkeit von der ordentlichen Gerichtsbarkeit hin zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, aber nicht umgekehrt geben wird.

Durch die kompetenzrechtliche Situation wird eine Zersplitterung des Dienstrechts - und damit des "Richterbildes" - gefördert, wie sie sich in keinem europäischen Staat mit einer Österreich auch nur annähernd vergleichbaren Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit findet. Selbst in Deutschland, einem Staat mit stark ausgeprägtem Föderalismus, bewirkte die so genannte "Öffnungsklausel" lediglich den Übergang der dienstrechtlichen Regelungskompetenz für die Teilbereiche Besoldung, Laufbahn und Versorgung von Richtern auf die Länder; im Übrigen sieht das Grundgesetz jedoch für das Statusrecht der Richter weiterhin eine vorrangige Regelungskompetenz des Bundes vor. Die deutsche Situation ist jedoch mit jener in Österreich schon auf Grund der im Durchschnitt wesentlich geringeren Größe der österreichischen Bundesländer und damit der geringeren Zahl der dort künftig zu beschäftigenden Landesverwaltungsrichter nicht vergleichbar.

Es wird daher primär vorgeschlagen, das Dienstrecht künftiger Mitglieder der Landesverwaltungsgerichte sowie das entsprechende Organisationsrecht dem Kompetenztatbestand des Art. 12 Abs. 1 B‑VG zu unterstellen, was es ermöglichte, ohne Belastung der Bundesverfassung durch zu sehr ins Detail gehende verfassungsrechtliche Bestimmungen die notwendige Einheitlichkeit des Berufsbildes künftiger Mitglieder der Verwaltungsgerichte durch ein Grundsatzgesetz sicherzustellen.

Kann dem aber nicht gefolgt werden, so wären entsprechend detaillierte verfassungsrechtliche Vorgaben erforderlich. Diese hätten - in Ermangelung einer Bundeskompetenz zur Grundsatzgebung - insbesondere die Heranführung von Anwärtern an das Amt eines Mitgliedes eines Verwaltungsgerichtes durch entsprechende Praxiszeiten als Richteramtsanwärter und Prüfungen zu regeln. In diesem Zusammenhang wird nicht verkannt, dass diese Praxiszeiten etwa für Verwaltungsjuristen im Hinblick auf die in der Verwaltung erworbenen Erfahrungen entsprechend verkürzt werden könnten. Ebenso könnten bereits abgelegte Verwaltungsdienstprüfungen - je nach Art und Inhalt der jeweiligen Prüfung - der Verwaltungsrichteramtsprüfung gleichgesetzt werden. Entsprechende Mindeststandards wären aber jedenfalls für alle künftigen Mitglieder von Verwaltungsgerichten einheitlich festzusetzen. Gleiches gilt für die Grundzüge des Besoldungs- und Pensionsrechtes.

2. Besonders gravierend fällt ins Gewicht, dass es für die künftigen Verwaltungsgerichte genügen soll, dass die Mitglieder "ein abgeschlossenes Studium und eine fünfjährige einschlägige Berufserfahrung" aufweisen können (Art. 134 Abs. 2 und 3 B-VG). Dies bedeutet nichts weniger als die Aufgabe des Juristenmonopols in der Gerichtsbarkeit und damit einen Schritt in die Richtung der Entrechtlichung der Verwaltung. Unklar ist die Bedeutung der "einschlägigen" Berufserfahrung, wenn es sich eben nicht um Juristen handelt. Bezieht sich die "Einschlägigkeit" auf eine der akademischen Ausbildung entsprechenden Tätigkeit in einem gerichtsfernen Fach, so ist nicht zu sehen, wie dies für die Mitgliedschaft in einem Verwaltungsgericht qualifizieren könnte. Gemeint sind wahrscheinlich Erfahrungen in der Verwaltung, etwa im Sachverständigenbereich. Sachverstand vermag aber die Befähigung zum richterlichen Urteilen nicht zu ersetzen (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg 16.827/2003). Das Präsidium des VwGH übersieht nicht, dass derzeit im Bereich der UFS bewährte nichtjuristische Kräfte am Werk sind. Für diese genügt ja die im Übergangsrecht vorgesehene "Dentistenregelung". Gegen die im Entwurf (Art. 135 Abs. 1) vorgesehene Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern bestehen keine Bedenken, allenfalls empfiehlt sich eine nähere verfassungsrechtliche Umschreibung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit ihrer Beiziehung. Es sollte jedoch eine scharfe Trennung zwischen den "fachkundigen Laienrichtern" einerseits und den berufsmäßig ernannten Verwaltungsrichtern andererseits geben. Ein pro futuro wirkender Verzicht auf die juristische Qualifikation läuft aber auf nichts weniger hinaus als auf die Schaffung zweier Güteklassen der Gerichtsbarkeit. Damit wäre aber auch die Akzeptanz der Verwaltungsgerichte in Frage gestellt, die wiederum eine Vorbedingung für die Entlastung des VwGH darstellt.

3. Soweit es den VwGH betrifft, sollen das "Richterdrittel" und das "Länderviertel" wegfallen. Dazu heißt es in den Erläuterungen, dass es dem VwGH unbenommen bliebe, sich weiterhin aus diesen Bereichen zu ergänzen. Dazu ist allerdings Folgendes zu bemerken:

Das "Länderviertel" kommt nicht von ungefähr, sondern soll der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine besondere bundesstaatliche Note geben. Zu dieser - gewiss vordergründigen - Schwächung des Länderelements tritt allerdings noch Folgendes:

Der Bewerbung von Mitgliedern aus dem Landesdienst - derzeit besonders auch aus dem Bereich der UVS in den Ländern - steht entgegen, dass alle Personen, die nach dem 31. Dezember 2004 in ein Bundesdienstverhältnis ernannt werden, nunmehr ausschließlich der allgemeinen Pensionsversicherung unterfallen (§ 1 Abs. 14 Pensionsgesetz 1965). Das bedeutet, dass jene Richter des VwGH, die aus dem Landesdienst kommen, eine empfindliche Einbuße erleiden. Die dadurch geschaffene rechtliche Situation steht in einem eklatanten Spannungsverhältnis nicht nur zum "Länderviertel" nach Art. 134 Abs. 3 B-VG, sondern ist vor allem auch verfassungswidrig im Hinblick auf Art. 21 Abs. 4 B-VG, dessen Kernbedeutung die Garantie der Anrechenbarkeit von Pensionszeiten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach diese Problematik an das Bundeskanzleramt herangetragen (etwa mit Schreiben vom 20. September und 31. Oktober 2005). Ersucht wurde, eine dem § 106 Abs. 4 LDG 1984 (in der Fassung der Dienstrechtsnovelle 2005, BGBl. I Nr. 180) für Landeslehrer geltende Bestimmung zu schaffen.

Darüber hinaus beklagt der VwGH seit einigen Jahren, dass im Hinblick auf die besoldungsrechtlichen Verhältnisse Bewerber aus - von Wien aus - entfernteren insbesondere westlichen Bundesländern fast nicht zu gewinnen sind. Mehrere Vorstöße des Präsidiums des VwGH, auch im Umweg über das Initiativrecht des Bundesrates (vgl. 13 d. Blg. Sten.Prot.NR XXI. GP) blieben erfolglos.

Diese Problematik einer strukturbedingten Unterrepräsentation der Länder und Gemeinden im VwGH wird - so nicht gegengesteuert wird - das System noch etliche Jahre beschäftigen.

4.a. Noch gravierender ist die Aufgabe des "Richterdrittels", das im Zusammenhang der Organisation der Staatsgerichtsbarkeit zu sehen ist.

Denn fällt das "Richterdrittel", so wird es konsequenterweise auch zur Aufhebung jener einfachgesetzlichen Regelungen kommen, dass jedem Senat des VwGH ein Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt, jedem nicht mit Abgabensachen befassten Senat ein Mitglied mit der Befähigung zum Dienst in der allgemeinen Verwaltung und jedem Finanzsenat ein Mitglied mit der Befähigung zum höheren Finanzdienst anzugehören haben.

Schon nach geltender Rechtslage stehen somit die in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen der Vergabe mindestens eines Drittels der beim Verwaltungsgerichtshof systemisierten Planstellen an Bewerber, die weder die Befähigung zum Richteramt, noch jene zum höheren Finanzdienst oder zum Dienst in der allgemeinen Verwaltung aufweisen, nicht entgegen. (Zur Erfüllung der Vorgaben betreffend "Administrativ-" und "Finanzrichter" wäre nämlich die Reservierung eines Drittels der Stellen völlig ausreichend.) Häufigere Ernennungen anderer im Sinne des Art. 134 Abs. 3 zweiter Satz B-VG qualifizierter Personen unterblieben bisher nicht etwa auf Grund der erwähnten gesetzlichen Vorgaben, sondern mangels Verfügbarkeit geeigneter Bewerber.

b. Der Entwurf begründet den Entfall des "Richterdrittels" nicht weiter, doch kann zunächst auf die Erläuterungen zu dem vom BKA-VD mit GZl. 600.127/004-V/1/2006 vom 2. März 2006 versendeten Entwurf zurückgegriffen werden. Damals wurde die Maßnahme mit der Annahme begründet, die in Rede stehende verfassungsgesetzliche Vorgabe stehe erfolgreichen Bewerbungen von (ordentlichen) Universitätsprofessoren und Rechtsanwälten für Planstellen sonstiger Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes entgegen. Diese Annahme ist aber unrealistisch, denn für geeignete Bewerber aus diesen Berufsgruppen steht nämlich - wie oben dargelegt - ohnedies bereits jetzt ein Drittel der vorhandenen Planstellen zur Verfügung. Es scheitert jedoch an geeigneten Bewerbungen. Aus dem Kreis der Universitätsprofessoren erfolgte - jedenfalls in den letzten zehn Jahren - keine einzige Bewerbung, was angesichts der herrschenden Arbeitsbedingungen auch kaum verwundert. Was die Berufsgruppe der Rechtsanwälte angeht, so standen dem Verwaltungsgerichtshof bisher bloß in wenigen Einzelfällen entsprechend qualifizierte Bewerber zur Verfügung, was angesichts der Einkommensrelation ebenso wenig Anlass für Verwunderung geben dürfte. Die wenigen - erfolgreichen - Bewerbungen hoch qualifizierter und auch wirtschaftlich arrivierter Rechtsanwälte waren für diese nicht zuletzt damit motiviert, dass die (damals) attraktiven (und mit jenen in der Rechtsanwaltschaft nicht vergleichbaren) Ruhegenüsse im Bereich des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ein Anreiz dafür waren, den Rechtsanwaltsberuf trotz erheblicher Einbussen im Aktiveinkommen zugunsten einer richterlichen Tätigkeit aufzugeben. Mit Inkrafttreten der Pensionsharmonisierung, welche für erstmals in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund ernannte Quereinsteiger - derzeit ohne jede Kompensation (sowohl die zugesagte Schaffung einer Pensionskasse als auch die zugesagten Verhandlungen zum teilweisen Ausgleich der "Harmonisierungsverluste" durch Gehaltsanhebungen wurden auf die lange Bank geschoben) - keine "Beamtenpension" mehr vorsieht, ist auch diese Motivation weggefallen.

Wie oben dargelegt sind bislang weder der verfassungsgesetzlich vorgesehene Mindestanteil an Mitgliedern mit der Befähigung zum Richteramt noch die Vorschriften betreffend die Senatszusammensetzung einem Erfolg der wenigen Bewerbungen entsprechend geeigneter Rechtsanwälte entgegen gestanden. Angesichts der Pensionsharmonisierung ist mit derartigen Bewerbungen in der Zukunft ohnedies nicht mehr zu rechnen.

Der in Art. 134 Abs. 3 zweiter Satz B-VG vorgeschriebene Mindestanteil von Mitgliedern mit der Befähigung zum Richteramt hat seine unverändert gültige Motivation darin, dass sich insb. die Richter im Hinblick auf ihre ständige Befassung mit Angelegenheiten der Rechtsprechung besonders zu Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes eignen. In diesem Zusammenhang sei allerdings auch der Hinweis gestattet, dass sich Richter - anders als etwa Universitätsprofessoren oder Rechtsanwälte - nicht nur "mit Angelegenheiten der Rechtsprechung befassen", sondern in ihrer beruflichen Praxis eben genau das tun, was auch Aufgabe der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes ist, nämlich "Recht sprechen". Der Verwaltungsgerichtshof rekrutiert seine aus dem Richterstand stammenden Mitglieder teils aus Richtern der Oberlandesgerichte, teils aus in Rechtsmittelsachen tätigen, besonders befähigten Richtern der Gerichtshöfe erster Instanz. Dieser Personenkreis verfügt - neben dem Abschluss des juristischen Studiums - über eine mehrjährige, mit der Richteramtsprüfung abgeschlossene, spezifisch auf die Erfüllung von Aufgaben der Rechtsprechung ausgerichtete Ausbildung, sowie weiters über eine - in der Regel 7- bis 10-jährige - judizielle Praxis, welche im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zumindest zweimal (bei Richtern des Oberlandesgerichtes sogar dreimal) evaluiert wurde (nämlich anlässlich der Ernennung vom Bezirksgericht zum Gerichtshof erster Instanz, anlässlich der Betrauung mit Rechtsmittelsachen bei diesem Gerichtshof und - gegebenenfalls - anlässlich der Ernennung zum Oberlandesgericht). Dieses Rekrutierungspotential ist für den Verwaltungsgerichtshof - jedenfalls auf absehbare Zeit - unverzichtbar. Im Übrigen hat ein wesentliches Motiv der Beteiligung von Justizrichtern an der Verwaltungsgerichtsbarkeit heute eher noch mehr Gültigkeit als ehedem: Etwa das Vergaberecht zeigt anschaulich, dass die Verschneidungsflächen zwischen dem - klassischen - Verwaltungsrecht und dem Zivilrecht an Bedeutung zunehmen. Zudem sieht der Entwurf ja vor, dass den Verwaltungsgerichten auch bestimmte nicht typische Verwaltungsmaterien zugewiesen werden können. Auch unter diesem spezifisch fachlichen Gesichtspunkt kann auf die Mitwirkung von Richtern mit mehrjähriger zivilrechtlicher Erfahrung nicht verzichtet werden.

c. Der vorliegende Entwurf könnte freilich davon geleitet sein, dass auf den genannten Personenkreis in Zukunft nicht mehr zwingend zurückgegriffen werden müsse, weil auch die Mitglieder der Verwaltungsgerichte "mit vollen richterlichen Garantien ausgestattet" Rechtsprechung, und zwar sogar in Verwaltungssachen betreiben.

Von daher wäre es zwar nicht unschlüssig, das "Richterdrittel" zu belassen, es aber freilich nicht mehr auf die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu beschränken, sondern auch die Mitglieder der Verwaltungsgerichte miteinzubeziehen. Dies ist allerdings eben nur dann möglich - und hier schließt sich der Kreis - wenn die fachliche Qualität der Mitglieder der Verwaltungsgerichte jener der ordentlichen Gerichtsbarkeit entspricht. Durch den Entwurf wird dies - wie schon dargelegt - aber keineswegs gewährleistet. Aus den genannten Gründen sollte das "Richterdrittel" und zwar bis auf Weiteres in seiner geltenden Fassung - Abstellen auf die "Befähigung zum Richteramt" - bestehen bleiben.

5. Grundsätzlich keine Bedenken hat das Präsidium des VwGH dagegen, dass - bei den allgemeinen Ernennungsvoraussetzungen - nun nicht mehr allein auf die Bekleidung einer Berufsstellung abgestellt wird, für die die Vollendung der rechts- und staatswissenschaftlichen Studien vorgeschrieben ist. Für den VwGH ist es allerdings wesentlich, dass ein Bewerber nicht nur irgendeine juristische Praxis aufweist, sondern in einem spezialisierten juristischen Beruf tätig war. Dass hier nicht mehr allein auf innerstaatliche Vorschriften abgestellt werden kann und dass es weiters auch entsprechende Bewerber und Bewerberinnen etwa aus der beruflichen Selbstverwaltung oder aus der Sozialversicherung geben könnte, muss berücksichtigt werden. Es wird daher die folgende Formulierung vorgeschlagen:

"Alle Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes müssen die rechtswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens zehn Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die entweder die Vollendung dieser Studien vorgeschrieben ist oder die einer solchen Berufsstellung gleich kommt."

6. Die Ernennung der Mitglieder des VwGH erfolgt durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung. Diese ist zwar an den Vorschlag der Vollversammlung des VwGH gebunden, doch bedeutet dies nicht, dass sie zwingend einen Bewerber aus dem Dreiervorschlag auszuwählen hat, sie kann auch untätig bleiben. Zwar wird Art. 134 Abs. 1 unverändert von der "erforderlichen Zahl" der Mitglieder sprechen, woraus sich eine gewisse Determinierung ableiten lässt, eine künftige Bundesregierung könnte aber auch - unter dem Diktat des Abbaus der Personalkosten auch um den Preis der Rechtsqualität - indirekten Druck auf die Vollversammlung des VwGH ausüben, nur schlechter ausgebildete, und daher billigere Bewerber oder Bewerberinnen in Vorschlag zu bringen. Bei verfassungsrechtlichen Vorkehrungen soll berücksichtigt werden, dass solche Bestimmungen eine lange Geltungsdauer haben und haben sollen. Der Verfassungsgesetzgeber muss daher auch für aus heutiger Sicht vielleicht perhorreszente politische Konstellationen Vorsorge treffen.

C.1. Der verwaltungsreformatorische Effekt der Reform ist wesentlich damit verbunden, dass und wie weit die Verwaltungsgerichte erster Instanz in der Sache selbst entscheiden werden. Denn nur so wird gewährleistet, dass "Kassationskaskaden" vermieden werden und es überhaupt zu einer Beschleunigung der Verfahren kommt (Art. 6 EMRK!). Dieses so wichtige Ziel kommt im Allgemeinen Teil der Erläuterungen unter Punkt 1.3. der Hauptgesichtspunkte des Entwurfs auch zum Ausdruck, wenn darauf hingewiesen wird, dass der Verfahrensgesetzgeber die Möglichkeit der kassatorischen Entscheidung weiter einschränken kann. Im Verfassungstext selbst findet sich dieser Grundsatz in Art. 130 Abs. 3 jedoch nur mehr in abgeschwächter Form, denn hier werden die - relativ engen - Voraussetzungen umschrieben, unter denen ein verfassungsrechtliches Gebot einer Sachentscheidung gelten soll.

Wenn auch nicht übersehen wird, dass die vorliegende Formel das Ergebnis eines langwierigen verfassungspolitischen Diskussionsprozesses - insbesondere mit den Ländern - ist - regt das Präsidium des VwGH doch noch ein abermaliges Überdenken an. Zumindest sollte hinterfragt werden, weshalb dieses Gebot nicht auch schon bei einer - wenn auch nur geringen Kosteneinsparung - durch eine Entscheidung in der Sache selbst gelten soll. Darüber hinaus geht der vorgeschlagene Text offenbar von einer präzisen Berechenbarkeit der Kosteneinsparung aus und trägt nicht dem Umstand Rechnung, dass ein solcher Kostenvergleich in aller Regel nur im Wege einer groben Einschätzung vorgenommen werden kann.

Aus diesen Erwägungen wird folgender Text des Art. 130 Abs. 3 erster Satz B-VG vorgeschlagen, der die Präferenz des Verfassungsgesetzgebers deutlich zum Ausdruck brächte:

"(3) In Rechtssachen nach Abs. 1 Z. 1 hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, es sei denn, es ist anzunehmen, dass dadurch im Vergleich zur Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde die Erledigung verzögert oder ein erheblicher Mehraufwand an Kosten verursacht würde."

Damit wäre der in der bisherigen Z. 1 geregelte Tatbestand, dass der maßgebliche Sachverhalt bereits feststeht, jedenfalls umfasst.

Sollte es darum gehen, in bestimmten Materien reformatorische Entscheidung der Verwaltungsgerichte von Haus aus nicht zuzulassen, könnten diese Fälle oder Bereiche taxativ in der Bundesverfassung genannt werden.

2. Mit der zweckmäßigen Regelung der Entscheidungsbefugnisse der Verwaltungsgerichte hängt allerdings ein ganzes Bündel struktureller Fragen zusammen, deren Beantwortung der Entwurf rsp. die Erläuterungen nur andeuten. Es geht vor allem darum, dass die Reform nicht in ihr Gegenteil umschlägt, also insgesamt zu einer Verschlechterung des Rechtsschutzes und zur Verlängerung der Verwaltungsverfahren (unter Einschluss ihrer gerichtlichen Kontrolle) führt. Keinesfalls sollte unter dem Mantel einer - formalen - Vergerichtlichung der Zugang des Einzelnen zum Recht verschlechtert werden.

Im Lichte dieser Sorge geben die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte und des VwGH, wie sie der Entwurf vorsieht, zu den folgenden grundsätzlichen Erwägungen Anlass:

Nach Ansicht des Präsidiums des VwGH haben sich die Strukturen der "Garantien der Verwaltung" wie sie in der österreichischen Rechtsordnung mit der Einführung der UVS (im Sinne des AVG auch als Berufungsbehörden) und der Erweiterung ihrer Zuständigkeiten durch das Verwaltungsreform-Gesetz 2001 herbeigeführt wurden, grundsätzlich bewährt. Die Optimierung dieses Systems - unter besonderer Beachtung der Entlastung des VwGH - liegt daher nicht in der Änderung der funktionalen Zusammenhänge, sondern in einer Verbesserung der judiziellen Qualität der UVS, die eben zu echten Verwaltungsgerichten werden. Wie wichtig die richterliche Personalentwicklung für das Gelingen der Reform ist, wurde unter II.2. im Einzelnen dargelegt.

Wenn man von dieser Prämisse geleitet ist, so hätten die Verwaltungsgerichte an die Stelle der Berufungsbehörden im Verwaltungsverfahren zu treten, also die Position einzunehmen, die derzeit die UVS haben. Der Verwaltungsgerichtshof sollte weiterhin die Rolle im Rechtsschutzgefüge spielen, die ihm von jeher zukommt. Der Entwurf deutet hingegen ein anderes Konzept an: Demnach würden die Verwaltungsgerichte nicht an die Stelle der administrativen Berufungsbehörden, sondern an jene des VwGH treten. Ob diese Änderung im Interesse des Rechtsschutzes des Einzelnen wie in jenem der Verfahrensbeschleunigung liegt, kann bezweifelt werden. Dass die Verwaltungsgerichte in der Tat die Position des VwGH einnehmen sollen, kommt vor allem darin zum Ausdruck, dass Art. 132 Abs. 1 die Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht so umschreibt, wie bisher der Zugang zum VwGH umschrieben wurde, nämlich mit der Formel "Wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet". Die nur relativ schwache verfassungsgesetzliche Präferenz für die reformatorische Entscheidung schließt ein Verfahrensrecht nicht aus, bei dem sich die Verwaltungsgerichte erster Instanz merkbar eher als Kassationsinstanzen verstehen denn als Berufungsbehörden im Sinne des AVG. Das Präsidium des VwGH übersieht bei alldem nicht, dass die Verwaltungsgerichte nicht schlechthin die Funktionen einer instanzenmäßig übergeordneten Verwaltungsbehörde übernehmen können, so wird darüber nachzudenken sein, ob und inwieweit etwa § 66 Abs. 4 AVG, Satz 2, zur Anwendung kommen soll.

Problematisch ist auch die Umschreibung des Zugangs zum VwGH: Hier ist nämlich in Art. 133 Abs. 1 (sinngemäß in beiden Varianten) nur mehr davon die Rede, dass der VwGH über "Beschwerden gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit" angerufen werden kann. Dem könnte die Überlegung zu Grunde liegen, dass zwar die Verwaltungsgerichte kassatorisch entscheiden können, dann aber der VwGH in reformatorischer Weise die Verwaltungsverfahren zu einem materiellen Ende bringen soll. Es fällt auf, dass zwar indirekt ein verfassungsrechtliches "Kassationsresiduum" zugunsten der Verwaltungsgerichte gegeben ist, eine dem vergleichbare Bestimmung für den VwGH aber fehlt. Hier bleibt es - wie bisher - bei der einfachgesetzlichen Festschreibung der Entscheidungsbefugnisse. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der einfache Gesetzgeber der Gesamtkonstruktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade diese Wendung gibt. Dass dies schon im Hinblick auf die Organisation und Struktur des VwGH kontraproduktiv wäre, ist leicht zu erkennen. Setzt aber der VwGH über eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes abermals eine Kassation, so entstehen eben genau jene verfahrensverzögernde Kassationskaskaden, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

Nach Ansicht des Präsidiums des VwGH sollte der VwGH gegenüber den Verwaltungsgerichten auch weiterhin jene Position einnehmen, die er bisher gegenüber der administrativen Oberinstanz (dem UVS) gegenüber eingenommen hat. Seine Zuständigkeit sollte daher in herkömmlicher und durch die bisherige Tradition klaren Weise des Art. 131 Abs. 1 B-VG umschrieben werden.

Das Präsidium des VwGH schlägt vor, das System des Entwurfs "umzudrehen" und den Zugang zu den Verwaltungsgerichten wie folgt zu fassen:

"Art. 132 Abs. 1 Z. 1

Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben,

1. wer im Verwaltungsverfahren als Partei Rechte geltend machen konnte ..."

Die übrigen Ermächtigungen in dieser Vorschrift bleiben unverändert.

 

Hinsichtlich der Anrufbarkeit des VwGH müsste auf einen anderen legistischen Duktus umgestellt werden, der allerdings genau zum vorangehenden Art. 132 passt:

"Art. 133 Abs. 1

Gegen die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

1. wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet."

 

Zur zweiten Ermächtigung (Säumnisschutz) vgl. die ablehnende hg. Stellungnahme unter D. Die Kompetenzzuständigkeit des VwGH könnte in einem eigenen Absatz etwa wie folgt geregelt werden: "Weiters erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten". (Zur Überflüssigkeit einer Kompetenz zur Lösung "vertikaler" Kompetenzkonflikte vgl. die Bemerkung später.) Darüber hinaus wäre eine Vorkehrung für Beschwerdemöglichkeiten von Amtsparteien vor dem VwGH zu treffen, wobei man hier besser die obersten Administrativbehörden ins Auge fassen sollte, und nicht die belangte Behörde oder etwa gar das Verwaltungsgericht.

D. Weiterhin ist die Zuständigkeit des VwGH vorgesehen, über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte zu erkennen.

Damit soll das bisherige Modell der Säumnisbeschwerde nunmehr auf das Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshof übertragen werden. Zur Säumnisbeschwerde im spezifischen Verständnis des Art. 132 B‑VG bzw. des § 27 VwGG und der Frage der Übertragbarkeit dieses Modells auf das Verhältnis zwischen Tribunalen bzw. Gerichten und dem Verwaltungsgerichtshof hat das Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes bereits in seiner Stellungnahme zu einem Entwurf für ein Verfahrens- und Zustellrechtsanpassungsgesetz 2006 (Zl. 1701/8‑Präs/2006) Folgendes ausgeführt:

"... Letztere stellt ‑ soweit überblickbar ‑ ein österreichisches Spezifikum des Rechtsschutzes gegen Säumnis dar. Sie hat sich in Fällen der Säumnis der Verwaltung in der Vergangenheit auch im Großen und Ganzen als taugliches Mittel bewährt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die hierarchisch gegliederte Verwaltung ‑ in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ‑ den Verlust ihrer Zuständigkeit (und damit der Befugnis, den Fall in Ansehung der Beweiswürdigung und der Ermessensübung autonom zu entscheiden) auch dank der dort jederzeit möglichen Konzentration personeller Ressourcen auf den betroffenen Fall durch rechtzeitige Bescheidnachholung vermeiden wollte und auch konnte. In letzter Zeit sind demgegenüber im Bereich der Verwaltung Tendenzen einer zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Vollzugsaufgaben erkennbar, was mit der Abziehung von personellen Ressourcen zusammenhängen könnte. Klarzustellen ist an dieser Stelle, dass jeder tatsächliche Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf den Verwaltungsgerichtshof mit weiteren Verzögerungen des Verfahrens verbunden ist, weil letzterer für die meritorische Erledigung von Verwaltungssachen weder personell noch organisatorisch eingerichtet ist.

Nach dem Konzept des Art. 132 B‑VG ist die Säumnisbeschwerde ein Notbehelf zur Sicherung des Rechtsschutzes, der dann zum Einsatz kommen kann, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde im Einzelfall ihrer Verpflichtung nicht nachkommt oder allenfalls in besonderen Fällen auch nicht nachkommen will. Keinesfalls darf sich die Säumnisbeschwerde zu einem Automatismus entwickeln. Diese Gefahr besteht aber insbesondere dann, wenn es sich bei der letzten zuständigen Verwaltungsbehörde um ein Verwaltungstribunal handelt, dessen Träger vom Bund verschieden ist. Dann nämlich kann es ‑ immer unter dem Prätext der Personalverknappung ‑ eine aus diesem Blickpunkt 'rationale' Vorgangsweise sein, Zuständigkeiten devolvieren zu lassen.

Aus guten Gründen gibt es eine Säumnisbeschwerde im Bereich der ordentlichen Justiz (zwischen Gerichten) nicht. Demgegenüber wurde dort mit dem freilich nicht an das Verschulden von Richtern anknüpfenden Antrag auf Fristsetzung gemäß § 91 GOG durch das höhere in Ausübung der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit handelnde Gericht an das untergeordnete Gericht das Auslangen gefunden. Entsprechendes ist auch nach den Ergebnissen des Ausschusses 9 des Verfassungskonvents für das Verhältnis zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und künftigen Verwaltungsgerichten erster Instanz vorgesehen."

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof vorgeschlagen, sogar in Vorgriff auf die Umwandlung der Unabhängigen Verwaltungssenate in erstinstanzliche Verwaltungsgerichte die Beschwerde nach Art. 132 B‑VG wegen einer diesen Tribunalen zurechenbaren Verletzung der Entscheidungspflicht durch einen dem § 91 GOG nachgebildeten verschuldensunabhängigen Fristsetzungsantrag zu ersetzen.

Die Erläuterungen zu dem nunmehr geplanten Art. 133 B‑VG lassen eine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten vermissen. Hinzu kommt noch, dass ‑ wie oben bereits dargelegt ‑ der Verwaltungsgerichtshof tendenziell zur Abklärung der für eine meritorische Entscheidung erforderlichen Sachfragen schon auf Grund seiner organisatorischen Struktur wenig geeignet erscheint.

Es wird daher angeregt, den entsprechenden Tatbestand wie folgt zu formulieren:

"Fristsetzungsanträge gegen die Säumnis von Verwaltungsgerichten"

E. Schließlich ist für das Konzept der reformierten Verwaltungsgerichtsbarkeit von größter Bedeutung, wie einerseits die Position des VwGH als Höchstgericht einerseits mit seiner Entlastung von nicht notwendiger Rechtsprechung andererseits bewerkstelligt werden kann. Der vorliegende Entwurf stellt zwei Alternativen zur Diskussion: Ein dem bisherigen Art. 131 B-VG nachgebildetes System der "Ablehnung" und ein den §§ 502 und 505 Abs. 3 ZPO nachgebildetes Prinzip der "Revisionszulassung".

Zunächst ist zu sagen, dass es sich bei den beiden Modellen im Sinne allgemeiner verfahrensrechtlicher Lehren um Spielarten einer "Revisionsbeschränkung" handelt. Einander gegenübergestellt sind das Modell einer "Zulassungsrevision", bei der das Verwaltungsgericht entscheidet, ob die Revision zugelassen wird, und einer "Annahmerevision", bei der das Revisionsgericht (hier: der VwGH) ausspricht, ob er die Revision annehmen und damit sachlich erledigen muss oder als unzulässig zurückweisen kann.

Im Sinne allgemeiner Prozesslehren (vgl. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozessrechts2, 1990, Rz 1848ff) muss das Modell der "Zulassungsrevision" zwingend durch die Möglichkeit der Bekämpfung der vom Untergericht nicht zugelassenen Revision ergänzt werden ("außerordentliche Revision"). In diesem Sinn sieht der Entwurf auch vor, dass im Rahmen des Revisionsmodells der Ausspruch über die Nichtzulassung der Revision einen besonderen Beschwerdegegenstand vor dem VwGH bilden soll (Art. 133 Abs. 1 Z. 2). Weiters verlangt ein sinnvolles Zulassungssystem, dass die Bekämpfung der unzulässigen Revision mit der Einbringung der Revision selbst verbunden werden muss. Dieses Regelungselement ist im vorliegenden Verfassungsentwurf nicht enthalten, seine Vorkehrung durch den Verfahrensgesetzgeber wird aber nicht ausgeschlossen. Es handelt sich hier um eine wichtige Regelung, da ansonsten von vornherein beträchtliche verfahrensrechtliche Komplikationen in Kauf genommen werden müssen. Drittens muss gewährleistet sein, dass der VwGH auch zugelassene Revisionen ablehnen kann (dies sieht der Entwurf vor).

Unter den genannten Voraussetzungen kann das Reformziel - Entlastung des VwGH ohne Minderung des Rechtsschutzes - zwar grundsätzlich auf beiden Wegen erreicht werden. Welchem Modell man den Vorzug gibt, ist aber eine Frage der Zweckmäßigkeit und Einfachheit des Verfahrens.

2. Für das Revisionsmodell könnten folgende Argumente ins Treffen geführt werden:

- Das zivilgerichtliche Verfahren sei ausdifferenzierter und prozesstechnisch subtiler als das Verwaltungsverfahren resp. seine gerichtliche Kontrolle.

- Die Nichtzulassung der Revision würde den Beschwerdeführer über seine Prozesschancen informieren und ihn so davon abhalten, unnötig eine weitere Rechtsstufe in Anspruch zu nehmen, was wiederum zur Entlastung des VwGH beitrüge.

Dem Präsidium des VwGH erscheinen diese beiden Argumente aber als wenig überzeugend. Die Frage einer weiteren prozesstechnischen Verfeinerung ist vielleicht von akademischem Interesse, ein Bedürfnis danach dürfte sich in der Realität verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht ergeben.

Was die repellierende Wirkung betrifft, so muss man sich vor Augen halten, dass der Rechtszug in der Verwaltung/Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich heterogen ist, gegenüber der homogenen und lange eingespielten ordentlichen Gerichtsbarkeit. In der Verwaltung wechseln nicht einzelne gerichtliche Instanzen, sondern es wird zunächst eine Verwaltungsbehörde tätig, dann im Reformmodell ein - mehrheitlich vom Land unterhaltenes - Verwaltungsgericht und dann der Verwaltungsgerichtshof. Es gibt weder ein einheitliches Verfahrensrecht, noch durchgehende Karriereverläufe oder eine einheitliche Justizverwaltung. Es ist daher keineswegs gesichert, dass - zumindest in den ersten Jahrzehnten nach der Einführung der Verwaltungsgerichte - diese in einer sinnvollen und halbwegs einheitlichen Weise von der Revisionszulassung Gebrauch machen werden. Die Gefahr besteht dabei in beide Richtungen: Wird die Revision zu oft zugelassen, weil sich das Verwaltungsgericht seiner Sache nicht sicher ist und die letzte Verantwortung nicht übernehmen will, verpufft der Entlastungseffekt. Will aber das Verwaltungsgericht - in Hochschätzung der eigenen Judikatur - schon aus Prestigegründen die Revision nicht zulassen, so hätte dies entweder eine bedenkliche Irreführung der Verfahrensparteien zur Konsequenz (diese glauben, sie haben keine Chancen, obwohl sie diese hätten) oder wiederum eine Fülle von außerordentlichen Revisionen. Dazu kommt, dass - in Ermangelung von entsprechenden Verfahrenskosten - unvermeidlicherweise Rechtsmittel an den VwGH erhoben werden, auch wenn diese relativ aussichtslos sind. Der Bereich des Asyl- und Fremdenwesens ist dafür das beste Beispiel.

Ein Vorteil des Revisionsmodells bestünde allerdings darin, dass die Revision, wenn sie zugelassen wird, beim Verwaltungsgericht erster Instanz eingebracht werden müsste. Dieses Gericht hätte die Revision bereits mit den Verfahrensakten dem VwGH vorzulegen, woraus eine Ersparnis im Vorverfahren resultieren könnte (verfahrensrechtliche Vorkehrungen in diese Richtung könnten auch für das "Ablehnungsmodell" überlegt werden).

3. Das Revisionsmodell enthält aber - und dies bildet einen deutlichen Unterschied zum Ablehnungsmodell - den Anknüpfungspunkt für eine Reihe von verfahrensrechtlichen Komplikationen, insbesondere dann, wenn es zu einer verfahrenstechnischen Abtrennung von Unzulässigkeitsbekämpfung und Revision kommt, jeweils mit beträchtlichem Verzögerungspotential:

-   Nichtzulassung durch das Verwaltungsgericht.

-   Beschwerde gegen die Nichtzulassung.

-   Begründete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, mit welcher der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben oder diese abgewiesen wird.

-   Im erstgenannten Fall Ausführung der Revision durch die Partei (innerhalb einer neu zu laufen beginnenden Frist) und erst dann inhaltliche Behandlung derselben.

Dazu kommt, dass Art. 144 B-VG den VfGH beruft, über Beschwerden gegen "Entscheidungen" der Verwaltungsgerichte zu entscheiden. "Entscheidungen" der Verwaltungsgerichte sind auch jene über die Zulassung der Revision, und zwar sowohl positive als auch negative. Eine Einschränkung in der Richtung, dass Entscheidungen der Verwaltungsgerichte über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision nicht erfasst wären, enthält Art. 144 nicht. Eine solche Einschränkung könnte sich aus Art. 133 Entwurf allenfalls für positive Zulassungsentscheidungen ergeben. Wenn man die gesonderte Beschwerdemöglichkeit gegen negative Zulassungsentscheidungen in Art. 133 Abs. 1 Z. 2 dahin deutet, dass damit die Bekämpfung von Zulassungsentscheidungen vor dem VwGH abschließend geregelt ist und daher positive Zulassungsentscheidungen nicht einmal vor dem VwGH bekämpft werden können, ist anzunehmen, dass positive Zulassungsentscheidungen auch nicht Gegenstand einer Beschwerde vor dem VfGH sein können. Zwingend ist das allerdings nicht, ebenso wenig wie die Auslegung des Art. 133 Abs. 1 Z. 2 als abschließende Regelung der Bekämpfbarkeit von Zulassungsentscheidungen vor dem VwGH. Für den Ausschluss negativer Zulassungsentscheidungen von der Zuständigkeit des VfGH bietet der Entwurf noch weniger Argumente. Das bedeutet, dass die Nichtzulassung der Revision - allenfalls sogar die Zulassung - möglicherweise auch beim VfGH angefochten werden kann. Ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, das durch eine solche Entscheidung verletzt sein könnte, ist schnell gefunden. In erster Linie bietet sich ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Zugang zum VwGH an. Dieses wäre unter Heranziehung der bisherigen Grundrechtsformeln des VfGH dann verletzt, wenn das Verwaltungsgericht bei seiner Zulassungsentscheidung z.B. denkunmöglich entschieden hat. Aber auch andere Grundrechte könnten herangezogen werden. Diese Weiterung erscheint nicht sinnvoll.

Manchen dieser Konsequenzen kann man zwar entgehen, wenn man - wie schon oben zum Ausdruck gebracht - außerordentliche Revision und Einbringung der Revision selbst untrennbar miteinander verknüpft. Damit würde aber der vielleicht positive Effekt für den Beschwerdeführer, nämlich seine Entlastung durch eine zunächst nur gröbere Ausführung des Rechtsmittels jedenfalls verloren gehen.

4. Aus dem Entwurf ist nicht unmittelbar abzuleiten, welche Stellung der Revisionsgegner im Zulassungsverfahren haben soll. Wie bereits oben ausgeführt, lässt sich Art. 133 so deuten, dass eine positive Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtes nicht bekämpfbar ist. Das sagt aber noch nichts darüber, ob der Revisionsgegner seine Einwände vor dem VwGH vorbringen kann und ob der VwGH darauf in seiner Entscheidung einzugehen hat. Bejahendenfalls stellt dies einen zusätzlichen Aufwand für den VwGH dar. [Angemerkt sei, dass nach der ZPO der Revisionsgegner zwar die Zulassungsentscheidung nicht gesondert bekämpfen kann, er aber die Möglichkeit hat, auf die Zulässigkeit der Revision in der Revisionsbeantwortung einzugehen (§§ 500 Abs. 4, 507 Abs. 3, 508a ZPO).]

5. Im Zusammenhang mit Nichtzulassungsbeschwerden steht darüber hinaus die Befürchtung im Raum, dass sich eine eigene ‑ subtil ausgewogene ‑ "Zulassungsjudikatur" im Vorfeld der Lösung der eigentlichen Rechtsfrage entwickelt, was dann de facto bei zuzulassenden Beschwerden zu einer doppelten Behandlung unter verschiedenen Prüfungsmaßstäben führen würde.

6. Alle diese Überlegungen führen zur Einschätzung, dass das bewährte und geübte Ablehnungssystem in der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts beibehalten werden sollte. Nur dieses stellt sicher, dass der VwGH nicht mehrbelastet wird. Unter dem Gesichtspunkt der Entlastung des VwGH ist ja weniger die verfahrenstechnische Gestaltung, als die materielle Umschreibung der Gründe maßgeblich, aus denen heraus der VwGH davon absehen kann, in die Beschwerdesache einzusteigen. Einen bedeutenden Gewinn in diese Richtung stellt der in Art. 131 Abs. 2 Z. 3 des Entwurfs (Variante Ablehnungssystem) enthaltene Tatbestand dar, dass die Beschwerde auch abzulehnen ist, "wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat". Eine analoge Umschreibung fehlt übrigens beim "Revisionsmodell". In den gesetzlichen Ausführungsbestimmungen könnte im Zusammenhang damit der Beschwerdeführer verpflichtet werden, im Einzelnen und "punktgenau" darzulegen, weshalb die Beschwerde (Revision) zulässig sein soll. Dies würde es dem VwGH erleichtern, an ihn gerichtete Beschwerden (Revisionen) bereits auf der Basis des Einlaufstücks abzulehnen.

 

III. Weitere Bemerkungen zum Komplex "Verwaltungsgerichtsbarkeit" (Art. I Z. 36 und 60)

 

Zu Art. 129:

1. Die bisher das Sechste Hauptstück einleitende Wendung "Zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung ..." soll entfallen. Nun ist es zwar zutreffend, dass sie einen überwiegend programmatischen und auch ungenauen Gehalt hat, dennoch stellt sich die Frage, ob es wirklich überflüssig ist, in Entsprechung zu Art. 18 Abs. 1 B-VG den VwGH und die Verwaltungsgerichte ausdrücklich zur Wahrung der "Gesetzmäßigkeit" der Verwaltung einzusetzen. Für den VwGH als Höchstgericht fehlt auch eine dem Art. 92 Abs. 1 B-VG entsprechende Bestimmung über seine verfassungsrechtliche Stellung.

2. Der neue Art. 129 Abs. 1 macht nicht deutlich, dass auch der VfGH Anteil an der Verwaltungsgerichtsbarkeit behalten wird (Art. 144 Abs. 1 neu). Die Begründung in den Erläuterungen zu Art. 144 neu, der VfGH übe künftig keine Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber Verwaltungsbehörden aus, sondern nur noch gegenüber Verwaltungsgerichten, trifft ebenso für den VwGH zu, trägt die Zusammenziehung von Verwaltungsgerichten und VwGH also nicht. Im Übrigen sind die Erläuterungen auch unzutreffend, wie Art. 130 Abs. 5 Z. 1 neu zeigt. Da von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte und damit auch des VwGH Rechtssachen ausgeschlossen sind, die "zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art. 141" gehören, bleibt es in diesem Bereich, abgesehen von der in Art. 141 Abs. 1 lit. e neu vorgesehenen Änderung, beim alten System. Gerade im Bereich des Art. 141 sind aber, wie auch das VfGG zeigt, Entscheidungen des VfGH über Bescheide (!) vorgesehen. Anders als der VwGH, der künftig in der Tat nicht mehr über Bescheide von Verwaltungsbehörden uä. entscheidet, sondern zur Gänze (ausgenommen der Fall der Säumnisbeschwerde) durch die Verwaltungsgerichte mediatisiert ist, würde der VfGH in einem Teilbereich sehr wohl weiterhin unmittelbar über Bescheide erkennen.

Rechtssystematisch wäre einer sinngemäßen Übernahme der derzeitigen Lösung (UVS auf einer Ebene unter den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts) der Vorzug zu geben.

Legistisch nicht geglückt ist schließlich die Formulierung in Art. 129 Abs. 3 neu, wonach Art. 89 sinngemäß auch für die Verwaltungsgerichte und den VwGH gelte, weil im Wege des Art. 89 Abs. 2 die Auslegung erzielt werden könnte, die Verwaltungsgerichte als Nicht-Zweitinstanzgerichte dürften keine Gesetzesprüfungsanträge stellen. Diese Ungereimtheit wird erst durch die Formulierung des Art. 140 Abs. 1 neu aufgelöst.

3. Der Entwurf sieht ein einziges Verwaltungsgericht des Bundes vor. Es sollte noch einmal - und unter Beachtung der praktischen Konsequenzen - überdacht werden, ob die Einrichtung eines so großen Gerichtes wirklich zweckmäßig ist.

 

Zu Art. 130 Abs. 1:

Zur Ermächtigung des Gesetzgebers im zweiten Satz, neue Zuständigkeiten zu begründen, ist zunächst Folgendes zu bemerken:

1. Die bisherige Verwaltungsgerichtsbarkeit ist - sieht man von Art. 81a B-VG ab - strikt auf die Kontrolle rsp. die Gewährleistung des Verwaltungshandelns in der Form des Bescheides und damit verbunden auf den Schutz subjektiver öffentlicher Rechte beschränkt. Das soll zweifellos auch weiterhin der eigentliche Bereich (Kernbereich) der Verwaltungsgerichtsbarkeit bleiben. Der Entwurf sieht nun vor, dass der einfache Gesetzgeber Zuständigkeiten auch außerhalb dieses Kernbereichs der Verwaltungsgerichtsbarkeit begründen kann. Neben der Zuständigkeit sind auch der Gegenstand der Entscheidung, die Befugnis zur Anrufung der Verwaltungsgerichte etc. in diesen Belangen durch das Gesetz iSd Art. 130 Abs. 1 letzter Satz zu regeln. Für den VwGH ergeben sich aus solchen zusätzlichen Kompetenzen der Verwaltungsgerichte keine Besonderheiten. Denn die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte mündet hier wie bei der Wahrnehmung ihrer anderen Zuständigkeiten in einer Entscheidung, deren Bekämpfbarkeit sich nach den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Bestimmungen über die Bekämpfbarkeit von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte richtet.

2. Der Beschwerdegegenstand solcher Beschwerden bleibt reichlich unbestimmt. In Frage kommt damit wohl jegliches Verhalten der Verwaltung, das nicht schon über Abs. 1 Z. 1 bis 3 bekämpfbar ist. Nun ist zwar klar, dass eine nähere Umschreibung des Beschwerdegegenstandes schon auf Verfassungsstufe wohl ein aussichtsloses Unterfangen und auch gar nicht wünschenswert wäre. Umso größere Bedeutung käme aber erklärenden Hinweisen in den Erläuterungen zu. Darin sollte durch eine allgemeine Umschreibung der Zielsetzung, die mit der Bestimmung verfolgt wird, in Verbindung mit einzelnen Beispielen verdeutlicht werden, was dem Verfassungsgesetzgeber vorschwebt und in welchem Rahmen sich der einfache Gesetzgeber bewegen kann.

3. Nach den Erläuterungen haben die in Art. 130 zweiter Satz angesprochenen "weiteren" Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte andere als die im ersten Satz genannten Beschwerdegegenstände (und somit insbesondere nicht Bescheidbeschwerden und Beschwerden über die Ausübung von Zwangsgewalt) zum Inhalt. Wenn aber alles, was für eine Bescheidbeschwerde und die Beschwerde über die Ausübung von Zwangsrechten in Frage kommt, aus dem Regime des zweiten Satzes ausscheidet, schränkt dies die Ermächtigung in unzweckmäßiger Weise ein. Eine Gesetzgebung nach dem zweiten Satz des Abs. 1 wäre ja wohl vor allem auch dort zweckmäßig, wo die Bescheidqualität eines Verwaltungsaktes oder seine Einstufung als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt fraglich ist. Bei einer strikten Subsidiarität dürfte der Gesetzgeber dann nur solche Akte, die eindeutig keine Bescheide oder Zwangsakte sind, zum Gegenstand einer Beschwerde nach Abs. 1 zweiter Satz machen; das ist unzweckmäßig. In den Erläuterungen sollte klargestellt werden, dass der einfache Gesetzgeber gerade deswegen, um die bisweilen nur allzu sichtbaren Bemühungen um die Deutung der Rechtsnatur von Verwaltungsakten zu vermeiden, Akte mit nicht eindeutigem Bescheid- oder Zwangsaktscharakter zum Gegenstand einer Beschwerde nach dem zweiten Satz machen kann.

4. Im Zusammenhang mit der Kompetenz des einfachen Gesetzgebers zur Betrauung der Verwaltungsgerichte mit Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Schlusssatz stellt sich auch die Frage, ob auch Verhalten der Verwaltung, das der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen ist, zum Gegenstand einer solchen Beschwerde gemacht werden kann (Beispiel: Leistungen der Daseinsvorsorge, bei denen die Verwaltung zunächst mit Hoheitsakt den Bürger zwingt, diese Leistung in Anspruch zu nehmen, aber kein (Verwaltungs-) Verfahren zur Verfügung stellt, um eine ordnungsgemäße Leistungserfüllung seitens der Verwaltung zu erzwingen (z.B. Anschlusszwang bei der Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung). Zu denken wäre auch an die Subventionsvergabe. Gegen die Möglichkeit, solche Akte der Privatwirtschaftsverwaltung durch das Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen, scheint Art. 130 Abs. 5 Z. 1 Entwurf zu sprechen, der von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte Rechtssachen ausschließt, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehören, zu sprechen (siehe dazu unten). Ein Bedürfnis, in manchen Fällen eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung vorzusehen, könnte aber durchaus bestehen; dies insbesondere dort, wo Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung im Hinblick auf das Ergebnis der Verwaltungstätigkeit zusammenspielen.

5. Art. 130 Abs. 1 Schlusssatz schränkt die Möglichkeit des einfachen Gesetzgebers, weitere Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zu begründen, in zweifacher Hinsicht ein. Zum einen durch die Art der Anrufung ("Beschwerden"), zum anderen durch das Wort "Rechtswidrigkeit". Dem Entwurf schwebt offenbar in all diesen Fällen ein rechtswidriges Handeln der Verwaltung vor, das mit "Beschwerde" zu bekämpfen ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen es nicht um die Bekämpfung rechtswidrigen Verwaltungshandelns geht, sondern um eine Art "Schiedsrichterfunktion" der Verwaltungsgerichte. Dass dafür ein Bedürfnis besteht, zeigen die Bemühungen, fragliche Rechtspositionen durch einen Feststellungsbescheid zu klären. In diesem Zusammenhang sei auf § 43 dVwGO hingewiesen, der als subsidiäres Instrument der Rechtsverfolgung eine Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses vorsieht. Weiters dürfte das Abstellen auf "Beschwerden" und auf "Rechtswidrigkeit" auch im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Verträgen und "bescheidersetzenden Übereinkommen" Privater eine unzweckmäßige Einschränkung sein. Fragen der Feststellung von Rechten und Pflichten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen oder das Einfordern von Leistungen aus solchen Verträgen (insbesondere auch seitens der Verwaltung gegenüber dem Privaten) als "Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit" zu konstruieren, dürfte kaum möglich sein. Deutlich machen lässt sich dies insbesondere am Beispiel der Übereinkommen nach § 111 Abs. 3 des Wasserrechtsgesetzes 1959. Solche Übereinkommen können im Zuge eines Wasserrechtsverfahrens zwischen dem Bewilligungswerber und Parteien abgeschlossen werden, deren Rechte durch das Vorhaben berührt werden (z.B. Eigentümer in Anspruch genommener Grundstücke). Ein solches Übereinkommen ist im Bewilligungsbescheid zu beurkunden. Es erspart der Behörde einen Ausspruch über Einwendungen bzw. einen Ausspruch über die Einräumung von Zwangsrechten. Streitigkeiten aus solchen Übereinkommen sind teils Streitigkeiten zwischen den Partnern des Übereinkommens (Bewilligungswerber und andere Verfahrensparteien), teils zwischen dem Bewilligungswerber oder anderen am Übereinkommen Beteiligten und der Behörde. Die derzeitige Regelung, wer über "Streitigkeiten über die Auslegung und die Rechtswirkungen" eines solchen Übereinkommens zu entscheiden hat, ist höchst unklar und unzweckmäßig (teilweise allein die Verwaltungsbehörde oder allein das Gericht, teilweise besteht sukzessive Zuständigkeit). Die Zuständigkeit sollte zur Gänze dem Verwaltungsgericht übertragen werden. Das ist aber wohl nicht möglich, wenn Art. 130 Abs. 1 zweiter Satz die Befugnis des einfachen Gesetzgebers, Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zu schaffen, auf "Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit" und damit auf rechtswidrige Verwaltungsakte beschränkt.

Vorschlag für eine Formulierung des Art. 130 Abs. 1 zweiter Satz:

"Die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze können weitere Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte vorsehen."

 


Zu Art. 130 Abs. 2:

1. Die Bestimmung übernimmt die derzeitige Formulierung für die Ebene der Verwaltungsgerichte. Die Erläuterungen führen hiezu aus, eine Wiederholung dieser Bestimmung für den VwGH erübrige sich, weil ja klargestellt werde, dass Ermessensübung im Sinne des Gesetzes keine Rechtswidrigkeit darstellt. Diese Begründung übersieht, dass vom VwGH unter Umständen die Handhabung von Ermessen durch die Verwaltungsgerichte zu prüfen ist, welches auf einer anderen Ebene liegt als das der Verwaltungsbehörde (z.B. in verfahrensrechtlicher Hinsicht, etwa was die Frage der bloßen Kassation anlangt). Eine eigenständige Regelung für den VwGH, wie bisher, erscheint also sehr wohl erforderlich, könnte auch durch eine "sinngemäß"-Klausel bewirkt werden.

2. Im Zusammenhang mit den Entscheidungsbefugnissen - vgl. oben II. B - fällt auch das Problem auf, dass das Verhältnis des in Art. 130 Abs. 2 des Entwurfs vorgesehenen "Ermessensprivilegs" zur Regelung der Entscheidungsbefugnisse unklar ist:

Klar ist, dass die Verwaltungsgerichte - anders als derzeit die administrative Berufungsbehörde - einen Bescheid, der auf einer Rechtsvorschrift beruht, die der Behörde Ermessen einräumt, nicht aufheben und die Ermessensübung der Behörde durch eine eigene Ermessensübung ersetzen darf, wenn der Bescheid nicht rechtswidrig ist (Art. 130 Abs. 2). Offen bleibt aber, ob das Verwaltungsgericht Bescheide, die auf einer Ermessensbestimmung beruhen und rechtswidrig sind, weil der Behörde bei der Ermessensübung oder bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Ermessensübung Fehler unterlaufen sind, nur aufheben darf oder ob es in solchen Fällen befugt ist, reformatorisch zu entscheiden.

Der Entwurf könnte auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, in solchen Fällen sei dem Verwaltungsgericht die Befugnis (oder sogar Verpflichtung) zu einer reformatorischen Entscheidung eingeräumt, weil Art. 130 Abs. 3 nicht zwischen Ermessensentscheidungen und gebundenen Entscheidungen unterscheidet. Einer solchen Betrachtung könnte aber entgegen gehalten werden, sie berücksichtige nicht die im unmittelbar vorangehenden Art. 130 Abs. 2 getroffene Grundsatzentscheidung, dass die Ermessensübung ausschließlich Sache der Behörde sein soll; Art. 130 Abs. 3 enthalte keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Verfassungsgesetzgeber bei rechtswidrigen Ermessensentscheidungen von der Grundsatzentscheidung des vorangehenden Abs. 2 habe abgehen wollen.

Verwehrt indessen der Verfassungsgesetzgeber den Verwaltungsgerichten bei rechtswidrigen Ermessensentscheidungen eine reformatorische Entscheidung, während er sie bei gebundenen Entscheidungen teilweise dazu verhält, schafft er damit Probleme, die die Arbeit der Verwaltungsgerichte und auch des VwGH erheblich erschweren. Dann deutet das Verwaltungsgericht zu Unrecht eine Vorschrift als eine solche, die kein Ermessen einräumt und geht es daher reformatorisch vor, muss seine Entscheidung schon aus diesem Grund der Aufhebung durch den VwGH verfallen. Gleiches gilt aber auch umgekehrt. Erblickt das Verwaltungsgericht in einer Verwaltungsvorschrift zu Unrecht eine Ermessensbestimmung und geht kassatorisch vor, muss ihre Entscheidung schon deshalb vom VwGH aufgehoben werden, soweit es sich um einen Fall handelt, in dem das Verwaltungsgericht nach Art. 130 Abs. 3 zur reformatorischen Entscheidung verpflichtet ist. Bei verwaltungsrechtlichen Vorschriften ist aber oft nur sehr schwer feststellbar, ob sie Ermessen im Sinn des Art. 130 Abs. 2 B-VG einräumen oder nicht. Endgültig feststehen wird das vielfach erst dann, wenn Rechtsprechung des VwGH vorliegt. Die Lösung des Problems der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte bei Ermessensentscheidungen stellt also eine Quelle für fehlerhafte Verwaltungsgerichts-Entscheidungen und damit verbunden für Aufhebungen ihrer Entscheidungen dar, die zur Klärung der eigentlichen Rechtsprobleme nichts beitragen. Es wäre daher besser, Ermessensfälle von der reformatorischen Entscheidungsbefugnis ausdrücklich nicht auszunehmen oder - zweitbeste Lösung - auszunehmen, was Sache der Erläuterungen bleiben könnte.

 

Zu Art. 130 Abs. 4:

Die Verwendung des Begriffs "eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers" in Art. 130 Abs. 4 neu legt es nahe, dass im Bereich der Universitäten, die ja nach Art. 81c neu offensichtlich keine Selbstverwaltungskörper sind, kein administrativer Instanzenzug vorgesehen werden darf. Das hieße die Beseitigung des Senats als Rechtsmittelinstanz wie derzeit im UG 2002 als Regelfall.

 

Zu Art. 130 Abs. 5 Z. 1:

Art. 130 Abs. 5 Z. 1 schließt Rechtssachen, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehören, von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte aus. Diese Formulierung ist missverständlich. Sie könnte dahin verstanden werden, dass es dem einfachen Gesetzgeber im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Schlusssatz verboten sei, Handeln der Verwaltung, das sich in den Formen des Privatrechts abspielt, in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zu überweisen. Eine solche Beschränkung wäre unzweckmäßig. Gemeint ist aber offenbar ohnehin etwas anderes, wenn man die Erläuterungen liest. Danach soll damit die sukzessive Kompetenz aufrecht erhalten und verfassungsrechtlich unbedenklich gestellt werden. Dies könnte aber besser wie folgt zum Ausdruck gebracht werden:

Vorschlag:

"(5) Von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ausgeschlossen sind Rechtssachen,

...

3. soweit gesetzlich vorgesehen ist, dass der Bescheid der Verwaltungsbehörde durch

Anrufung des ordentlichen Gerichtes außer Kraft tritt."

 

Zu Art. 130 Abs. 5 Z. 2:

1. Die Formulierung in Art. 130 Abs. 5 Z. 2 neu, wonach von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte Rechtssachen ausgeschlossen sind, die auf Grund der Erhebung eines Rechtsmittels gegen ihren Bescheid von der Verwaltungsbehörde neuerlich zu entscheiden sind, ist nicht geglückt. Die Erläuterungen erwähnen in diesem Zusammenhang die Berufungsvorentscheidung. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass es eine Berufungsvorentscheidung künftig weiterhin geben sollte, sind die Erläuterungen unpassend, weil bei der Berufungsvorentscheidung gerade keine Pflicht der Verwaltungsbehörde zur neuerlichen Entscheidung besteht, wie das der Text suggeriert. Dieser erfasst nur zwingende remonstrative Rechtsmittelentscheidungen, also genaugenommen nicht einmal die Vorstellungsentscheidung.

Abgesehen davon bleibt die Frage offen, ob die Erläuterungen auch bedeuten sollen, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht (stets) bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, einzubringen wäre (nur dann kann diese die in den Erläuterungen angesprochene Prüfung anstellen, ob sie die Beschwerde weiterleitet oder eine "Vorentscheidung" erlässt).

Darüber hinaus stellt sich die Frage der Rechtswirkungen einer solchen "Vorentscheidung". Aus dem Schweigen des Entwurfes zu dieser Frage könnte man ableiten, dass es sich bei einer solchen Entscheidung um einen verwaltungsbehördlichen Bescheid wie jeden anderen handelt, der ("neuerlich") vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden kann bzw. anzufechten wäre. Es ergäbe sich in diesem Fall die Gefahr einer infiniten Abfolge von Bescheiden, Beschwerden, Vorentscheidungen und neuerlichen Beschwerden, die möglicherweise den Rechtsschutz des einzelnen - zumindest im Hinblick auf eine Entscheidung in angemessener Frist - leer laufen ließe.


2. Manche Gesetze sehen vor, dass ein Bescheid von Amts wegen einer anderen Behörde vorzulegen ist, die eine neue Entscheidung treffen kann/muss, z.B. sieht § 112 Abs. 1 BDG eine vorläufige Suspendierung des Beamten durch die Dienstbehörde vor. Es handelt sich dabei um einen Bescheid. Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig (§ 112 Abs. 2 BDG). Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung (§ 112 Abs. 3 BDG).

Ein anderes Beispiel ist die amtswegige Überprüfung von Bescheiden im Abfallrecht: Sowohl das AWG 2002 (§ 6) als auch das ALSAG (§ 10) sehen Feststellungsbescheide der BH (u.a. über die Frage, ob eine Sache Abfall ist) vor. Diese Bescheide sind von der BH der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde (§ 6 Abs. 4 AWG 2002) bzw. dem BMLFUW (§ 10 ALSAG) zu übermitteln, die/der innerhalb bestimmter Fristen solche Bescheide aufheben oder abändern kann.

Die Frage ist, ob solche Konstruktionen bei Schaffung der Verwaltungsgerichte auch eine verfassungsrechtliche Dimension haben? Oder soll es lediglich darauf ankommen, wer schneller ist, das Verwaltungsgericht oder die überprüfende Behörde?

 

Zu Art. 131:

1. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Verwaltungsgerichtes des Bundes stellt sich offenbar so dar: Sie soll nach Art. 131 Abs. 2 Z. 1 dann ausgelöst werden, wenn ein Bescheid bekämpft wird, der "in einer Angelegenheit, die unmittelbar von Bundesbehörden versehen wird (Art. 102 Abs. 2)" erlassen wurde. Damit wird zunächst auf das Tätigwerden einer Bundesbehörde im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung abgestellt, dies aber wiederum - das zeigen die Erläuterungen - auf die Fälle eingeschränkt, in denen nicht nur "unmittelbare Bundesverwaltung" vorliegt, sondern die Grundlage dafür in einem Kompetenztatbestand des Art. 102 Abs. 2 B-VG zu finden ist.

Daraus ergibt sich als Konsequenz, dass alle Formen "unmittelbarer Bundesverwaltung", die ihre Begründung in besonderen verfassungsrechtlichen Ermächtigungen haben, ausscheiden. Dazu gehören alle Aufgaben, die auf Grund des Art. 78b Abs. 1 B-VG von den Sicherheitsdirektionen besorgt werden, wobei es gleichgültig ist, ob "darunter" eine Bundes- oder Landesbehörde einschreitet; hier relevante "unmittelbare Bundesverwaltung" liegt nicht vor, das Verwaltungsgericht des Landes ist zuständig. Die in den Erläuterungen vertretene Auffassung, die Angelegenheiten der "Sicherheitsverwaltung" seien weder der unmittelbaren noch der mittelbaren Bundesverwaltung zuzurechnen, ist im Hinblick auf die einschlägigen Kompetenzen in Art. 102 Abs. 2 B-VG nicht unproblematisch. Zur Vermeidung von Missverständnissen sollten die Erläuterungen überarbeitet werden.

Mittelbare Bundesverwaltung liegt vor, wenn der Landeshauptmann eingeschaltet ist (Art. 103 Abs. 1 B-VG). Bei der Inanspruchnahme der Ermächtigungen nach Art. 102 Abs. 1 letzter Satz und 102 Abs. 3 B-VG liegt daher "mittelbare Bundesverwaltung" vor, bei 102 Abs. 4 erfolgt ein Wechsel von der mittelbaren in die unmittelbare Bundesverwaltung (auch diese Materien zählen nach dem Konzept des Entwurfs zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder!). Überträgt der Bundesgesetzgeber Selbstverwaltungskörpern und Beliehenen, also Einrichtungen, deren Träger nicht der Bund ist, Aufgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung (vgl. dazu etwa Raschauer, in: Korinek/Holoubek, B-VG Kommentar, Rz 73 zu Art. 102), so sind auch diese Einrichtungen als "Bundesbehörden" zu betrachten, für die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Verwaltungsgericht des Bundes und den Verwaltungsgerichten der Länder spielt das also weiter keine Rolle.

Die so verstandene Zuständigkeitsaufteilung führt nach Ansicht des Präsidiums des VwGH allerdings zu Unklarheiten rsp. Ungereimtheiten. Diese fallen deshalb ins Gewicht, weil die Kompetenzabgrenzung in Art. 131 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 unmittelbar anwendbares Verfassungsrecht darstellt und nicht anzunehmen ist, dass die einzelnen Materiengesetzgeber die Vielzahl von Verwaltungsgesetzen so novellieren, dass ausdrücklich feststeht, welches Verwaltungsgericht zuständig ist.

2. Zunächst verwenden die Erläuterungen den Begriff der "Sicherheitsverwaltung", die davon erfassten Materien sollen zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder gehören. Den Begriff der "Sicherheitsverwaltung" kennt die Bundesverfassung aber nicht. Wohl aber findet sich eine Definition dieses Begriffes im § 2 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG). Danach zählt zur Sicherheitsverwaltung auch die Fremdenpolizei. Nach den ErläutRV zum AsylG 2005 stützt sich dieses Gesetz in kompetenzrechtlicher Hinsicht auf den Kompetenztatbestand "Fremdenpolizei" (Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG). Die "Fremdenpolizei" findet sich auch im Art. 102 Abs. 2 (zur Zugehörigkeit des Asylrechts zum Tatbestand "Fremdenpolizei" iSd Art. 102 Abs. 2 B-VG siehe auch VfSlg 17.516). Gehört aber das Asylrecht zur "Fremdenpolizei", dann ist sie Teil der Sicherheitsverwaltung, weil das Fremdenpolizeirecht zur Sicherheitsverwaltung gehört. Diese soll nach den Erläuterungen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes ausgeschlossen sein. Da aber ganz offensichtlich die Asylsachen zur Kernkompetenz des Verwaltungsgerichtes des Bundes gehören, kann diese Konsequenz keinesfalls gezogen werden.

3. Im Übrigen erscheint Art. 131 neu insofern unnötig starr, als eine Übertragung von Aufgaben, die grundsätzlich vor die Landesverwaltungsgerichte gehören, an das Bundesverwaltungsgericht auch nicht ausnahmsweise erlaubt wird. Eine Konzentration ist daher im Wege des Art. 131 Abs. 3 neu nur bei den Landesverwaltungsgerichten möglich. Dies ist insoweit problematisch, als sich damit der Verfassungsgesetzgeber der Möglichkeit begibt, die thematisch ja verwandten Materien des Asyl- und Fremdenrechts bei einem Verwaltungsgericht zu konzentrieren.

4. Das auf Art. 10 Abs. 1 Z. 16 B‑VG beruhende Dienstrecht der Bundesbediensteten ‑ es sind dies im Wesentlichen jene Bundesbediensteten, die keine Lehrer sind ‑ wird ausschließlich von Bundesbehörden vollzogen (vgl. § 2 D‑VG und die dazu ergangenen Verordnungen, wie etwa die Dienstrechtsverfahrens‑ und Personalstellenverordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, BGBl. II Nr. 588/2003, die auch nachgeordnete Dienststellen zu Dienstrechtsbehörden machen).

Dem Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 16 korrespondiert kein Tatbestand in Art. 102 Abs. 2 B‑VG (vgl. Thienel, Öffentlicher Dienst und Kompetenzverteilung, 328 ff). Thienel bejaht trotzdem unter Zuhilfenahme der Interpretationsfigur des von der Verfassung vorgefundenen und stillschweigend akzeptierten Zustandes die Verfassungskonformität dieser Regelungen. Selbst wenn dieser in Art. 102 Abs. 2 B‑VG nicht vorgesehene Vollzug durch Bundesbehörden unter Ausschaltung des Landeshauptmannes verfassungskonform ist, besagt das nichts darüber, welches Verwaltungsgericht zuständig ist. Nimmt man Art. 131 Entwurf ernst, dann ist für die Zuordnung zum Verwaltungsgericht des Bundes unabdingbare Voraussetzung, dass es sich um den Vollzug einer Materie handelt, die in Art. 102 Abs. 2 B‑VG genannt ist. Das aber trifft auf das Dienstrecht der Bundesbediensteten nach Art. 10 Abs. 1 Z. 16 nicht zu. Somit wäre die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder gegeben.

Für Bedienstete der Parlamentsdirektion (Art. 30 Abs. 4), der Volksanwaltschaft (Art. 148h Abs. 2), des Rechnungshofes (Art. 125 Abs. 3) und der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts (Art. 134 Abs. 8 Entwurf, Art. 147 Abs. 8 Entwurf) kennt das B‑VG eine eigene Diensthoheit, nämlich die des jeweiligen Präsidenten. Auch in diesen Fällen ginge aber der Rechtszug, weil das Dienstrecht dieser Bediensteten im Art. 102 Abs. 2 B‑VG nicht genannt ist, an das Verwaltungsgericht der Länder. Die Zweckmäßigkeit dieser Konstruktion leuchtet nicht ein: Sollte hier nicht besser das Verwaltungsgericht des Bundes zuständig sein?

5. Ähnliche Probleme treten auch in den Materien der Art. 14 und 14a B-VG auf:

Art. 14 B‑VG enthält eine vom Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 16 zu unterscheidende Gesetzgebungs‑ und Vollziehungskompetenz des Bundes für "Lehrer" an Bundesschulen. Der Bundeskompetenz "Schulwesen sowie Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schüler‑ und Studentenheime" (Art. 14 Abs. 1 B‑VG) korrespondiert eine Bestimmung in Art. 102 Abs. 2 B‑VG. Durch Art. 81a B‑VG ist die Vollziehung dieses Rechtsgebietes durch Bundesbehörden sogar verfassungsgesetzlich vorgesehen. Streitigkeiten aus dem Dienstrecht der Bundeslehrer iSd Art. 14 B-VG fallen also in die Kompetenz des Verwaltungsgerichtes des Bundes. Für das Verwaltungspersonal der Bundesschulen sind die Verwaltungsgerichte der Länder zuständig.

Das Dienstrecht und das Personalvertretungsrecht der Lehrer und Erzieher für Land‑ und forstwirtschaftliche Bundesschulen fällt nach Art. 14a Abs. 1 lit. e B‑VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz des Bundes. Diesem Kompetenztatbestand entspricht aber keine Materie des Art. 102 Abs. 2 B‑VG. Das land‑ und forstwirtschaftliche Schulwesen ist dort vielmehr ausdrücklich ausgenommen. Das bedeutet, dass das Dienstrecht der Lehrer an diesen Schulen in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder fällt.

Es zeigt sich, dass Art. 131 bereichsweise zu unsystematischen Ergebnissen führt. So wird das Dienstrecht der Bundesbediensteten, das im Wesentlichen im BDG geregelt ist, wie zufällig zum Teil auf die Verwaltungsgerichte der Länder, zum Teil auf das Verwaltungsgericht des Bundes verteilt, wobei noch einmal innerhalb relativ homogener Gruppen, nämlich der Lehrer differenziert wird.

6. Schließlich sollte die Regelung, nach der auch dann das Verwaltungsgericht des Landes zuständig ist, wenn in einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung der Bundesminister als einzige Instanz entscheidet, auf ihre Zweckmäßigkeit hin überdacht werden. Wenn man davon geleitet ist, dass es sich bei solchen Zuständigkeiten um sehr wichtige, für das ganze Bundesgebiet wirksame Angelegenheiten handelt - wofür vielleicht eine verfassungsrechtliche Absicherung im System des Art. 103 Abs. 4 B-VG notwendig wäre -, dann erschiene auch eine einzige Zuständigkeit des VwGH als nicht untunlich.

 


Zu Art. 132 Abs. 4:

Die Vorschrift ermöglicht wie derzeit sog. "Amtsbeschwerden" (aber keineswegs nur von Behörden). Zur besseren Abgrenzung von den Zuständigkeitserweiterungen der Verwaltungsgerichte in Art. 130 Abs. 1 zweiter Satz neu sollte die Beschwerdebefugnis anderer als der in Art. 132 Abs. 1 genannten Personen/Organe dort als Z. 3 angefügt werden:

"3. wer nach den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen dazu ermächtigt ist"

Dadurch könnte auch das Problem entschärft werden, dass nach der Entwurffassung (arg.: "in anderen als in den in Abs. 1 bis 3 angeführten Fällen") sog. "Amtsbeschwerden" auch in anderen Fällen als Bescheidbeschwerden (nur dort sind sie derzeit erlaubt) zulässig wären.

Unbeschadet grundsätzlicher Bedenken gegen die Beibehaltung der Säumnisbeschwerde fällt auf, dass Abs. 3 die Beschwerdelegitimation mit subjektiven Rechten verbindet (arg.: "in seinen Rechten verletzt"); solche hat eine Amtspartei (Abs. 4) nicht. Zwar wird von der Judikatur des VwGH einer Amtspartei das Recht zugestanden, die Einhaltung ihrer Verfahrensrechte auf Verwaltungsebene auch dann vor dem VwGH durchzusetzen, wenn sie nicht nach Art. 131 Abs. 2 B-VG ausdrücklich zur Beschwerdeführung ermächtigt ist; Verfahrensrechte werden dadurch zu Rechten der Amtspartei (VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076 u.a.). Bei der Säumnisbeschwerde allerdings stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob die Amtspartei vom Gesetzgeber zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde ermächtigt wurde (VwSlg 14149 A/1994 u.a.).

Art. 132 Abs. 4 Entwurf ermächtigt den einfachen Gesetzgeber nur, eine Bescheidbeschwerdelegitimation vorzusehen (arg.: "Erhebung von Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit"; das ist die Terminologie, die Art. 132 Abs. 1 Entwurf bei Bescheidbeschwerden verwendet). Amtsparteien können demnach offenbar nicht zu einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ermächtigt werden. Der Ausdruck "wegen Rechtswidrigkeit" im Art. 132 Abs. 4 Entwurf sollte daher entfallen.

 

Zu Art. 133 Abs. 2 B‑VG:

1. Zur Variante 1 ist zu bemerken, dass nach dem Wortlaut dieser Bestimmung unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 oder 3 B‑VG eine Ablehnung auch für zulässig erklärt wird, wenn in einer Verwaltungsstrafsache nicht nur eine geringe Geldstrafe verhängt wurde. Dass solches im Gegensatz zum bisherigen Art. 131 Abs. 3 B‑VG bzw. zu dem in Variante 2 enthaltenen Vorschlag tatsächlich gewollt wäre, geht aus den Erläuterungen nicht hervor. Eine solche Regelung stünde auch in einem Spannungsverhältnis zu Art. 2 des 7. ZPMRK.

2. Kompetenzkonflikte zwischen dem VwGH und einem Verwaltungsgericht (Art. 133 Abs. 1 Z. 3) kann es - theoretisch - zwar geben. Ein solcher Konflikt lässt sich aber auch ohne eigenes Kompetenzkonfliktsverfahren im Rahmen der sonstigen Verfahren lösen. Es ist unzweckmäßig, eine Parallelstruktur von Verfahren aufzubauen.

 

Zu Art. 134 Abs. 1:

Auch Senatspräsidenten sind Richter. Es sollte daher heißen: "... und der erforderlichen Zahl von weiteren Mitgliedern (Senatspräsidenten und sonstigen Richtern)".

Allenfalls könnte sich die Verfassung überhaupt darauf beschränken, den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die erforderliche Zahl sonstiger Mitglieder ohne den Klammerausdruck ("Senatspräsidenten und Richtern") zu erwähnen.

 

Zu Art. 134 Abs. 7:

1. Wenn im Gegensatz zum geltenden Art. 134 Abs. 6 B-VG der gesamte Art. 88 B-VG, das heißt auch dessen Abs. 2, für anwendbar erklärt wird, stellt dies eine wesentliche Änderung dar, die in den Erläuterungen begründet werden sollte.

2. In den Erläuterungen kommt zum Ausdruck, dass "im Fall einer allgemeinen Anhebung des Pensionsalters keine privilegierende verfassungsgesetzliche Sonderregelung für Verwaltungsrichter" bestehen soll. Zunächst stellt sich die Frage, ob die Erläuterungen zu einer B-VG Novelle der richtige Platz sind, um eine allgemeine Erhöhung des Pensionsalters anzukündigen. Der primäre Sinn der verfassungsrechtlichen Altersgrenze für die Mitglieder des VwGH - wo immer diese Grenze auch verläuft - hat den Sinn, dem Willen einer Parlamentsmehrheit vorzubeugen, durch gezielte Pensionierungen Einfluss auf anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren zu nehmen. Im Übrigen erscheint die von den Erläuterungen ins Spiel gebrachte "Privilegierung" unter den gegebenen - und zu erwartenden - gesellschaftlichen und rechtlichen Bedingungen als zweifelhaft. Man könnte es auch so sehen, dass jener Dienstnehmer privilegiert ist, der länger im aktiven Dienst bleiben kann. Abgesehen von krankheitsbedingten frühzeitigen Pensionierungen wird die Aktivzeit von den Mitgliedern des VwGH in der Regel voll ausgenützt.

 

Zu Art. 135 Abs. 1 zweiter Satz B‑VG:

Der Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wird im Grundsatz nicht entgegen getreten. Die Ermächtigung an den Materiengesetzgeber, eine solche Beteiligung vorzusehen, sollte jedoch ‑ ähnlich wie in Art. 136 Abs. 2 B‑VG ‑ daran geknüpft werden, dass deren Beiziehung im Hinblick auf den Gegenstand der besonderen Verwaltungsmaterie erforderlich erscheint.

Darüber hinaus ist bei der Beiziehung fachkundiger Laienrichter stets zu bedenken, dass die Verwaltungsgerichte zahlreiche Materien zu behandeln haben werden, auf die Art. 6 Abs. 1 EMRK zur Anwendung kommt. Zur Vermeidung eines Anscheines der Befangenheit ist wohl als selbstverständlich vorauszusetzen, dass die beizuziehenden "fachkundigen Laienrichter" keine solchen sein dürfen, die sonst für die die jeweilige Materie vollziehende Verwaltung tätig werden, wie etwa Amtssachverständige. Die ausgewogene (paritätische) Beiziehung von Interessensvertretern ‑ wie dies derzeit im Bereich der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit vorgesehen ist ‑ dürfte solchen Bedenken allerdings nicht begegnen.

 

Zu Art. 136 Abs. 1 B‑VG:

Ebenso wie das Dienstrecht (vgl. oben) sollte auch die Organisationsgesetzgebung für die Verwaltungsgerichte der Länder dem Regime des Art. 12 B-VG unterstellt werden.

 

Zu Art. 136 Abs. 2 erster Satz B‑VG:

Die Bestimmung ist ‑ jedenfalls von seinem Wortlaut her ‑ unklar und könnte zu Missverständnissen Anlass geben. Aus dem Gesetzeswortlaut ist nämlich nicht erkennbar, worauf sich die Anordnung der "Einheitlichkeit" der Regelung beziehen soll. Im Systemzusammenhang mit dem zweiten Satz der Bestimmung liegt es nahe, dass eine Anordnung getroffen werden soll, wonach das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte einerseits und des Verwaltungsgerichtshofes andererseits durch jeweils ein Bundesgesetz geregelt werden soll. Das betreffende Bundesgesetz hätte sodann das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffend alle von den Verwaltungsgerichten bzw. vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Verwaltungsmaterien zu regeln.

Unklar bleibt aber, ob darüber hinaus noch eine weitere "Einheitlichkeit" gefordert ist, also etwa, ob in den entsprechenden Verfahrensgesetzen je nach der zu vollziehenden Materie unterschiedliche verfahrensrechtliche Regelungen getroffen werden dürfen, oder ob das Verfahrensrecht für alle Verwaltungsmaterien einheitlich zu regeln ist. Unklar bleibt auch, ob mit dem Begriff der "Einheitlichkeit" unterschiedliche Verfahrensregeln im Prozessgesetz für Landesverwaltungsgerichte einerseits, bzw. für das Bundesverwaltungsgericht andererseits, ausgeschlossen werden sollen. Schließlich ließe der Wortlaut der Bestimmung auch die ‑ wohl nicht intendierte ‑ Auslegung zu, wonach das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich, also inhaltlich ident zu regeln wäre. In dem zuletzt genannten Verständnis wäre der geplanten Regelung mit Entschiedenheit entgegen zu treten, zumal ‑ wie oben zu Art. 132 und Art. 133 ausgeführt ‑ die Aufgabenstellungen des Verwaltungsgerichtshofes einerseits und der Verwaltungsgerichte andererseits unterschiedliche sind, was auch bei der Ausgestaltung des Verfahrensrechtes seinen Niederschlag zu finden hätte. Der Verwaltungsgerichtshof geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass ‑ mit der Maßgabe des erweiterten Ablehnungsrechtes ‑ die derzeit geltenden Bestimmungen des VwGG, insbesondere jene betreffend Art und Umfang seiner Kognition, auch für die Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte maßgeblich bleiben sollen.

 

Zu Art. 151 Abs. 37 Z. 8 B‑VG:

1. Bemerkt wird zunächst, dass die Erläuterungen offenbar auf Z. 8 und Z. 6 des geplanten Art. 151 Abs. 37 B-VG ‑ und nicht auf dessen Z. 7 und Z. 9 ‑ Bezug nehmen.

Die der Bestimmung zu Grunde liegende rechtspolitische Zielsetzung wird geteilt. Die legistische Durchführung derselben durch Einräumung eines Rechtsanspruches auf Ernennung zum Mitglied des Verwaltungsgerichtes erscheint jedoch ‑ jedenfalls soweit es das Verwaltungsgericht des Bundes betrifft ‑ aus folgenden Erwägungen problematisch:

Nach Art. 134 Abs. 3 erster Satz B‑VG ist für dessen Richter Ernennungsbehörde der Bundespräsident, welcher auf Vorschlag der Bundesregierung handelt. Der in der genannten Ziffer verankerte Rechtsanspruch richtete sich damit letztendlich (auch) gegen den Bundespräsidenten als Ernennungsbehörde. Konsequenterweise hätte der Bundespräsident bei seiner Ernennungsentscheidung auch den zweiten Satz des Art. 151 Abs. 37 Z. 8 zu beachten und wäre dann auch für die Versagung der Ernennung aus den dort angeführten Gründen zuständig. Ob abweichende Regelungen (Abweisung durch die Bundesregierung, Ernennung durch den Bundespräsident) vorgesehen werden könnten, soll hier nicht erörtert werden; problematisch sind sie allemal (vgl. zu möglichen Konsequenzen im Falle von Nichtentscheidungen etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 2002, Zl. 2000/12/0278).

Aus diesen Erwägungen wird vorgeschlagen, die Regelung anders zu konzipieren. Die Überleitung sollte ‑ etwa über (befristeten) Antrag des entsprechenden Mitgliedes - ex lege erfolgen, es sei denn, eine näher zu bestimmende Behörde (etwa Bundesregierung bzw. Landesregierung) trifft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die bescheidförmige Feststellung, dass die betreffende Person die persönliche oder fachliche Eignung für die Erfüllung der Aufgaben als Mitglied des betreffenden Verwaltungsgerichtes nicht erwarten lässt. Gegen eine solche Feststellung könnte sodann der Verwaltungsgerichtshof für anrufbar erkärt werden.

Wie schon aus diesem Vorschlag zu entnehmen ist, bestehen auch gegen die Formulierung "mit der vorgesehenen Verwendung" ‑ sofern damit nicht ohnedies nur die Aufgaben als Mitglied des betreffenden Verwaltungsgerichtes gemeint sind ‑ Bedenken, zumal die Art der Verwendung innerhalb des Verwaltungsgerichtes ja von der Verteilung der Geschäfte durch die Vollversammlung im Sinne des Art. 135 Abs. 1 B‑VG abhängt, die im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung noch gar nicht feststeht. Weiters ist bei der derzeit gebrauchten Formulierung unverständlich, weshalb im Falle mangelnder Eignung eine Übernahme in das Verwaltungsgericht lediglich abgelehnt werden kann, wäre diesfalls doch eine Ablehnung wohl zwingend vorzusehen.

Unklar und zu Missverständnissen Anlass gebend sind auch die Erläuterungen zur Frage, in welchem Zeitpunkt die Mitgliedschaft zu den genannten Behörden vorliegen muss. Sie lassen offen, ob diesbezüglich auf die Bewerbung oder aber auf die Ernennung abgestellt werden soll. Verzögerungen im Ernennungsverfahren oder (was an sich zwar nicht zu erwarten aber dennoch nicht völlig denkunmöglich ist) mit der Ausschreibung dürften aber keinesfalls zum Verlust des Anspruches auf Ernennung führen. Bei der hier vorgeschlagenen Lösung könnte klargestellt werden, dass die Mitgliedschaft zur Behörde bis zum Überleitungszeitpunkt, also bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, vorliegen muss.

Unklar bleibt auch die Tragweite des in den Erläuterungen enthaltenen Hinweises, wonach eine Anrufbarkeit des Verfassungsgerichtshofes "nicht ausgeschlossen" werden solle. Der Hinweis ist klar, wenn die die Übernahme in das Verwaltungsgericht versagende Entscheidung vor Inkrafttreten der Neuregelungen erfolgt (dann ist Bescheidbeschwerde möglich); fraglich bleibt freilich die Situation betreffend (nach Inkrafttreten der Neuregelung ergehende) Ersatzbescheide nach allfälligen Aufhebungen im ersten Rechtsgang ergangener Bescheide durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts. Dafür bestünde dann ja keine Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes mehr.

2. Allgemein ist zu den Übergangsbestimmungen festzuhalten, dass es an Regelungen betreffend anhängige Beschwerdeverfahren vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts, bzw. betreffend im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung offenen Beschwerdefristen fehlt. Streng genommen bestünde ja auf Basis des bisherigen Entwurfes nach seinem Inkrafttreten keine verfassungsrechtliche Grundlage mehr für die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, über (auch anhängige) Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide zu erkennen.

 

IV. Bemerkungen zu anderen verfassungspolitischen Neuerungen

 

Zu Art. 1 Z. 8:

Nach Art. 1 Z. 8 des Entwurfes soll im Art. 12 Abs. 1 Z. 3 B‑VG eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes zur "Einrichtung der mit den Angelegenheiten der Bodenreform befassten Behörden" verankert werden. Es stellt dies die Übernahme eines Teiles der derzeit in Art. 12 Abs. 2 B‑VG enthaltenen Organisationskompetenzen des Bundes für die auf dem Gebiet der Bodenreform tätigen Behörden (Agrarbehörden erster Instanz, Landesagrarsenate, Oberster Agrarsenat) dar.

Die Agrarsenate sollen in Hinkunft wegfallen und ihre Aufgaben von den Verwaltungsgerichten übernommen werden. Als Sonderbehörden auf dem Gebiet der Bodenreform verbleiben dann nur mehr die Agrarbehörden erster Instanz, das sind ‑ länderweise verschieden ‑ die Agrarbezirksbehörden oder das Amt der Landesregierung als eigene Behörde.

Ein Bedarf zur Regelung der Grundsätze für die Einrichtung der Agrarbehörden erster Instanz besteht nach Einschätzung des Präsidiums des VwGH nicht (mehr). Das wird deutlich bei einem Blick auf das Agrarbehördengesetz, BGBl. Nr. 1/1951. Dieses enthält sowohl unmittelbar anwendbare Bundesvorschriften (Organisation der Landesagrarsenate und des Obersten Agrarsenates) als auch - in ihrem Art. II - Grundsatzbestimmungen für die Agrarbehörden erster Instanz.

Die Bestimmungen über die Agrarsenate fallen in Hinkunft weg. Dass es für Regelungen vom Zuschnitt der Grundsatzbestimmungen über die Einrichtung der Agrarbehörden erster Instanz keiner eigenen Bundesgrundsatzkompetenz bedarf, braucht nicht näher erläutert werden. Die Bodenreform verliert immer mehr an Bedeutung; ihr Kernstück, nämlich die Grundzusammenlegung, ist im Wesentlichen abgeschlossen. Agrarpolitische Bedeutung, vor allem solche, die Bundesinteressen berühren könnte, hat die Bodenreform im Allgemeinen nicht mehr. Es gibt zwar gelegentlich noch Fälle, wo Fragen der Bodenreform landespolitisch Wellen schlagen (z.B. derzeit in Tirol die Frage des Eigentums an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die sich als Bauland eignen), erhöhte Bedeutung kommt ihr aber nicht mehr zu.

Die Grundsatzkompetenz des Bundes für die Einrichtung der Agrarbehörden erster Instanz könnte daher ersatzlos entfallen.

 

Zu Art. 1 Z. 10:

Der Entwurf lässt die Wortfolge "in erster Instanz" in Art. 15 Abs. 3 B‑VG mit dem Hinweis auf den Wegfall der administrativen Instanzenzüge entfallen. Nun sieht aber Art. 130 Abs. 4 Entwurf im Bereich der Selbstverwaltung die Möglichkeit vor, dass der einfache Gesetzgeber Instanzenzüge vorsieht. Die im Art. 15 Abs. 3 B‑VG angesprochenen landesgesetzlichen Bestimmungen sehen teilweise die Erteilung von Berechtigungen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vor (vgl. z.B. § 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 des Oö Veranstaltungsgesetzes 1992, LGBl. Nr. 75). In diesem Bereich können also Instanzenzüge bestehen bleiben.

 

Zu Art. 1 Z. 7 und Z. 11:

Nach dem Entwurf sollen Art. 11 Abs. 8 und Art. 15 Abs. 7 B‑VG entfallen. Beide haben bisher keine große Rolle gespielt. Das in diesen Bestimmungen geregelte Problem könnte aber sehr rasch und sehr unangenehm virulent werden, etwa bei einem einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehendes Projekt, das Landesgrenzen überschreitet. Nach Ansicht des Präsidiums des VwGH ist es zweifelhaft, ob der Materiengesetzgeber - bei Fehlen einer länderübergreifenden Zuständigkeit nach dem Muster des Art. 15 Abs. 7 B-VG - eine Regelung schaffen könnte, die nicht dazu führt, dass es bei der Befürwortung des Projektes durch das eine Land und der Gegnerschaft durch das andere zu einem Patt kommt.

 


Zu Art. 1 Z. 12:

1. Der Entwurf schafft eine Grundlage für die Einrichtung weisungsfreier Organe durch einfaches Gesetz. Art. 20 Abs. 2 zweiter Satz sieht vor, dass durch Gesetz ein angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe über die weisungsfreien Organe vorzusehen ist. Das gilt offenbar nicht nur für erst neu zu schaffende weisungsfreie Organe, sondern auch für schon bestehende, gleichgültig, ob sie durch bundesverfassungsrechtliche, landesverfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Bestimmungen eingerichtet sind. Der Entwurf könnte davon geleitet sein, dass die Aufsichtsinstrumente nicht ausreichend sind. Das würde aber bedeuten, dass schon bestehende weisungsfreie Behörden mit dem Inkrafttreten des Entwurfes verfassungswidrig werden, wenn - was bei vielen solchen Behörden der Fall ist - keine besonderen Aufsichtsbestimmungen existieren.

2. Die einzelnen Tatbestände des Abs. 2 verstehen sich nicht von selbst, sondern sollten in den Erläuterungen durch die Anführung von Beispielen erklärt werden. Weiters wurde im Österreich-Konvent lediglich versucht, den Bestand weisungsfreier Behörden und Organe in allgemeinen Tatbeständen zu erfassen. Eine kritische Prüfung, ob die Weisungsgebundenheit überhaupt erforderlich ist, erfolgte nicht. So ist etwa nicht unmittelbar einsichtig, weshalb etwa der im Verfahren zur Anerkennung von Privatuniversitäten eingerichtete "Akkreditierungsrat" weisungsfrei ist (§ 4 Abs. 2 des Universitäts-Akkreditierungsgesetzes, BGBl. I 1999/168).

3. Zum Tatbestand des Abs. 2 Z. 6 wird bemerkt, dass die im Gemeinschaftsrecht bisweilen geforderte "Unabhängigkeit" oft die Marktunabhängigkeit und nicht die "Weisungsfreiheit" im Sinne des B-VG meint (vgl. etwa Leitl, Regulierungsbehörden im Österreichischen Recht, 2006, 134).

 

Zu Art. I Z. 13:

Die verfassungsrechtliche Regelung über die Diensthoheit (Art. 21 Abs. 3 B-VG) soll aufgelassen werden. Dazu heißt es in den Erläuterungen, dass eine Regelung auf Verfassungsstufe nicht mehr notwendig sei. Die konkrete Ausgestaltung sollte in Hinkunft auf einfachgesetzlicher Ebene erfolgen.

Nun ist es zutreffend, dass die Festlegung der Zuständigkeit der obersten Organe im Zusammenhang des Dienstverfahrens nicht erforderlich ist, zumal im Hinblick auf die Verwaltungsgerichte erster Instanz. Nach Ansicht des Präsidiums des VwGH wird in den Erläuterungen allerdings der darüber hinausgehende prinzipielle Regelungsgehalt des Art. 21 Abs. 3 B-VG nicht deutlich: Schon im Österreich-Konvent (Ausschuss 6) kam zur Sprache, dass die Abschaffung des Art. 21 Abs. 3 B-VG vor allem im Zusammenhang mit Ausgliederungsmaßnahmen steht.

Art. 21 Abs. 3 B-VG hat eine Bedeutung, die in der Literatur nur vereinzelt erörtert wird (z.B. bei Thienel, Öffentlicher Dienst und Kompetenzverteilung, 1990, 326) und - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Judikatur war. Mit der republikanischen Verfassung ist die "Regierungsgewalt" vom Kaiser auf die obersten Organe, also insbesondere die Bundesminister, übergegangen. Da das B-VG nun vom Grundsatz der monokratischen Verwaltung beherrscht wird, bedeutet die Regelung der Diensthoheit eine Art Annexzuständigkeit: Jenem obersten Organ, dem nach Art. 20 Abs. 1 B-VG die Leitungsbefugnis obliegt, kommt auch - unbeschadet gesetzlicher Delegationsmöglichkeiten innerhalb seines Ressorts - die personelle Kompetenz zu. Dies bedeutet zunächst, dass nicht etwa die gesamte Personalführung bei einem Bundesminister konzentriert werden könnte. Darüber hinausgehend hätten wir es auch mit einer besonderen Ausgliederungsschranke zu tun. Derzeit ist es unzulässig, dass etwa eine "Bundespersonalagentur" - analog zur BIG in Gebäudeangelegenheiten - mit der Verwaltung und Bereitstellung des Bundespersonals betraut würde ("Leiharbeit"). Bisher hat man es offenbar für selbstverständlich erachtet, dass ein Bundesminister eigenes Personal braucht, auf das er auch dienstrechtlich zugreifen kann.

Tatsächlich werden in der laufenden Diskussion um die Entwicklung des Dienstrechts Vorstellungen geäußert, die einer solchen Konstruktion sehr nahe kommen. Das Präsidium des VwGH übersieht nicht die Notwendigkeit einer Flexibilisierung des öffentlichen Dienstrechts und des Abbaus vielleicht übertriebener Versetzungsschranken durch eine Weiterentwicklung des BDG. Unbeschadet der Erwägung, inwieweit sich eine Privatisierung der gesamten Bundespersonalverwaltung nicht schon aus den von der Judikatur des VfGH gezogenen allgemeinen "Ausgliederungsschranken" verbietet, sollten verfassungspolitische Entscheidungen in diese Richtung jedenfalls transparent sein. Das Präsidium des VwGH regt daher an, in den Erläuterungen festzuhalten, welche weiteren Konsequenzen die Aufhebung des Art. 21 Abs. 3 B-VG hätte.

 

Zu Art. I Z. 16:

Die Neuformulierung in Art. 50 Abs. 4 B-VG wird erst im Lichte der Erläuterungen klar und erscheint insoweit auch zweckmäßig. Allerdings ist die Umschreibung im Verfassungstext selbst mit den Worten "unbeschadet des Art. 44 Abs. 3" nicht geglückt. Wenn künftig verfassungsändernde Staatsverträge nicht mehr möglich sind, so doch auch nicht "gesamtändernde". So gesehen wäre es besser, gar keine Regelung vorzusehen.

 

Zu Art. I Z. 18:

In den Erläuterungen wird anscheinend die Meinung vertreten, die "Nennung" der Staatsanwälte im Verfassungstext bedeute eine Erfüllung des Wunsches der Staatsanwälte nach einer verfassungsrechtlichen Institutionalisierung. Damit bekennt sich der Entwurf zu einer Auslegungstechnik, die nicht selbstverständlich ist. Ob eine verfassungsrechtliche Bestimmung, die an einer existenten Institution anknüpft, diese garantiert oder gegenstandslos wird, wenn sie wegfällt, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen.

Inhaltlich stellt sich die Frage, ob eine parlamentarische Ingerenz in laufende Strafverfahren - mag sein auch in der abgemilderten Form des Entwurfes - im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung sinnvoll ist. Die Beurteilung dessen liegt beim Bundesministerium für Justiz.

 

Zu Art. I Z. 21:

Die geltende Anordnung des Art. 82 Abs. 2 B-VG, nach der die "Urteile und Erkenntnisse ... im Namen der Republik verkündet und ausgefertigt" werden, wird offenbar als überflüssig angesehen. Nach herrschender Auffassung bezieht sich die Bestimmung auch auf die Erkenntnisse der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 1972, 541). Die Bestimmung hat ihre Geschichte (vgl. Walter, a.a.O.) und war das Ergebnis einer verfassungspolitischen Diskussion (vgl.  Gerichtshalle 1919). In unserer Vorschrift kommt insbesondere zum Ausdruck, dass die Gerichtsbarkeit eine gesamtstaatliche Funktion erfüllt. Es wäre daher besser, die Bestimmung beizubehalten und auch ausdrücklich auf die Landesverwaltungsgerichte und das Verwaltungsgericht des Bundes zu erstrecken, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass auch die Landesverwaltungsgerichte Gesamtstaatsorgane sind. Immerhin berührt die Bestimmung das Republikanische Grundprinzip, weil in ihr die Abkehr von Art. 1 des Staatsgrundgesetzes über die richterliche Gewalt von 1867 zum Ausdruck kommt, wonach die Verkündung der Urteile und Erkenntnisse im "Namen des Kaisers" erfolgte.

 

Zu Art. I Z. 31:

1. Es fällt auf, dass in Art. 120a Abs. 2 zwar die Vertretung der Interessen der "Land- und Forstwirtschaft" verfassungsrechtlich garantiert ist, nicht aber deren Gegenstück die "Kammern für Arbeiter ... auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet" (Art. 10 Abs. 1 Z. 11 B-VG). Es könnte nun sein, dass der Entwurf davon geleitet ist, dass mit dem Ausdruck "Arbeitnehmer" ein - dem Verfassungsrecht wohl bisher nicht bekannter - neuer Begriff geschaffen wird, der kompetenzrechtlich neutral ist, also die von der Arbeitsrechtskompetenz des Bundes ausgenommenen Land- und Forstarbeiter erfasst. Dagegen steht, dass der Entwurf neben der "gewerblichen Wirtschaft" ausdrücklich auch die "Land- und Forstwirtschaft" nennt, und nicht etwa allgemein von der "Wirtschaft" spricht. Dass die Land- und Forstarbeiter gemeinsam mit den Arbeitgebern eine Kammer bilden sollen, kommt ja schon wegen des Prinzips der "Gegnerfreiheit" nicht in Betracht. Es wäre sinnvoll, wenn die Erläuterungen allenfalls klarstellen, dass ein umfassender Begriff "Arbeitnehmer" gebraucht wird. Sollte aber in der Tat beabsichtigt sein, die verfassungsrechtliche Garantie der Selbstverwaltung nicht auch auf die Land- und Forstarbeiter zu erstrecken, wäre dies in einem hohen Maß ungereimt. Es wäre damit auch rechtlich nichts gewonnen, da schon im Lichte des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG) die Landarbeiterkammern nicht aufgelassen werden können, solange es ihre Sozialpartner gibt. So gesehen bliebe dann aber nur ein gleichsam "unfreundlicher Akt" des Verfassungsgesetzgebers übrig.

2. In Art. 120b Abs. 1 werden die Selbstverwaltungskörper ermächtigt, "Satzungen" zu erlassen. Zwar trifft es zu, dass diese Art von generell-abstrakten Rechtsnormen oft "Satzungen" heißt, doch handelt es sich in verfassungsrechtlicher Terminologie um "Verordnungen". Die Hereinnahme eines scheinbar neuen Rechtsatztypus könnte Anlass zu Überlegungen geben, ob sich etwa das Prüfungsverfahren nach Art. 139 B-VG auch auf "Satzungen" bezieht. Dazu kommt, dass keineswegs alle generell-abstrakten Rechtsakte der Selbstverwaltung auch tatsächlich "Satzungen" heißen. Es gibt ja auch "Richtlinien" etc. Überhaupt besteht ja kein Zweifel daran, dass Selbstverwaltungskörper Verordnungen erlassen können. Wenn diese Ermächtigung aus dem Grund der Vollständigkeit im Verfassungstext bleiben soll, sollte besser von "allgemeinen Rechtsakten" oder dgl. gesprochen werden.

 


Zu Art. I Z. 39 und 42:

1. Im Zusammenhang mit der "Gesetzesbeschwerde" sollte zwar - im Hinblick auf die ordentliche Gerichtsbarkeit - vom "letztinstanzlichen Gericht" die Rede sein, da dieses eben nicht zwingend der OGH sein muss, im Zusammenhang mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit aber vom "Verwaltungsgerichtshof", der ja stets zuständig bleibt.

2. Der Entwurf enthält keine Aussage darüber, welche Konsequenzen die Aufhebung der generellen Norm durch den VfGH auf das gerichtliche Verfahren hat, diese Frage wird offensichtlich an den einfachen Gesetzgeber delegiert. Nach Ansicht des Präsidiums des VwGH sollte - im Sinne eines möglichst einfachen Modells - auf Verfassungsstufe vorgesehen werden, dass mit der Wirksamkeit der verfassungsgerichtlichen Aufhebung der generellen Norm die gerichtliche Entscheidung außer Kraft tritt und das gerichtliche Verfahren in das Stadium vor Urteilsfällung zurücktritt. Jedenfalls wäre eine solche Regelung zweckmäßiger als etwa die Einrichtung eines förmlichen "Wiederaufnahmsverfahrens" durch den einfachen Gesetzgeber.

 

Zu Art. I Z. 50:

Der Entwurf sieht die Einrichtung eines "Justizanwaltes" - "Anwalt der Justiz"? - zur Missstandskontrolle vor. Vor allem anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfungsbereich dieses Justizanwaltes außerordentlich weit gezogen ist, soll es sich doch um "behauptete Missstände in der ordentlichen Gerichtsbarkeit" handeln. Zur "ordentlichen Gerichtsbarkeit" zählt aber zweifellos auch die Rechtsprechung - so auch ausdrücklich die Erläuterungen - und damit nicht weniger als die gerichtlichen Entscheidungen selbst. Ein nach Ansicht eines Betroffenen ergangenes "Fehlurteil" bildet daher einen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Justizanwaltes.

Es mag nun sein, dass der Expertengruppe eine solche umfassende Zuständigkeit des Justizanwaltes gar nicht vorschwebt. Tatsächlich eröffnet der Verfassungstext aber die Möglichkeit einer die gesamte ordentliche Gerichtsbarkeit überstrahlenden Kontrollinstanz. Denn es ist doch so, dass die von den betroffenen Verfahrensparteien empfundenen "Missstände" in weit überwiegender Zahl darin bestehen, dass sie mit den Urteilen nicht einverstanden sind, was in der Zivilgerichtsbarkeit ein geradezu zwangsläufiger Effekt ist, von der Strafgerichtsbarkeit ganz zu schweigen. Mit anderen Worten wird der Bevölkerung durch die Einrichtung des "Justizanwaltes" eine Art Superinstanz in Aussicht gestellt. (Vgl. dazu auch die bei Schönherr, Volksanwaltschaft, 1977, referierte, teils ziemlich seltsame Vorgeschichte, die auf einem in monarchistischen Kreisen erdachten "Justizkanzler" verweist.) Dass die Befürchtung, der "Justizanwalt" würde missverstanden werden, nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen erste Reaktionen in den Tageszeitungen. Dazu kommt, dass die Zuständigkeit des Justizanwaltes - analog zu jener des Volksanwaltes - nach dem Entwurf bereits dann ausgelöst werden soll, wenn dem Betroffenen "ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht". Das bedeutet, dass auch wenn die Frist für ein Rechtsmittel versäumt wurde, der Justizanwalt angerufen werden kann, was zu unerträglichen Verzerrungen führen würde. Im Gegensatz dazu sprechen die Erläuterungen davon, dass die antragsgebundene Zuständigkeit nur "nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel" besteht, im Verfassungstext ist diese Einschränkung aber nicht enthalten!

Man muss damit rechnen, dass ein Justizanwalt mit derart weiter Zuständigkeit auch in entsprechend vielen Fällen angerufen werden wird. Er wird daher entweder über einen ausgedehnten Apparat zur Justizkontrolle verfügen müssen oder aber in sehr vielen Fällen den Beschwerden nicht näher treten können, was wiederum zur Frustration der beteiligten Kreise führen wird.

In der Erläuterungen ist u.a. davon die Rede, dass der Justizanwalt ein Ablehnungsrecht gegen Richter haben soll, was gleichfalls - ebenso wie die noch eher verständlichen Fristsetzungsanträge - unmittelbar auf das Getriebe der Rechtsprechung zugreift.

Das Präsidium des VwGH übersieht nicht die Notwendigkeit, die Dienstaufsicht effizienter zu gestalten. Die vorgeschlagene Regelung ist aber weit überschießend.

Als weiteres Problem kommt hinzu, dass die notorisch schwierige Abgrenzung zwischen Justiz und - monokratischer - Justizverwaltung in die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Volksanwaltschaft und dem Justizanwalt importiert wird. Schon jetzt hat ja die Volksanwaltschaft die Möglichkeit, Missständen in der Justizverwaltung nachzugehen!

Der künftige Justizanwalt wäre - je nach Betrachtungsweise - als ein Organ sui generis oder als eine Verwaltungsbehörde zu deuten. Zwar muss der Justizanwalt die Befähigung zum Richteramt haben, ist aber - soweit herrscht Klarheit - selbst kein Organ der Gerichtsbarkeit. Damit rückt die Frage heran, ob ein so umschriebener Justizanwalt nicht eine "Gesamtänderung der Bundesverfassung" im Sinne des Art. 44 Abs. 3 B-VG bedeutet. Immerhin zählt ja die "Gewaltentrennung" - mit dem Kern der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art. 94 B-VG) - zu den Baugesetzen der Bundesverfassung. Mindestgehalt dieses Grundprinzips sollte doch sein, dass nicht hinter den Standard des Staatsgrundgesetzes über die richterliche Gewalt von 1867 zurückgegangen wird!

 

Diese Stellungnahme ergeht auch an das Präsidium des Nationalrates.

 

Wien,am 10. September 2007

Der Präsident:

JABLONER


 

VERWALTUNGSGERICHTSHOF

 

A-1014 Wien, Judenplatz 11
Telefon: (01) 531 11, DW.
Telefax: (01) 53 28 921
DVR: 0000141

PRÄSIDIUM

 

Zl. 1800/6-Präs/2007

 

 

 

 

 

 

An das

Präsidium des Nationalrates

Parlament

1017 Wien

 

 

 

E-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

Das Präsidium des VwGH übermittelt als Beilage seine Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird.

 

Wien,am 10. September 2007

Der Präsident:

JABLONER