4835/AB XXIII. GP

Eingelangt am 17.09.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage vom 17. Juli 2008, Nr. 4912/J, der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen, betreffend die Aktivitäten der „Meinl-Gruppe“, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Vorweg weise ich darauf hin, dass eine Anzahl der Fragen Sachverhalte betrifft, die in den Vollzugsbereich der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) fallen. Über diese Sachverhalte liegen dem Bundesministerium für Finanzen naturgemäß keine originären Informationen vor. Soweit dieser Vollzugsbereich angesprochen wurde, habe ich von meiner Möglichkeit nach § 16 Abs. 2 FMABG Gebrauch gemacht und Informationen von der FMA eingeholt. Deren Stellungnahme liegt meiner Antwort bei. Die nicht die FMA betreffenden Fragen beantworte ich wie folgt:

 

Zu 3.:

Die angesprochene Verhängung der Untersuchungshaft hat durch den Beschluss eines unabhängigen Richters zu erfolgen. Dies ist  kein Sachverhalt, der vom Bundesminister für Finanzen zu beurteilen ist.

 

Zu 4.:

MEL, MIP und MAI haben ihren Sitz auf der Kanalinsel Jersey, deren gesellschaftsrechtliche Vorschriften entsprechend den Satzungen von MEL, MIP und MAI für die Aktionärsrechte allein maßgeblich sind. Auf den Umstand, dass in diesem Kontext das österreichische Aktiengesetz keine Anwendung findet, wurde in den Emissionsprospekten hingewiesen.


Zu 6.:

Der Themenkomplex „Sammelklagen“, „Gruppenklagen“ fällt in den Rechtsbereich der Zivilprozessordnung (ZPO) für die das Bundesministerium für Justiz zuständig ist.

 

Zu 7.:

In Anbetracht des Umstands, dass der aufgezeigte Sachverhalt den Gerichten bereits hinlänglich bekannt ist, ist eine Verfahrenszuständigkeit meines Ministeriums nicht gegeben. Sowohl die Evaluierung eines allfälligen weiteren Aufklärungsbedarfs als auch die in diesem Zusammenhang gegebenenfalls zu setzenden Verfahrensschritte fallen in die Zuständigkeit der unabhängigen Gerichte.

 

Zu 10.:

Die Vollziehung der Bestimmungen des Übernahmegesetzes und damit verbunden auch eine allfällige Novellierung im Fall unzureichender Durchgriffmöglichkeiten fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesministerin für Justiz.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Mag. Wilhelm Molterer eh.

Beilage

 


                                                                  BEILAGE

 

Der Vorstand

 

 

 

 

An das

Bundesministerium für Finanzen

Gruppe III B

z. H. Herrn Gruppenleiter
Mag. Alfred Lejsek

Hintere Zollamtsstraße 2b

1030 Wien                                                                                                    Wien, 20. August 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrter Herr Mag. Lejsek!

 

Der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) wurde die schriftliche parlamentarische Anfrage vom
17. Juli 2008 (ZI.4912/J-NR/2008) am 30. Juli 2008 vom Bundesministerium für Finanzen mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt.

 

Zu den Fragen 1, 2, 5, 8 und 9 der parlamentarischen Anfrage erstattet die FMA folgende

 

STELLUNGNAHME

 

Frage 1: Welche Schritte hat die Finanzmarktaufsicht rund um die Causa Meinl bislang unternommen (bitte um chronologische Auflistung).

Ab welchem Zeitpunkt an hat die Finanzmarktaufsicht erstmals Erhebungen gegenüber Meinl angestrengt?

 

Die Finanzmarktaufsicht hat im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Markt- und Börseaufsicht folgende Schritte unternommen:

 

Zugleich wurde die Finanzmarktaufsicht im Rahmen der Bankenaufsicht zusätzlich zur laufenden Beaufsichtigung, bereits im August 2007 tätig und forderte Stellungnahmen der Meinl Bank betreffend Meinl European Land und der Geschäftsbeziehung bzw. Verflechtungen zwischen beiden Unternehmen ein. Am 13. September 2007 erging der Auftrag an die OeNB zur Vorortprüfung bei der Meinl Bank. In der Folge wurde das Kreditinstitut zu weiteren Stellungnahmen aufgefordert und einer besonderen Berichtspflicht (u.a. hinsichtlich des Rechtsrisikos und des Rückstellungsbedarfs) unterworfen.

 

 

Frage 2: Welche Schritte haben Sie bzw. die Ihnen unterstehenden Behörden unternommen, um eine Sicherstellung von Beweismaterial zu gewährleisten.

 

Die FMA hat die Einhaltung der Vorschriften der in § 69 BWG angeführten Gesetze durch Kreditinstitute und andere in den Ziffern 2 bis 5 angeführter Rechtssubjekte zu überwachen und dabei auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und an der Finanzmarktstabilität Bedacht zu nehmen.

 

Zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppe stehen der FMA die in § 70 Abs.

1 Z 1 bis 4 BWG taxativ aufgezählten Aufsichtsmaßnahmen zur Verfügung: 

 

-                 Auskunfts-, Vorlage- und Einschaurechte (Z 1)

-            Vorlage von Zwischenabschlüssen, von Ausweisen in bestimmter Form und Gliederung und von Prüfungsberichten zu verlangen

-            Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu fordern

-            in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger Einsicht zu nehmen

-                 von den Bankprüfern Auskünfte einzuholen (Z 2)

-                 von den Sicherungseinrichtungen alle erforderlichen Auskünfte einzuholen (Z 2)

-                 durch die Bankprüfer der Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen und durch sonstige Sachverständige alle erforderlichen Prüfungen vornehmen zu lassen (Z 2a)

-                 die Oesterreichische Nationalbank mit der Prüfung von Kreditinstituten zu beauftragen (Z 3)

-                 zur Prüfung von Unternehmen der Kreditinstitutsgruppe […]in Mitgliedstaaten und in Drittländern gemäß § 77 Abs. 5 Z 2 und 3 auch die zuständigen Behörden des Aufnahmestaates um die Vornahme der Prüfung zu ersuchen (Z 4)

 

§ 21 FMABG normiert darüber hinaus rechtlichen Voraussetzungen der Amtshilfe für die FMA.

 

Sämtliche zweckmäßigen und rechtlichen Instrumente der Bankenaufsicht wurden seitens der FMA ausgeschöpft und die damit im Zusammenhang stehenden Beweismittel gesichert. Eine darüber hinausgehende Sicherstellung von Beweismitteln – etwa zur Vorbereitung allfälliger Zivilrechtsklagen - ist seitens der FMA mangels gesetzlicher Grundlage nicht erfolgt.

 

 

Frage 5: Gedenken Sie, die Banken- und Wertpapieraufsicht in nächster Zukunft mit erweiterten Befugnissen zur Zwangsdurchsetzung bei mangelhafter Kooperation durch die Unternehmensführung auszustatten? Wenn ja, ist in Ihrem Ministerium bereits eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung einer legistischen Umsetzung betraut bzw. wird eine solche betraut werden? Wenn nein - warum sehen Sie keine Notwendigkeit zur Ausstattung der Ihnen zugeordneten Behörden mit derartigen Befugnissen?

 

Aus Sicht der FMA wäre eine Ausweitung der derzeitigen Befugnisse durchaus zweckmäßig.

 

Die FMA kann nach den von ihr zu vollziehenden Materiengesetzen bei beaufsichtigten Unternehmen und im Rahmen der Marküberwachung (vgl zB § 70 Abs 1 Z 3 BWG, § 101 VAG, § 91 Abs 3 Z 3 WAG 2007, § 48q Abs 1 Z 3 BörseG, § 86 Abs 6 Z 8 BörseG) durchwegs Vor-Ort-Prüfungen durchführen und gemäß § 21 FMABG steht ihr im Wege der Amtshilfe ein „Betretungsrecht“ zu. Das Recht eine „Hausdurchsuchung“ vorzunehmen – das heißt insbesondere eine Durchsuchung von Orten und Gegenständen durchzuführen – steht der FMA bisher aber nicht zu. In Fällen in denen der FMA zu bestimmten wichtigen Beweismitteln kein Zugang gewährt wird, ist eine Hausdurchsuchung aber wohl das einzige wirkungsvolle Mittel, um einen solchen Zugang zeitnahe erreichen zu können. Vorbilder für eine solche Befugnis von Verwaltungsbehörden finden sich zB in § 12 WettBG, § 93 FinStrG oder § 44 EpidemieG. Dabei ist unter anderem zu beachten, dass es die einschlägigen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (insbes. § 3 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts) erfordern, dass eine Hausdurchsuchung nur auf Grund eines richterlichen Befehls oder bei Gefahr in Verzug durchgeführt werden darf.

 

Vorgeschlagen wird, gesetzlich vorzusehen, dass die FMA in ihrem gesamten Aufsichtbereich die Möglichkeit der Durchführung von Hausdurchsuchungen („Durchsuchung von Orten und Gegenständen im Sinne des § 117 Z 2 StPO und Personen im Sinne des § 117 Z 3 lit a StPO“) hat. Für die dazu außer bei Gefahr in Verzug notwendige richterliche Anordnung könnte zB das Landesgericht für Strafsachen Wien vorgesehen werden.

 

Ergänzend dazu, wäre es sinnvoll und notwendig für die FMA die Möglichkeit einer „Beschlagnahme“ zur Sicherung der Beweisführung vorzusehen. Durch Beschlagnahmen zur Beweissicherung kann erreicht werde, dass Daten und Gegenstände nicht im Nachhinein verändert werden können, da das Original von der Behörde in Gewahrsam genommen wird. Überdies können Beschlagnahmen notwendig sein, wenn große Datenmengen nicht vor Ort dupliziert werden können. Beschlagnahmen stellen einen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums dar. Dieses Grundrecht steht unter Gesetzesvorbehalt und kann daher einfachgesetzlich eingeschränkt werden. Verfassungskonforme Beschlagnahmen müssen im öffentlichen Interesse und verhältnismäßig sein. Die in § 39 VStG diesbezüglich vorgesehene Regelung ist zu eng. Sie betrifft nämlich nur Gegenstände für die ein Verfall vorgesehen ist. Es wird daher angeregt, für den gesamten Aufsichtsbereich der FMA vorzusehen, dass die FMA „Beschlagnahmen auch zu Beweissicherungszwecken“ vornehmen kann.

 

Die hier angestrebten Gesetzesänderungen sind für alle Aufsichtsbereiche der FMA gleich relevant. Vorgeschlagen wird daher, für alle Bereiche gleichlautende Regelungen, die der FMA unter bestimmten Voraussetzungen die Durchführung von „Hausdurchsuchungen“ und „Beschlagnahmen“ ermöglichen im FMABG vorzusehen. 

 

 

Frage 8: Würden Sie im gegenständlichen Fall diese Doppelfunktion des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Julius Meinl V. als nunmehriger Aufsichtsratsvorsitzender und Berater der Geschäftsführung nicht als für einen entwickelten Kapitalmarkt unakzeptabel betrachten?

 

Die Bestimmung des § 28a Abs. 1 BWG („Cooling off-Periode“) war zum Zeitpunkt der erstmaligen Bestellung von Herrn Meinl zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Meinl Bank AG noch nicht in Kraft und konnte daher nicht angewendet werden.

 

Die gemäß § 28a Abs. 3 BWG eingehend erfolgte Überprüfung hat ergeben, dass derzeit keine Ausschließungsgründe in der Person des Herrn Meinl vorliegen.

 

Eine Prüfung der Doppelfunktion des Herrn Meinl als Aufsichtsratsvorsitzender und Berater der Geschäftsführung wurde an Hand der vom BWG vorgegebenen Maßstäbe vorgenommen. Eine Verletzung von Bestimmungen des BWG konnte bis zum gegebenen Zeitpunkt nicht festgestellt werden.

 

 

Frage 9: [Die Pflicht des Staatskommissärs wäre es gewesen, bei zweifelhaften Organbeschlüssen des zu beaufsichtigenden Kreditinstituts unverzüglich Einspruch gem. § 76 BWG zu erheben.] Warum ist der Staatskommissär der Meinl Bank AG dieser Pflicht hinsichtlich des Beschlusses des Wechsels Julius Meinl vom Vorstand in den Aufsichtsrat bzw. beim Beschluss über den Abschluss eines hochdotierten Konsulentenvertrages mit Meinl nicht nachgekommen? Haben Sie Konsequenzen aus diesem Umstand gezogen?

 

Die Staatskommissäre haben gegen Beschlüsse des Aufsichtsrats, durch die sie gesetzliche oder sonstige Vorschriften oder Bescheide des Bundesministers für Finanzen  oder der FMA für verletzt erachten, unverzüglich Einspruch zu erheben. Die nachträglich erfolgte Überprüfung durch die FMA hat ergeben, dass derzeit weder Ausschließungsgründe in der Person des Herrn Meinl vorliegen noch dessen Doppelfunktion den Maßstäben des BWG widerspricht. Es erfolgte daher seitens des Staatskommissärs zu Recht kein Einspruch gegen die gefassten Beschlüsse.

 

Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen behilflich gewesen zu sein.

 

 

Finanzmarktaufsichtsbehörde

Der Vorstand

 

                                                                                              

                        Dr. Kurt Pribil                                                        Mag. Helmut Ettl