16.15
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte der FPÖ! Sie haben sich für den polemischen Titel dieser Dringlichen Anfrage entschieden: „ÖVP-Politik treibt Bildungssystem in den Ruin“. (Beifall bei der FPÖ. – Bravorufe des Bundesrates Steiner.) Ich sage bewusst - - (Bundesrat Steiner: Selbstverständlich!) – Ich darf Ihnen gratulieren, Sie haben sich das erste Plus für sinnerfassendes Zuhören verdient. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bravoruf des Bundesrates Steiner.) Ich danke Ihnen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ich sage bewusst, dass es sich um einen polemischen Titel handelt, denn ich gehe davon aus, dass Ihnen die Fakten sehr wohl bewusst sind. (Bundesrat Steiner: Ja, leider! Leider!) Ich danke Ihnen auch deshalb, dass Sie mir die Möglichkeit geben, faktenbasiert über die letzten beziehungsweise in Planung befindlichen Maßnahmen im guten österreichischen Bildungssystem zu berichten. (Zwischenruf bei der FPÖ.)
Zu Beginn möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich am Anfang der Sommerferien bei allen Pädagoginnen und Pädagogen (Zwischenruf bei der FPÖ), bei allen Lehrerinnen und Lehrern, bei allen Schülerinnen und Schülern, aber auch bei den Eltern und bei all den Personen in der Schulverwaltung herzlich für ihr gesamtes Engagement und ihren Einsatz im und für das österreichische Schul- und Bildungssystem zu bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Die Eltern haben Sie vergessen! – Bundesrat Schreuder: Hat er eh gesagt!)
Starten wir mit dem Thema Integration und Heranführen an unser Bildungssystem: Selbstverständlich sehen wir das Beherrschen der deutschen Sprache als wesentliches Element, um im Bildungssystem anzukommen und erfolgreich zu sein. Daher haben wir auch die Deutschförderklassen eingeführt. (Heiterkeit und Zwischenruf bei der FPÖ.) In der Ukrainekrise haben dann sogar die Verantwortlichen in Wien gemeint, dass man froh ist, dass es die Deutschförderklassen gibt, weil dieses Instrument entscheidend für eine gelingende Integration ist und der Zustrom an Flüchtlingskindern anders nicht zu bewältigen wäre.
Zudem haben wir in der Ukrainekrise schnell und überlegt ein großes Förderstundenpaket geschnürt und Zusatzressourcen bereitgestellt, damit die Schulen unterstützt werden, um diese Herausforderungen bewältigen zu können – und jetzt haben wir gerade ein neuerliches Förderpaket in der Höhe von 47 Millionen Euro mit mehr als 700 zusätzlichen Lehrkräften für den Familiennachzug geschnürt. An dieser Stelle möchte ich mich auch sehr beim Finanzministerium und bei Paul Kimberger für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Lassen Sie mich auch klar und deutlich festhalten: An Österreichs Schulen gibt es keinen Platz für Extremismus. Unsere Kinder sind die Zukunft unseres Landes – und es liegt in unserer Verantwortung, sie bestmöglich auf die Anforderungen einer modernen Gesellschaft vorzubereiten. Die Schule spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es ist ihre Aufgabe, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch die Persönlichkeit unserer Kinder und Jugendlichen zu stärken. Wir müssen sicherstellen, dass sie als selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger an unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft teilhaben können. Das bedeutet, sie für eine Welt zu rüsten, in der Vielfalt geschätzt und Toleranz gefördert wird. Leider sehen wir uns auch mit einer Realität konfrontiert, in der einige unserer Schülerinnen und Schüler mit destruktiven Ideologien und Einstellungen in Berührung kommen, sei es Rechtsextremismus, Islamismus oder Antisemitismus. (Bundesrat Steiner: Und Linksextremismus?)
Aus diesem Grund haben wir als Bundesregierung (Bundesrat Steiner: Und Linksextremismus? – Bundesrätin Schumann: Geh! Er fällt immer auf bei Rechtsextremismus, jedes Mal! – Bundesrat Schreuder – in Richtung FPÖ weisend –: Sie fühlen sich angegriffen! – Bundesrätin Schumann: Jedes Mal!) und ich als zuständiger Bildungsminister im Bildungsbereich eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen. Dabei setzen wir vor allem auf zwei Schienen: einerseits auf umfassende Präventionsarbeit in den Schulen, denn unser Ziel ist es, dass es überhaupt nicht zu Fällen von Extremismus an den Schulen kommt. Jeder Euro, den wir in die Prävention investieren, ist somit ein gut investierter Euro. Zweitens setzen wir auf eine Nulltoleranzpolitik an den Schulen, wenn es zu Fällen von Gewalt oder Extremismus kommt, denn für alle muss klar sein: Unsere Schulen sind kein rechtsfreier Raum. Da gelten unsere Regeln, und an die gilt es sich zu halten. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Lassen Sie mich eines klarstellen: Österreich ist ein Land mit christlicher Prägung. Natürlich darf ein Kind aus der Bibel vorlesen, wenn es das möchte. Es gilt aber auch, eine Offenheit gegenüber anderen Kulturen zu leben, die unser Land mit ihrer Vielfältigkeit letztendlich auch bereichern. In unseren Schulen muss vor allem auch die Vermittlung der österreichischen Kultur und unserer westlichen Werte im Mittelpunkt stehen. Wir dürfen uns nicht aus falsch verstandener Toleranz in unseren Klassenzimmern verbiegen oder gar einschränken lassen. Unsere Kultur zu respektieren und verstehen zu lernen, ist daher keine Bitte, sondern eine Verpflichtung für all jene, die in unserem Land leben wollen und eine Schule besuchen.
Lassen Sie mich nun auf die konkreten von mir gesetzten Maßnahmen näher eingehen. Eine der erfolgreichsten Präventionsmaßnahmen an unseren Schulen ist sicherlich „Extremismusprävention macht Schule“. Dieses Programm bietet kostenlose Workshops zur Extremismusprävention an, in denen Themen wie Konfliktlösung, Gewaltprävention, demokratische Debattenkultur, Menschenrechte und so weiter behandelt werden. Aufgrund der sehr hohen Nachfrage und des hohen Bedarfs habe ich entschieden, diese Workshops weiter auszubauen. (Bundesrat Steiner: Wie viele haben das gemacht?) Zusätzlich zu den ursprünglich 1 500 geplanten Workshops habe ich bereits in der Vergangenheit beschlossen, das Programm um 1 000 weitere Workshops zu erweitern. Die Mittel wurden in den letzten Monaten noch einmal um über 50 Prozent aufgestockt. Das sind weitere 700 000 Euro, die wir für rund 1 200 zusätzliche Workshops bereitstellen können. Somit stehen insgesamt 2,1 Millionen Euro für Extremismusprävention an den Schulen zur Verfügung.
Weiters habe ich veranlasst, dass das kommende Schuljahr unter den Schwerpunkt Hinschauen statt wegschauen gestellt wird. Österreichs Schulen befassen sich somit im kommenden Schuljahr intensiv mit dem Thema Gewalt- und Extremismusprävention, und wir als Bund werden jeden Monat neue Maßnahmen vorstellen.
Eine der zentralen ersten Maßnahmen wird sein, dass wir die Kooperation zwischen der Polizei und den Schulen gerade in Ballungsräumen noch weiter stärken werden. Im kommenden Schuljahr wird daher jede Schule einen eigenen Sicherheitsbeauftragten als Ansprechperson an der jeweiligen Polizeiinspektion im Bezirk haben. Somit werden wir die Abstimmung zwischen der Polizei und den Schulen vereinfachen können, jede Schule hat somit eine konkrete Ansprechperson, an die sie sich wenden kann.
Gemeinsam mit dem Innenministerium werden wir aber auch in weiteren Bereichen im kommenden Schuljahr intensiv zusammenarbeiten, insbesondere auch mit Workshops, die das Innenministerium anbietet. Sehr geehrte Damen und Herren, für mich ist klar, wir werden in Zukunft den erfolgreichen Weg, bestehend aus umfassender Präventionsarbeit einerseits und dem harten Durchgreifen bei schweren Fällen andererseits, weiter fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)
Nun komme ich zu den Fragen:
Zur Frage 1: Die Anzahl der suspendierten Kinder ist – auch in Wien – nicht massiv gestiegen. Die letzten Zahlen vom ersten Semester des vergangenen Schuljahres sind ziemlich genau die Hälfte der Zahlen des Schuljahres davor.
Zu den Fragen 2 und 5 darf ich ausführen: In der auf Grundlage des Bildungsdokumentationsgesetzes durchgeführten Bildungsdokumentation sind Suspendierungen von Schülerinnen und Schülern vom weiteren Schulbesuch kein Erhebungsmerkmal, sodass keine diesbezüglichen österreichweiten Statistiken verfügbar sind.
Die Bildungsdirektionen wurden im jeweiligen Zuständigkeitsbereich vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung befasst und um Auskunft zu den Suspendierungen – entsprechend den dort verfügbaren Informationen – ersucht. Ich darf dabei auf die Anfrage der Abgeordneten zum Nationalrat Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen vom November 2023 erinnern. (Bundesrat Schennach: Das ist ja alt und ...!)
Zur Frage 6: Vorausgeschickt wird, dass in der auf Grundlage des Bildungsdokumentationsgesetzes durchgeführten Dokumentation das Religionsbekenntnis von Schülerinnen und Schülern oder gegebenenfalls die Nichtangabe des Bekenntnisses kein zentrales Erhebungsmerkmal darstellt, sodass aus diesem Titel keine entsprechenden Statistiken existieren. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bezüglich des Religionsunterrichtes auch die Teilnahme von Konfessionslosen beziehungsweise Angehörigen einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft infrage kommt, sodass ein Rückschluss auf die Konfessionsangehörigkeit der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler nicht möglich ist.
Zu den Fragen 7, 8, 10, 11, 12, 13 und 15 darf ich anmerken, dass wir dazu keine Daten haben, da diese nicht vom Bildungsdokumentationsgesetz umfasst sind und daher nicht erhoben werden.
Zur Frage 14: Deutsch ist die Unterrichtssprache, daher gibt es in diesem Bereich klare Vorgaben. Der Erwerb beziehungsweise die Kenntnis der Unterrichts- und Bildungssprache Deutsch ist die Grundlage für die Beteiligung an allen Bildungsprozessen und eine wichtige Voraussetzung für Schulerfolg und Integration in den Arbeitsmarkt. Daher werden seitens des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um den Erwerb dieser sprachlichen Kompetenz in den Mittelpunkt zu stellen.
Zur Frage 16 darf ich ausführen: Im Diskurs über Schulen werden im Bereich der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung Begriffe wie Brennpunktschulen nicht verwendet und auch abgelehnt. Es gibt Schulen mit großen Herausforderungen hinsichtlich der Alltagssprache der Schülerinnen und Schüler, des Bildungshintergrunds und sozioökonomischer Faktoren des Elternhauses.
Im Projekt 100 Schulen – 1000 Chancen wird gerade daran gearbeitet, Faktoren zu identifizieren, die Schulen in herausfordernder Lage darin unterstützen können, kontextspezifischen Problemstellungen besser begegnen und der Lage geschuldete höhere Anforderungen besser bewältigen zu können, mit dem Ziel, Schülerinnen und Schüler zu einem erfolgreichen Bildungs- und Berufsweg zu führen.
Zur Frage 20: Weder im Pflichtschul- noch im Bundesschulbereich können erhöhte Kündigungen oder Umschulungen von Lehrkräften verzeichnet werden.
Zur Frage 22: Eine Sonderauswertung der Statistik Austria der Bildungsverläufe von außerordentlichen Schülerinnen und Schülern, die im Schuljahr 2020/2021 ihren außerordentlichen Status begannen, ergibt, dass diese durchschnittlich 1,4 Schuljahre in Volksschulen und 1,6 Schuljahre in Mittelschulen im außerordentlichen Status verbracht haben. Für andere Schultypen sind die Fallzahlen zu gering, um eine valide Information geben zu können.
Zu den Fragen 23 und 24: Bereits im Schuljahr 2021/2022 wurden die neuen Mittelschulen zu Mittelschulen weiterentwickelt. Im Rahmen dessen wurden unter anderem die Möglichkeiten der Förderung der Schülerinnen und Schüler in Deutsch, Mathematik und lebenden Fremdsprachen erweitert. Die Schulen können seither autonom entscheiden, ob sie in Deutsch, Mathematik oder in der ersten lebenden Fremdsprache temporäre beziehungsweise dauerhafte Gruppen bilden.
Zudem wurde die siebenstufige Notenskala wieder zu einer fünfstufigen in zwei Leistungsniveaus – Standard AHS und Standard – übergeführt. Bei deutlichem Leistungsabfall können Schülerinnen und Schüler zudem zu einem zusätzlichen Förderunterricht verpflichtet werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
16.27
Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Beantwortung.
Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Redezeit eines jeden Bundesrates, einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.