11.16

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sterneneltern mussten ihre Kinder loslassen und manchmal auch beerdigen, ohne sie je lebend in den Armen gehalten zu haben. Die Trauer, der Schmerz und die Belastungen, die das für die Eltern und Geschwis­terkinder darstellt, sind schier unermesslich.

Ich selbst kenne zumindest acht Frauen, die einen Schwangerschaftsverlust er­leiden mussten und drei Frauen, die ihr Kind als Totgeburt oder nicht lebensfähig zur Welt bringen mussten. Im letzteren Fall müssen Frauen nicht nur den seelischen Abgrund überstehen, die Nachricht vom Tod ihres Kindes zu verarbeiten, sondern sie müssen zusätzlich auch noch die körperlichen Stra­pazen einer Geburt erdulden.

Oft sind nach der Geburt des toten Kindes das Bild eines Fußabdruckes oder ein Foto von ihrem Baby die einzige Erinnerung, die diesen Frauen und ih­ren Familien an das Kind bleibt. Die Begleitung von Hebammen in solchen Stunden und Tagen ist für Frauen und ihre Familien essenziell. Auch die geplante Ausarbeitung von Richtlinien für Ärztinnen und Ärzte, die Frauen bei sol­chen Geburten medizinisch begleiten, ist aber dringend notwendig. Ein sensibler und empathischer Umgang mit den Betroffenen in solchen Ausnahmesitua­tionen muss auch vonseiten der Ärzteschaft gewährleistet werden.

Das österreichische Hebammengremium macht seit Jahren auf den flächende­ckenden Mangel an Hebammenbetreuung aufmerksam. Durch die bevorstehenden Pensionierungen der Sechzigerjahrgänge und durch den zu­nehmenden Hebammenbedarf im extramuralen Bereich wird der Hebam­menbedarf noch zusätzlich steigen. Da muss rechtzeitig gegengesteuert werden, weil durch den Ausbau des Hebammenanspruchs auch der Bedarf an Hebammen zunehmen wird.

Nicht nachvollziehbar ist auch die Begrenzung des Anspruches auf Unterstüt­zung durch eine Hebamme auf die 18. Schwangerschaftswoche. Eine stille Geburt oder ein Schwangerschaftsverlust können auch zu einem früheren Zeitpunkt in der Schwangerschaft geschehen, und dann haben die betrof­fenen Frauen denselben Betreuungsbedarf.

Aus rechtlicher Sicht ist aber auch die derzeit bestehende gesetzliche Regelung, nach der der Mutter bei einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm und ohne Lebenszeichen des Kindes kein Mutterschutz und auch kein Bestattungs­kostenbeitrag zusteht, völlig nicht nachvollziehbar. Nicht das Geburts­gewicht des Kindes sollte Normzweck sein, sondern die körperlichen und psy­chischen Vorgänge während und nach einer Geburt bei den betroffenen Frauen, die ja auch Zweck der mutterschaftsrechtlichen Bestimmungen sind. Die Initiative Mut zeigen! hat zu Recht darauf hingewiesen.

Nach dem Erlebnis eines Schwangerschaftsverlustes erfüllen bis zu 60 Prozent der Frauen und Männer die klinischen Kriterien einer posttrauma­tischen Belastungsstörung. Bis zu 20 Prozent der Frauen zeigen Anzei­chen einer Depression und 32 Prozent der Frauen entwickeln Angstzustände. Es ist daher wichtig, dass allen betroffenen Frauen, die einen Schwanger­schaftsverlust vor oder nach der 18. Schwangerschaftswoche erleiden, bei Be­darf professionelle psychische Unterstützung zuteilwird. Die Versorgungs­lage des Gesundheitssystems im Bereich der psychischen Gesundheit in Öster­reich ist seit Jahren mehr als prekär. Auch in diesem Bereich wird es rasche und umfassende Maßnahmen brauchen, um den Betroffenen die Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötigen.

Der vorliegende Gesetzesvorschlag ist aber jedenfalls ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung und wird von uns NEOS vollumfänglich unterstützt. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

11.20