10.54
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Also wie man da dagegenstimmen kann, das muss man mir erst einmal erklären, denn: Es geht hier eigentlich um Mittel des Kohäsionsfonds, und das sind die ganz entscheidenden Gelder, die wir in Europa haben – und zwar, im Rahmen dieses Kohäsionsfonds, hier in Österreich 1,8 Milliarden Euro. Ich meine, das ist nicht wenig! Da geht es um sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich zwischen den Regionen und Gebieten und darum, dass es da nirgends zu Armut kommt.
Herr Kollege Bernard, schauen Sie sich einmal die Quellen an, aus denen das gespeist wurde: Das sind zum einen für die ländliche Entwicklung die Efre-Mittel – das sind 600 Millionen Euro –, zum anderen der Just-Transition-Fonds. Genau darum geht es: um klimaneutrale und ressourceneffiziente Tätigkeiten, alternative Beschäftigungsformen. All das ist sehr wichtig, deshalb gibt es da eine ganze Reihe von Projekten, die natürlich auf die Transformation unserer Umwelt reagieren.
Es ist eine kluge Entscheidung des Bundesministeriums, da mit der Stadt Wien eine 15a-Vereinbarung zu machen, denn sie hat die Möglichkeiten und sie tut das bereits. Die MA 27 führt eine ganze Reihe von Interreg-Projekten durch, nämlich mit Tschechien, mit der Slowakei und mit Ungarn. Da geht es wiederum darum: Früher gab es ja die alten, historischen Staatsgrenzen, und je näher man einer Staatsgrenze gekommen ist, umso mehr ist eine Sackgasse der Entwicklung, oder ein Niemandsland, entstanden. Die Europäische Union denkt da um und sagt: Wir müssen das beleben, wir müssen dafür sorgen, dass dieser Grenzraum nicht mehr ein Grenzraum ist, wir müssen da gestalten!
Eine kleine Anmerkung, Herr Bundesminister: Sie haben ja vorhin alle gelobt, aber Sie müssen schon sagen, dass wir uns regionalpolitisch massiv bei der Europäischen Union zu bedanken haben, denn sie hat diese Akzente gesetzt. Sie hat die Akzente gesetzt, durch die das Burgenland erblüht ist, durch die andere Regionen erblüht sind – dort, wo Herr Kollege Tiefnig wohnt, die Interreg mit Bayern, in Vorarlberg mit Vaduz und Liechtenstein. (Bundesrätin Miesenberger: Aber die Nationalstaaten müssen es umsetzen!) – Ja, ja, natürlich, die müssen es umsetzen. (Bundesrätin Miesenberger: Umsetzen und abholen!)
Warum aber brauchen wir die 15a-Vereinbarung? – Es gibt einen Rahmenvertrag dazu, und jetzt muss irgendjemand für die Kontrolle und die Durchführung und die Qualitätssicherung zuständig sein. Es gibt keine gemeinsame Institution von Bund und Ländern – das ist in unserer Rechtsordnung nicht vorgesehen –, deshalb hat das Bundesministerium sehr klug gesagt: Da gibt es die MA 27, die Magistratsabteilung 27, der Stadt Wien. Die sind fix, das kostet uns wenig, die können das, die beweisen das immer mehr. – Kollege Schreuder, das ist das Ressort von Stadtrat Hanke, weil du mich so intensiv anschaust. (Bundesrat Schreuder: Ich bin ganz neugierig, was du sagst! – Heiterkeit des Redners.) Okay. (Bundesrat Buchmann: ... froh sein, wenn einer zuhört!)
Wenn wir uns jetzt zum Beispiel einmal anschauen, was Interreg Österreich – Tschechien alles umfasst, so sind das einerseits die Forschung und Entwicklung, andererseits Klima und Umwelt, drittens Bildung, Kultur und Tourismus und viertens die grenzübergreifende Governance.
Mit der Slowakei: wettbewerbsfähigere und intelligentere Grenzregion, grünere Grenzregion im Klimawandel, sozialere Grenzregion und eine besser verankerte Grenzregion. – Das sind Dinge, die die MA 27 da federführend umsetzt, und deshalb ist es wichtig.
Wenn wir schon bei so einem interessanten Thema wie ländliche Entwicklung sind: Meine Kollegin Grossmann hat ja schon darauf hingewiesen, dass wir es in den letzten Jahren immer und immer wieder versucht haben, es der ÖVP zu erklären. Die beiden bäuerlichen Schlitzohre Tiefnig und Gfrerer (allgemeine Heiterkeit) haben das ja heute richtig dargestellt, wie das geht, das nennt man - - (Bundesrat Tiefnig: Schlitzohr ist ein Ordnungsruf!) – Das ist kein Ordnungsruf, lieber Freund, das ist eine liebenswürdige Bezeichnung. Und wenn du dich selbst beobachtest, weiß du auch, dass das eine Liebenswürdigkeit ist, die dich auszeichnet. Aber das Wort davor war „bäuerliche“, und jetzt kommt es: Das ständige Missverständnis der ÖVP-Politik ist, dass ländliche Entwicklung für die ÖVP bäuerliche Förderung bedeutet. Das ist es genau nicht.
Fragt euch einmal, warum die Frauen zunehmend die Dörfer verlassen. Und wenn die Frauen die Dörfer verlassen, stirbt das Dorf. Ländliche Entwicklung bedeutet, einen viel größeren Anreiz für das Leben am Land zu schaffen (Bundesrat Tiefnig: Aber nicht aus den Agrartöpfen!), in den Bereichen Bildung oder Kinderbetreuung. Wenn ich dich anschaue, sage ich, die Goldhaubenromantik ist für eine moderne Frau nichts. Und nur am Rande zu stehen und zu applaudieren, wenn die Männer aktiv in den Vereinen oder bei der Feuerwehr tätig sind, das ist zu wenig. Frauen haben andere Ansprüche. (Beifall bei der SPÖ.) Und deshalb, lieber Silvester Gfrerer: Ländliche Entwicklung ist nicht Bauernförderung und Bäuerinnenförderung.
Zweitens, ländliche Entwicklung muss eine umfassende Entwicklung in die Richtung sein, dass am Land Bibliotheken vorhanden sind, dass Ausbildungsstätten vorhanden sind. Das ist ländliche Entwicklung und das macht dann auch das Land interessant, sodass Frauen sagen: Ich bleibe da, ich gestalte das Land mit und ich kann mich auch selbst verwirklichen!
Und das, lieber Herr Minister – wir kennen uns zu kurz –, ist etwas, das zum Beispiel Ihr Vorvorvorvorvorgänger Franz Fischler verstanden hat. Und Ansätze - - (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) – Bitte? Ein Schlitzohr spricht mit mir! Um was geht es? – Noch einmal: Ländliche Entwicklung ist die Gesamtheit, sie umfasst Arbeitsplätze, Alternativen, Ausbildung, Kinderbetreuung – all diese Dinge. Man muss in manchen Regionen nicht verzweifelt nach Frauen suchen, es gibt dort keine. Es gibt ein Kärntner Tal, in dem es seit 17 Jahren keine Eheschließung mehr gegeben hat (Bundesrat Tiefnig: Da ist kein Schlitzohr!), und das sind dramatische Entwicklungen.
Und dann möchte ich noch etwas sagen: Diese bäuerliche Förderung, um die es hier geht, begünstigt Ungleichheiten, wie Frau Grossman auch gesagt hat, sie ist extrem ungleich und unausgewogen. Die Großen kriegen viel und die Kleinen zum Überleben zu wenig. Es gibt aber noch etwas Positives betreffend die Frauenseite: Immer mehr Frauen werden Betriebsführerinnen bäuerlicher Betriebe, und das sollte weiterhin ganz stark gefördert werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
11.04
Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte.