12.02
Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Werte geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:innen! Ich habe da einen Auszug aus der „Wiener Zeitung“ (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend), Nummer 148, bei mir. Das war am Montag, den 29. Juni 1914. Ich zitiere aus dem Amtlichen Teil:
„Seine k. und k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Ferdinand wurde Sonntag, den 28. Juni d. J., Vormittag in Sarajevo durch einen Schuß [...] verletzt und verschied kurze Zeit darauf.“
30 Tage später, am Dienstag, dem 28. Juli 1914, titelte die „Wiener Zeitung“, Nummer 174: „Kriegserklärung.
Auf Grund Allerhöchster Entschließung Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät vom 28. Juli 1914 wurde heute an die königl. serbische Regierung eine in französischer Sprache abgefaßte Kriegserklärung gerichtet, welche im Urtext und in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet“ – ich zitiere die deutsche Übersetzung –:
„,Da die königl. serbische Regierung die Note, welche ihr vom österreichisch-ungarischen Gesandten in Belgrad am 23. Juli 1914 übergeben worden war, nicht in befriedigender Weise beantwortet hat, so sieht sich die k. u. k. Regierung in die Notwendigkeit versetzt, selbst für die Wahrung ihrer Rechte und Interessen Sorge zu tragen und zu diesem Ende an die Gewalt der Waffen zu appellieren. Österreich-Ungarn betrachtet sich daher von diesem Augenblicke an als im Kriegszustande mit Serbien befindlich.
Der österreichisch-ungarische Minister des Äußern Graf Berchtold.‘
Verantwortlicher Redakteur: Dr. Emil Löbl. Druckerei der kaiserlichen ‚Wiener Zeitung‘.“ (Bundesrat Buchmann: Was willst du uns jetzt damit sagen?) – Ich komme schon noch dazu, Kollege. (Bundesrat Kornhäusl: Es zerreißt uns vor Spannung! – Bundesrat Buchmann: In Zeiten, wo wir einen Krieg in Europa haben!)
Sehr geehrte Damen und Herren, damals, zu Kriegsbeginn, wurden weite Teile der Bevölkerung von einer regelrechten Kriegseuphorie erfasst. Mit frenetischen Jubelrufen zogen die Soldaten in den Krieg und somit auch in ihr Verderben.
Was die Kriegsfanatiker und Kriegstrommler der damaligen Zeit nicht wussten: Dieser ihr bejubelter Krieg sollte einer der grausamsten Kriege der Menschheit werden, ein Krieg mit 16 bis 17 Millionen toten Menschen, ein Krieg mit langfristigen Auswirkungen für Europa, ja für die ganze Welt, darunter der endgültige Aufstieg des Nationalismus und letztendlich der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Dieses damalige Aufbruchspathos war vor allem im urbanen bürgerlichen Milieu zu beobachten, weniger jedoch bei den bäuerlichen und arbeitenden Schichten. Die Zeitungen stimmten begeistert ins allgemeine Hurrageschrei mit ein. Sie förderten die Kriegseuphorie enorm, denn schon zur damaligen Zeit hatten die Zeitungen einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung.
Damalige kritische Stimmen gingen in der allgemeinen Kriegseuphorie unter. In den Zeitungen fand man kaum kritische Stimmen, ja nicht einmal zurückhaltende Töne. Zum Beispiel hatten bürgerlich-liberale Blätter wie die „Neue Freie Presse“ oder die konservative „Reichspost“ kaum Probleme mit der damaligen Zensur, anders dagegen die damalige „Arbeiter-Zeitung“. Diese strotzte geradezu von weißen Flecken im Text.
Wissen Sie aber, wer damals bei all diesen Schwierigkeiten mit der Zensur eine Ausnahme bildete? – Nein, Sie wissen es nicht. Ich sage es Ihnen: Stellen Sie sich vor, es war die „Wiener Zeitung“! (Beifall bei der SPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Schennach.)
Die „Wiener Zeitung“ mit dem damaligen Chefredakteur Emil Löbl und seiner Feinfühligkeit haben schon damals auf die Sachlichkeit gesetzt. Er nannte es die hohe Schule des Wiener Journalismus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was damals gilt, gilt in gewisser Weise heute noch. Die „Wiener Zeitung“, die älteste Zeitung der Welt, die uns allen gehört, ist nach wie vor ein Musterbeispiel für objektive, sachliche, nüchterne Berichterstattung. Und vor allem: Sie war nie ein Teil der in Österreich allgegenwärtigen Inseratenkorruption und ist es auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Vernichtung der „Wiener Zeitung“ durch die türkis-grüne Regierung steht sinnbildlich für die Zerstörung durch die türkise Bundespolitik. Seit Jahren zerstören Sie mit abwechselnden Steigbügelhaltern soziale Errungenschaften, funktionierende Einrichtungen und Institutionen dieser Republik, zuletzt die Krankenkassen und jetzt mit der Brechstange die „Wiener Zeitung“. (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren, die Wunden, welche Sebastian Kurz und seine noch übrig gebliebenen Türkisen im Bund in dieser Republik hinterlassen haben und hinterlassen, werden noch lange als Narben sichtbar sein.
Sie, Frau Medienministerin Raab, richten ganz aktiv Schaden an. (Ruf bei der FPÖ: So wie die ganze Regierung!) Glauben Sie mir: Sie gehen in die Geschichte ein, aber nicht auf Basis Ihrer fragwürdigen Verdienste um diese Republik, sondern als jene Ministerin, die den Österreicherinnen und Österreichern ein Medium nimmt, das zumindest objektiv über Ihr Versagen berichtet hätte.
Es ist bequem, wenn man sich selbst seine eigene Medienlandschaft gestalten kann. Dann wird es trotz fataler Bilanz zumindest keinen medialen Gegenwind geben. Sehr geehrte Frau Ministerin, auf unseren Gegenwind können Sie sich verlassen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
12.10
Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Kornhäusl in Richtung des sich zum Redner:innenpult begebenden Bundesrat Obrecht, der ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in der Hand hält –: Ich hoffe, du hast einen spannenderen Artikel!)