9.56
Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, in der Tat ist es so, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine eine Zeitenwende markiert und, wie es der Herr Außenminister gesagt hat, leider seit diesem 24. Februar 2022 pausenlos, also ohne Pause, für Leid, für Elend und für viel Frustration bei den Ukrainerinnen und Ukrainern sorgt. Es wurde angesprochen, aber wir müssen uns dessen immer auch bewusst sein, wenn wir über einen Krieg, der 500 Kilometer von unseren Grenzen entfernt stattfindet, diskutieren: dass dieses Leid auch Tote bedeutet, dass bisher über 300 000 Menschen in diesem Krieg ihr Leben verloren haben, dass Familien ihre Angehörigen betrauern und dass dieser Krieg unermesslichen Schaden in Form von menschlichem Leid, aber darüber hinaus auch an der Infrastruktur mit sich bringt. Es werden Milliarden von Euro notwendig sein, um diese Infrastruktur in der Ukraine wieder aufzubauen. Daher ist es auch gut, dass bereits jetzt Überlegungen angestellt werden, wie dieser Wiederaufbau stattfinden kann, wie er finanziert werden kann und wie die Ukraine zu alter Prosperität zurückfinden kann.
Dieser Konflikt – Christine Schwarz-Fuchs hat es angesprochen – hat auch Auswirkungen auf die globale Ernährung, es ist durchaus auch eine Ernährungskrise mit internationaler Auswirkung damit verbunden. Es ist aus meiner Sicht gut gewesen, dass Österreich immer klare Kante gezeigt hat, was die Außenpolitik betrifft, ein klares Bekenntnis zum europäischen Wertekanon, immer im Wissen, dass wir militärisch neutral sind, aber diese militärische Neutralität nicht eine humanitäre oder politische Neutralität bedeutet, sondern dass insbesondere auch, was humanitäre Leistungen betrifft, solche im Umfang von über 130 Millionen Euro seitens der Bundesregierung möglich gemacht wurden und darüber hinaus – da gilt der Dank der österreichischen Zivilgesellschaft, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern – über 80 Millionen Euro an Spendenleistungen aufgebracht worden sind und durch die vielen, vielen persönlichen Kontakte, die Österreicherinnen und Österreicher mit Ukrainerinnen und Ukrainern haben, diese auch in den Gemeinden integriert werden. Ich habe Ihnen das letzte Mal als Beispiel von der Gemeinde Neumarkt in der Steiermark erzählt, die es in herausragender Weise geschafft hat, 100 Ukrainerinnen und Ukrainer zu integrieren und ihnen damit ein Stück Frieden in Freiheit zu ermöglichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die angesprochene Zeitenwende tatsächlich eingeleitet. Es gibt immer noch den einen oder anderen auch hier im Hause, der in seiner Wortwahl diesen Angriffskrieg kleiner darstellt, als er ist. – Lieber Kollege Hübner, es ist nicht eine Aktion, die da von Russland auf ukrainischem und damit auf europäischem Boden stattfindet, sondern es ist ein Angriffskrieg, und wir sollten ihn auch immer so benennen, weil es die Ukrainerinnen und Ukrainer, die für uns, auch für unsere europäischen Werte einen Freiheitskampf führen, so sehen und so empfinden.
Wir sollten sie auf diesem Weg auch weiterhin entsprechend unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Obrecht und Arlamovsky.)
Ich glaube, es eint uns, dass unsere Solidarität dem Freiheitskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer gilt, und weniger dem Verstehen russischer Motive für die Invasion der Ukraine, auf europäischem Boden. Das sollten wir auch immer beim Namen nennen. Das Recht des Stärkeren – und ich glaube, auch das eint uns, das haben wir im EU-Ausschuss des Bundesrates und auch hier im Plenum wiederholt dargestellt – darf nicht über die Stärke des Rechts obsiegen. Da gibt es im internationalen Kontext auch Mechanismen, die wir unterstützen sollten.
Die Zeit erlaubt es nicht, auf einzelne Themen im Detail einzugehen, ich erwähne nur zwei Bereiche – mit einem hat der Herr Außenminister geschlossen –: Ich glaube, es ist in der Tat ein Elchtest für die Länder des Westbalkans, wie sie sich in dieser Ukrainekrise, in diesem Krieg auf ukrainischem Boden, positionieren. Da ist ein klares Bekenntnis zum europäischen Wertekanon erforderlich, das ist einzufordern und das ist auch auf dem Weg in die EU entsprechend nötig.
Ein zweiter Punkt, weil nächste Woche die Cosac – die parlamentarische Dimension – in Stockholm tagt, wo das Thema Ukraine von den Parlamentariern der 27 Parlamente der EU-Mitgliedstaaten diskutiert wird: Ja, wir werden der Ukraine weiter Beistand leisten, aber die Ukraine muss auch wissen, dass es auf ihrem Weg in die Europäische Union keinen Fasttrack geben wird, sondern dass sie entsprechend den Spielregeln für einen möglichen Beitritt zur Europäischen Union ebendiesen Kriterienkatalog auch entsprechend erfüllen muss.
Letzte Anmerkung: Ich habe auf der Europaburg in Neumarkt mit vielen jungen Menschen Diskussionen geführt, auch mit Ukrainer:innen – früher auch mit Russinnen und Russen, die eingeladen waren, was aber momentan schwer möglich oder unmöglich ist. Eines war für mich immer beeindruckend, und zwar dass am Ende dieser Seminare auf einem Flipchart eine ganz klare Botschaft für uns in der Politik formuliert war, die lautet: We want peace! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
10.02
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.
Soeben bei uns eingetroffen ist die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt Frau Mag.a Dr.in Susanne Raab. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Bitte.