Europastunde im Nationalrat: SPÖ macht Mietpreise zum Thema
Leistbares Wohnen als Grundrecht
Wien (PK) – Um leistbares Wohnen ging es bei der aktuellen Europastunde im Nationalrat. Die SPÖ stellte die Debatte unter den Titel "Österreichs Beitrag für einen europäischen Plan für erschwinglichen Wohnraum" und nahm dabei - vor dem Hintergrund der demnächst stattfindenden Wien-Wahl – Bezug auf die Bundeshauptstadt, welche sie in einer Vorreiterrolle sieht.
Laut Julia Herr (SPÖ) sei Wiens Modell mit 60 % sozial gefördertem Wohnbau weltweit einzigartig. Wegen des hohen Anteils an Gemeindebauten läge die Bundeshauptstadt beim Thema leistbares Wohnen im Spitzenfeld europäischer Städte, sagte sie und kritisierte zugleich Privatisierungen. "Wohnungen sind für Menschen da und nicht für Spekulant:innen", so Herr. Wohnen müsse sicher und leistbar sein.
Die FPÖ kritisierte den Zustand der Wiener Sozialwohnungen, die Grünen sehen Bedarf an einer Leerstandsabgabe für Wien, die ÖVP würdigte die Rolle der gemeinnützigen Bauvereinigungen in Österreich und von den NEOS kamen Deregulierungsvorschläge.
Vizekanzler Babler und Herr (SPÖ) begrüßen Initiativen der Kommission
SPÖ-Mandatarin Herr ging wie auch Vizekanzler Andreas Babler auf den Investitionsplan der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB) für erschwinglichen und nachhaltigen Wohnraum ein. Positiv strichen sie zudem den eigenen Kommissar für Wohnen und den Sonderausschuss zur Wohnraumkrise im Europäischen Parlament hervor. Alle Mitgliedstaaten würden angesichts der tiefgreifenden Wohnraumkrise Maßnahmen setzen müssen, sagte der für das Wohnressort zuständige Minister Babler.
Beide verwiesen auf den Mietpreisdeckel für geregelte Mietverhältnisse und kündigten an, gemäß Regierungsprogramm auch bei den freien Mieten eingreifen zu wollen. Für Babler geht es um den Anspruch, leistbares Wohnen als Grundrecht zu verstehen. Österreich sei beim sozialen Wohnbau Vorreiter, Wien eine "Vorzeigestadt", müsse sich aber trotzdem, wie auch die EU gesamt, weiterentwickeln.
Elke Hanel-Torsch und Paul Stich (beide SPÖ) schlossen sich dem Lob am Wiener Modell an, kritisierten Privatisierungen bzw. Immobilienspekulationen und sprachen sich für Wohnen als Grundrecht aus.
Neben den Investitionen der EIB für leistbaren sozialen Wohnraum brauche es aus Sicht von SPÖ-Europaabgeordnetem Andreas Schieder in diesem Bereich außerdem mieterfreundliche Sanierungen, den Schutz der Mieterrechte, Regulierungen bei Kurzzeitvermietungen sowie eine "Housing-First"-Strategie, um die Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Immerhin sei leistbares Leben in ganz Europa ein Problem und qualitativer Wohnraum zum Mangel geworden, meinte Schieder.
FPÖ ortet Sanierungsbedarf bei Wiener Gemeindebauten
Die FPÖ verstand die Themenwahl als "Wien-Propaganda-Stunde" der SPÖ, wie Michael Oberlechner (FPÖ) sagte. Die Freiheitlichen würden sich zum sozialen Wohnbau bekennen, aber nicht zum "sozialistischen Wohnbau", denn die SPÖ würde ihr Erbe verkommen lassen, so die Kritik. Er forderte die Senkung der Mieten um ein Drittel. Oberlechner, sein Fraktionskollege Maximilian Weinzierl und FPÖ-Europaabgeordneter Harald Vilimsky meinten, der Großteil der kommunalen Wohnbauten in Wien sei sanierungsbedürftig. Die Rede war von Schimmel, Rost und undichten Fenstern. Neue gemeinnützige Wohnbauten würden an "Asylant:innen" verschenkt werden, so Weinzierl. Darin sieht Vilimsky einen Verlust kultureller Identität. Wiener:innen würden sich ihrer Heimat beraubt fühlen.
Grüne wollen Leerstandsabgabe für Wien
Auch in Wien sei das eigene Zuhause mittlerweile für viele zu teuer, brachte Nina Tomaselli (Grüne) in die Debatte ein. Wien sei nicht mehr die "Insel des seligen Wohnbaus", verwies sie auf den durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 18 € im Neubau. Außerdem herrsche Wohnungsknappheit, grassiere Leerstand und Wohnbauförderungsgelder würden für andere Dinge ausgegeben werden, bemängelte sie.
Europaabgeordnete Lena Schilling und Meri Disoski (beide Grüne) sprachen sich für eine Leerstandsabgabe in Wien und für das Schließen von Schlupflöchern für die Kurzzeitvermietung (wie Airbnb) aus.
ÖVP sieht gemeinnützige Bauvereinigungen als Erfolgsmodell
Man dürfe den Markt nicht zu Tode reglementieren, meinte Norbert Sieber (ÖVP). Er lobte die gemeinnützigen Bauvereinigungen als bewährtes Modell für ganz Österreich, nicht nur für Wien. Es würde in ganz Europa große Beachtung finden. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen würden hierzulande über 1 Mio. Wohnungen verwalten und aufgrund ihrer preisregulierenden Wirkung wichtig für den Wohnungsmarkt sein. Auf dem Erfolgsmodell könne man sich allerdings nicht ausruhen. Das Ziel sei es, günstig verzinste Darlehen nach Österreich zu holen und gezielt leistbarem Wohnraum zuzuführen, meinte Sieber.
Dass die KIM-Verordnung mitsamt den strengen Regeln für die Vergabe von Wohnbaukrediten demnächst auslaufen wird, erachten Johanna Jachs (ÖVP) und ÖVP-Europaabgeordneter Lukas Mandl als positiv für die Schaffung von Wohnungseigentum, vor allem für junge Menschen.
NEOS: Deregulierungsmaßnahmen damit mehr gebaut werden kann
NEOS-Europaabgeordnete Anna Stürgkh stellte einen Zusammenhang zwischen den Wohnkosten und den hohen Heiz- und Stromkosten her. Daran würden die Menschen in Europa und in Österreich leiden, meinte sie. Als Lösung erachtet sie eine europäische Energieunion ohne Abhängigkeit von russischem Gas.
Hierzulande würden 54 % der Menschen im Eigentum leben, womit Österreich im EU-Schnitt Zweitletzter (vor Deutschland) sei, strich Sophie Marie Wotschke (NEOS) hervor. 85 % aller Mieter:innen hätten gerne Wohnungseigentum. Als wichtig erachtet sie eine Zweckwidmung der Wohnbauförderung, damit mehr Neubau in Österreich ermöglicht wird. In diesem Sinne sprach sie sich auch für Deregulierungsmaßnahmen aus. Normen und Vorschriften würden Wohnraum teurer machen. Auch Veit Valentin Dengler (NEOS) sieht die Lösung bei der Intensivierung der Bautätigkeit. Immerhin gelte das Gesetz von Angebot und Nachfrage, erklärte er. Mehr Wohnungsangebot würde die Preise senken. Es sollte seiner Meinung nach also mehr gebaut werden. (Fortsetzung Nationalrat) fan
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