Parlamentskorrespondenz Nr. 6 vom 13.01.2025

Produktivitätsbericht 2024 regt Reformen zur Standortsicherung an

Arbeitskräftemangel und steigende Produktionskosten hemmen Wirtschaftswachstum

Wien (PK) - Strategien für nachhaltiges Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz in Zeiten von Transformation und Rezession: So betitelt der Produktivitätsrat seinen jüngst dem Parlament zugegangenen Bericht (III-95 d.B.) zur Stärkung der heimischen Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung des Wirtschaftsstandorts. Zu den zwölf Empfehlungen gehören ein wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem samt Abbau bürokratischer Hemmnisse sowie das Vorantreiben von Digitalisierung und energetischer Transformation in Wirtschaft und Industrie. Zur Mobilisierung des Arbeitskräftepotenzials wird auf die Bedeutung von Bildungszugängen für alle Bevölkerungsgruppen hingewiesen sowie auf die Förderung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen und eine effiziente Zuwanderungspolitik von qualifizierten Arbeitskräften.

Produktivitätsrat mahnt Reformen ein

Der Produktivitätsrat analysiert seit 2023 jährlich für das Wirtschaftsministerium die mittel- bis langfristigen Herausforderungen der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft. Laut Bericht lag Österreichs Wirtschaftsleistung pro Kopf 2023 zwar um 22% über dem EU-Durchschnitt. Die Republik hat jedoch stärker unter den Krisen seit 2020 gelitten als vergleichbare Länder und das Vor-Krisen-Niveau noch nicht erreicht. Beim Produktivitätswachstum wird seit der Finanzkrise 2008 eine Verlangsamung festgestellt. Der Anstieg an Produktionskosten wirkt sich negativ auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Exportwirtschaft aus.

Auf einem "Scheideweg" sieht Ratsvorsitzender Christoph Badelt im Vorwort des Berichts Österreichs Wirtschaft. Neben steigenden Arbeits- und Energiekosten nennt er den Mangel an Arbeitskräften als größtes Problem für das Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig würden grüne Transformation und Digitalisierung massive Investitionen erfordern, was aufgrund der Rezession und der angespannten Budgetlage erschwert werde. Zur Stärkung von "Österreichs wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften" mahnt Badelt daher "sofortige Reformen und Zukunftsinvestitionen" ein, wie sie im Bericht beschrieben werden.

Längere Erwerbstätigkeit und Zuwanderung als Mittel zur Produktivitätssteigerung

Die Mobilisierung des existierenden Arbeitskräftepotenzials nennt der Bericht als eine der wichtigsten Reformen. Aufgrund des demografischen Wandels werde das Verhältnis zwischen der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und der Bevölkerung ab 65 Jahren von 3 im Jahr 2024 auf 1,8 im Jahr 2060 sinken. Zur Produktivitätssteigerung sei es daher nötig, ältere Arbeitskräfte länger im Erwerbsleben zu halten, wobei altersadäquate Arbeitsbedingungen zu gewährleisten wären.

Mit Qualifikationsoffensiven und durch Zuwanderung könne zudem der Arbeitskräftemangel abgemildert und das Innovationspotential erhöht werden. Zu letzterem Punkt heißt es im Bericht, Migration sei ein Schlüsselfaktor, um das Arbeitskräfteangebot langfristig zu stabilisieren und den Fachkräftemangel abzufedern. Unter anderem sollte die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen erleichtert werden, so die Empfehlung.

Im Sinne der Vollzeitbeschäftigung von Personen mit Betreuungspflichten sei ein Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten unumgänglich. Ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr wird aus integrationspolitischen Gründen angeregt.

Innovationsschub durch Digitalisierung und Finanzierungsreform

Zur Sicherung der Wirtschaftsstandorts durch gesteigerte Unternehmensdynamik drängt der Produktivitätsrat weiters auf einen raschen Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Das unterstütze Unternehmen bei der Nutzung digitaler Technologien. Gleichzeitig muss laut Produktivitätsrat die stark auf Bankkredite konzentrierte Unternehmensfinanzierung mit einem wettbewerbsfähigen Steuer- und Abgabensystem reformiert werden.

Im internationalen Vergleich sei in Österreich die Marktkapitalisierung inländischer Unternehmen gering, mit 25,7 % an der Börse notierten Unternehmen lag man 2022 unter dem EU-Durchschnitt. Die Gründung und das Wachstum innovativer und technologieintensiver Unternehmen werde überdies durch die geringe Nutzung von Risikokapitalfinanzierung – außerbörslichen Beteiligungen mit hohem Investitionsrisiko – gehemmt. Die bestehenden Unterstützungsprogramme für Gründer:innen sollten daher speziell hinsichtlich des Zugangs zur Finanzierung ausgebaut werden.

Energiewende soll leistbare Versorgung sicherstellen

Reformstau macht der Produktivitätsrat auch im Bereich erneuerbarer Energien aus. Beschleunigt werden sollten der Ausbau von Infrastruktur für Energieerzeugung, -speicherung und -verteilung sowie entsprechende Genehmigungsverfahren. Immerhin seien die heimischen Elektrizitätspreise stark an die Preisschwankungen bei Erdgas und Kohle gekoppelt, weswegen die Bereitstellung kostengünstiger Energie aus CO2-neutralen Quellen aus wirtschafts- wie klimapolitischen Gründen der Standortentwicklung diene.

Zur Finanzierung des Netzausbaus werden im Rahmen einer verursachergerechten Lastenteilung auch öffentliche Förderungen empfohlen, sodass nicht eine Erhöhung der Nutzungsentgelte als alleinige Finanzierungsbasis die Energieendpreise übermäßig steigen lässt. Der Industriestandort Österreich werde neben einer notwendigen CO2-Reduktion kurz- und mittelfristig auch Technologien zur CO2-Speicherung (Carbon Capture and Storage) benötigen, vermisst der Produktivitätsrat die rechtlichen Grundlagen dafür. (Schluss) rei