Parlamentskorrespondenz Nr. 1034 vom 11.11.2024

Gentechnik: Schlüsseltechnologie mit hohem Wachstumspotenzial

Aktueller Bericht informiert über Anwendungen und Therapiemöglichkeiten

Wien (PK) – Im Auftrag des Gesundheits- und des Wissenschafts-ministeriums legt die Gentechnikkommission im Dreijahresrhythmus einen umfassenden Bericht über die Anwendungen der Gentechnik in Österreich vor. Im nunmehr neunten Bericht, der den Zeitraum 2020 bis 2022 umfasst, werden nicht nur die Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen, im Bereich des Freisetzens und des Inverkehrbringens von GVO-Erzeugnissen dargestellt, sondern auch über die Durchführung von Analysen und Anwendungen von GVO zu therapeutischen Zwecken informiert (III-1242 d.B.).

Anwendungen der Gentechnik sind wesentliche Bestandteile der modernen Biotechnologie, unbestritten eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts mit bereits hohem wirtschaftlichen Impact und enormen Wachstumspotenzial, urteilen die Autor:innen. Generell sind durch gentechnische Anwendungen große Sektoren betroffen, wie etwa jene der Landwirtschaft ("grüne Gentechnik") und der Industrie ("weiße Gentechnik"). Eine besonders wichtige Rolle spielt Gentechnik vor allem im Gesundheitsbereich ("rote Gentechnik").

Kein Antrag auf Freisetzung oder Inverkehrbringen von GVO in Österreich

Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verzeichnete in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 113 Anmeldungen und Anträge zur Durchführung von Arbeiten mit GVO im geschlossenen System, beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung langten 627 Anträge ein. Die Mehrzahl betraf dabei die Sicherheitsstufen 1 und 2; in fünf Fällen handelte es sich um die Sicherheitsstufe 3. Für die Sicherheitsstufe 4 erfolgten keine Anträge. Was die Zahl der neuen gentechnischen Anlagen im Berichtszeitraum betrifft, so wurden insgesamt 52 errichtet. Bezüglich der Anmeldungen bzw. Anträge auf Genehmigung von Arbeiten mit GVO werden im Bericht 3859 Fälle ausgewiesen; 567 wiederum betreffen gentechnische Anlagen.

Bei den laut Gesetz vorgesehenen Kontrollen durch die zuständigen Behörden wurden nur minimale Beanstandungen festgestellt. Alle gefundenen Mängel konnten als geringfügig eingestuft werden. Weiters wurde im Berichtszeitraum kein Antrag auf Freisetzung oder Inverkehrbringen von GVO gestellt.

Europäische Union: 18 gentechnisch veränderte Organismen zugelassen

Von Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten hingegen erfolgte die Marktzulassung von 18 gentechnisch veränderten Organismen. Es waren dies acht Mais-Linien, zwei Raps-Linien, zwei Baumwoll-Linien und sechs Sojabohnen-Linien. Die gentechnische Veränderung verfolgte vor allem das Ziel, die Herbizidtoleranz und /oder die Insektenresistenz zu erhöhen. Darunter befanden sich zwölf "stacked events" (d.h. Kreuzungsprodukte aus zwei oder mehreren GVO-Konstrukten). Ende 2022 befanden sich rund 40 weitere Produkte in unterschiedlichen Stadien des europäischen Zulassungsverfahrens.

Genetische Analysen am Menschen zu medizinischen Zwecken

Der wissenschaftliche Ausschuss für Genanalyse und Gentherapie am Menschen (WAGG) hat von 2020 bis 2022 insgesamt 15 Anträge (davon drei neue) auf Zulassung von Einrichtungen zur Durchführung von genetischen Analysen zur Feststellung einer Prädisposition oder eines Überträgerstatus begutachtet und genehmigt. Diese kamen primär von Krankenanstalten und Universitätskliniken. In einem Fall wurde der Antrag von einer privaten Einrichtung eingereicht.

Im Bereich der somatischen Gentherapie an Menschen gab es acht Anträge, die unter anderem auf die Prüfung einer neuen Behandlungsmöglichkeit bei Hämophilie B oder bei chronisch lymphatischer Leukämie abzielten.

Rechtliche Grundlagen: Anpassungen des Gentechnik- und Arzneimittelgesetzes

Im Berichtszeitraum erfolgten zwei Novellierungen des Gentechnikgesetzes, mit welchen Anpassungen an die Verordnung über die Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette sowie an die Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln vorgenommen wurden. Eine Folge davon war, dass die bisherigen Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über die somatische Gentherapie entfernt werden mussten.

Forschungsaktivitäten und gesellschaftlicher Diskurs

In Österreich wird im Bereich der Grundlagenforschung ausschließlich in geschlossenen Systemen gearbeitet, es werden daher keine Freilandversuche durchgeführt. Die wichtigsten Player sind dabei die die Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie z.B. die Österreichische Akademie der Wissenschaften. Die Schwerpunkte liegen beispielsweise in den Bereichen der Molekular-, Zell- und Entwicklungsbiologie, in der Mikrobiologie, der biomedizinischen Forschung oder der grundlagenorientierten Pflanzengenomforschung.

Darüber hinaus beschäftigen sich unterschiedliche Einrichtungen auch mit den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der Gentechnik und dem verantwortungsvollen Gebrauch dieser innovativen Technologien sowie dem gesellschaftlichen Diskurs zu diesem Thema.

Stellenwert der Gentechnik und ihre Bedeutung in der Zukunft

Die Ergebnisse der Forschung unter Anwendung von Methoden der Gentechnik haben - wie schon in den Jahren zuvor - zu einem zunehmend besseren und tieferen Verständnis der Abläufe und Zusammenhänge von Lebensvorgängen, einschließlich der Entstehung von Krankheiten (Menschen, Pflanzen und Tiere) beigetragen. Diese Erkenntnisse sind eine essentielle Vorrausetzung für die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien in der Humanmedizin, wird im Bericht hervorgehoben.

Gerade die vergangenen Jahre und die COVID-19-Pandemie hätten verdeutlicht, welche große Gewichtung gentechnische Methoden bereits in der Wissenschaft und medizinischen Forschung eingenommen haben. Die rasante Entwicklung von diagnostischen Methoden zum Nachweis von SARS-CoV-2, sowie die Entwicklung von neuartigen, sicheren Impfstoffe sei auf die innovative Arbeit und langjährige Erfahrung mit gentechnischen und molekularbiologischen Methoden in der Grundlagenforschung zurückzuführen.

Aber nicht nur in der Bekämpfung von SARS-CoV-2, sondern auch in der medizinischen Diagnostik oder zur erfolgreichen Behandlung von (seltenen) Erkrankungen arbeitet die Forschung an der Entwicklung neuartiger Therapiemethoden mit Hilfe von Gentechnik. Daher sei auch in den kommenden Jahren aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels sowie der alternden Gesellschaft und wachsenden Bevölkerung mit einem weiteren Anstieg in der Forschung und Entwicklung im Bereich der Gentechnik zu rechnen.

Anwendungen in Österreich in der Landwirtschaft und in der Industrie

Kommerzielle Anwendungen von Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft in Form von Freisetzung genetisch modifizierter Organismen (GMO) wie Mais, Raps, Sojabohnen etc. finden in Österreich nicht statt. Allerdings wird im Bericht darauf hingewiesen, dass es in Österreich durchaus Importe von GMO-Futtermitteln gibt. Beispielsweise werden jährlich etwa 500.000 Tonnen Soja und Sojaschrot, vorwiegend aus Südamerika (Argentinien, Brasilien) und Nordamerika (USA), vor allem für die Bedarfsdeckung in der Schweine- und Geflügelhaltung importiert.

Industrielle gentechnische Anwendungen finden im "geschlossenen Bereich" statt (Forschungslaboratorien, Produktionsanlagen). Hierbei werde durch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet, dass keine GMO in die Umwelt gelangen können. Dabei gehe es vor allem um den Einsatz von Enzymen und anderen organischen Chemikalien, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen (Hefen, Pilze, Bakterien) in großem Maßstab produziert und in diversen Branchen eingesetzt werden.

Rückblick und Ausblick

Seit Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes im Jahr 1995 haben enorme Veränderungen stattgefunden. Von einer damals neuen und in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten  wissenschaftlichen Spezialdisziplin habe sich die Gentechnik in den letzten 28 Jahren zu einer gut etablierten, gut verwalteten und gut in den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext integrierten Materie entwickelt. Aufgezeigt wird auch die ökonomische Dimension, die mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden ist. Demnach existieren in Österreich bereits 405 Unternehmen im Biotech- und Pharmasektor. Diese erzielen mit über 32.000 Mitarbeiter:nnen Umsatzerlöse von über 16 Mrd. € pro Jahr.

Die Erfolge der letzten Jahre würden deutlich zeigen, dass österreichische Universitäten, außeruniversitärer Forschungs-organisationen und Unternehmen in der Lage sind, sich durch die Anwendung von Gentechnik im internationalen Wettbewerb hervorragend zu positionieren. Allerdings seien umfassende Förderkonzepte notwendig, um Österreich auch weiterhin als Forschungs- und Wirtschaftsstandort gen- und biotechnologischer Aktivitäten zu erhalten, zu stabilisieren und auszubauen, resümieren die Autor:innen des Berichts. (Schluss) sue