EINER DER SIEBEN GRIECHISCHEN WELTWEISEN ALS GESETZGEBER
Dichter und Reformer: Solon von Athen (ca. 630 - 560 v.Chr.)
Wien (PK) - Viele der Geschichten, die über Solon erzählt werden, dürften eher der Legende zuzuordnen sein als der Geschichtsschreibung. Aber sein Ruhm war in der Antike, die ihn zu den sieben weisen Männern Griechenlands rechnete, unbestritten, und ein ferner Klang davon ist bis heute hörbar.
Er stammte wahrscheinlich aus einem vornehmen Haus und war Kaufmann. Aus vielen erhaltenen Zitaten weiß man, dass er auch ein Dichter war. Als solcher trat er an die Öffentlichkeit, als die Athener, des Krieges mit den Megarern um die Insel Salamis müde, ein Gesetz erließen, das jede Agitation für die Fortsetzung des Krieges mit der Todesstrafe bedrohte. Solon schrieb eine Elegie, ließ die Nachricht verbreiten, dass er verrückt geworden sei und trug, in Gehaben und Kleidung einen Wahnsinnigen mimend, seine Elegie "Salamis" öffentlich vor - mit durchschlagendem Erfolg; denn die Athener ließen sich umstimmen, nahmen den Krieg um Salamis wieder auf und beendeten ihn als Sieger.
Es waren schlimme Zeiten in Athen, auch nach dem Sieg: Eine Handvoll Aristokraten besaß und beherrschte das Land. Die Bauern waren verschuldet, und wenn sie ihre Schulden nicht bezahlten, wurden sie in Schuldknechtschaft gehalten oder in die Sklaverei verkauft. Es galten die Gesetze des Drakon - und die sahen die sprichwörtlichen drakonischen Strafen selbst für geringfügige Vergehen vor. Solon, der offenbar mit allen "konnte", war der geeignete Mann, im Streit der Stände zu vermitteln und die nötigen Reformen ins Werk zu setzen, weil er "weder teilhatte an der Ungerechtigkeit der Reichen noch von der Not der Armen mit ergriffen war", wie Plutarch schreibt.
Als er 594/93 das Archontat antrat, hob er alle auf Grundbesitz liegenden Schulden per Gesetz auf, den durch Verschuldung in Schuldknechtschaft oder Sklaverei Geratenen gab er die Freiheit zurück. Durch die Begrenzung des Grundbesitzes sicherte er den Bestand des attischen Bauerntums, wichtige ökonomische und rechtliche Entscheidungen behielt er dem Staat vor - womit er eine frühe Form des Rechtsstaats etablierte.
Seine Verfassungsreform war weitgehend an den früheren Verhältnissen orientiert. Rechte und Pflichten knüpfte er nicht an Herkunft und Geburt, sondern an Besitz, speziell an den Besitz von Grund und Boden. Athen wurde so zur Timokratie: Das Vermögen bestimmte über die politischen Rechte und Pflichten, nach Klassen geordnet: 1. die Großgrundbesitzer, 2. die Ritter, die auf eigenem Pferd in den Krieg zogen, 3. die Zeugiten, die als Hopliten in eigener Waffenrüstung kämpften und 4. die Theten, die vom Kriegsdienst befreit waren, sofern sie nicht als Ruderer gebraucht wurden, keine Steuern zahlten und denen Ehrenämter verschlossen blieben. An der Spitze der Polis standen die neun Archonten, die jährlich aus dem Kreis der Grundbesitzer gewählt wurden. Neben das oberste Gericht, den Areopag, trat der Rat der 400, der später auch die Agenden des Areopags übernahm. Funktion und Rechte der Volksversammlung, der alle Bürger über 20 Jahren angehörten, ließ Solon in seinem Reformwerk unverändert, einschließlich des Rechts, die Archonten zu kontrollieren.
Solon reformierte auch die Währung, was vor allem dem Osthandel zu Gute kam. Er führte Gewerbefreiheit und das Recht der Bildung von Genossenschaften ein. Die Verleihung des Bürgerrechts wurde erleichtert. Per Gesetz wurden dauernder Müßiggang, übertriebener Luxus, üble Nachrede (selbst über Verstorbene) und böser Klatsch verboten, das Recht der letztwilligen Verfügung geschaffen und die gesetzliche Vollziehung des Testaments eingeführt. In einer groß angelegten Bildungsoffensive wurden die Kinder aller Bürger in Lesen, Schreiben und Musik unterrichtet, bei Festen mußte Homer vorgetragen werden.
In weiser Voraussicht verpflichtete Solon die Beamten, sein Reformwerk für zehn Jahre nicht zu verändern - und ging in einem zehnjährigen Urlaub auf ausgedehnte Reisen. Er wusste, dass sein Reformwerk den einen - den Adligen - zu radikal, den anderen - den unteren Schichten - zu zahm war. Solon war daran gelegen, den Frieden zu erhalten - von Eisenmenger im letzten Bild des Frieses als Engel mit der Friedenspalme dargestellt. Diese Allegorie vermag allerdings nicht auszudrücken, dass "Friede" sowohl in der römischen wie auch in der mittelalterlichen Tradition vornehmlich ein Begriff der Rechtsordnung war; die römische pax wie der deutsche Friede setzen das Einhalten von Vereinbarungen (Pakten) und die ungebrochene Rechtsordnung als Grundlage des Gemeinschaftslebens voraus.
Auf seinen Reisen soll Solon zunächst nach Ägypten gekommen sein, wo er - von den Priestern in Sais - die Sage der versunkenen Insel Atlantis kennen gelernt haben soll. In Zypern gründete er eine Stadt, die nach ihm benannt wurde: Soloi. Herodot berichtet von einer Begegnung mit dem lydischen König Kroisos - eine Begegnung, deren Historizität schon in der Antike bezweifelt wurde. Die lydische Hauptstadt Sardes zog, nachdem Kroisos sich zahlreiche Völker unterworfen hatte und über ein großes Reich herrschte, als reiche Metropole Gelehrte aus der ganzen Welt an, darunter auch Solon. Kroisos nahm den Griechen gastfreundlich an seinem Hof auf und ließ ihn eines Tages in seine Schatzkammer führen, um ihm seine ungeheuren Reichtümer zu zeigen. An diese Show knüpfte Kroisos die Frage an Solon, wen er für den glücklichsten Menschen halte.
Solon nannte den Tellos aus Athen. Warum der, wollte der reiche und mächtige König wissen. Weil er in einer blühenden Stadt lebte, sagte Solon, und tüchtige Söhne und Enkel hatte. Im Krieg brachte er durch sein Eingreifen die Feinde zum Weichen und fand dabei den Heldentod. Die Athener ehrten ihn sehr. Und der Zweit-Glücklichste, gab sich Kroisos noch nicht geschlagen und fragte weiter. Kleobis und Biton, sagte Solon. Sie zogen, weil keine Rinder da waren, den Kultwagen ihrer Mutter, der Priesterin, zum Fest der Hera, unter dem Beifall des Volks. In ihrer Freude betete die Mutter, die Götter mögen den Söhnen geben, was für sie am besten sei. Während des Mahls entschlummerten die beiden und wachten nicht wieder auf.
Und ich, was ist mit mir, rief da Kroisos, der sich selbst für den Glücklichsten hielt. Niemand kann glücklich genannt werden, solang man nichts über sein Ende weiß, gab der Athener lakonisch zurück. Man muss immer auf das Ende schauen.
Man erinnert sich vielleicht: Kroisos wollte seine Expansionspolitik fortsetzen. Er fragte das Orakel von Delphi, wie seine Aussichten gegen den Nachbar Persien wären. "Wenn Du den Halys überschreitest, wirst Du ein großes Reich zerstören", raunte die Pythia. Das der Perser, meinte Kroisos, aber sein eigenes war's. Kyros nahm Sardes ein, Kroisos brachte er auf den Scheiterhaufen. Dreimal soll der dort den Namen des Solon ausgerufen haben. Neugierig geworden, ließ Kyros den Kroisos vom Scheiterhaufen holen und die Geschichte erzählen. So beeindruckt soll Kyros gewesen sein, dass er den Kroisos als Freund und Berater an seinem Hof behielt. "Solon hatte den Ruhm, durch ein Wort einen König errettet und einen andern belehrt zu haben", fasst Plutarch journalistisch zusammen.
In Athen wurde in Solons Abwesenheit munter gestritten. Nach seiner Rückkehr wurde er zwar geehrt, seine politische Wirksamkeit blieb aber gering. Er bekämpfte erfolglos den Tyrannen Peisistratos, um ihn schließlich, nachdem der Solons Gesetzeswerk übernommen hatte, zu beraten. Dass er verbrannt und seine Asche über die Insel Salamis verstreut worden sei, ist nach Plutarch "eine wegen ihrer Abgeschmacktheit ganz unglaubwürdige und märchenhafte Geschichte", auch wenn sie unter anderem bei Aristoteles verzeichnet sei.
Das Friesgemälde im Reichsrats-Sitzungssaal von August Eisenmenger zeigt, wie Solon die Athener auf seine Gesetze schwören lässt.
Weitere Darstellung in diesem Fries werden hier nicht eigens vorgestellt, weil die abgebildeten Helden bereits im Mittelpunkt eigener Kurzbiographien standen. Der Vollständigkeit halber sollen sie aber hier wenigstens genannt werden: Herodot in Olympia (siehe PK Nr. 591 vom 3. September 2001), Decius Mus weiht sich dem Tode (siehe PK Nr. 286 vom 22 April 2002) und Gaius Gracchus auf der Rednertribüne (siehe PK Nr. 247 vom 8. April 2002). (Schluss)