HAUPTAUSSCHUSS: EU PLANT GRENZÜBERSCHREITENDEN FÜHRERSCHEINENTZUG
Weissbuch der EU zur Förderung erneuerbarer Energieträger begrüsst
Wien (PK) - Ja oder nein zu einer grenzüberschreitenden Vollstreckung des Führerscheinentzugs innerhalb der EU-Staaten - mit dieser Frage befasste sich der Hauptausschuss in seiner heutigen Sitzung. Die Beratungen über das geplante EU-Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis wurden schliesslich mit SP-VP-Mehrheit vertagt. Die Abgeordneten wollen sich vor der entscheidenden Ratstagung in Brüssel am 29. Mai noch einmal mit dieser Frage beschäftigen und dann entscheiden, ob sie Justizminister Michalek einen Verhandlungsauftrag mitgeben. Dieser hatte zuvor erklärt, Österreich habe seine Vorbehalte gegen das Übereinkommen in der zuständigen Arbeitsgruppe zuletzt zurückgezogen, nachdem sich gezeigt habe, dass man in dieser Frage isoliert sei.
Mit den Beratungen vertagt wurde auch ein Antrag der Freiheitlichen auf bindende Stellungnahme, der in der heutigen Sitzung von Abgeordnetem Mag. SCHWEITZER (F) eingebracht worden war. Demnach soll der Justizminister aufgefordert werden, dem Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis nicht zuzustimmen, sondern darauf hinzuwirken, dass anstelle des Übereinkommens Amtshilfeabkommen ohne bindende Vollstreckungsautomatik abgeschlossen werden. Schweitzer hält zwar, wie er ausführte, eine grenzüberschreitende Durchsetzung von Sanktionen bei schweren Verstössen gegen Verkehrsgesetze als Beitrag zur Hebung der Verkehrssicherheit für durchaus sinnvoll, wandte sich aber gegen automatische Mechanismen. Es gebe in den EU-Ländern unterschiedlichste Beurteilungen über korrektes Verhalten im Verkehrsgeschehen, argumentierte er.
Auch Abgeordneter Mag. KUKACKA (VP) äusserte Vorbehalte. Es sei richtig und notwendig, wenn massive, im Ausland begangene Verkehrsdelikte auch im Inland geahndet würden, sagte er, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass - beispielsweise durch Sprachschwierigkeiten - Verteidigungsrechte im Ausland sehr schwierig wahrzunehmen seien. Seiner Ansicht nach sind die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Änderungen zum Übereinkommen sinnvoll, er empfahl daher namens der ÖVP dem Justizminister, sich die Position des EU-Parlaments zu eigen zu machen und diese beim Justizminister-Rat zu vertreten. Sein Fraktionskollege Abgeordneter Dr. FEURSTEIN meinte, es könne nicht sein, dass man irgendwelche Rechtsvorschriften eines anderen EU-Staates automatisch umsetze und vollziehe, er trat für ein eigenes Verfahren für die Betroffenen in Österreich ein.
Abgeordneter PARNIGONI (SP) sprach sich gegen eine Bindung des Ministers bei den Verhandlungen aus, zeigte allerdings Verständnis für einige der vorgebrachten Kritikpunkte. Er erwartet sich vom Übereinkommen vor allem auch eine präventive Wirkung.
Abgeordnete Ing. LANGTHALER (G) betonte, ihre Fraktion begrüsse das Übereinkommen im Prinzip, sehe aber ebenfalls einige rechtsstaatliche Probleme. Sie urgierte ein generelles Angleichen der Rechtslage im Verkehrsbereich in den einzelnen EU-Staaten.
Justizminister Dr. MICHALEK teilte den Abgeordneten mit, Österreich habe seine Vorbehalte gegen das Übereinkommen in der Arbeitsgruppe zurückgezogen, weil es sich "in der unangenehmen Situation befunden habe", in dieser Frage isoliert dazustehen. Österreich sei von den anderen Ländern vorgeworfen worden, das Übereinkommen blockieren zu wollen, weil es selbst zu milde Strafen - Führerscheinentzug nur für ein bis zwei Wochen - verhänge, die zu kurz seien, um in anderen Ländern vollstreckt werden zu können. Die Anträge des Europäischen Parlaments sind Michalek zufolge mit Ausnahme jenes zur Verjährung von der Arbeitsgruppe einstimmig abgelehnt worden.
Zu den Bedenken der Abgeordneten bezüglich einer automatischen Vollstreckung eines im Ausland verhängten Führerscheinentzuges im Wohnsitzstaat des Verkehrsteilnehmers merkte Michalek an, das Übereinkommen biete drei Möglichkeiten der Umsetzung: unmittelbare Vollstreckung, erklärte Vollstreckung sowie Durchführung eines eigenen Verfahrens. Österreich werde von der dritten Variante Gebrauch machen. Zwar sei man in diesem Verfahren an die Tatsachenfeststellung des ausländischen Verfahrens gebunden, erklärte der Minister, das sei aber insofern wenig problematisch, als ein Führerscheinentzug in fast allen EU-Ländern im Gegensatz zu Österreich von Gerichten und nicht von Verwaltungsbehörden verhängt werde.
Auf Antrag von VP-Abgeordnetem Dr. NEISSER vertagte der Hauptausschuss gegen den Willen der Oppositionsparteien seine Beratungen zum EU-Übereinkommen.
Im zweiten Teil seiner Sitzung befasste sich der Hauptausschuss mit der Förderung erneuerbarer Energieträger in der Europäischen Union. Verhandlungsgrundlage bildete das von Abgeordneten aller Fraktionen vollinhaltlich begrüsste Weissbuch "Energie für die Zukunft", in dem die Europäische Kommission ihre Zielsetzung begründet, den Anteil erneuerbarer Energieträger am Gesamtverbrauch der EU bis 2010 auf 12 % zu verdoppeln, und dafür einen entsprechenden Aktionsplan vorlegt.
Derzeit liegt der Anteil der erneuerbaren Energieträger in den einzelnen Ländern zwischen 1 % und 25 % und macht im EU-Schnitt rund 6 % aus, ein Wert, den die EU-Kommission angesichts des verfügbaren technischen Potentials für "unannehmbar niedrig" hält. Brüssel weist darauf hin, dass die Abhängigkeit der EU von Energieimporten bereits 50 % ausmacht und infolge des wachsenden Energiebedarfs bis 2020 auf 70 % zu steigen droht, vor allem bei Erdöl und Erdgas, das mit zunehmendem Risiko aus immer ferneren Ländern bezogen werden muss.
Die angestrebte stärkere Nutzung erneuerbarer Energieträger setzt Nettoinvestitionen von 95 Mrd. Ecu bis 2010 voraus. Dem stehen Einsparungen bei den Brennstoffkosten von insgesamt 21 Mrd. Ecu und eine Senkung der Importe um 17,4 % gegenüber, dazu kommen eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 402 Mill. t jährlich und 500.000 bis 900.000 neue Arbeitsplätze, vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen sowie im ländlichen Raum.
Der Einsatz der Biomasse soll EU-weit von derzeit 44,8 Mill. t auf 135 Mill. t Rohöleinheiten verdreifacht, die Nutzung der Windenergie von 2,5 GW auf 40 GW gesteigert, die Produktionsfläche der Sonnenkollektoren von 6,5 auf 100 Mill. Quadratmeter erhöht werden. Von der Wärmedämmung der Gebäude wird eine Einsparung von 35 Mill. t Rohöleinheiten erwartet. Die Wasserkraft wird zwar nur noch bescheiden von 92 GW auf 105 GW zunehmen, aber insgesamt die zweitwichtigste erneuerbare Energiequelle bleiben. Geringere Beiträge sollen Photovoltaik (3 GWp), Erdwärme (1 GW) und Wärmepumpen (5GWth) leisten.
Grosse Bedeutung wird dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energiequellen in der Industriepolitik zugeschrieben. Der künftig stark steigende Energieverbrauch in Übersee wird weitgehend durch erneuerbare Energie gedeckt werden. Hier eröffnen sich der europäischen Industrie grosse Export- und Wachstumschancen, zumal sie bei der Planung, Finanzierung und Bereitstellung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energieträger eine führende Position innehat. Für 2010 rechnet die EU mit einer Exportleistung von 17 Mrd. Ecu und 350.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen.
In der Debatte bemühte sich Wirtschaftsminister Dr. FARNLEITNER, Bedenken der Abgeordneten Ing. LANGTHALER (G) und Mag. BARMÜLLER (L) zu zerstreuen, er unterstütze den Wunsch Frankreichs, Deutschlands und Luxemburgs, im Energieministerrat am 12. Mai lediglich "die Präsentation des Weissbuchs" zu begrüssen, nicht aber das Weissbuch selbst. Diese Bedenken gehen auf das fehlerhafte Protokoll einer Arbeitsgruppensitzung zurück, stellte Farnleitner klar. Österreich habe grösstes inhaltliches Interesse an einer raschen Umsetzung des Weissbuches und wird während seiner EU-Präsidentschaft weitergehende Initiativen in Richtung Biomasse, Biodiesel und Ethanol einbringen, kündigte der Wirtschaftsminister an.
Abgeordnete Ing. LANGTHALER (G) hielt dennoch an ihrem Antrag auf Stellungnahme fest, um den Minister in seinem Bemühen um Kenntnisnahme des Weissbuchs und des Aktionsplans, die eine positive Trendwende in der Energiepolitik der EU anzeigen, zu unterstützen.
Seitens der Freiheitlichen forderte Abgeordneter Dipl.-Ing. HOFMANN den Wirtschaftsminister in einem Antrag auf Stellungnahme dazu auf, sich im Energieministerrat für die rasche Umsetzung des Aktionsplanes und dafür einzusetzen, dass die Ziele des Weissbuchs im Falle einer EU-Osterweiterung beibehalten werden.
Gemeinsam mit den Sprechern der Opposition bekannten sich die Vertreter der Regierungsparteien uneingeschränkt zum Inhalt des Weissbuches, SP- und VP-Abgeordnete hielten es aber nicht für sinnvoll, den Verhandlungsspielraum des Ministers im Energieministerrat einzuschränken, und lehnten die Anträge auf Stellungnahme daher ab.
Weiters brachte Abgeordneter OBERHAIDINGER (SP) die Vorreiterrolle Österreichs beim Einsatz erneuerbarer Energieträger zur Sprache und wies darauf hin, dass Österreich 14 % seines Energiebedarfs aus der Wasserkraft und 12 % durch Biomasse deckt.
Auch Abgeordnete RAUCH-KALLAT (VP) erinnerte an die beachtliche Entwicklung der erneuerbaren Energieträger in Österreich und an die diesbezüglichen österreichischen Initiativen in der Europäischen Union. Erneuerbare Energieträger werden in Osteuropa eine grosse Rolle spielen, insbesondere auch bei der Substitution der Kernenergie, zeigte sich Rauch-Kallat überzeugt.
Abgeordneter SCHWARZENBERGER (VP) unterstrich das grosse Potential an Arbeitsplätzen, das durch die Förderung erneuerbarer Energieträger geweckt werden könne; für Österreich lauten die Schätzungen auf 40.000. Besondere Bedeutung mass Schwarzenberger dem Einsatz von Abfallholz bei der Energieerzeugung zu. Wird Brennholz wieder verkäuflich, werde dies auch die Anpflanzung von Windschutzgürteln erleichtern. (Schluss)