AGENDA 2000 - PERSPEKTIVEN FÜR DIE WEITERENTWICKLUNG DER EU
Beitrittspartnerschaften mit EU-Bewerberländern
Wien (PK) - Der EU-Ausschuss des Bundesrates befasste sich heute mit der von der Europäischen Kommission beschlossenen Agenda 2000, die wesentliche Vorschläge zur Gestaltung der Union enthält sowie Leitlinien für die Osterweiterung, eine Reform der Agrar- und Strukturpolitik und einen neuen EU-Finanzrahmen festlegt.
Die Agenda wurde von Aussenminister Dr. SCHÜSSEL aus der Sicht seines Ressorts beleuchtet. Er verwies gegenüber den Ausschussmitgliedern darauf, dass die Erweiterung für die Union eine grosse Herausforderung darstellt, zuerst aber eine neue Finanzverfassung sowie eine Reform der gemeinsamen Agrar- und Strukturpolitik beschlossen, aber auch institutionelle Fragen gelöst werden müssen.
Die Erweiterung bietet Österreich die Chance, sagte der Vizekanzler, von einem Randstaat der EU zu einem Zentralstaat zu werden. Dieser Reformprozess öffnet der Union einen Markt von 100 Millionen Menschen, wobei unser Land den Vorteil hat, bereits jetzt in der Slowakei und in Slowenien bei den Investitionen Nummer eins zu sein. In Tschechien zählt Österreich zu den Top 3 und in Polen zu den Top 6. Auch meinte Schüssel in Beantwortung von Anfragen, man dürfe sich nicht der Illusion hingeben, dass ein Regierungswechsel in der Slowakei "wieder alles ins Lot bringt". Österreich sollte aber als guter Nachbar nie die Gesprächsbasis abreissen lassen, sind doch die Slowaken ein attraktiver und interessanter Partner.
Bei den Beitrittsverhandlungen wird es eine neue Linie geben: Mit allen elf Kandidaten - nicht mit der Türkei - werden Beitrittspartnerschaften abgeschlossen. Hiebei handelt es sich um keine vertragliche Vereinbarung, sondern um einseitige Angebote der Union an die Beitrittswerber. Die EU bietet diesen Ländern in den Jahren 2000 bis 2006 höhere Finanzmittel an, um die Zeit der Beitrittspartnerschaft wirtschaftlich sinnvoll auch in Richtung gemeinsamer Normung und Aufbau einer vernünftigen Bürokratie zu nutzen. Bei der Türkei wird man ähnlich, aber individuell, wie mit den elf beitrittswilligen Ländern vorgehen, da man ein strategisches Interesse hat, dieses Land "an Bord zu halten".
Im Zusammenhang mit der Agrarpolitik sprach Schüssel von massiver Kritik mancher Länder am Ausmass der Preissenkungen und an den direkten Einkommensbeihilfen. Daher glaubt der Vizekanzler an eine Nachjustierung in diesem Bereich.
Angesprochen auf die Reform der Strukturfonds teilte der Ressortleiter mit, zur Steigerung der Effizienz müsse die Verwaltung vereinfacht und die Durchführung flexibler und dezentraler gestaltet werden. Weiters erklärte er, dass man sich im ersten Jahr der österreichischen EU-Mitgliedschaft von der Strukturförderung viel mehr erwartet habe, dass aber zurzeit fast 35 % aller zugesagten Fördermittel ausbezahlt sind.
Eine Berücksichtigung sozialer Kriterien im Rahmen der Beitrittsverhandlungen hält Schüssel für sinnvoll, da die elf Bewerberländer ein Gesamt-Bruttonationalprodukt aufweisen, das bei 35 % des EU-Durchschnitts liegt.
Bei den Kosten der Osterweiterung vertrat Schüssel die Ansicht, es könnten nicht alle Programme, die die EU heute den Mitgliedsländern anbietet, eins zu eins an die Kandidaten weitergegeben werden, weil unter Umständen soziale Spannungen entstünden. Es wird möglicherweise in Aussicht genommen, den EU-Haushalt einzufrieren, wodurch sich ein finanzieller Spielraum für die Osterweiterung ergibt.
Die Entschädigungsfrage mit den Nachbarstaaten Österreichs will der Aussenminister in bilateralen Verhandlungen und mit Fingerspitzengefühl in Angriff nehmen.
Die Union hat keine Möglichkeit, auf die Schliessung eines Atomkraftwerkes zu drängen. Deshalb vertraut der Vizekanzler bilateralen Verhandlungen, in denen man auf Ausstiegsszenarien hinweisen kann. (Schluss)