News 26.02.2024, 10:48

Ein Blick in die sprachliche Vergangenheit Österreichs

Von Deutsch über Tschechisch bis hin zu Kroatisch – in der Habsburgermonarchie gab es Ende des 19. Jahrhunderts neun Umgangssprachen. Aber wie war die Praxis im Abgeordnetenhaus?

Heute ist Deutsch die offizielle Staatssprache und auch Muttersprache der meisten Österreicher:innen. Das war jedoch nicht immer so. Ende des 19. Jahrhunderts war Österreich ein Vielvölkerstaat mit vielen Nationalitäten, die nicht Deutsch sprachen. In den von Wien aus regierten Ländern gab es neun offiziell anerkannte Umgangssprachen in der cisleithanischen Reichshälfte (von Wien aus regierte Länder der Habsburgermonarchie): Deutsch, Tschechisch, Polnisch, Ruthenisch, Slowenisch, Kroatisch-Serbokroatisch, Italienisch, Rumänisch und Magyarisch.

In der Habsburgermonarchie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts stellte die Sprachenfrage einen zentralen Aspekt des politischen und sozialen Lebens dar. Das Streben der zahlreichen Nationalitäten nach mehr Autonomie, das eng mit der Sprachenfrage verknüpft war, führte zu intensiven Diskussionen und Konflikten, die Politik und Gesellschaft maßgeblich prägten.

Eine Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses

Deutsch als Verhandlungssprache im Abgeordnetenhaus

Im Abgeordnetenhaus besaß Deutsch bis zum Ende der Monarchie eine klare Vorrangstellung als Verhandlungssprache, obwohl es keine offizielle Regelung gab, die diese Praxis rechtlich fixierte. Nichtdeutsche Nationalitäten setzten jedoch nach und nach mehr Rechte für ihren parlamentarischen Sprachgebrauch durch. So wurde 1867, angestoßen durch eine Rede auf Serbisch, beschlossen, Redebeiträge auch in anderen landesüblichen Sprachen zuzulassen. Zu diesen zählten Tschechisch, Polnisch, Ruthenisch, Slowenisch, Kroatisch-Serbokroatisch, Italienisch und Rumänisch. Trotzdem blieben nichtdeutsche Reden in Hinblick auf die Protokollierung auch weiterhin benachteiligt und erlangten erst 1917 die vollständige Aufnahme in die Stenographischen Protokolle.

Dezemberverfassung 1867: Gleichberechtigung der Sprachen

Die Dezemberverfassung von 1867 verankerte die Gleichberechtigung aller Sprachen im cisleithanischen Teil der Monarchie, deren praktische Umsetzung sich jedoch als kompliziert erwies. Insbesondere die privilegierte Stellung des Deutschen in Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Militär und Bildung machte eine tatsächliche Gleichberechtigung schwierig. Trotz der gesetzlichen Verankerung blieb die offizielle Anerkennung des Deutschen als Staatssprache in Cisleithanien aus, während Ungarisch in Transleithanien (von Ungarn aus regierte Länder) diesen Status erhielt.

Der Klub der Jung-Czechen versuchte aus Protest am 8. Juni 1900, Verhandlungen im österreichischen Reichsrat durch ausgiebiges Lärmen zu unterbinden.

Deutsch als dominierende Sprache im Bildungswesen und Militär

Im Bildungswesen orientierten sich die Verantwortlichen nach der Dezemberverfassung grundsätzlich an den lokalen Sprachverhältnissen, wobei Deutsch insbesondere in höheren Schulen eine größere Rolle spielte als andere Sprachen. Dies zeigt sich unter anderem in der Verteilung der Realschulen nach Unterrichtssprachen im Schuljahr 1913/14, in dem die Mehrheit aller Realschulen Cisleithaniens nur deutschsprachigen Unterricht anbot.

Die Sprachenpolitik in der Armee reflektierte ebenfalls die Dominanz des Deutschen, das als Kommandosprache diente, wobei auch elf Regimentssprachen existierten. Die sprachliche Vielfalt führte nicht selten zu Kommunikationsproblemen, die sich besonders während des Ersten Weltkriegs verschärften.

Sprachen im Nationalitätenkonflikt: Kriterium für Zugehörigkeit und Staatskrise

Sprachen spielten auch im Nationalitätenkonflikt eine wesentliche Rolle, da sie häufig als Kriterium für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität herangezogen wurden. Die Auseinandersetzungen um die Stellung der jeweiligen Sprachen standen eng mit dem Streben der verschiedenen Nationalitäten nach mehr Rechten zusammen. Besonders deutlich wurde die Sprengkraft der Sprachenfrage während der nach dem amtierenden Ministerpräsidenten benannten Badeni-Krise 1897, als die Gleichstellung von Tschechisch mit Deutsch in Böhmen und Mähren zu einer schweren Staatskrise führte.

Tumult im Abgeordnetenhaus des Reichsrats im Zuge der Verhandlungen über die Sprachenverordnungen des Ministeriums Badeni

Die Sprachenfrage damals und heute

Die Bemühungen um eine gerechte Sprachenpolitik in der Habsburgermonarchie spiegelten die komplexen Verhältnisse eines Vielvölkerstaates wider, in dem die Balance zwischen Einheit und Vielfalt stets neu verhandelt werden musste. Die Diskrepanz zwischen gesetzlichen Regelungen und ihrer praktischen Umsetzung zeigt, wie schwierig es war, den Ansprüchen einer multilingualen und multiethnischen Gesellschaft gerecht zu werden und dabei den Zusammenhalt des Reiches zu wahren.

Heute gibt es in Österreich neben der offiziellen Amtssprache Deutsch auch eine Vielfalt an anderen Sprachen, die gesetzlich geschützt und gefördert werden. Dazu gehören die Sprachen der anerkannten autochthonen Volksgruppen wie Ungarisch, Slowenisch, Burgenlandkroatisch, Tschechisch, Slowakisch und Romani sowie die österreichische Gebärdensprache. Englisch wird vor allem im Fremdenverkehr und bei internationalen Organisationen in Wien verwendet.