Caption Settings Dialog
Beginning of dialog window. Escape will cancel and close the window.
0:00 / 0:00
0:00
Textspuren
XXVII. Gesetzgebungsperiode | Aufzeichnung vom 17.05.2021
Politik am Ring
„Wie verhindern wir die Klimakatastrophe?“
Moderation: Gerald Groß
DiskussionsteilnehmerInnen: Johannes Schmuckenschlager, ÖVP
Julia Elisabeth Herr, SPÖ
Walter Rauch, FPÖ
Lukas Hammer, Grüne
Michael Bernhard, NEOS
Eingeladene Fachleute: Mag. Marcus Wadsak, Meteorologe
Katharina Rogenhofer, MA, Klimavolksbegehren
*****
Moderator Gerald Groß: Hallo und herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe von „Politik am Ring“! Wir diskutieren heute über ein Thema, das wirklich uns alle angeht, und zwar über das Klima – nein, nicht über das Klima in der österreichischen Innenpolitik, das, wie sich in der heutigen Sondersitzung ja gezeigt hat, knapp am Siedepunkt ist, bei uns geht es um das leider auch immer heißer werdende Klima auf unserem Planeten, von dem wir eben nur einen haben.
Darüber, dass die Klimakrise deshalb bewältigt werden muss, sind sich über Länder- und Parteigrenzen hinweg wohl alle einig, aber am Wie scheiden sich die Geister. Wir wollen heute vor allem über das Wie diskutieren, und zwar mit folgenden Abgeordneten: Ich begrüße Johannes Schmuckenschlager von der ÖVP – herzlich willkommen! –, und ich begrüße des Weiteren Lukas Hammer von den Grünen – ebenfalls herzlich willkommen! Walter Rauch vertritt die FPÖ – schönen guten Abend! –, Julia Herr die SPÖ – ebenfalls herzlich willkommen und guten Abend! – und last but not least Michael Bernhard die NEOS. Schön, dass Sie alle hier sind! Ich freue mich auf die Diskussion.
Das Thema ist natürlich ein weites Feld. Es ist vielfältig, und umso wichtiger ist es, dass uns jemand den Boden profund aufbereitet. Ich freue mich, als ersten Experten in der heutigen Sendung einen ehemaligen Kollegen begrüßen zu dürfen, nämlich Marcus Wadsak – herzlich willkommen!
Mag. Marcus Wadsak: Schönen Abend, vielen Dank für die Einladung.
Moderator Gerald Groß: Marcus Wadsak ist studierter Meteorologe und Geophysiker. Er ist seit 2012 Leiter der ORF-Wetterredaktion und Gründungsmitglied von Climate without Borders. Was ist denn das?
Mag. Marcus Wadsak: Meteorologen, Fachleute rund um den Globus haben zum besseren Austausch rund um das Thema zusammengefunden, denn ich glaube schon, dass wir am Wissen auch noch mehr teilhaben müssen, um endlich ins Handeln zu kommen. Das ist für mich die große Herausforderung: den Klimawandel zu erklären, denn wenn wir tatsächlich schon so genau wüssten, was der Klimawandel wirklich ist, wie er bereits in Gange ist und was die Auswirkungen sind, dann würden nicht mehr hier sitzen und reden, sondern dann würden wir bereits laufen und handeln. Es ist dringend.
Moderator Gerald Groß: Den Klimawandel zu erklären, das ist, wenn ich das so sagen darf, in den letzten Jahren auch so etwas wie eine Mission von Ihnen geworden. Wenn wir über Klimawandel und globale Erwärmung sprechen, worüber reden wir da ganz konkret? Wie wird das Phänomen fassbar, greifbar und möglicherweise beweisbar?
Mag. Marcus Wadsak: Ja, ganz einfach: Also wir reden davon, dass wir jetzt in den letzten 10 000 Jahren eine sehr stabile Klimasituation auf der Erde vorgefunden haben. Wir sind aus der Eiszeit herausgekommen, und diese 10 000 Jahre stabiles Klima haben uns eigentlich alles ermöglicht, was wir haben – wir wurden sesshaft, wir haben Ackerbau begonnen, weil wir uns darauf verlassen konnten, dass sich die Wetterverhältnisse an einem Ort im nächsten Jahr wiederholen –, und genau jetzt sind wir dabei, diese stabile Wetterphase, diese stabile Klimaphase zu verlassen. Das war das Holozän, und aus dem katapultieren wir uns selber gerade heraus.
Man kann sich das auch ganz gut anschauen, wenn wir einmal die globale Temperatur betrachten – das ist die mittlere Temperatur, die uns unsere Erde hat. Die wird jedes Jahr aufgezeichnet, ausgerechnet, und hier wir sehen die Kurve. (Im Folgenden werden die Ausführungen des Redners durch eingespielte Diagramme unterstützt.) Wir sehen das Mittel von 1901 bis 2000: Da liegen wir am Anfang sehr deutlich darunter, und bereits in den 1970er-Jahren, das war so ungefähr kurz nach meiner Geburt, biegt diese Kurve vom Mittel nach oben ab und kehrt nie wieder zurück. Diese Kurve steigt und steigt. Was heißt das? – Es wird wärmer und immer wärmer.
Wir sehen hier hinten hinaus bereits eine Abweichung von ungefähr 1 Grad, aber wenn wir das vorindustrielle Mittel ansetzen, dann sind wir bei 1,2 Grad Erwärmung, die wir seit der Industrialisierung erlebt haben. Und in dieser Grafik sieht man, wenn man genauer schaut, auch, dass global die letzten sieben Jahre die heißesten sieben Jahre waren, die wir seit Aufzeichnungsbeginn gehabt haben. Das ist kein Zufall, dafür gibt es natürlich Gründe.
Moderator Gerald Groß: Über diese Gründe wollen wir auch reden. Warum wird es denn eigentlich immer wärmer? Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, der einzelne Konsument: alle möglichen Schuldigen werden da immer gefunden. Gibt es einen Hauptschuldigen?
Mag. Marcus Wadsak: Ja, sehr interessant, dass Sie nur Dinge aufzählen, die wir Menschen verursachen, weil das der Grund ist: Wir verursachen diese Erwärmung. Da gibt es immer wieder noch Menschen, die daran zweifeln. Es gab auch in Amerika bis vor einem Jahr einen Präsidenten, der meinte, der Klimawandel sei eine Erfindung der Chinesen. Dem ist nicht so, denn wir können wissenschaftlich ganz klar zeigen, was diese Erwärmung ausmacht, was die Ursachen sind. (Im Folgenden werden die Ausführungen des Redners durch eingespielte Diagramme unterstützt.)
Wir sehen hier die sogenannten Strahlungstreiber – das sind Effekte, die eine Auswirkung auf die Temperatur haben –, und wir sehen, dass die meisten, zum Beispiel die Sonne, in den letzten 150 Jahren überhaupt keine Auswirkung auf die Temperatur auf der Erde hatten. Wir sehen, dass Vulkanausbrüche einen Effekt auf die Temperatur haben können, eine kurzfristige Abkühlung – große Vulkanausbrüche schatten durch die Asche die Atmosphäre ab –, aber wir sehen in dieser Grafik ganz, ganz klar: Es sind die Treibhausgase, die wir ausstoßen.
Die Temperatur steigt Hand in Hand mit den Treibhausgasen, die wir bei so ziemlich allem, was wir tun – in unserer Mobilität, in unserem Energieverbrauch, in unserer Ernährung – ausstoßen. Wir sind verantwortlich! Für die aktuelle globale Erwärmung sind wir Menschen verantwortlich, und darüber besteht 100 Prozent wissenschaftlicher Konsens. Das ist auch nichts mehr, worüber wir diskutieren müssen – das ist erledigt, das wissen wir –, worüber wir jetzt reden müssen, ist, wie wir die Situation retten, damit aus dieser Klimakrise nicht eine Klimakatastrophe wird.
Moderator Gerald Groß: Genau deswegen sind wir heute ja auch hier. Den häufigsten Einwand, wenn es um den Klimawandel geht, kennen Sie wohl auch, und wahrscheinlich besser als ich: Den hat es ja immer gegeben, heißt es dann. Und ist es nicht wirklich so? Warum soll es diesmal anders sein?
Mag. Marcus Wadsak: Ich habe einen Klimawandel angesprochen, der in der Vergangenheit liegt und bei dem unsere Treibhausgase keine Rolle gespielt haben können, das ist der Weg heraus aus der Eiszeit. Da muss man sich einmal vorstellen, dass es in der letzten Eiszeit global gesehen nur um 4, 5 Grad kälter war als heute. Das ist einmal ein wichtiger Punkt: zu verstehen, dass eine Änderung der globalen Mitteltemperatur von nur 4 Grad eine radikale Veränderung unserer Welt bedeutet. Da waren weite Flächen von Europa unter kilometerdickem Eis, die Welt hat komplett anders ausgesehen. Darum ist es auch so wichtig, diese 1,5 Grad einzuhalten.
Klimawandel hat es immer gegeben. Dafür gab es damals auch Gründe – die kennen wir! Damals waren es Veränderungen in der Erdbewegung, damals waren es Veränderung in der Sonne, das haben wir jetzt aber nicht. – Was wir jetzt durch unserer Treibhausgase aber haben, ist eine Geschwindigkeit, die wir nicht kennen. Die Erwärmung, die wir jetzt erleben, läuft 20 Mal schneller ab als jene aus der Eiszeit heraus. Aus der Eiszeit heraus hatte die Natur, hatten die Menschen Zeit, sich anzupassen – ein wesentlicher Punkt: Klimawandel verhindern und an die Klimaerwärmung anpassen. Das Anpassen war damals möglich: Vegetationszonen sind mit der Erwärmung mitgewandert. Mit dieser Geschwindigkeit, die wir jetzt erleben, werden wir das nicht schaffen.
Moderator Gerald Groß: Vielen herzlichen Dank fürs Erste, Marcus Wadsak, ich komme gleich noch einmal zu Ihnen zurück. Lassen Sie mich zunächst aber einmal mit der Dame und den Herren Abgeordneten reden. Ich möchte, Herr Rauch, mit Ihnen beginnen, und das hat einen ganz konkreten Grund: In Ihrer Partei war es nicht immer ausgemachte Sache, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Ist das inzwischen auch bei Ihnen Common Sense?
Walter Rauch (FPÖ): Es herrscht Konsens darüber, dass es diesen Klimawandel gibt. Es gibt mehrere Ursachen – der Herr Kollege Wadsak, also der Wettermoderator, hat das ja wissenschaftlich gut dargelegt. Es gibt natürlich unterschiedliche Ursachen: geschichtliche, meteorologische, da gibt es mehrere Aspekte; das passiert natürlich auch aufgrund der Industrialisierung hier in Österreich, in Europa, auf der ganzen Welt. Man sieht aber gleichzeitig, dass zum Beispiel China so viel Treibhausgase ausstößt wie ganz Europa oder fast der Rest der Welt. Da ist es natürlich schon an der Zeit, sich dementsprechend damit zu beschäftigen und sich damit zu befassen, wie man aus dieser Klimakrise, wie sie so schön benannt wird, oder aus diesem Effekt herauskommt. Da bedarf es natürlich der Europäischen Union, sich da dementsprechend einzusetzen, und natürlich muss auch die gesamte Weltpolitik, auch die Handelspolitik, auch die Konsumpolitik in diesem Bereich dementsprechend neu überdacht werden.
Moderator Gerald Groß: Das heißt, Österreich ist zu klein, um hier etwas zu bewegen? Ist das die These?
Walter Rauch (FPÖ): Man kann und man muss natürlich auch hier in Österreich etwas bewegen. Also nur als Beispiel erneuerbare Energien – Fotovoltaikanlagen, Windkraft, Wasserkraft: All diese Dinge sind notwendig, um aus fossilen Energieformen herauszukommen oder zumindest um Alternativen anzubieten, aber natürlich ist Österreich als globaler Player ein kleiner Funke, der diesbezüglich klarerweise nicht die große Weltwirtschaft bewegen kann und auch wird.
Moderator Gerald Groß: Wie stichhaltig, Marcus Wadsak – um diese These vielleicht auch gleich zu hinterfragen –, ist das denn? Österreich ist tatsächlich ein kleines Land, und können wir uns da wirklich an die Speerspitze setzen? Sind wir nicht ohnedies weit davon entfernt?
Mag. Marcus Wadsak: Wir sollten es tun! Ich glaube, in meiner Jugend war Österreich in vielen Umweltthemen Vorreiter, Musterbeispiel. Ich glaube, dass wir das auch brauchen, denn die Welt wird sich umstellen – was die Energieversorgung betrifft, was die Mobilität betrifft und was die Ernährung betrifft –, und wer da die Nase vorne hat, wird nachher auch besser dastehen. Da geht es um unsere Wirtschaft, da geht es um unsere Arbeitsplätze, da geht es um unsere Heimat, die Schönheit Österreichs, da geht es um den Tourismus, um unsere Gesundheit – Menschen sterben durch den Klimawandel –, das sind so viele Dinge.
Für den Vergleich, dass Österreich klein ist, bin ich sehr dankbar. Ja, aber so global stoßen wir jeden Tag 100 Millionen Tonnen CO2 aus – es sind jeden Tag 100 Millionen Tonnen CO2, das wir rauspuffen! In Österreich sind es im Jahr 80 Millionen Tonnen; das ist nicht nichts! Lassen Sie mich den Vergleich vielleicht so darstellen: Die Rettungsgasse, wer auch immer sie in Österreich eingeführt hat, funktioniert, wenn jeder mitmacht. Alle Autos müssen auf die Seite fahren, dann kommt die Rettung durch. Wenn Österreich, auch wenn es noch so klein ist, stehen bleibt, wird die Rettung stecken bleiben.
Wir alle gemeinsam müssen uns ändern: Wir beide, Sie, Sie müssen Ihre Mobilität ändern, Ihren Energiebedarf senken, Sie müssen Ihre Ernährung überdenken. Die Gemeinden machen da schon sehr viel – österreichische Gemeinden sind Vorreiter –, Österreich macht auch schon sehr viel: vor allem in der Energie sind wir gut, im Verkehr sind wir schlecht. Die EU hat Ziele definiert, das hat aber auch China schon getan. China ist uns zum Beispiel da voraus, wo man sagt: Ab einem gewissen Jahr gibt es bei uns keine Neuzulassungen mehr für Verbrenner und Diesel. – Alle müssen mitmachen.
Moderator Gerald Groß: Ich muss Sie jetzt an dieser Stelle wieder ganz kurz einbremsen. Sie haben die Rettungsgasse angesprochen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann war damals die Verkehrsministerin Bures, also die SPÖ, dafür zuständig. Damit sind wir bei der SPÖ – das war jetzt meine Überleitung zu Frau Herr.
Die SPÖ hat sich nämlich mit dem Umweltschutz auch nicht immer leichtgetan. Frau Herr, ich bin alt genug, um mich noch lebhaft an die Vorgänge in der Hainburger Au zu erinnern, wo damals rote Gewerkschafter Druck gemacht haben, den Besetzern in der Au die Polizei zu schicken. Vor wenigen Jahren ist unter SPÖ-Regierungsbeteiligung die Flugticketabgabe etwa halbiert worden, et cetera. Wie glaubwürdig sind Sie als Partei?
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Hallo von meiner Seite! Ich glaube, man darf immer über sich hinauswachsen. Ich glaube, ehrliche Klimapolitik heißt, auch ehrlich mit der Vergangenheit abzurechnen, sich anzuschauen, was gut war – ich denke, da gibt es einige Punkte –, aber sich auch anzuschauen, was schlecht war. Ich habe kein Problem damit. Zum Beispiel war die Flugticketabgabe, die Sie ansprechen, wahrscheinlich ein Punkt, den man nicht hätte tätigen sollen. Klar ist, auch in der Flugbranche wird sich viel verändern, aber der Punkt ist ja, dass es keine Alternative gibt. Die Klimakrise, wie gerade beschrieben, ist real. Sie schreitet fort und sie bedroht unser aller Zukunft und unser Recht auf eine intakte Umwelt, und die stehen uns allen ganz einfach zu.
Für die Sozialdemokratie muss das natürlich bedeuten, ihre Politik – und ich denke, wir haben da ein Alleinstellungsmerkmal – auch im Kampf gegen die Klimakrise einzusetzen. Das bedeutet auch, das System, in dem wir leben, zu analysieren, anzuerkennen, dass das durch uns passiert und dass wir alle einen Beitrag leisten können – über erneuerbare Energien, beim Verkehr; wir alle können, statt dass wir ein paar hundert Meter mit dem Auto fahren, vielleicht einmal zu Fuß gehen, das wird uns allen keine Zacke aus der Krone brechen –, aber es geht auch darum, die Dinge systematisch zu verändern.
Wir leben in einer Welt, die es noch nicht allen Menschen überhaupt ermöglicht, klimafreundlich zu leben. Viele haben die Infrastruktur, die Ausstattung nicht, und es ist die Aufgabe der Politik, das bereitzustellen, sodass das klimafreundliche Leben für alle möglich ist, denn wenn das tatsächlich gegeben ist, dann wird es auch genutzt werden, davon sind wir zutiefst überzeugt. Das bedeutet auch, uns zum Beispiel wirtschaftspolitisch anzuschauen, was wir anrichten, wenn wir ständig so produzieren, so wirtschaften, dass wir das Ziel haben, möglichst billig zu produzieren: Wo entsteht dann der Schaden? – Das ist immer bei den arbeitenden Menschen und bei der Ausbeutung unserer Natur, unserer Ressourcen, unserer Umwelt.
Seit mehr als 100 Jahren beuten wir durch die Produktion unserer Waren, durch den Handel mit diesen Waren, durch den Nichtabbau, durch das Nichtrecycling unserer Waren einfach systematisch unsere Umwelt aus. Das muss man erkennen und dann auch den Mut haben, zu sagen: Okay, wir müssen hier einiges ändern, indem wir in Österreich unseren Beitrag leisten, aber auch global beispielsweise endlich ein Lieferkettengesetz einfordern, sodass nicht, nur um Profit zu machen, so billig produziert wird, dass der Regenwald dafür gerodet wird, dass die Meere dafür überfischt werden, dass unser Boden ausgebeutet wird, dass unser Wasser schlechter wird, dass unsere Luft schlechter wird – das alles hat einen Einfluss auf uns. Dem wirklich einen Riegel vorzuschieben, das, denke ich, kann sozialdemokratische Umweltpolitik leisten.
Moderator Gerald Groß: Danke schön. Herr Bernhard, kaum sind die NEOS in der Wiener Stadtregierung, werden die Intervalle der Öffis verlängert. Ist das symptomatisch für den Stellenwert, den der Klimaschutz bei den NEOS hat (Bernhard: Nein!), nämlich einen eher geringen?
Michael Bernhard (NEOS): Also ganz und gar nicht, das Gegenteil ist der Fall! Die Intervalle der Wiener Linien wurden aufgrund der Pandemie, aufgrund der deutlich eingeschränkten Mobilität der Stadtbevölkerung reduziert. Das war ein Wunsch der Wiener Linien, dem auch nachgegeben wurde, weil es tatsächlich weniger Bedarf an Mobilität gab.
Die Sozialdemokraten und die NEOS haben gemeinsam das progressivste Klima- und Umweltprogramm einer Landesregierung in der Geschichte Österreichs verabschiedet. Das bedeutet jetzt natürlich nicht, dass wir damit schon am Ziel sind – in Wahrheit sind wir damit erst am Anfang. Aber ganz konkret, nämlich wenn wir über das Thema einer klimaneutralen Gesellschaft reden, bedeutet das, dass man als Allererstes anerkennen muss, dass CO2-Emissionen ein endliches Gut sind, dass es für Österreich ein Budget gibt, das noch zur Verfügung steht, und – Herr Wadsak weiß das auch ganz genau – wenn wir so weitermachen wie bisher, ist das in weniger als sieben Jahren aufgebraucht. Und wenn man jetzt die Wienerinnen und Wiener fragen würde, ob sie sich vorstellen können, dass es in sieben Jahren vorbei ist mit der jetzt gekannten individuellen Mobilität, mit den jetzt gekannten Gasetagenheizungen und so weiter, dann wäre ein klares Nein die Antwort.
Deswegen haben wir als Wiener Landesregierung auch ein CO2-Budget beschlossen – jetzt einmal im Programm; das muss erst im Landtag umgesetzt werden –, in dem wirklich ein Stufenplan bis 2040 etabliert wird, in dem jedes Jahr die Emissionen gesenkt werden. Das gibt es in keinem anderen Bundesland, das gibt es übrigens auch in keiner anderen europäischen Stadt, das heißt, wir sind hier jetzt am Papier Vorreiter, und die Aufgabe der NEOS und auch der Sozialdemokraten und -demokratinnen wird sein, das in den nächsten fünf Jahren auch wirklich vom Papier in die Realität zu übersetzen.
Moderator Gerald Groß: Andere Städte, könnte man jetzt einwenden, auch in Europa, sind dafür aber in anderen Belangen schon weiter – wir werden vielleicht heute noch darauf zu sprechen kommen –, wenn man etwa an Paris mit den Radwegen denkt und so weiter und so fort – aber lassen wir das jetzt einmal beiseite.
Herr Hammer, wenn man sich das Regierungsprogramm anschaut, und ich habe es mir heute noch einmal extra heruntergeladen, dann finden sich gut 20 Seiten zu diesem Thema darin: Da liest sich vieles sehr ambitioniert, auf der anderen Seite muss man sagen, vieles davon sind auch nur Überschriften, ehrlich gesagt. Geschehen ist bis jetzt mit Ausnahme des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes auch wenig. Jetzt könnte man entschuldigend sagen: Ja, das ist coronabedingt so, aber wenn man sich die Regierung anschaut, hat man den Eindruck, sie hat jetzt aktuell auch andere Prioritäten. Was würde denn der ehemalige Greenpeace-Aktivist, der Sie ja sind, über die Klimaschutzpolitik der Regierung sagen?
Lukas Hammer (Grüne): Ja, also der ehemalige Greenpeace-Aktivist würde sagen: Respekt für dieses Regierungsprogramm, das so einzigartig ist, weil wir uns zum ersten Mal vorgenommen haben, in nur 20 Jahren mit unseren Emissionen wirklich auf null zu kommen, also auf die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle komplett zu verzichten.
Schauen wir uns an, wo wir sozusagen herkommen! Wir haben im Klimaschutz im Prinzip ein ziemlich marodes Haus übernommen. Wir haben es die letzten 30 Jahre im Klimaschutz, also im Prinzip, seitdem wir auch so etwas wie internationalen und nationalen Klimaschutz haben, nicht geschafft, CO2-Emissionen wirklich zu reduzieren. Wir haben jetzt ein paar Prozentpunkte mehr Emissionen als noch 1990.
Der Klimaschutz in Österreich war immer ein bisschen unverbindlich, unambitioniert und einfach auch unzureichend. Und jetzt sind wir in die Regierung gekommen, haben ein sehr, sehr großes Programm – und dann kam Corona. Da haben uns alle gesagt: So, im Prinzip wird Klimaschutz jetzt keinen mehr interessieren. – Das Gegenteil war der Fall!
Obwohl es sehr hart war, haben wir es geschafft, ein Klimaschutzbudget, wie es eigentlich noch nie dagewesen ist, auf die Beine zu stellen, also wir haben zum Beispiel, wenn man sich das jetzt anschaut, die Mittel für das Programm betreffend raus aus Öl und Gas verachtfacht. Diese Programme gab es auch schon früher, aber da hat derjenige die Förderung bekommen, der die schnellste Internetverbindung hatte, weil das dann gleich wieder vorbei war. Das gibt es jetzt das ganze Jahr über.
Und ja, im Endeffekt wird auch, wenn man sich die Coronahilfsmaßnahmen und die Investitionsprämie anschaut, jede ökologische Maßnahme mit 14 Prozent gefördert. Das heißt, wir haben geschaut, dass wir das Falsche unterlassen und das Richtige tun. Und wenn es irgendetwas an dieser Krise gibt, das man auch irgendwie positiv sehen kann, dann ist es, dass wir jetzt die Chance haben, aufzustehen und Österreich besser zu machen. Das ist jetzt die große Aufgabe.
Wir haben ein riesiges Klimaschutzbudget – also da würde ich schon widersprechen, da ist uns schon etwas gelungen –, wir finalisieren gerade ein Gesetz, mit dem wir in den nächsten zehn Jahren auf 100 Prozent Ökostrom umsteigen werden, wir arbeiten gerade an einem Klimaticket, mit dem die Mobilität für alle leistbarer wird, und wir bauen das Bahnnetz aus. Das ist noch nie so da gewesen.
Insgesamt – das muss man sich einfach einmal vorstellen! – steigen wir in 20 Jahren aus der Verbrennung von fossilen Energien aus. Das ist der größte Transformationsprozess unserer Wirtschaft seit der industriellen Revolution, das kann man durchaus sagen. Die gute Nachricht ist: Was brauchen wir dafür? – Im Prinzip genau das, was wir jetzt sowieso brauchen: Arbeitsplätze.
Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind. Es ist natürlich schwierig: Es gibt Beharrungskräfte, das spüren wir, das sehen wir, das hören wir.
Moderator Gerald Groß: Wer sind denn die Beharrungskräfte?
Lukas Hammer (Grüne): Na ja, ich würde einmal sagen, alle diejenigen, die beim Ausstieg aus fossilen Energien, aus den Verbrennungsmotoren bei den Autos, aus den Öl- und Gasheizungen zumindest kurzfristig nicht profitieren würden, sagen wir es einmal so, die ein bisschen eine alte Denke haben.
Ich sehe es aber jetzt – vor Kurzem wurde eine Initiative von Umweltschutzorganisationen zusammen mit vielen Betrieben in Österreich, die insgesamt 300 000 Menschen beschäftigen, präsentiert, und im Gegensatz zu dem, wie man es sich denkt, fordern sie mehr Klimaschutz von uns. Ich glaube, da hat wirklich schon ein Umdenken stattgefunden.
Und ja, wie gesagt, wir sind auf einer Aufholjagd im Klimaschutz. Wir haben da sozusagen den Gang umgelegt, und jetzt gibt es auch kein Zurück mehr.
Moderator Gerald Groß: Herr Schmuckenschlager, Sie haben einmal gesagt: Klimawandel ist Realität. Wer das nicht so sieht, der kann seine Heimat nicht lieben. – Liebt Ihr Kollege als Abgeordneter, Franz Hörl, vom Tiroler Wirtschaftsbund, die Heimat also nicht, wenn er aktuelle Klimaschutzvorhaben als „Fanatismus, Engagement und Träumerei von einer heilen Welt“ bezeichnet, die „einer Lösung hinderlich“ seien?
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich glaube, meine Aussage war absolut richtig, wenn wir uns ansehen, dass wir heute schon klimabedingte Schäden in Österreich haben, die sich auf rund 2 Milliarden Euro summieren, bis ins Jahr 2050 geht das – prognostiziert – bis in die Höhe von 12 bis 15 Milliarden Euro. Daran sehen wir schon, wir haben schon einen Schaden, den wir aufgrund des Klimawandels konsumieren.
Auf die Frage zu Franz Hörl: Er ist ja Touristiker in Tirol – gerade er weiß, was ihm die Heimat bietet und auch die Natur letztendlich anbietet und für Möglichkeiten gibt.
Ich glaube aber, es zeigt ein sehr gutes gesellschaftliches Spannungsbild auf. Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten einen sehr guten Wohlstand erarbeitet, aufgrund der guten Versorgung mit Energie – das ist die Mobilität, das ist im Verkehr, das ist in der Ernährung et cetera. Und diese Energie war und ist in den meisten westlichen Ländern, aber noch stärker zum Teil in Schwellen- und Entwicklungsländern natürlich massiv fossil gewonnen, das heißt basierend auf Öl, Gas, Kohle et cetera. Und da müssen wir zurück. Wir wissen, der Klimawandel – und wir haben es ja am Anfang auch gehört – wird von diesen fossilen Treibern sozusagen Energierohstoffen befeuert. Der CO2-Ausstoß kommt und basiert auf diesen Themen. Das heißt, wir müssen hier umsteigen.
Wir haben da eine Historie in Österreich. Sie haben es eingangs erwähnt, die Frage mit Hainburg: Dort hat man auch gegen ein Flusskraftwerk demonstriert, also ich meine, an und für sich, so negativ wäre das in der Bilanz heute nicht, hätten wir das. In Zwentendorf – ich komme aus Niederösterreich – haben wir nach wie vor eine atomare Bruno-Kreisky-Gedächtnisstätte für ein Atomkraftwerk; nach 30 Jahren Tschernobyl wissen wir, dass auch das die falsche Technologie war.
Aber wir müssen sehen, wie können wir die Energie, die wir heute brauchen, nicht nur durch Verzicht - - Das schreckt, glaube ich, viele Leute ab, diese Angst: ich muss jetzt, ich habe nur mehr einen Tag in der Woche, an dem ich Fleisch essen darf, ich werde mit den Autofahrten et cetera kontingentiert. Da haben wir auf der einen Seite ein starkes Stadt-Land-Gefälle, dass wir da sehr unterschiedliche Notwendigkeiten haben, und auf der anderen Seite müssen wir aufzeigen, wie wir trotzdem einen Wohlstand erhalten können.
Ich habe da diesen Begriff gerne – Armin Laschet hat den mit der CDU in Deutschland entwickelt –: den Klimawohlstand. Wie können wir es schaffen, das Klima und unseren Wohlstand abzusichern? – Es bedingt sich beides: Also nicht nur im Sinne von: Ich will auf nichts verzichten!, sondern wir müssen unsere Natur, unsere Umwelt entsprechend erhalten, denn sonst hilft uns alles nichts, was wir, ich sage einmal, an Komfort in unserer Gesellschaft haben, wenn wir dann die Schäden, auch bis hin zu gesundheitlichen Schäden haben. Das bringt uns nichts.
Das heißt, wir müssen schauen: Wo können wir da technologisch entgegenwirken? Und wir haben, glaube ich, aber heute – weil die Vergangenheit angesprochen worden ist, dass man zu wenig getan hat, zu langsam; das mag alles stimmen – eine historische Chance, und das ist die Digitalisierung und Automatisierung. Wir haben Technologien, die es uns ermöglichen, dass wir diesen Klimawandel auch wirklich stattfinden lassen können, dass wir das auch wirklich schaffen. Und ich glaube, daran müssen wir arbeiten, und das ist ein großes Ziel von uns.
Moderator Gerald Groß: Ganz kurz noch eine Nachstoßfrage: Sie selber repräsentieren innerhalb der ÖVP ja den Bauernbund, Sie sind der Landwirtschaftskammerpräsident in Niederösterreich. – Ist die Landwirtschaft eigentlich mehr Teil des Problems oder mehr Teil der Lösung?
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich glaube, Teil der Lösung; also wir haben da in der Landwirtschaft keine 10 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in der Mitverantwortlichkeit. Das ist aber genauso wie die Frage: Österreich versus China? – Im Klimawandel ist es wie bei den einzelnen Sektoren: Jeder muss da seine Aufgaben lösen. In vielen Bereichen haben wir fossile Energieträger, wir haben fossile Betriebsmittel, da müssen wir auch den Ersatz schaffen. Wir haben aber einen Riesenschatz in Österreich, und das ist die Biomasse und die gesamten biogenen Mittel, die wir zur Verfügung haben, ob es Beimischung für Sprit ist, ob es die Frage Holz in der Verbrennung ist et cetera, ob es generell die Frage ist, wie sehr das, was wir mit der Landwirtschaft, mit der Bewirtschaftung in Österreich schaffen, auch im Gesamtkreislauf des CO2, der Einbindung in den Boden et cetera nützlich ist.
Also ich glaube, da kann die Landwirtschaft viel bringen, denn das, was sie an CO2 verursacht, ist letztendlich die Lebensenergie, die wir in Form von Ernährung brauchen. Das heißt, das ist ja keine selbstausgewählte Verursachung der Landwirtschaft, sondern wir brauchen Ernährung. Wir müssen nur schauen, wie wir auch dieses System, die landwirtschaftliche Produktion, klimafit entwickeln können.
Moderator Gerald Groß: Wir können ja heute über den Klimaschutz auch nur reden, und das ist vielen Menschen viel zu wenig. Vielen Menschen geht das alles auch viel zu langsam, daher wollen sie mit Klimavolksbegehren und Klimaklagen Regierung und Parlament zum Handeln zwingen. Vor allem die Jugend, inspiriert von Greta Thunberg, sieht im politischen Establishment den Bremser beim Klimaschutz und geht daher auf die Straße.
*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Seit 2018 gehen Jugendliche weltweit auf die Straße und fordern entschlosseneres Handeln der Regierenden gegen den Klimawandel. Inspiriert vom Schulstreik der jungen Schwedin Greta Thunberg kämpft hier eine Generation unter dem Namen Fridays for Future für ihre Zukunft. Auch in Österreich organisieren sich junge Menschen wie Katrin Hipmayr fürs Klima. Anders als frühere Jugendbewegungen fordern sie nichts Unmögliches.
Katrin Hipmayr (Fridays For Future): Wir brauchen eine Besteuerung von CO2. Wir fordern ganz klar eine ökosoziale Steuerreform mit einem kostenwahren CO2-Preis. Und es braucht ein faires Klimaschutzgesetz, in dem alle wichtigen Maßnahmen enthalten sind.
Sprecher: Die Protestbewegung des 21. Jahrhunderts beruft sich weniger auf Philosophen oder Ideologien als auf naturwissenschaftliche Fakten. Ihre Forderungen sind weitgehend, aber realistisch. Gerfried Jungmeier, Vorstand Grazer Joanneum, zum Thema zukunftsfähige Energiesysteme und Lebensstile: Auch der Wissenschaftler hält eine einschneidende Änderung unseres Lebensstils für unerlässlich, um den Klimawandel zu stoppen.
Gerfried Jungmeier (Joanneum Research): Ganz einfach ausgedrückt, ist einmal das Allerwichtigste, dass man mit dem Einsatz von fossilen Energieträgern zur Strom-, Wärmeerzeugung und auch Mobilität eigentlich aufhört – das heißt: keine Kohle, kein Öl und kein Gas, dann hat man sicherlich schon 70, 80 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart. Das heißt aber, wir müssen viel mehr erneuerbare Energie, das ist vor allem die Sonne, Wind, Wasser und Biomasse, bereitstellen, wir müssen aber auch die Energieeffizienz im System betreffend Energiedienstleistungen massiv verbessern, und in Kombination ist es möglich, wie auch unsere Modelle zeigen, dass wir viele Lebensbereiche in den nächsten 20, 30 Jahren tatsächlich klimaneutral stellen können. Die Technologien gibt es, aber die Menschen müssen auch mitmachen.
Sprecher: Für die Klimaschützer ist klar: Die Menschheit beschreitet derzeit einen Weg der Selbstzerstörung. Der Weg zur Klimaneutralität hingegen sei noch recht lang und der Kurswechsel müsse jetzt passieren.
Gerfried Jungmeier: Wir müssen eigentlich heute sofort beginnen, denn wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Zielsetzung 2030 ist ja schon eine Halbierung der Emissionen in Europa, und bis 2040 wollen wir in Österreich schon klimaneutral sein. Das heißt, wir müssen eigentlich heute sofort alles das umsetzen, was wir heute schon wissen und können. Also es braucht die Menschen, es braucht natürlich auch die Wirtschaft und es braucht die Industrie, die diese Produkte auch klimaneutral bereitstellt. Und die Politik braucht es natürlich auch, weil die Politik gibt die Rahmenbedingungen vor. Wir brauchen entsprechende Rahmenbedingungen, damit wir diese Transformation auch ökonomisch umsetzen können.
Sprecher: Dass die Politik bereit ist, diese Rahmenbedingungen zu schaffen, daran glauben viele junge Menschen nicht mehr.
Katrin Hipmayr: Also wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann sehen wir, dass es Österreich in den letzten 30 Jahren nicht geschafft hat, seine Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Und das zeigt ganz deutlich, dass es Lippenbekenntnisse sind – denn die Emissionen sinken nicht.
*****
Moderator Gerald Groß: Das waren klare Worte von jungen Menschen. Herr Hammer, als Nächstes möchte ich über das das Klimaschutzgesetz reden. Das bisherige Klimaschutzgesetz ist ja 2020, wenn ich das richtig sehe, ausgelaufen. Jetzt ist ein neues in Vorberatung, Teile davon wurden bereits geleakt – wie auch immer das gegangen ist –, darunter dieser sogenannte Notfallmechanismus, der vorsieht, dass es, wenn Klimaziele verfehlt werden, eine 50-prozentige Erhöhung der bestehenden Steuern auf fossile Energieträger geben soll. – Eine Steuererhöhung als Notfallsanker sozusagen?
Lukas Hammer (Grüne): Also grundsätzlich – Sie haben es erwähnt – ist das ein Entwurf, bei dem wir einerseits genau das versucht haben, zu reparieren, woran es bisher gemangelt hat, nämlich an einer Verbindlichkeit klarer Zielsetzungen im Klimaschutz. Bis jetzt – und es wurde im Beitrag jetzt wieder erwähnt – hat sich halt leider zu wenig getan. Das heißt, da brauchen wir klarere Vorgaben.
Ein Klimaschutzgesetz, da muss man auch ein bisschen aufklären, zeigt nicht alle Maßnahmen auf, sondern gibt einen verbindlichen Handlungsrahmen vor, sagt: Wer muss was bis wann tun? Im Endeffekt haben wir uns bei der Ausgestaltung des ersten Entwurfs für dieses Klimaschutzgesetz vor allem an einen gemeinsamen Beschluss gehalten, den wir im Parlament zur Umsetzung des Klimavolksbegehrens schon getroffen haben, in dem es wirklich darum ging: Okay, welchen Rahmen geben wir uns? – Das ist die Einrichtung eines Klimakabinetts, die Einrichtung von BürgerInnenräten für den Klimaschutz, einer gemeinsamen Verantwortung in der Bundesregierung und zwischen den Ländern, ein Verantwortlichkeitsmechanismus, die Einrichtung eines Paris-konformen Treibhausgasbudgets, all das - -
Moderator Gerald Groß: Ich möchte darauf noch zurückkommen, da ja auch die Sprecherin des Klimavolksbegehrens heute noch bei uns zu Gast ist, aber lassen Sie uns noch über dieses Klimaschutzgesetz reden. Was ist denn davon sonst noch konkret zu erwarten? Wir haben es gerade gehört: bis jetzt nur Lippenbekenntnisse.
Lukas Hammer (Grüne): Genau, ja. Wir haben auch das alte Klimaschutzgesetz, das uns in diese Situation gebracht hat, evaluieren lassen, und da wurde uns von den WissenschafterInnen, die das evaluiert haben, gesagt: Es braucht einen Verantwortlichkeitsmechanismus, es braucht eine Kaskade, wenn die Klimaschutzziele nicht eingehalten werden. Also zuerst braucht es Klimaschutzziele, und dann braucht es eine Kaskade an Maßnahmen, die dann gesetzt werden müssen. Es braucht sofort Programme. Das ist dort beschrieben.
Und dann braucht es zum Beispiel, was ich für besonders sinnvoll halte - - Bis jetzt war Klimaschutz leider so, dass die Klimaschutzziele nicht eingehalten wurden. Denken wir zurück an Kyoto – das hat uns 500 Millionen Euro gekostet, weil wir Zertifikate gekauft haben! Die Idee in dem jetzigen Gesetz ist – das ist nur in der Diskussion noch nicht vorgekommen –, dass wir, anstatt Zertifikate zukaufen, wir uns also von unseren Klimaschutzverpflichtungen freikaufen, dass wir das davor im Inland in Klimaschutz investieren. Das ist für mich eines der Kernstücke. Das haben wir gemeinsam im Rahmen des Klimavolksbegehrens diskutiert, und das ist auch in unserem Vorschlag zum Klimaschutzgesetz drinnen.
Moderator Gerald Groß: Herr Schmuckenschlager, eine ökosoziale Steuerreform, hat Finanzminister Blümel vor Kurzem gesagt, ist eines der großen Vorhaben, und in der Tat muss das ja eines der Herzstücke sozusagen oder das Herzstück sein. – Wie kann denn diese ökosoziale Steuerreform jetzt ausschauen?
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich glaube, der wesentliche Punkt ist, dass wir, die ökosoziale Steuerreform haben wir ja im Regierungsprogramm verankert, jetzt auch wirklich entsprechend in die Gänge kommen, diese umzusetzen, und wir auch gezwungen sind, steuerlich etwas zu machen, alleine aufgrund der Thematik der Aufwendungen, die wir für die Covid-Hilfen gebraucht haben. Das heißt, budgetär muss sich in diesem Land etwas bewegen. Das sollte man sozusagen nie vergessen, dass auch irgendwann einmal immer eine Zahlerfrage kommt.
Die Frage der ökosozialen Steuerreform ist sozusagen einfach gestrickt die, dass man sagt: Klimafreundliches Verhalten ist zu belohnen, klimaschädliches eher zu belasten; und das ist dann aber so zu gestalten, dass man es auch in einer sozialen Ausgewogenheit und Abgewogenheit hat. Und das ist, glaube ich, die große Herausforderung.
Dabei müssen wir nicht nur diese gesellschaftlich verschiedenen Gruppen sehen, sondern auch die – sage ich einmal – Topografie Österreichs, die verschiedenen Siedlungsgebiete et cetera; also da haben wir in so vielen Einzelheiten große Aufgaben, und da dürfen wir nicht, wie soll ich es sagen, sozusagen Verlierer durch Klimawandelmaßnahmen, CO2-Bepreisung et cetera produzieren. Das sind Maßnahmen, die wir setzen müssen.
Es wurde vorhin schon angesprochen: Das ist doch das Allernormalste und Intelligenteste, auch volkswirtschaftlich, wenn man damit konfrontiert ist, dass man in einigen Jahren bis zu 9 Milliarden Euro Strafzahlungen an die Europäische Union hat, dass man dieses Geld doch vorher im Inland aufwendet und etwas Positives hinsichtlich des Klimawandels macht. Diesen Weg wollen wir beschreiten, und ich glaube, das ist nicht Österreich alleine, und ob wir gut, ambitioniert oder nicht ambitioniert sind: Die Wegbereitung ist durch die Europäische Union – da sind sozusagen die Schienen aufgegleist, und da können wir uns als Österreich sehr, sehr stark einbringen.
Moderator Gerald Groß: Versuchen wir es vielleicht trotzdem anhand der CO2-Steuer noch ein wenig konkreter zu machen: Alle Ökonomen sagen, dass nur ein hoher Steuersatz in der Lage ist, die CO2-Emissionen effektiv zu reduzieren. Wenn man das einmal durchrechnet: 50 Euro pro Tonne CO2-Emission würden letztlich ein Mehr von 12 Cent pro Liter Benzin bewirken, bei Diesel wären es, glaube ich, 14 Cent mehr. Das ist wahrlich wenig. Das ist im Grunde genommen die Schwankungsbreite der Treibstoffpreise. – Wie hoch müsste dann diese CO2-Steuer sein?
Lukas Hammer (Grüne): Also wir haben uns im Prinzip in unserem Koalitionsabkommen darauf verständigt, dass es sich an den volkswirtschaftlichen Kosten orientiert. Ich glaube aber, es sind zwei Dinge wichtig: Das eine ist - -
Moderator Gerald Groß: Versuchen wir vielleicht, es an einer Zahl festzumachen. Ich habe jetzt diese 50 Euro sozusagen in die Schlacht geworfen. Wie viel müsste es, um effektiv zu sein, tatsächlich sein?
Lukas Hammer (Grüne): Langfristig sind 50 Euro natürlich viel zu wenig. Die Frage ist: Wo starten wir?, denn ich glaube, es ist wichtig, dass man den Betrieben auch die Möglichkeit gibt, sozusagen langfristig vorauszuplanen. Sie haben es aber erwähnt: Wenn wir jetzt einen CO2-Preis von 110 Euro pro Tonne einführen würden, wäre unser Diesel- und Benzinpreis ungefähr auf dem heutigen Niveau von Italien oder Belgien. Also da sehen wir einfach einmal die Relationen. Bei uns ist zum Beispiel Tanken immer noch extrem billig.
Die Steuerungswirkung ist natürlich dann so - - Ich habe zum Beispiel letztens mit den Verantwortlichen in einem Betrieb geredet, die erneuerbaren Wasserstoff produzieren wollen, und die sagen: Auch mit Förderungen – die wir ja haben – ist es sehr, sehr schwierig, weil das im Vergleich zur Wasserstoffproduktion mit fossilem Gas wirtschaftlich einfach nicht darstellbar ist, weil das Gas so billig ist. So geht es vielen Betrieben, die in CO2-arme Technologien investieren wollen, es aber nicht können, weil es wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Ich glaube, da hilft uns der erhobene Zeigefinger nichts, sondern da müssen wir einfach, wie Kollege Schmuckenschlager gesagt hat, das klimafreundliche Verhalten belohnen.
Moderator Gerald Groß: Okay, ich merke jetzt schon eine gewisse Nervosität bei den Abgeordneten der Oppositionsparteien. – Herr Bernhard, Sie haben sich zu Wort gemeldet, bitte.
Michael Bernhard (NEOS): Also ich finde, das Bild hier in der Debatte zeigt schon, woran es in Österreich wirklich krankt: Es fehlt in der Klimadebatte nämlich meistens der Mut, dass man die Dinge ausspricht, wie sie wirklich sind. Es gibt ja in der Wissenschaft sehr klare Werte: Also man sagt, dass der Wert, den man für eine CO2-Steuer grundsätzlich andenken muss, ungefähr bei 300 Euro liegt. Das ist natürlich ein sehr hoher Wert, wenn man das auf das normale Leben übersetzt, aber es ist nur dann ein hoher Wert, wenn man davon ausgeht, dass die Besteuerung in allen anderen Bereichen des täglichen Lebens – auf Arbeit, bei der Mehrwertsteuer, im Konsum – gleich hoch bleibt. Das heißt, die Herausforderung einer ökosozialen Steuerreform, wenn sie nicht versanden soll, wenn sie nicht ein Klein-klein werden soll, die nichts verändert, ist, dass man so breit denkt, dass man sagt, dass das, was derzeit die Besteuerung auf Arbeit ist, in Zukunft die Besteuerung auf Ressourcen ist.
Das bedeutet, die Menschen haben per se – so sie eine Steuer bezahlen, das ist einmal die Grundidee – wesentlich mehr Nettoeinkommen und können mit diesem Nettoeinkommen dann entscheiden, wie sie mit höheren CO2-Preisen umgehen wollen. Dann gibt es natürlich diese Abrisskante, die die Politik lösen muss, dass es sozial abgefedert ist, dass nicht diejenigen überbleiben, die eben keine Einkommenssteuer zahlen. Das ist vollkommen klar.
Das Grundproblem in der österreichischen Klimapolitik ist aber die Angst, einmal auszusprechen, was es braucht, und dann einen wirklich großen Schritt zu gehen. – Das ist das, was mir auch jetzt zwischen Türkis und Grün ehrlicherweise fehlt.
Moderator Gerald Groß: Herr Rauch.
Walter Rauch (FPÖ): Also wenn Kollege Schmuckenschlager sagt, dass der aktuelle Finanzminister diese ökosoziale Steuerreform ins Laufen bringt, dann bezweifle ich das einmal aufs Grundsätzlichste. Also da bin ich mir nicht sicher, ob die Kompetenzen an der richtigen Stelle sind. – Das ist einmal der erste Punkt.
Der zweite: Die Debatte darüber, dass die Treibstoffe zu billig sind, und da diese – was die Grünen immer gerne ins Rennen bringen – regulierenden Maßnahmen einzusetzen, ist für mich dementsprechend unsozial. Warum ist es unsozial? – Weil natürlich viele Menschen in Österreich, vor allem im ländlichen Bereich, auf das Auto angewiesen sind. Es gibt natürlich alternative Formen, die aber auf europäischer Ebene unterbunden werden. Diese E-Fuels, synthetische Kraftstoffe, die nicht zugelassen werden auf der einen Seite, die natürlich einen wesentlichen Beitrag dazu leisten würden, die Treibhausgase und den CO2-Ausstoß dementsprechend hintanzuhalten. Und die Forderung nach 50-prozentiger Erhöhung der Mineralölsteuer, die da vonseiten des Entwurfs Ihrer Ministerin herausgesickert ist, ist dermaßen nicht durchdacht, denn es braucht insgesamt ein Gesamtkonzept.
Im Endeffekt geht es darum – ich habe das auch Ihnen beiden schon öfters gesagt –: Man muss den öffentlichen Verkehr zuerst einmal so ausbauen, dass es eine Alternative gibt. Diese Alternative gibt es für die Bürger nicht – das ist das Grundproblem. Man braucht eine Alternative, um dementsprechend auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen – dann kann man natürlich steuerlich etwas regulieren und etwas vorantreiben. In der aktuellen Situation sind wir nicht in der Lage, den Menschen vor Ort außerhalb von Wien ein öffentliches Verkehrsnetz anzubieten, um sie von A nach B, zu ihrem Arbeitsplatz und wieder zurück zu bringen. Dazu fehlen mir die Konzepte. Es gibt viele Ankündigungen, aber in keinster Art und Weise Umsetzungen.
Nur noch ein kurzes Beispiel: Es gibt zum Beispiel dieses 1-2-3-Ticket. Der einzige Faktor, der bis jetzt in diesem Bereich umgesetzt wurde, ist, dass durch einen Antrag der Ministerin eine GmbH gegründet wurde, die jetzt einzig und allein darstellt, dass es eine GmbH gibt, die das Dreierticket umsetzen kann, aber es gibt weder ein Konzept noch eine Struktur, noch sind die Länder im Boot.
Moderator Gerald Groß: Frau Herr, Sie haben einmal gesagt: Die beste Umweltpolitik ist eine soziale Umweltpolitik!, aber wie kann denn sozialer Klimaschutz konkret ausschauen? Es kann ja auch nicht so sein, dass ausschließlich die Wirtschaft, die Industrie dann die Zeche zahlt. Sie haben auch nichts davon, wenn dann die Arbeitsplätze verlorengehen.
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Absolut – also diese Transformation, von der wir auch vorhin im Beitrag gehört haben, ist notwendig, um unsere Industrie zu halten. Wir können bei der Automobilindustrie zuschauen: Dort hat man verschlafen, in nicht fossile Antriebssysteme zu investieren. Jetzt ist man hintennach, jetzt sehen wir, dass der europäische Standort ganz einfach gefährdet ist. Man darf diese Trends nicht verschlafen.
Natürlich muss man das auch von der öffentlichen Seite unterstützen. Wir fordern beispielsweise einen Transformationsfonds, um die Industrie, die es in Österreich gibt – das sind oft auch gut bezahlte Arbeitsplätze –, dabei zu unterstützen, diese Transformation zu machen. Beispielsweise hat die Voest schon Konzepte: Wie könnte eine CO2-neutrale Voest ausschauen? Dafür werden wir in den nächsten Jahren Milliarden brauchen. Jetzt aber nicht zu investieren wäre das Teuerste, was wir überhaupt machen können. Einerseits sind die Kredite gerade wirklich extrem günstig, und zweitens hat uns, wie schon gesagt, der Rechnungshof vorgerechnet: Wenn wir jetzt nicht investieren, wenn wir jetzt nicht CO2 reduzieren, müssen wir ohnehin 9 Milliarden Euro Strafzahlungen an die EU-Kommission leisten. Da investieren wir sie doch lieber gleich und transformieren unsere Industrie. Das heißt, das ist ein ganz klarer Punkt.
Wir können durch Klimaschutzmaßnahmen auch neue Arbeitsplätze schaffen. Sämtliche Klimaschutzmaßnahmen sind Punkte, bei denen die Wertschöpfung vor Ort passiert: Der Elektriker, die Elektrikerin erzielt tatsächlich beim Installieren vor Ort die Wertschöpfung. Das heißt, das sind wichtige Punkte.
Lassen Sie mich aber noch auf die Debatte von vorhin zur CO2-Steuer eingehen! Klar ist: Die CO2-Steuer setzt immer dann an, wenn das Produkt schon erstellt ist. Dann kommt der Preisaufschlag dazu und trifft den Konsumenten und die Konsumentin. Sinnvoll ist die CO2-Steuer nur, wenn damit wirklich ein Lenkungseffekt erzielt werden kann, also dass sich der Konsument oder die Konsumentin denkt: Nein, ich nehme nicht Produkt A, ich nehme Produkt B, da spare ich mir etwas, das ist ja auch besser für das Klima und deshalb billiger. – Wenn diese Alternative nicht da ist – da bin ich bei Kollegen Rauch –, dann ist es sehr schwer, umzusteigen. Das bedeutet: Eine CO2-Steuer muss mit massiven Investitionen in die Infrastruktur gekoppelt sein, damit sie sinnvoll sein kann, damit sie einen Lenkungseffekt erzielt, und – ich komme schon zum Punkt – sie muss sozial gerecht gestaltet sein.
Das Inequality-Institut an der Wirtschaftsuniversität Wien hat errechnet: Eine CO2-Bepreisung trifft die untersten 10 Prozent, was das Einkommen betrifft, viermal so hart wie die obersten 10 Prozent. Ohne begleitende soziale Maßnahmen ist eine CO2-Steuer ein Umverteilungsprojekt. Das heißt, es braucht – ich nenne ein konkretes Beispiel, weil Sie es mit den 50 Euro vorhin ins Spiel gebracht haben –: Sollte eine Bepreisung von 50 Euro kommen, hat die Arbeiterkammer einen Vorschlag errechnet, dass pro Person ein Bonus direkt zurückgegeben werden muss – mindestens 150 Euro pro Person und dann auch noch pro Kind die Hälfte oder eigentlich mehr. Das heißt, da wären wir bei einer vierköpfigen Familie bei einer Rückvergütung von fast 500 Euro.
Das braucht es aber – entschuldigen Sie, jetzt wirklich der letzte Satz –, um das zu erfüllen, was auch Vizekanzler Kogler versprochen hat, nämlich dass nach einer ökosozialen Steuerreform die unteren zwei Drittel der Haushalte besser aussteigen als davor. Das muss passieren, und das ist auch die einzige Möglichkeit, dass die SPÖ so einer Reform zustimmt: wenn wir die soziale Gerechtigkeit und den Klimaschutz erhöhen – allem anderen nicht.
Moderator Gerald Groß: Vielen Dank – ich glaube, so einen Bonus, den Sie angesprochen haben, gibt es ja auch zum Beispiel in der Schweiz, wenn ich das richtig recherchiert habe.
Herr Hammer, Sie wollten etwas dazu sagen: Wenn noch etwas unter den Nägeln brennt, dann bitte ganz kurz, denn ich möchte dazu noch einmal zu Marcus Wadsak kommen. – Bitte, Herr Hammer, ganz kurz.
Lukas Hammer (Grüne): Ich wollte nur kurz etwas sagen, weil es mich ärgert. Die Kollegen sprechen davon, Alternativen zu schaffen, und haben wahrscheinlich verschlafen, dass wir vor Kurzem das größte Bahnausbaupaket der Geschichte dieser Republik beschlossen haben: 17,5 Milliarden Euro für die nächsten sechs Jahre. Wir reden seit 30 oder 35 Jahren über die ökosoziale Steuerreform. Immer wurde sie verhindert oder nicht umgesetzt, weil davor gewarnt und Angst davor gemacht wurde, dass unser Land in Armut und Elend versinken würde, wenn wir die Klimafolgekosten und Umweltfolgekosten bepreisen. Jedes Konzept einer CO2-Bepreisung, einer ökosozialen Steuerreform – und nichts anderes haben wir beschlossen und werden wir auch umsetzen – geht aber immer davon aus, dass man CO2-Emissionen bepreist, und zwar immer so, dass die Einnahmen dann wieder an die Bevölkerung und an die Unternehmen zurückfließen. Es gibt kein anderes ökosoziales Konzept, als dass diese Einnahmen zurück - -
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge.
Lukas Hammer (Grüne): Auch in der wissenschaftlichen Literatur ist diese Diskussion abgeschlossen. Es wird immer wieder davor gewarnt, dass da jetzt die Armut über das Land hereinbrechen würde. Ich möchte zu unserem Modell wirklich sagen – selbstverständlich –: Wir schlagen einen Ökobonus vor, aber da geht es wirklich darum, dass die Leute, die eh schon wenig haben, am Ende sogar mehr haben.
Moderator Gerald Groß: Gut, bei uns ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen, trotzdem muss ich auf die Zeit schauen und um ganz, ganz kurze Erwiderungen bitten. – Frau Herr, wirklich nur einen Satz.
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Ich wollte nur sagen, dass wir da absolut nicht die Verhinderer sind – weil Lukas Hammer jetzt in meine Richtung gesprochen hat. Wir haben ja – zum Beispiel die Arbeiterkammer – einen Vorschlag errechnet, wie eine sozial gerechte CO2-Steuer ausschauen könnte. Das ist möglich, und wenn sie sozial gerecht ist, sind wir an Bord, nur wenn nicht – da gibt es auch Vorschläge, was zum Beispiel die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge betrifft; das wäre für die arbeitenden Menschen schon ein Verlust –, wären wir nicht dabei, und das muss man klar sagen können.
Moderator Gerald Groß: Okay. – Herr Schmuckenschlager.
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich glaube – bei der gesamten Steuerkulisse –, wenn man es schafft, Lohnnebenkosten zu senken, dann ist das natürlich ein Vorteil für den Standort und damit auch für die Arbeitnehmer, das ist gar kein Thema. Die Frage ist da auch wirklich nicht, einen gesellschaftlichen Sandwich zu entwickeln: dass man irgendwo eine Bevölkerungsgruppe so wie jetzt schon den Mittelstand hat, die die ganze Zeche zahlt, und man unten und oben draufdrückt. Dann werden wir es nicht zustande bringen. Wir müssen darauf schauen, Potenziale zu heben, erneuerbare Energien entsprechend auszubauen. Das haben wir ja im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auch drinnen. Was wir am Tisch liegen haben, wird gewaltig, und ich hoffe dabei auch auf die Zustimmung – wir brauchen ja eine Zweidrittelmehrheit im Parlament –, denn dann schaffen wir es mit erneuerbaren Energien – Fotovoltaik, Wasserkraft, Windkraft, biogene Rohstoffe –, dass wir wirklich Energie im eigenen Land produzieren und damit auch volkswirtschaftlich einen Vorteil für uns erwirtschaften.
Moderator Gerald Groß: Okay. – Herr Bernhard, auch noch einen kurzen Satz – also einen Michael-Bernhard-Satz, nicht einen Thomas-Bernhard-Satz.
Michael Bernhard (NEOS): Weil bei einer ökosozialen Steuerreform immer zwischen den arbeitenden Menschen und der Wirtschaft unterschieden wird: Die arbeitenden Menschen sind auch gleich die Wirtschaft. Wir reden von Hunderttausenden Unternehmerinnen und Unternehmern, die von einer ökosozialen Steuerreform ja auch profitieren, und ich bin sehr dafür, dass wir dieses Ausspielen, bei dem es um alte Feindbilder geht, sein lassen und dass man die Wirtschaft bei der Bekämpfung des Klimawandels einfach als zentrales Element der Lösung sieht. Da steckt viel Innovation und Kraft drinnen, die wir erst befreien müssen.
Moderator Gerald Groß: Abschließend, Herr Rauch.
Walter Rauch (FPÖ): Ganz abschließend zu dem Thema: Es gibt natürlich Lösungen, die man gemeinsam erzielen kann und muss, aber noch einmal zu dir, Lukas Hammer: Wenn man 17 Milliarden Euro betreffend des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs, bezüglich des Bahnprojektes ins Rennen bringt, weiß ich genau, dass es mindestens 20, 30 Jahre braucht, um das umzusetzen.
Lukas Hammer (Grüne): Sechs Jahre!
Walter Rauch (FPÖ): Ja, das ist ein ambitioniertes Ziel, das mag jetzt angekündigt sein, der Punkt ist nur der: Man braucht das am Land, man braucht die Alternativen, bevor man die Menschen belastet, und das muss im Endeffekt hängenbleiben.
Moderator Gerald Groß: Vielen Dank. – Marcus Wadsak, Sie haben vorhin so schön beschrieben, was da alles passiert und was da im Gange ist, und es ist in der Tat bedrohlich. Was sind denn die Folgen dessen, was Sie da beschrieben haben? Ist jeder Waldbrand, jede Überschwemmung, jeder schneearme Winter, ja jede Wetterkapriole eine Folge des Klimawandels?
Mag. Marcus Wadsak: Nein, natürlich nicht. Wir haben Wetter, das wechselhaft ist, das war es schon immer. Was wir aber sehen, ist eine Häufung von solchen Ereignissen: von Überflutungen, von Dürren – 2018 war das heißeste Jahr in Österreich überhaupt. Diese Häufung dieser Ereignisse, auch wenn Österreich - - Wir können uns die wärmsten Jahre in Österreich anschauen. (Im Folgenden werden die Ausführungen durch ein eingespieltes Diagramm unterstützt.) Das ist eine spannende Grafik, die wir vorbereitet haben. Wenn wir die zehn wärmsten Jahre in Österreich betrachten, dann erkennen wir, dass wir sie alle, glaube ich, erlebt haben. Es gibt 250 Jahre, in denen wir gemessen haben, und von den wärmsten zehn Jahren sind neun seit 2000 aufgetreten, nur eines davor – das war 1994. Also jeder, der 26 Jahre ist, war dabei. Es ist unwahrscheinlich, dass das natürlich ist – das machen wir.
Das sind die Katastrophen, die Folgen. Das betrifft, wie gesagt, die Landwirtschaft. Wir haben es voriges Jahr gelesen: Der Veltliner verschwindet – logischerweise. Wenn es von Süden wärmer wird, kommt vielleicht irgendwann einmal ein Rotwein aus Italien, aber der Grüne Veltliner wird sich nach Deutschland zurückziehen. Das ist eine Folge.
Moderator Gerald Groß: Das trifft den Präsidenten (in Richtung Schmuckenschlager) natürlich in besonderer Weise, weil er auch Weinbauer ist.
Mag. Marcus Wadsak: Die Landwirtschaft ist da wirklich massiv herausgefordert, aber das geht viel weiter auf unsere Gesundheit: Hitzeassoziierte Übersterblichkeit – wir haben in der Pandemie über Übersterblichkeit gelernt. 2003, das war dieser Jahrhundertsommer in Europa, sind 70 000 Menschen infolge der Hitze gestorben – 70 000 Menschen. Wir haben das auch in Österreich. Wir tun immer so, als wäre der Klimawandel zeitlich und geografisch weit weg – er findet hier und jetzt statt. 2015 waren es in Österreich 1 000 Menschen, die frühzeitig aus dem Leben gerissen wurden, weil sie mit der Hitze nicht mehr klargekommen sind. Und nein, das war früher nicht so, das ist neu, und das ist gefährlich. Da geht es um eine saubere, um eine schöne Zukunft, auch für den Tourismus. Es geht um den Wintertourismus genauso wie den Sommertourismus. Das soll ja attraktiv bleiben, da müssen wir etwas tun.
Ich habe ja von allen Seiten – das ist ja so schön – die richtigen Botschaften gehört, und das ist vielleicht der Appell in meinen letzten Worten: Es braucht etwas wie bei der Pandemie. Am Anfang haben Sie das alle zusammengebracht, Sie haben diese Gefahr erkannt, als Corona auf uns zugerast ist, und es gab einen parteiübergreifenden Schulterschluss. Ich sage Ihnen hier: Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Klimawandel eine größere Bedrohung. Er ist die größte Bedrohung, die wir in diesem Jahrhundert stemmen müssen. Wir haben keine Zeit mehr, zu diskutieren. Es wird kein Entweder-oder geben, es braucht alles, es braucht jeden, den Kleinen wie die Großen, Wulkaprodersdorf wie China. Wir brauchen alle, die mittun, damit wir erfolgreich die Pariser Ziele erreichen, die wir unterschrieben haben – wir haben uns dazu verpflichtet. Wir haben es auch schon gehört: Wir haben noch sieben Jahre Zeit. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann haben wir es verspielt, dann überschreiten wir Kippunkte, dann kommen Selbstverstärkungsmechanismen zum Tragen, dann können wir die globale Erwärmung nicht mehr stoppen. Noch können wir das – das ist wissenschaftlich.
Moderator Gerald Groß: Auf ORF Science habe ich heute gelesen: Wenn sich zum Beispiel im Bereich Verkehr nichts tut, dann haben wir 2050, glaube ich, in diesem Bereich eine Verdopplung des CO2-Ausstoßes.
Mag. Marcus Wadsak: Ja, das ist, glaube ich, für Österreich die größte Herausforderung: der Verkehr. Wir haben im Verkehr immer noch – gegen das Klimaschutzgesetz verstoßend – steigende Emissionen. Das ist wirklich nicht mehr nötig. Wir haben auch eine Grafik, wie die Realität ausschaut. (Im Folgenden werden die Ausführungen durch ein eingespieltes Diagramm unterstützt.) Wir bauen Autobahnen und Schnellstraßen aus, als gäbe es kein Morgen – noch immer für Benzin- und Dieselautos. Wir wollen, dass die Leute auf Öffis umsteigen, am besten mit 1-2-3-Tickets, aber wie schaut es tatsächlich aus? – Das Schienennetz wird zurückgefahren. Das heißt, wir brauchen mehr öffentliche Verkehrsmittel, wir brauchen weniger Verkehr auf den Straßen. Auch in den Städten: Wir brauchen die Plätze für Begrünung, für Kühlung, einfach auch wieder für schönes Leben. Es geht um eine positive und schöne Zukunft.
Vielleicht noch eine Idee: Es war eine der größten Umfragen, die es überhaupt jemals gegeben hat. Eine Million Menschen wurden gefragt, und zwei Drittel der globalen Menschheit finden den Klimawandel einen globalen Notfall. Gehen Sie her und zeichnen Sie diese positive Zukunft! Unsere Welt ist so schön, Österreich ist ein wunderbares Land, und das gilt es zu erhalten. Sie haben Ihre Wähler bei sich, ganz egal welche Partei. Die Menschen fordern von Ihnen ein, dass Sie darauf schauen, dass unser Leben auch in Zukunft schön und sogar noch besser wird. Man kann den Menschen auch ehrlich sagen: Wir haben etwas in zehn bis 20 Jahren vor. – Es ist ambitioniert, 2040 klimaneutral zu sein, das verlangt große Änderungen, das verlangt auch steuerliche Maßnahmen. Seien Sie ehrlich und sagen Sie jetzt, was in Zukunft kommt, damit sich die Menschen auch darauf einstellen können! Die wollen dann in zehn Jahren nicht dumm schauen, wenn sie kein Benzin- und Dieselauto mehr loswerden können oder gerade eines gekauft haben und Benzin und Diesel nicht mehr tanken dürfen – denn das wird es nicht mehr geben.
Seien Sie ehrlich, seien Sie mutig! Es ist dringend, und es ist eine große Herausforderung, die wir nur gemeinsam schaffen können.
Moderator Gerald Groß: Vielen Dank, Marcus Wadsak!
Meistens blicken wir ja nach Skandinavien, wenn es um sogenannte Best-Practice-Beispiele geht, dabei liegt das Gute – auch in diesem Fall – oft so nah, zum Beispiel in der Oststeiermark. Dort gibt es die Ökoregion Kaindorf. Dort wird Klimaschutz gelebt, vom Kindergarten bis zum Supermarkt. Mein Kollege Alexander Millecker hat sich in der Region umgesehen.
*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Für die Alpakas auf dem Bauernhof im steirischen Hartl ist es mittlerweile ein gewohnter Anblick: Landwirt Josef Radl bringt das Futter mit dem Elektro-Tuk-Tuk statt mit dem Traktor vorbei.
Josef Radl (Landwirt): Wir haben uns das Elektro-Tuk-Tuk als Erste angeschafft, weil es mit Strom betrieben wird und weil wir kurze Arbeitswege mit diesem Lastenfahrrad erledigen und uns dadurch sehr viele Treibstoffkosten ersparen.
Sprecher: Und umweltfreundlicher ist es auch. Der Landwirt spart dadurch jeden Tag rund 2 Liter Diesel ein. Josef Radl lebt in der Ökoregion Kaindorf, deren Ziel die Klimaneutralität ist. Die Elektro-Tuk-Tuks werden zentral eingekauft und zu günstigen Preisen an die Interessenten weitergegeben. Aber auch das Kaindorfer Humusprojekt ist für den Gemüsebauern ein wichtiger Schritt. Der Boden wird saniert. Durch den Aufbau von Humus entweicht weniger CO2 in die Atmosphäre, weil es im Boden gespeichert wird. Aber nicht nur die Landwirte machen bei dem großen Projekt Klimaneutralität mit.
Lilli (Schülerin): Für mich bedeutet das, dass man immer, meistens - - Man sollte nicht den Müll auf den Boden werfen, sondern in den Mistkübel, und wenn Müll da ist, sollte man Müll sammeln gehen.
Emma (Schülerin): Also wir tun nicht so viel kaufen, und wir verwenden auch manche Sachen wieder.
Killian (Schüler): Weniger Auto fahren, mehr Radl fahren, Müll sammeln.
Sprecher: Umweltschutz beginnt bei den Kleinen. In der Schule wird den Kindern mit verschiedenen Projekten vermittelt, wie sie die Umwelt schützen können.
Heike Fasching (Direktorin Volksschule Ebersdorf): Da werden junge Energiespardetektive ausgebildet, die schauen, dass wirklich Energie gespart wird: dass die Heizkörper abgedreht sind, dass Lichtquellen nicht unnötig betätigt werden. Kinder für Kinder – die größeren bilden die kleineren aus, und so sollte sich das Wissen fortpflanzen.
Sprecher: Schulhefte werden zentral eingekauft. Jedes Kind bekommt eine plastikfreie Jausenbox. Die Schule achtet bei Anschaffungen auf Nachhaltigkeit – vom Reinigungsmittel bis zum Kopierpapier. Von der Schule breitet sich der Umweltgedanke weiter aus.
Heike Fasching: Wir müssen auch die Eltern mit ins Boot nehmen, und mir wurde auch schon von Diskussionen erzählt, die Kinder dann beim Einkaufen mit ihren Eltern führen, ob gewisse Waren gekauft werden oder nicht, weil die Kinder eben Bedenken haben: dass sie in Plastik verpackt sind oder zum Beispiel, punkto Palmöl, dass gewisse Haselnusscremen mit Palmöl versetzt sind. Das wollten die Kinder dann nicht mehr haben, und das erklären sie dann beim Einkaufen den Eltern.
Sprecher: Plastiksackerl gibt es im Supermarkt in Kaindorf schon lange keine mehr.
Birgit Rodler (Nah und Frisch Kaindorf): Seit fast zwölf Jahren sind wir Ökoregion, und da ist auf Plastiksackerlfreiheit viel Wert gelegt worden. Wir waren da von Anfang an dabei, und auch von den Kunden ist das sofort gut angenommen worden. Mittlerweile kann ich sagen, dass meine Kunden schon mit dem Korb einkaufen kommen und dass wir schon sehr nachhaltig arbeiten.
Sprecher: Margit Krobath ist die Modellregionenmanagerin.
Margit Krobath (Ökoregion Kaindorf): Die Ökoregion Kaindorf an sich ist einmal sowieso ein Zusammenschluss von drei Gemeinden, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Region CO2-neutral zu machen.
Sprecher: Um das zu erreichen, werden unter anderem Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern an Fotovoltaikanlagen gefördert und Gewinnspiele zum Umstieg auf das Fahrrad oder als Motivation zum Verzicht auf Einwegsackerl abgehalten. Die Region bezieht ausschließlich Ökostrom. Ein Projekt ist auch der Secondhandshop für Kindersachen. Damit nicht so viel neue Kleidung gekauft werden muss, gibt es im Green Shop die Möglichkeit, Gebrauchtes zu erwerben. Das soll jetzt auf Elektrogeräte ausgedehnt werden.
Margit Krobath: Wir haben in den letzten zwei Jahren festgestellt: Es wurden extrem viele Keller geräumt oder einfach auch Wohnungen saniert. Der Elektroabfall hat sich um 40 Prozent gesteigert. Wir haben da natürlich auch mit den Abfallzentren in der Region Rücksprache gehalten. Da wurden wirklich Geräte weggeschmissen, die tadellos und in Ordnung sind. Die wollen wir ganz einfach wieder in Umlauf bringen, weil eine dieser Säulen ist, nicht neu zu kaufen, sondern auch Vintage – Altes – zu verwenden und da extrem viele Ressourcen zu sparen.
Sprecher: In den Arbeitsgruppen der Gemeinde entstehen immer mehr Ideen, wie man die Region weiter in Richtung CO2-Neutralität bringen kann. Ganz besonders engagiert ist aber eine Gruppe.
Heike Fasching: Die haben Kinder verstanden, dass es da um ihre Zukunft geht. Das ist ihre Welt, ihre Erde, und sie wollen sie so behalten, wie sie ist.
*****
Moderator Gerald Groß: Ich begrüße jetzt im Politik-am-Ring-Studio Frau Katharina Rogenhofer. Sie hat Biologie in Wien und Oxford studiert, war Mitbegründerin von Fridays for Future in Österreich und ist seit März 2019 Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Schönen guten Abend, danke, dass Sie gekommen sind!
Katharina Rogenhofer, MA: Danke für die Einladung!
Moderator Gerald Groß: Frau Rogenhofer, Sie haben einmal gesagt, Politikerinnen und Politiker sind gut beim Versprechen, lassen aber bei der Umsetzung dieser Versprechen oft nach. Also nur noch mehr heiße Luft vonseiten der Politik? Ich hoffe, Sie haben von der bisherigen Diskussion heute nicht auch diesen Eindruck.
Katharina Rogenhofer, MA (Klimavolksbegehren): Ich muss an Marcus Wadsak anschließen, ich glaube, dass wir weiter sein sollten als über allgemeine Maßnahmen zu reden. Dass es eine ökosoziale Steuerreform braucht, das ist, glaube ich, schon seit Jahrzehnten klar – Sie haben es selber gesagt –, über die Lenkungswirkung sind sich auch Ökonominnen und Ökonomen einig. Wir wissen, dass wir einen Ausbau der Öffis brauchen, wir wissen, dass wir Alternativen für alle Regionen brauchen, wir wissen, dass im Strombereich und in den Energiebereichen auf Erneuerbare umzusteigen ist.
Die wichtigen Schritte dafür sind aber noch nicht gesetzt. Das passiert in vielen Ländern. Manchmal kommt es mir vor wie auf einem Markt: Alle kommen mit ihren Zielversprechen her und überbieten sich – Klimaneutralität 2040, Klimaneutralität 2035 in Dänemark –, aber es ist wichtig, dass auch Schritte in diese Richtung gesetzt werden, sonst ist es irgendwie wie wenn man sich das Ziel vornimmt, einen Marathon zu laufen, aber nicht bereit ist, einen ersten Schritt zu machen.
Moderator Gerald Groß: Das Klimavolksbegehren wurde von, glaube ich, 380 000 Österreicherinnen und Österreichern unterzeichnet und hat zu einem Entschließungsantrag im Parlament geführt, das haben wir heute schon besprochen. Der Haken an der Sache: Ein Entschließungsantrag ist laut Definition eine parlamentarische Handlungsform, mit der das Parlament unter anderem die Regierung auffordert, etwas Bestimmtes beim Vollzug eines Gesetzes zu tun, also eigentlich ein zahnloser Papiertiger.
Katharina Rogenhofer, MA: Es sind ein bissel die Mühen der Ebenen der Politik. Vorhin haben wir das Regierungsprogramm thematisiert, das ist noch weniger als eine Handlungsaufforderung, das ist quasi eine Selbstverschreibung der Regierung. Zuerst waren wir im Parlament, jetzt sind wir einen Schritt weiter: Es liegt ein Antrag vor, der über das Regierungsprogramm hinausgeht.
Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt: Das Klimavolksbegehren hat gezeigt, dass es auch weitere Schritte geben kann, die über das Regierungsprogramm hinausgehen. Jetzt stellt sich eben die wichtige Frage: Wird das alles im Klimaschutzgesetz umgesetzt und wirklich in legistische Texte gegossen? – Erst dann ist es verbindlich, so wie Sie selber gesagt haben. Ein Antrag ist eine erste Handlungsaufforderung, aber wirklich wirkungsvoll ist erst ein Gesetz.
Moderator Gerald Groß: Was wäre der wichtigste dieser Punkte? Einiges ist ja heute bereits angesprochen worden. Herr Hammer etwa hat den Klimarat angesprochen, 100 repräsentativ ausgewählte BürgerInnen machen Vorschläge für Klimaneutralität bis 2040. Kann das funktionieren?
Katharina Rogenhofer, MA: Das kann funktionieren. Man sieht auch in anderen Ländern, dass KlimabürgerInnenräte sehr gut funktionieren, aber erst dann, wenn man sie wirklich miteinbezieht. Das soll also nicht zu Pseudopartizipation verkommen, sondern da sollen wirklich repräsentativ ausgewählte BürgerInnen befragt werden, und dann auch in die Arbeit der Regierung miteinbezogen werden.
Sie haben gefragt, was das Wichtigste ist: Das Wichtigste ist tatsächlich ein CO2-Budget festzulegen, einen Reduktionspfad, der dann auch eingehalten wird – wir halten ja unsere Reduktionspfade nicht ein. Dafür muss es Rechtssicherheit geben. Das ist ein schwieriges Wort, aber das heißt im Endeffekt, dass ich als Bürgerin das Recht darauf habe, dass meine Regierung ihre gesetzten Ziele und Gesetze auch einhält, und das ist etwas, was zum Beispiel im alten Klimaschutzgesetz viel zu wenig vorkommt. Es ist wichtig, dass diese Rechtssicherheit für BürgerInnen gegeben ist, damit Nichthandeln eines Staates nicht mehr drinnen ist.
Moderator Gerald Groß: Es ist auch das Thema Klimaverantwortlichkeitsfonds – der Name ist etwas sperrig – bereits angesprochen worden, in den Bund und Länder zur Finanzierung von Investitionen einzahlen, um eben genau eines zu verhindern, was sonst drohen würde, nämlich den Kauf von teuren CO2-Zertifikaten. Das wäre doch sinnvoll, oder?
Katharina Rogenhofer, MA: Das wäre, glaube ich, sehr sinnvoll. Es ist auch wichtig, Bund und Ländern verschiedene Verantwortlichkeiten zuzuweisen. Gesetze werden ja auf verschiedenen Ebenen geschrieben, die Raumplanung zum Beispiel, die im Klimaschutz sehr wichtig ist, ist Sache der Länder.
Ich glaube, bevor wir überhaupt finanzielle Mechanismen besprechen, müssen wir unsere Ziele ja erst einmal einhalten, und dafür braucht es Maßnahmenprogramme, die zeigen: Mit diesen Maßnahmen erreiche ich auch die Ziele! Wenn ich dann trotzdem darüber bin, dann muss es sofort Programme geben, die wirklich wirken, weil das, was der finanzielle Mechanismus zwar tut, ist, zu investieren. Das sind aber alles nur Mechanismen, die wir brauchen, wenn wir unsere Ziele nicht einhalten. Ich hoffe ja, das Ziel des Klimaschutzgesetzes ist es, unsere Klimaziele einzuhalten.
Moderator Gerald Groß: Ich möchte die Abgeordneten Julia Herr und Walter Rauch fragen, warum sie beide dieser Entschließung ihre Zustimmung verweigert haben. Was ist so schlecht daran?
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Na ja, wir haben, bevor der Antrag vorgelegen ist, klar gesagt, dass wir wollen, dass er über das Regierungsprogramm hinausgeht, nicht nur in Absichtserklärungen, sondern auch mit Fristen, beispielsweise: Bis wann wird etwas umgesetzt?, oder: Wie konkret wird etwas umgesetzt? Der Antrag, der dann da war, geht in einigen wenigen Punkten über das Regierungsprogramm hinaus, bleibt aber fast überall Fristen schuldig.
Klar ist, dass das, was wir jetzt beschlossen haben, schon längst überfällig ist. Es ist 2021, wir haben kein Klimaschutzgesetz, wir haben derzeit, glaube ich, als einziges Land in der EU keine konkreten Ziele für keine Branche. Wir wussten, vor über einem Jahr, im März letzten Jahres, hätten die Ziele eigentlich schon stehen sollen. Einige Punkte in diesem Antrag – der ohne unsere Stimmen neu beschlossen wurde – hatten wir zum Beispiel davor schon beschlossen, den Klimacheck beispielsweise. Es geht im Klimaschutz eben nicht nur darum, Ankündigungen auf den Tisch zu legen, sondern dann auch die Umsetzung durchzuführen. Ich kann Ihnen sagen, wir haben schon vor über einem Jahr im Umweltausschuss einige Dinge beschlossen, auf deren Umsetzung wir noch warten.
Wir als SPÖ sind aber konstruktive Partner und Partnerinnen, wir wissen auch, dass das Klimaschutzgesetz, so wie es derzeit scheinbar geplant ist, eine Zweidrittelmaterie ist. Auch wir sehen die Klimaneutralität als alternativlos an. Das heißt, auch wir sind der Meinung, es braucht einen klaren Pfad: Wie schaffen wir es, 2040 CO2-neutral zu sein? Wer ist dafür verantwortlich? Es ist klar, dass es einen Mechanismus braucht und auch jeweils definierte Ziele für die Branchen.
Wir sind da sicher nicht die Verhinderer. Wir sagen nur, und auch da kann ich unsere Position ergänzen, dass das sozial gerecht gestaltet werden muss, denn sonst besteht wirklich die große Gefahr, dass verschiedenste Maßnahmen zu einer weiteren Verteilung zwischen Arm und Reich führen können, und das wollen wir ja nicht. Diese Reformen, die kommen, sollen eigentlich zu mehr Gerechtigkeit sowohl im Klimabereich als auch generell in unserer Gesellschaft führen. Es geht da auch um eine Umgestaltung, die zum Beispiel durch mehr Mobilität mehr Freiheit braucht. Ich glaube, diese Transformation, vor der wir stehen, ist eine sehr breite, und da müssen immer die sozialen Punkte mitgedacht werden. Wir haben auch Anträge eingebracht, die weiter gegangen wären, das ist einfach der Schwerpunkt der SPÖ. Ich denke, es ist möglich, wir können durch sozial gerechten Klimaschutz mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Moderator Gerald Groß: Herr Rauch, ich komme gleich zu Ihnen. Lassen Sie mich vielleicht nur noch ganz kurz Frau Rogenhofer fragen, was sie davon hält, ökologisch versus sozial – ich nenne es jetzt so – auszuspielen.
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Wir spielen es nicht aus. Ich sage, es braucht beides, es muss Hand in Hand gehen. Es ist kein Ausspielen, das ist mir wichtig zu betonen. Es ist einfach beides möglich, aber es ist nicht bei der Umsetzung einer jeden Maßnahme automatisch garantiert, dass sie auch sozial gerecht wird. Man muss beides beobachten, beispielsweise auch viele Fridays-for-Future-AktivistInnen, mit denen ich spreche, haben erkannt, dass es nicht um Einzelmaßnahmen geht, die nur im Umweltbereich zu setzen sind. Die Maßnahmen haben Einfluss auf alle Lebensbereiche, und deshalb müssen sie auch sozial gerecht gestaltet werden.
Katharina Rogenhofer, MA: Ich glaube, es geht da tatsächlich – das hat auch Marcus Wadsak gesagt – um konstruktive Zusammenarbeit. Ich glaube, wir können die Klimakrise nicht mehr verhindern, wenn wir nicht wirklich handeln. Trotzdem sage ich –da bin ich ganz bei Julia Herr –, dass das natürlich zusammen gedacht werden muss. Natürlich darf das nicht auf Geringverdienende gehen, die keine Alternative haben; das darf sie nicht belasten. Für all das gibt es aber schon Konzepte. Eine ökosoziale Steuerreform, wie vorher angesprochen, wird von niemandem mehr – oder niemandem, den ich in der Klimapolitik als wichtige Stimme erkenne – als etwas dargestellt, das nur CO2 bepreist. Es gibt da immer einen Ausgleich, und ich glaube, wir müssen von der Diskussion weg, das gegeneinander auszuspielen. Wir müssen es überall miteinander denken.
Moderator Gerald Groß: Worauf ich auch hinauswollte, ist die Frage, ob Klimaschutz immer Verzicht bedeuten muss.
Katharina Rogenhofer, MA: Na ja, ich würde die Frage manchmal gern umdrehen und fragen: Worauf verzichten wir jetzt schon? Wir verzichten auf gute Luft in Städten, wir verzichten darauf, klimafreundlich von A nach B zu kommen, wir verzichten auf Grünflächen – das ist für mich Verzicht. Das könnten wir auf der anderen Seite gewinnen.
Ich glaube auch, dass man in dem Beitrag vorher gesehen hat, dass die Ökoregion Kaindorf eigentlich ja etwas Lustvolles ist, da kann man mit dem Radl herumfahren, da kann man Produkte aus der Region einkaufen gehen, die Bauern bauen mit dem Boden gemeinsam an, sie bauen da Humus auf und sind Teil der Lösung. Warum also sollte das nicht etwas Lustvolles sein?
Natürlich muss das Leben anders ausschauen. Ich glaube, da müssen wir auch alle so realistisch sein, wie Marcus Wadsak das vorher gesagt hat. Es wird nicht so sein wie jetzt, aber möglicherweise wird es in manchen Bereichen sogar genussvoller.
Moderator Gerald Groß: Herr Rauch, warum haben Sie dem Entschließungsantrag nicht zugestimmt?
Walter Rauch (FPÖ): Sie haben es ja zu Beginn anmoderiert: Es ist ein No-Na-Net-Antrag der beiden Regierungsparteien. Das hängt natürlich auch mit dem Regierungsprogramm insgesamt zusammen, denn am Beginn dieser Koalition hieß es: Das Beste aus beiden Welten!, und genau so wurde auch in diesem Bereich vorgegangen.
Die Oppositionsparteien wurden – ich glaube, ich spreche auch für alle anderen – in dem Bereich sehr, sehr wenig bis gar nicht eingebunden. Es war ja zuerst das Ansinnen, dieses Klimavolksbegehren in einem gemeinsamen Antrag zu behandeln, in dem sich alle Parteien wiederfinden. Das wurde von den Regierungsparteien relativ rasch ad acta gelegt, weil sie sich natürlich da oder dort nicht einig waren und sich auch gegenseitig blockiert haben, bis zur letzten Minute – um auch hier ein aktuelles Bild zu zeigen, wie es aktuell in der Koalition aussieht.
Auf der anderen Seite gab es diese Lippenbekenntnisse, die sie natürlich von sich geben: die ökosoziale Marktwirtschaft, Steuerreform. Dementsprechend ist es natürlich sehr, sehr schwer, auf einen Konsens zu kommen, weil die Oppositionsparteien in keinster Art und Weise eingebunden sind. Julia Herr hat das sehr treffend formuliert, und da stimme ich zu 100 Prozent mit ihr überein: Die soziale Ausgewogenheit ist in keinster Art und Weise abgebildet und spiegelt sich auch nicht wider.
Das fehlt uns auf allen Ebenen. Jeder gelernte Österreicher weiß, eine jede Steuerreform hat Mehrbelastungen gebracht, und ganz, ganz wenige haben Entlastungen gebracht. Ein Beispiel aus der aktuellen Coronakrise: Die größten Konzerne, die Millionen an Förderungen, an Staatssubventionen bekommen haben, zahlen 2 000 bis 3 000 Euro Steuern in Österreich – das nur als aktuelles Beispiel.
Moderator Gerald Groß: Herr Bernhard, die NEOS waren im Ausschuss noch gegen die Entschließung zum Klimavolksbegehren, im Plenum dann dafür. Was hat den Stimmungswandel herbeigeführt?
Michael Bernhard (NEOS): Die Stimmung war in beiden Fällen ident, nur das Ergebnis ein anderes. Was ist passiert? – Wir hatten die Situation, dass vonseiten der Regierung lautstark angekündigt worden ist, es wird Verhandlungen mit der Opposition und einen gemeinsamen Antrag geben. Das ist in der Form, wie es unsere Erwartungshaltung war, nicht passiert. Wir konnten unsere Vorschläge hinschicken. Man kann sagen, es wurde von NEOS, aber auch von der Sozialdemokratie durchaus etwas übernommen. Diese Ablehnung gemeinsamer Verhandlungen, sozusagen das Finden von gemeinsamen Positionen, hat im Ausschuss zu einer Konfrontation geführt, wo wir gesagt haben: Nein, wir können zu dem Zeitpunkt nicht zustimmen!
So, und jetzt kommt aber der zweite wichtige Punkt, wo wir NEOS uns von der restlichen Opposition unterscheiden. Man muss fast sagen, die Eitelkeit der Politik, gekränkt zu sein, muss zurückgestellt werden. Es braucht konstruktive Kräfte im Land, das ist ganz zentral, und deswegen haben wir bei der Abstimmung im Plenum gesagt: Natürlich gab es im Vorfeld Situationen, mit denen wir nicht zufrieden waren, aber der Entschließungsantrag ist ein guter Zwischenschritt, es sind mehr Punkte enthalten als im Regierungsprogramm und es geht grundsätzlich in die richtige Richtung!
Ganz zentral ist – das ist vorher von Herrn Wadsak gefallen, das hat jetzt auch Frau Rogenhofer gesagt –: Es geht darum, dass alle Fraktionen im Parlament grundsätzlich in der Frage, wie wir mit Klimapolitik umgehen, konstruktiv sind und sagen, in welche Richtung es gehen soll. Ja, wir als NEOS finden das ehrlicherweise oft furchtbar, wenn die Sozialdemokraten oder auch die Grünen die Klimapolitik verwenden, um Kapitalismuskritik zu äußern. Das sehen wir NEOS ganz anders, aber die Frage ist, wo denn die Schnittmenge ist. Die Schnittmenge ist, dass wir als Republik eine Klimapolitik machen, die planbar bis 2040 zu Klimaneutralität führt. Der Entschließungsantrag war ein Schritt in diese Richtung. Einfach nur dagegen zu sein, ist in einer Klimakrise zu wenig.
Moderator Gerald Groß: Klimaschutz wurde von dieser Regierung auf mehrere Ressorts aufgeteilt. Eigentlich ressortiert er ja bei Ministerin Köstinger, die aber auch gleichzeitig für die Landwirtschaft und für den Tourismus zuständig ist. Allein daraus könnten sich möglicherweise – wie soll man sagen – Schwierigkeiten ergeben.
Frau Gewessler von den Grünen sitzt in einem Superministerium, das natürlich in dieser Sache einen riesigen Hebel dafür hat. Manche sagen, sie hat einen Aufpasser von der ÖVP zur Seite bekommen, damit die Wirtschaft möglicherweise nicht zu kurz kommt. Und über allem, könnte man vielleicht sagen, sitzt dann noch der Finanzminister, der letztlich ja dafür sorgen muss, dass das Geld auch kommt. Ist in dieser Konstruktion nicht schon sozusagen ein gewisses Missverhältnis angelegt?
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich glaube, man könnte jeder Regierung unterstellen, dass am Ende des Tages der Finanzminister der Spielverderber ist, weil er nicht alles zur Verfügung stellt, aber ich glaube, die Konstellation ist eine sehr, sehr gute, weil die Hauptteile bei Bundesministerin Gewessler liegen. Sie hat mit dem Verkehrs- und Infrastrukturministerium auch wirklich viele Hebel in der Hand. Das hatten wir bisher nicht, dass Verkehr und Infrastruktur in einem Ministerium zusammengefasst sind, mit dem wir das auch vorantreiben können.
Staatssekretär Brunner ist eine der treibenden Kräfte betreffend erneuerbare Energien und Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Da wird gut zusammengearbeitet. Ich glaube, es ist wichtig, dass diese Ebenen miteinander können. Es ist nicht per se so, dass sie gegeneinander arbeiten müssen, und dass auch nicht prinzipiell sozusagen Dinge entstehen, wo man sagt: die Wirtschaft ist versus Klimawandel!, sondern das geht meines Erachtens Hand in Hand.
Wir sind, auch durch Corona, auf vieles draufgekommen. Frau Rogenhofer hat gesagt, und das hat mir sehr gut gefallen, der Klimawandel kann ja auch genussvoll werden. Im Bereich der Regionalität haben wir erkannt, dass Import nicht immer die richtige Antwort ist, dass wir sehr viel im eigenen Land produzieren können und so auch CO2 sparen können. Das geht ja in viele Bereiche. Vorhin ist die Automobilindustrie angesprochen worden – diese ist in Österreich ein wichtiger Arbeitgeber –, die sehr stark auf der Technologie des Verbrennungsmotors aufgebaut hat, aber heute sehen wir durch die deutsche Automobilindustrie, dass es in Richtung E-Mobilität geht. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, weil erneuerbare Energien ja auch schon konkurrenzfähig sind. Da das heißt, auch in diesem Feld stimmt die Aussage: es ist teurer, wenn wir es so erzeugen!, nicht mehr. Das heißt, wir müssen dorthin gehen.
Wir in Österreich sollten eigentlich, und dazu sollten wir uns verpflichtet fühlen, die Technologien, die wir hier entwickelt haben, nicht gleich in den Mistkübel schmeißen, sondern schauen, ob wir vielleicht etwas anderes einfüllen können – erneuerbare Treibstoffe et cetera –, um auch da weiter voranzukommen, Mobilität auch gewährleisten zu können.
Ich sehe da einen ganz wesentlichen Punkt: Auch im Bereich Raumwärme ist ja enorm viel CO2-Einsparungspotenzial vorhanden, aber das Hochemotionale ist der Verkehr, die Mobilität der Leute. Da müssen wir schauen, dass wir Antworten bieten und den Klimawandel schmackhaft machen können. Das war bei den Kindern aus Kaindorf sehr schön zu sehen. So haben wir es ja beim Umweltschutz auch geschafft: Die ganze Mülltrennung wurde über die Schulen, über die Kinder getragen, und ich glaube, auch im Klimawandel müssen wir diese Generationen begleiten, dürfen natürlich aber die Älteren nicht rauslassen. Bei den Unterstützern des Klimaschutzvolksbegehrens sieht man ja, wie das quer durch die verschiedensten demografischen und gesellschaftlichen Schichten geht. Die Aufmerksamkeit und Bereitschaft der Bevölkerung ist absolut da.
Moderator Gerald Groß: Frau Rogenhofer, zufrieden?
Katharina Rogenhofer, MA: Mit den Aussagen bin ich meistens zufrieden, es kommt aber immer darauf an, was umgesetzt wird. Was stimmt, ist, die Menschen sind dabei. Man sieht eigentlich in allen Umfragen, dass die Menschen Klimaschutz wollen, dass die Menschen eine gute Klimapolitik wollen, das heißt, an den Menschen scheitert es nicht. Es ärgert mich immer persönlich, wenn gesagt wird: na, wir müssen die Menschen mitnehmen!, so als wären sie blöd oder hätten es noch nicht gecheckt. Viele Menschen verstehen durchaus, dass es die Klimakrise gibt und dass wir dagegen etwas tun müssen. Da stellt sich eben die Frage nach dem Handlungsspielraum der Politik, und der ist extrem groß.
Auch wenn ich das vorher als genussvoll dargestellt habe, ist das aber jetzt noch nicht jedem möglich, weil wir in so einer abstrusen Welt leben, wo klimafreundliches Verhalten quasi das Privileg ist, weil man sich dafür entscheiden muss. Ich muss entweder mehr dafür zahlen oder ich muss einen Umweg gehen oder so irgendetwas, und Klimaschädigendes ist die Norm. Wir müssen das umdrehen, aber dafür braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen.
Ich kann nicht einer – was weiß ich – Supermarktkassiererin oder einer Pensionistin für jede Tomate, die sie kauft, eine Investigativrecherche aufdrücken, sondern da muss es einen politischen Rahmen geben, der mir sagt, das Billige, das Bequeme, das ist auch das Klimafreundliche. Dann werden sich alle leicht dafür entscheiden, und das, was nicht die Norm ist, wofür man sich dann entscheiden muss, das kann das Klimaschädigende sein, und dafür braucht es die Politik, und die ist in diesem Marathon lange nicht ins Laufen gekommen.
Moderator Gerald Groß: Die Grünen in der Bundesregierung – das hat bei vielen Umweltbewegten und Umweltschutzinteressierten vermutlich auch in Ihrem Umfeld Hoffnungen geweckt. Sind diese Hoffnungen aus Ihrer Sicht erfüllt worden oder sind sie enttäuscht worden?
Katharina Rogenhofer, MA: Das kommt jetzt auf das Klimaschutzgesetz an. Ich glaube, ein Herzstück dieser Frage, ob diese Koalition aufgeht oder nicht, ist, ob das Klimaschutzgesetz am Ende des Tages etwas kann.
Derweilen kann man noch nicht viel messen, Sie haben es eingangs gesagt, durch Corona ist noch nicht so viel am Tisch. Es ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen worden, aber wir müssen auch aus den Öl- und Gasheizungen aussteigen, wir brauchen ein Erneuerbaren-Wärme-Gesetz et cetera. Da ist so viel, was noch gemacht werden muss, und ich glaube, da muss sich die Regierung tatsächlich an den Gesetzen messen lassen – ob wir damit zufrieden sind oder nicht.
Moderator Gerald Groß: Sie haben das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz angesprochen, das ist heute fast ein bissel kurz gekommen, kommt mir vor. Sie haben es als low-hanging fruit bezeichnet, also als etwas, das relativ leicht erreichbar war. Schätzen Sie es damit nicht ein bissel gering?
Katharina Rogenhofer, MA: Nein, also das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist ein gutes Gesetz, aber was ich als low-hanging fruit bezeichnet habe, ist, den erneuerbaren Strom auszubauen. Es ist ein Ziel seit Faymann, dass die Stromerzeugung 2030 erneuerbar sein soll. Wenn man also quasi sagt, das ist ein neues Ziel, ist das kein neues Ziel; das ist etwas, das wir schon lange abholen mussten.
Die großen Ziele aber, das Große, das sicher noch passieren muss, ist eben der Ausstieg aus Öl und Gas in der Raumwärme, das wird ein großer Brocken, eben der Verkehr, der vorher schon ein großes Thema war, und die klimaschädigenden Subventionen; wir subventionieren oder fördern nämlich noch immer ganz stark Dinge, die das Klima schädigen. Wir müssen also wirklich raus aus dem Falschen und rein in das Richtige, und da wirklich Alternativen schaffen.
Moderator Gerald Groß: Dazu möchte ich Sie gleich fragen. Wir haben, Sie haben Corona angesprochen, die Covid-Investitionsprämien gesehen. Haben diese aus Ihrer Sicht genügend ökologische Treffsicherheit gehabt? Wie schaut es mit dem Comebackplan der Regierung aus?
Katharina Rogenhofer, MA: Ich glaube - - Bei den Investitionsprämien, dass muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich keinen Überblick, wie viel Treffsicherheit die haben; da nehme ich mir keine Position heraus. Was trotzdem wichtig ist, ist zu sagen, es liegen zweistellige Milliardenbeträge auf dem Tisch und wir haben jetzt eine Klimaschutzmilliarde, das ist viel mehr als vorher.
Die Frage ist aber eben, ob genug Geld in die richtige Richtung gesteckt wird. Ich glaube, gerade in Richtung Wiederaufbau muss klar sein, dass fast alle Gelder doppelte Wirkung entfalten können, wenn wir eben in Erneuerbare investieren, wenn wir in öffentlichen Verkehr investieren, dass das regionale Wertschöpfung bringt, dass das Arbeitsplätze bringt. Insofern ist meine Frage eigentlich: Warum nur ein Teil davon und warum nicht alles quasi in ökologische relevante Maßnahmen setzen?
Moderator Gerald Groß: Geben wir diese Frage vielleicht gleich an Herrn Hammer weiter, der hat sich vorhin schon zu Wort gemeldet. – Bitte.
Lukas Hammer (Grüne): Ja, also ich glaube, bei diesen ganzen Aufbauprogrammen geht es einerseits darum, das Richtige zu tun. Ich glaube, das haben wir zum Beispiel bei der Investitionsprämie gemacht, dass es eine doppelte Investitionsprämie für ökologische Investitionen gibt.
Was mir in den Verhandlungen dazu sehr wichtig war, war, dass wir gesagt haben, für explizit klimaschädliche Investitionen gibt es gar keine Investitionsprämie, weil man im Prinzip nicht sowohl das Richtige als auch das Falsche tun kann, denn dann bewegen wir uns am Fleck und kommen nicht weiter.
Weil Katharina Rogenhofer dasitzt und wir vom Klimavolksbegehren und Klimaschutzgesetz gesprochen haben, wollte ich einfach noch eine Sache sagen: Ich glaube, man sieht bei dem Klimavolksbegehren und auch bei dem angesprochenen Antrag einfach, wie sehr sich zivilgesellschaftliches Engagement, wie sehr sich der Einsatz jedes Einzelnen, jeder Einzelnen für Klimaschutz auszahlt.
Wir haben im Parlament dieses Klimavolksbegehren gemeinsam diskutiert – erstmals auch mit einem Livestream –, und das hat einen unglaublichen Druck erzeugt. Ich glaube, die gemeinsamen Diskussionen mit ExpertInnen waren unglaublich gut. Wir haben dann in der Koalition sehr intensiv miteinander verhandelt, und es kamen auch sehr gute Vorschläge zumindest von der sozusagen klimapolitisch konstruktiven Opposition; von der FPÖ kam leider kein Vorschlag. Da hat man einfach gesehen, das bringt etwas, ja, denn wir haben einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht und beschlossen, in dem sehr wesentliche Punkte, eigentlich alle wesentlichen Punkte dieses Klimaschutzgesetzes enthalten sind.
Wir haben jetzt also einmal einen ersten Entwurf für dieses Klimaschutzgesetz gemacht, und dieser Entwurf schaut anders aus, ist wesentlich ambitionierter, weil wir diese Diskussion über das Klimavolksbegehren im Parlament hatten. Mich persönlich freut es, es erzeugt natürlich einen Druck, aber ich glaube, das ist einfach auch eine wichtige Botschaft, es zahlt sich einfach aus, wenn man sich einsetzt. Fridays for Future, Klimavolksbegehren, das war einfach ein sehr wichtiger Push für den gesamten Klimaschutz.
Moderator Gerald Groß: Julia Herr.
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Ja, also den Krug nehme ich gleich an, ich glaube, das kann man unterstreichen, dass wir die Zivilgesellschaft in Österreich, die sich nichts gefallen lässt, die auch beim Klimaschutz kritisch ist, ganz dringend brauchen und dass uns Initiativen wie das Klimavolksbegehren weiterbringen – das muss man festhalten. Es braucht aber natürlich auch eine Opposition, die kritisch ist, und auch wenn die Grünen in der Bundesregierung sitzen, muss man sie trotzdem auch in dieser Frage kritisieren können.
Es wurde jetzt das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz angesprochen, das ist ja noch nicht beschlossen, obwohl es schon lange überfällig ist, genauso ist das Klimaschutzgesetz letztes Jahr ausgelaufen, genauso ist das Energieeffizienzgesetz ausgelaufen, genauso gehört das Abfallwirtschaftsgesetz schon längst erneuert.
Wir haben jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren der EU anhängig, weil wir in so vielen Bereichen säumig sind, nämlich auch bei der Umsetzung des Kreislaufwirtschaftspaketes – ich könnte die Liste noch fortsetzen. Ich denke, es ist auch meine Aufgabe, als Umweltschutzsprecherin, diese Punkte aufzuzeigen, und auch, dass wir in den letzten eineinhalb Jahren schon sehr viel Zeit verloren haben.
Ja, es gab Punkte, die waren gut, man muss immer ehrliches Feedback geben. Sicher war die Budgeterhöhung, die es gab, gut. Auch das Thema thermische Sanierung ist ein guter Punkt. Alle anderen großen Gesetze liegen ja noch nicht vor, die können wir noch nicht einmal konkret kommentieren. Deshalb sage ich auch immer, die soziale Gerechtigkeit muss drin sein. Wenn Sie sagen, das ist eh alles gegeben und das wird eh ein super Ökobonus werden, bin ich eh beruhigt, aber ich weiß es noch nicht.
Der letzte Punkt, um auch abzuschließen: Nicht nur, dass wir in so vielen Bereichen säumig sind – auch aktuell –, sondern wir sprechen immer über Punkte, die trotzdem nicht das gesamte Problem umfassen. Eine CO2-Bepreisung kann und hat in vielen Ländern gezeigt, dass sie 2, 3 Prozent der CO2-Emissionen zum Beispiel einsparen kann. Das ist jetzt noch nicht das, sodass wir sagen können, wir haben eine CO2-Bepreisung, wir haben alles gelöst, sondern es muss auch diese systematischen Veränderungen geben. Ich glaube, die sind in der Debatte viel zu selten, weil wir sehr schnell bei der Verantwortung des Konsumenten und der Konsumentin sind.
Diese Mechanismen aber, das, was global stattfindet – alleine durch den globalen Handel, weil wir ein Produkt fünfmal um die Welt schicken, zum Beispiel eine Jean, die dort genäht, dort geerntet, dort gefärbt, dort, weiß ich nicht, den Knopf drauf bekommt, weil jeweils dort überall gerade am billigsten produziert werden kann –, und die CO2-Belastung, die dadurch entsteht, sind ein Wahnsinn. Daher müssen wir auch über Lieferketten sprechen, daher müssen wir auch über die WTO, über die Handelsbedingungen, die wir haben, und über die Arbeitsmarktbedingungen sprechen, denn auch das müssen wir angehen.
Moderator Gerald Groß: Es sind jetzt noch Herrn Bernhard und Herrn Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte.
Michael Bernhard (NEOS): Sie haben ja nach dem Comebackplan der Regierung gefragt, und ich glaube, die Klimapolitik zeigt – und wir haben ja vorher gehört, dass es eine extrem hohe Bereitschaft auf Veränderung gibt –, dass genau in der Frage Klimapolitik ein Comebackplan das Falsche ist. Es soll ja nicht zum Alten zurückgehen, es geht ja um einen echten Neustart.
Wir haben in der Situation sozusagen stolz geschwellte Grüne, die sagen, es gibt jetzt eine Klimamilliarde, wir haben aber gleichzeitig im Land 4 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen, die weiterhin jedes Jahr ausgegeben werden, also viermal so viel für die Verschmutzung der Umwelt und die Schädigung des Klimas als dann für die Wiederherstellung. Das heißt, Comeback ist immer rückwärtsgewandt, versucht den Menschen irgendwie zu signalisieren, es wird wieder, wie es früher war. Was wir aber brauchen, ist ein Bild, wie wir uns in Zukunft neu aufstellen können – und genau dafür fehlt es wirklich noch an vielen Punkten.
Moderator Gerald Groß: Herr Rauch, wie geht es Ihnen mit dem Attribut nicht klimaschutzkonstruktiver Teil der Opposition?
Walter Rauch (FPÖ): Ja, das ist natürlich meistens die Argumentation der Regierungsparteien oder hauptsächlich der Grünen. Das, was ich aber positiv erwähnen möchte, ist das, dass wir ja eigentlich ein gutes Gesprächsklima haben, Frau Rogenhofer und ich, denn die Geschichte, wie dieses Volksbegehren so transparent hier ins Parlament gebracht wurde, ist in dieser Art und Weise einzigartig, das ist lobenswert und auch sehr, sehr gut angekommen.
Herr Kollege Bernhard, wenn Sie aber diese 4 Milliarden Euro ins Rennen bringen, die klimaschädlich sein sollen und mit denen immer noch subventioniert wird: Wenn angedacht ist oder mit eingeplant ist, die Pendlerpauschale abzuschaffen, dann haben Sie mit uns einen Gegner, denn das wollen wir in dieser Art und Weise nicht.
Woran wir uns natürlich beteiligen, ist natürlich alles, was im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist. Wir haben ja damals während unserer Regierungsbeteiligung auch die Nahverkehrsmilliarde eingebracht. Sie haben erwähnt, es gibt dafür 17 Milliarden Euro. Ich bin nur gespannt, wo und wie Sie die umsetzen werden, mit welchem Programm und mit welchen Konzepten.
Man weiß, dass es da Planungen von Jahren bis Jahrzehnten braucht, da fehlen die Konzepte. Da haben Sie viel in den letzten eineinhalb Jahren verschlafen, trotz Corona oder auch mit Corona, wo vieles möglich gewesen wäre, und ich hoffe, dass wir auch in Zukunft eine Gesprächsbasis haben, bei der wir unsere Akzente und auch unsere Klimapolitik einbringen können.
Moderator Gerald Groß: Okay, Herr Bernhard, bitte merken Sie es sich! Ich verspreche, wir machen noch eine Schlussrunde, so viel Zeit gönnen wir uns heute noch.
Herr Schmuckenschlager, ich möchte noch einen anderen Aspekt ansprechen, weil wir vorhin auch über die Größe Österreichs – oder eigentlich muss man über die Kleinheit Österreichs sagen – gesprochen haben. Natürlich können wir nur etwas bewegen, wenn wir es gemeinsam machen und wenn wir es gemeinsam auf den Weg und auf die Reihe bringen – auch als Europäische Union. Jetzt wissen wir aber über die Verfasstheit der Europäischen Union Bescheid. Wir haben es zuletzt bei Corona wieder gesehen, wie hier widerstrebende Interessen oft einfach wirklich gute Lösungen verhindern. Besteht nicht auch die Gefahr beim Klimaschutz, wenn ich etwa an das Steuerthema denke? Müssten da nicht alle an einem Strang ziehen, und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das dann tatsächlich passiert?
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich glaube, gerade beim Steuerthema und auf der europäischen Ebene haben wir große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, weil fiskal sozusagen jedes Land für sich stehen möchte. Das ist aber generell ein Thema der Europäischen Union und der Politik in Europa. Wir müssen hier permanent dran arbeiten.
Positiv stimmt mich, dass wir immer wieder Einigungen aller Staatschefs für die Ziele haben, das ist natürlich nur der erste Schritt, aber schon einmal ganz wesentlich.
Die Ausformungen sind unterschiedlich, ob es Ausbau der Atomkraft in Frankreich ist, was wir nicht unterstützen können, oder halt in anderen Bereichen wie bei uns, da geht es stärker in die Erneuerbaren. Wichtig ist aber, dass da auch trotzdem richtige Schritte gesetzt werden. Das bedeutet auch, mit dem EU-Recoveryplan sozusagen für die Resilienz Europas Energiepolitik auch als Sicherheitspolitik zu sehen, und daher viele Projekte - - Karoline Edtstadler hat da als Europaministerin viele österreichische Projekte mit eingebracht, die für erneuerbare Energie sind, weil es schon darum geht, Sicherheitspolitik auch mit der Energiefrage zu verknüpfen. Das geht von der einen Seite mit der Frage Blackout – wie sicher sind unsere Netze? – bis hin zu dem Thema: Was geschieht in diesen Ländern, wo wir jetzt die Rohstoffe herhaben? Wenn wir uns die Unruhen im Nahen Osten ansehen: Das sind zum Teil Entwicklungen, die uns nicht ruhig schlafen lassen können, daher müssen wir schauen, wie wir unsere Energie nicht nur aufgrund umweltpolitischer und klimapolitischer Themen, sondern auch aufgrund sicherheitspolitischer Themen – europäisch! – bestmöglich selbst erzeugen können.
Moderator Gerald Groß: Wir kommen zum Schluss. Frau Rogenhofer, reden wir über die nächsten Schritte: Was muss aus Ihrer Sicht als Nächstes passieren? Was ist das Allerwichtigste? Beziehungsweise: Was darf keinesfalls geschehen, weil Sie sonst eine Neuauflage des Klimavolksbegehrens starten müssten?
Katharina Rogenhofer, MA: Wir werden auf jeden Fall nervig bleiben – danke für die Überleitung. Es braucht jetzt auf jeden Fall ein gutes Klimaschutzgesetz, da gibt es anscheinend schon einen Entwurf. Das wird jetzt in der Regierung ausverhandelt.
Ich hoffe da wirklich auf eine starke Einbettung unserer Forderungen und auch auf Wissenschaftlichkeit, weil es eben den Zielpfad zur Klimaneutralität 2040 und gleichzeitig auch langfristige Planungssicherheit braucht – was wir vorhin schon gehört haben. Es braucht Ehrlichkeit, denn wir müssen sagen, wann es Verbrennungsmotoren möglicherweise nicht mehr gibt. Das ist auch für die Industrie ein wichtiger Faktor, weil die dann wissen, wann sie umsteigen; viele Branchen haben das verschlafen. Das dürfen wir jetzt nicht mehr verschlafen: Wann müssen wir raus aus Gas, Kohle und Öl in der Raumwärme, in der Industrie, im Verkehr, im Individualverkehr? – Das sind alles Sachen, die die Politik jetzt festlegen sollte, damit die Wirtschaft Planungssicherheit und Langfristigkeit garantiert hat und so auch Investitionen einplanen kann.
Die Steuerreform wurde mit Anfang 2022 angekündigt; das ist jetzt eigentlich nicht mehr so lang hin. Hier erwarte ich mir eigentlich auch ein Steuerkonzept – dass das vorgelegt wird –, weil auch hier Planungssicherheit ganz wichtig ist – die Leute müssen ja wissen, bei welchem CO2-Preis wir einsteigen, wie der steigt und wo wir aufhören oder bis wohin die Bepreisung steigt –, also Klarheit und dass man die Krise auch als Krise wahrnimmt, so wie es bei Corona passiert ist. Es wird nämlich jeden Tag, den wir versäumen, einfach schlimmer – das haben wir auch bei Corona gesehen. Das heißt, wir müssen jetzt gegensteuern, um der Klimakrise entgegenzusteuern.
Moderator Gerald Groß: Vielen Dank, Katharina Rogenhofer.
Kommen wir zur Schlussrunde! Ich möchte auch bei der Schlussrunde mit der Opposition beginnen – ich habe Sie alle jetzt hier als konstruktive Vertreterinnen und Vertreter der Opposition wahrgenommen –: Was wird denn das Nächste sein, das Sie, die SPÖ, Frau Herr, zur Abwendung der Klimakatastrophe beitragen? Was nehmen Sie sich vor? Was tun Sie?
Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Ich glaube, es passiert schon ganz viel. Ganz viele Bürgermeister, Bürgermeisterinnen oder andere Personen sind ja schon tätig und leisten eigentlich tagtäglich im Kleinen sehr Gutes.
Wenn Sie jetzt fragen, was mein dringendster Input ist, oder vielleicht, was ich gern beitragen würde, was ich gern umsetzen würde, könnte ich es mit einer Mehrheit beschließen, dann wäre es wahrscheinlich: dass wir auch die Finanzierung – wer diese Investitionen in den Klimaschutz zahlt – besprechen, dass wir eine faire Finanzierung schaffen – nicht wie bisher aus dem Steuertopf, bei dem klar ist, 80 Prozent kommen von den arbeitenden Menschen, von den Konsumenten, Konsumentinnen, Pensionisten, Pensionistinnen und nur 20 Prozent werden durch Vermögen oder Gewinne beigesteuert; auch das muss klar sein. All diese Investitionen, die wir tätigen, müssen – alternativlos – gerecht finanziert sein, und das wäre das, was ich mir wünschen würde. Wir müssen da auch beginnen, Vermögen für unsere Bemessungsgrundlage hinzuzuziehen.
Moderator Gerald Groß: Danke.
Herr Bernhard.
Michael Bernhard (NEOS): Wenig überraschend sehe ich es etwas anders. Ich glaube, das wichtigste Element – wenn das Klimaschutzgesetz gut ist – wird sein, dass wir eine echte ökosoziale Steuerreform mit einem ehrlichen CO2-Preis machen. Da werden wir NEOS auch einen großen Beitrag in der Debatte leisten. Wir haben auch ein eigenes Modell errechnet, das wir gerne jederzeit zur Verfügung stellen.
Es ist genug Geld im Staat – und zwar im Staat im Sinne vom Steueraufkommen, das es schon gibt –, es wird nur derzeit für viele Dinge verschwendet, die bei den Menschen nicht ankommen. Was es braucht, sind tief eingreifende Reformen dort, wo Geld verschwendet wird, um quasi auch das Potenzial für die Klimamaßnahmen zu heben, anstatt sich immer neue Steuern auszudenken. Das heißt: Runter mit den Abgaben auf Lohn, auf Arbeit, aber auch auf Lohnnebenkosten und dafür die Besteuerung vom CO2-Preis! – Das wird eine Riesendebatte. Wir werden an jedem einzelnen Tag konstruktiv sein und sozusagen ein Stachel dort, wo es notwendig ist.
Moderator Gerald Groß: Herr Rauch.
Walter Rauch (FPÖ): Eine konkrete Maßnahme ist natürlich – man hat es ja vorhin in einem Beitrag gesehen – der Ausbau der Schiene. Jeden Tag gehen Schienenkilometer zurück, und es ist ja die Aufgabe der Politik, hier anzusetzen und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und vor allem der Schiene voranzutreiben. Warum? – Man kann nicht auf der einen Seite die Belastungen emporfahren, mit der Erhöhung von Treibstoffpreisen, und auf der anderen Seite haben die Bürger nicht die Chance, auf eine Alternative umzusteigen – hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt.
Unser Ansatz ist deswegen die klare Botschaft, die klare Ansage: zuerst Ausbau der Schiene, mehr Kilometer auf die Bahn, weg von der Straße, auch den Güterverkehr rauf auf die Bahn! – Da hätte man einen wesentlichen Effekt und einen guten Effekt betreffend CO2-Entlastung und auch betreffend Entlastung des Verkehrsaufkommens. Das ist eine konkrete Maßnahme und auch schon seit Jahren eine Forderung von uns; sie ist leider bis jetzt von dieser Regierung nicht umgesetzt worden.
Moderator Gerald Groß: Herr Hammer, Herr Schmuckenschlager, können Sie uns zum Schluss vielleicht jetzt schon ein bissel mehr über den nächsten Meilenstein, das Klimaschutzgesetz, verraten? Wird es etwas geben, das die Anwesenden hier überraschen wird? (Herr: Oder wann!) – Oder: Wann?
Lukas Hammer (Grüne): Der nächste Meilenstein im Parlament wird hoffentlich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sein, das wir in den nächsten Wochen hoffentlich fertig verhandeln werden und wo wir jedes Jahr, zusätzlich zum Budget, 1 Milliarde Euro für den Ökostromausbau beschließen werden.
Beim Klimaschutzgesetz, sagen wir mal so, haben wir jetzt zu verhandeln angefangen. Ich hoffe, dass wir so bald wie möglich fertig werden. Wie gesagt haben wir uns aber schon bei sehr vielen von den wirklich wichtigen Maßnahmen in diesem Klimaschutzgesetz in den Grundzügen geeinigt. Ich glaube, es geht da um einen verbindlichen Handlungsrahmen für die Klimaschutzpolitik der nächsten 20 Jahre – dass jeder weiß, was er zu tun hat, dass es eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern im Klimaschutz gibt, dass nicht nur die Umweltministerin für den Klimaschutz zuständig ist, sondern die gesamte Bundesregierung und dass es auch konkrete Maßnahmenpläne geben muss.
Katharina Rogenhofer hat es angesprochen: Das Klimaschutzgesetz bildet ja nur das Fundament für die zukünftige Klimaschutzpolitik. Danach werden wir uns wieder um die verschiedenen Maßnahmen kümmern müssen, um die Wärmewende, die ökosoziale Steuerreform und so weiter.
Mein wichtigstes Ziel ist, dass wir im Prinzip unsere Klimaziele erreichen, damit wir unseren Kindern keinen rauchenden Schrotthaufen, sondern einen lebenswerten Planeten überlassen.
Moderator Gerald Groß: Vielen Dank.
Herr Schmuckenschlager.
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich möchte auch kurz zwei Dinge erwähnen, weil für mich vieles zusammenhängt. Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, Klimaschutzgesetz, ökosoziale Steuerreform: Das sind ja viele Schrauben, an denen wir drehen, die sozusagen einem Ziel dienen.
Beim Klimaschutzgesetz werden wir, glaube ich, als Thema drinnen haben, dass wir auch das Parlament entsprechend stärken, was die Frage CO2-Budget und -Kontrolle betrifft, was wir ja im wissenschaftlichen Dienst im Parlament auch entsprechend verankern wollen – also ich glaube, das wird ein wesentlicher Teil werden.
Bei der erneuerbaren Energie ist, glaube ich, die Frage diese – Geld ist nichts Böses, Frau Herr, und Vermögen ist auch nichts Böses – : Wir reden sehr oft immer davon, der Staat muss etwas nehmen, es ausgeben und erst dann ist es vergoldet. Wir könnten schon auch – und das wollen wir schaffen –, die Beteiligung der Bürger mittels Beteiligungssystemen, Vermögen, Green Bonds et cetera für positive Ziele in Bewegung setzen.
Ich glaube, es ist wichtig, in der ganzen Frage der Energiewende den Bürger sozusagen zum Beteiligten zu machen – der sogenannte Begriff des Prosumers –, und dazu haben wir heute die technologischen Möglichkeiten – dieser Energiehandel zwischen den einzelnen Bürgern. Das müssen wir nützen, aber da braucht es auch im Energiebereich noch weitere Schritte der Liberalisierung.
Moderator Gerald Groß: Dann bedanke ich mich bei Ihnen für die tolle Diskussion in einem – wie ich finde – konstruktiven Klima. Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Katharina Rogenhofer, und noch einmal bei Marcus Wadsak für die Expertise.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, fürs Dabeisein und für Ihr Interesse. Wir sehen uns, wenn Sie wollen, in einem Monat wieder. – Auf Wiedersehen und schönen Abend!