Demokratie in Österreich

Mehr als nur die Mehrheit

Österreich ist eine parlamentarische Demokratie. Das heißt: Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, ihre Meinung in gegenseitigem Respekt zu äußern und ihre Anliegen zu vertreten. Im Parlament geschieht das durch die verschiedenen Parteien und die einzelnen Mandatar:innen. Dafür gibt es die Regelungen für die Gesetzgebung und die parlamentarische Kontrolle sowie verschiedenen Möglichkeiten der Bevölkerung, sich am parlamentarischen Geschehen zu beteiligen.

Würde nur die Mehrheit entscheiden, bestünde die Gefahr, dass Demokratie auf Abstimmungen reduziert wird. Dann würden vor allem jene ihre Interessen durchsetzen, die wissen, wie man sich eine Mehrheit sichert.

In einer Demokratie geht das Recht vom Volk aus

Artikel 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes lautet: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus."

Diese beiden Sätze zählen zu den bekanntesten Bestimmungen der Bundesverfassung. Kurz und klar, wie sie sind, werden sie oft zitiert: in Zeitungsartikeln, Kommentaren oder Reden von Politiker:innen.

Zugleich haben viele Menschen das Gefühl, dass diese Bestimmung der Bundes-Verfassung zu wenig beachtet wird: Die Bundesregierung oder die Landesregierungen, Parteien, Wirtschaft oder EU und internationale Verpflichtungen scheinen vorzugeben, welche Gesetze beschlossen und Maßnahmen erlassen werden. Viele fragen sich, ob eine Demokratie so funktioniert und ob ihre Meinung bzw. die "Meinung des Volkes" noch etwas zählt.

Warum treffen nicht die Bürger:innen die wichtigen Entscheidungen direkt – mit dem Parlament oder an seiner Stelle? 

Mit dem Satz "Ihr Recht geht vom Volk aus" verbinden viele Menschen zunächst zwei Vorstellungen: Die Mehrheit soll entscheiden, und "das Volk" - also gerade nicht "die Politiker:innen" - soll gefragt werden. 

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Die grundlegenden Ideen der Bundesverfassung

Wie Demokratie verfasst werden soll, wurde bereits 1919/20 diskutiert, als eine Verfassung für die neue Republik Österreich ausgearbeitet wurde. Der Jurist Hans Kelsen hat darauf eine Antwort gegeben, die bis heute von großer Bedeutung ist. Er war maßgeblich an der Entstehung der Bundesverfassung beteiligt und gilt als ihr Architekt.

Die Antwort von Hans Kelsen besteht aus drei Teilen:

  • Zum Ersten geht es um "ihr Recht". Es ist nicht unveränderliches, ewig gleiches Recht. Es ist die Rechtsordnung, die in demokratischen Verfahren geschaffen und wieder verändert werden kann.
  • Das führt zum zweiten Teil der Antwort: Für die Schaffung und Veränderung einer Rechtsordnung braucht es klare Regeln. Jede:r muss in der Lage sein, nachzuvollziehen, was beschlossen wurde und was gilt. Es muss auch klar sein, wer für eine Entscheidung verantwortlich ist. Dafür, sagt Hans Kelsen, sind Parlamente am besten geeignet. Es ist immer klar, wie sie zusammengesetzt werden, wie sie zu Entscheidungen kommen, wie diese überprüft werden können und wie jene, die Entscheidungen getroffen haben, in den wiederkehrenden Wahlen zur Verantwortung gezogen werden können.
  • Das führt zum dritten Teil seiner Antwort: Wenn im Artikel 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes steht "geht vom Volk aus", dann bedeutet das, dass alles Recht auf demokratisch gewählte Parlamente zurückgehen muss (also wieder ein Verfahren). Es soll nicht bedeuten, dass jede Entscheidung dem Volk vorgelegt werden soll.

Kompromiss bedeutet: sich vertragen

Dahinter steht noch eine weitere Idee. Hans Kelsen setzt sich Zeit seines Lebens für die faire Austragung von Konflikten und für die Bereitschaft ein, Kompromisse zu suchen. Für ihn bedeutet das: "Zurückstellen dessen, was die zu Verbindenden trennt, zugunsten dessen, was sie verbindet. Jeder Tausch, jeder Vertrag ist ein Kompromiss, denn Kompromiss bedeutet: sich vertragen."

Der Kompromiss unterscheidet die Demokratie von der Autokratie (Alleinherrschaft). Kelsen sagte daher: "In der Demokratie beruht der soziale Gleichgewichtszustand vielleicht tatsächlich mehr auf einem Sich-gegenseitig-vertragen als in der realen Autokratie, wo es nur gilt, die gemeinsame Last der Herrschaft zu ertragen."

Bei Wahlen und demokratischen Abstimmungen soll jede Stimme zählen. Im Hinblick auf Freiheit und Gleichberechtigung braucht es Grenzen für das, was die Mehrheit in einer Demokratie beschließen darf. Diese Grenzen gibt die Verfassung vor. Der Verfassungsgerichtshof überprüft die Einhaltung dieser Regeln.

Demokratie heißt auch: Respekt vor anderen Meinungen

Die parlamentarische Demokratie soll ermöglichen, dass alle Menschen in gegenseitigem Respekt ihre Meinung äußern und ihre Anliegen vertreten können. Im Parlament geschieht das durch die verschiedenen Parteien, die Regelungen für die Gesetzgebung und die parlamentarische Kontrolle.

Ebenso gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, sich unmittelbar als Bürger:in zu beteiligen. Entscheidend ist, dass Politiker:innen im Parlament Rede und Antwort stehen und anderen zuhören müssen. Ein Zeitungs- oder Fernsehinterview kann verweigert, Termine in politischen Büros können abgesagt werden. Im Parlament hingegen muss man erscheinen.

Klare Regeln, Respekt und Fairness

Die Bestimmung "Ihr Recht geht vom Volk aus" hat in Österreich zwei wesentliche Inhalte:

  • Alle Einrichtungen und Amtsträger:innen des Staates müssen jede ihrer Entscheidungen und Handlung gegenüber den Bürger:innen verantworten. Sie müssen die wesentlichen Gründe offenlegen und sich regelmäßig Wahlen stellen. Sie können also nicht ohne die Bürger:innen und ohne Rückbindung an sie handeln.
  • Daher muss die politische Freiheit aller Bürger:innen verwirklicht und gesichert werden. Alle müssen die Möglichkeit haben, die eigene Meinung zu äußern und selbst politisch aktiv zu werden. 

Das kann aber nur dann funktionieren, wenn es klare Regeln und geordnete Verfahren gibt und wenn alle bereit sind, einander anzuerkennen, zu respektieren und fair miteinander umzugehen. Eine zentrale Aufgabe dabei haben Nationalrat und Bundesrat, die nach der österreichischen Bundesverfassung im Zentrum von Staat und Politik stehen sollen.

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