202/SPET XXIV. GP

Eingebracht am 19.04.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petition

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Zur Petition Nr. 155 betreffend "Erdkabel statt Freileitungen für Villach und Fin- kenstein" darf ich in der Beilage mein seinerzeitiges Antwortschreiben zur in- haltsgleichen Petition Nr. 125 übermitteln.

 

 

 

Betreff:     Petition 110-kV ade!

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß § 100 Abs. 1 GOG-NR überreiche ich die Petition 110-kV ade! mit dem Ersuchen um geschäftsordnungsmäßige Behandlung.

 

30.9.2011

 Petition

Die Bundesregierung bzw. das österreichische  Parlament möge:

1.             eine Neufassung des Starkstromwegegesetzes oder ein Netzausbaugesetz zur Beschlussfasssung vorlegen. In dieser gesetzlichen Neuregelung soll festegelegt werden, dass neue Hochspannungsleitungen (etwa 110-kV- Ebene) als Erdkabel auszuführen sind, soweit die damit verbundenen Mehrkosten das 2,75-fache einer entsprechenden Freileitung nicht übersteigen. Höchstspannungsleitungen (etwa 220-kV- bis 380-kV-Ebene) sind in besonders ausgewiesenen Gebieten (Wohnbebauung in unter 400 m Entfernung, landschaftlich oder kulturell erhaltenswerte Gebiete, geschlossene Waldgebiete und weitere Gebiete, in denen erhebliche nachteilige Wirkungen einer Freileitung zu erwarten sind) zumindest als Kabelpilotprojekte teilzuverkabeln.

2.             auf politischem Wege auf die Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber dahingehend einwirken, dass diese bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes davon absehen, bereits projektierte Freileitungen zu errichten, soweit nicht schon im Zeitraum eines solchen Moratoriums eine unmittelbare Beeinträchtigung der Stromversorgung eintreten würde. Hierbei sollen in besonderer Weise jene Netzbetreiber angesprochen werden, die sich direkt oder z.B. als Tochtergesellschaften im (teilweisen) Eigentum der Republik Österreich oder eines Bundeslandes befinden.

3.             hinsichtlich laufender behördlicher Bewilligungsverfahren für Hochspan- nungsfreileitungen, in denen auf Bundesebene eine Instanz besteht, den Ermessensspielraum bei der freien Beweiswürdigung im Sinne der genannten gesetzlichen Neuregelung weitestgehend ausschöpfen.

4.             hierbei auch im Sinne der Resolution des ständigen Ausschusses des Europarates vom 27.5.2011 handeln. Darin werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Belastungen durch elektromagnetische Felder so niedrig wie ver- nünftigerweise erreichbar" abzusenken, und zwar ausdrücklich auch über normierte Grenzwerte hinaus. Diese Resolution bezieht sich auch auf Magnetfeldbelastungen, wie sie in der Nähe von Hochspannungsleitungen auftreten.

Begründung

zu 1.)  Eine solche Regelung entspricht etwa dem kürzlich in Deutschland verabschiedeten Netzausbaubeschleunigungsgesetz. Sie würde die

www.parlament.gv.at

 

Akzeptanz für den Netzausbau in der Bevölkerung deutlich erhöhen und so die Nutzung dezentral erzeugter regenerativer Energiequellen fördern. Dabei würden meist auch die nachteiligen Auswirkungen von Freileitungen auf Landschaftsbild, Ökologie und Gesundheit vermieden. Mehrkosten für die Stromkunden liegen vor allem auf der Hochspannungsebene nur noch im Promillebereich (hier ist das Erd- kabel längst Stand der Technik). Auf der Höchstspannungsebene wird durch Senkung der Übertragungsverluste der erhöhte Inves- titionsbedarf zumindest bei ausgelasteten Leitungen oft amortisiert.

zu 2.)   Bewilligungsverfahren nach dem geltenden Starkstromwegegesetz lassen es als so genannte projektgebundene Verfahren kaum zu, die Bewilligung eingereichter Freileitungen zugunsten von Erdver- kabelungen abzuweisen - selbst dann, wenn diese aus ökologischen, raumplanerischen u.ä. Grunden vorzuziehen wären. Es fehlt zudem bisher an klaren politischen Signalen, dass Erdverkabelungen überhaupt erwünscht wären.

Zu Lasten von Betroffenen und Natur berufen sich Netzbetreiber auf betriebswirtschaftliche Kostenrechnungen, Landespolitiker auf unabhängig entscheidende Behörden und diese auf strikte Rechtsauslegung, die Erdverkabelungen kaum ermöglicht.

zu 3.)  Zweite Instanz für Bewilligungen nach dem Starkstromwegegesetz ist das Bundeswirtschaftsministerium. Hier wird z.B. voraussichtlich noch im laufenden Jahr die Berufung der in der ersten Instanz unterlegenen Partei/en im Verfahren für die 110-kV-Freileitung Kirchdorf - Vorchdorf (OÖ) zu verhandeln sein. Gegen diese hat eine große Mehrheit der knapp 140 Parteien Einwendungen erhoben.

Es wäre ein Affront auch gegenüber sämtlichen beteiligten Gemeinde- vertretungen sowie weiteren Vertretern öffentlicher Interessen im Verfahren, die ebenfalls für eine Erdverkabeluung votiert haben, würde ein Bewilligungsbescheid nach bisherigem Recht gegen diese Parteien erlassen, während zugleich ein Gesetz zur Diskussion steht, nach welchem diese Bewilligung hinfällig wäre.

zu 4.)  Vor allem Betroffene, die in unmittelbarer Nähe von Freileitungen

wohnen, äußern Befürchtungen hinsichtlich gesundheitlicher Risiken durch die Magnetfelder von Hochspannungsleitungen. Die Geltend- machung dieser Befürchtungen ist aber durch höchstgerichtliche Entscheidungen unmöglich geworden, soweit nicht Bestimmungen laut ÖVE/ÖNORM E8850 verletzt werden. Gegen diese hat jedoch bereits bei ihrem Entwurf etwa die Österreichische Ärztekammer Einspruch erhoben. Die Begründung wurde im Wesentlichen jetzt wieder durch den Europarat bestätigt.

Wartet man zu lange auf weitergehende wissen- schaftliche und klinische Nachweise, könnte das zu sehr hohen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Kosten führen, wie es in der Vergangenheit bei Asbest, bleihaltigem Benzin und Tabak der Fall war." (Resolutionstext)

Franziska Zimmer eh. (Obfrau)

Michael Praschma eh. (Schriftführer)

www.parlament.gv.at


Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara PRAMMER

Parlament

1017 Wien

Wien, am 9. Jänner 2012

Geschäftszahl: BMWFJ-10.107/0030-IK/la/2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

In der Beilage übermittle ich Ihnen die Stellungnahme meines Hauses zur Petition Nr. 125 betreffend "110-kV ade!" mit dem höflichen Ersuchen um ent- sprechende weitere Veranlassung.

Zu Punkt 1:

Das Starkstromwegegesetz (StWG), das Starkstromwegegrundsatzgesetz (StWGG) und die auf dessen Grundlage erlassenen Starkstromwegegesetze der Länder schreiben nicht vor, dass elektrische Leitungsanlagen nur als Freileitungen errichtet werden dürfen. Vielmehr stellt das geltende Starkstromwegerecht auf die "elektrische Leitungsanlage" ab, welcher Begriff sowohl Freileitungen als auch Erdkabel umfasst. Es steht daher jedem Antragsteller offen, eine dieser beiden Ausführungsvarianten zum Bewilligungsverfahren einzureichen.

Welche Ausführungsvariante zu bevorzugen ist, muss im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden, wobei Aspekte der Netzsicherheit, der Netzkonfiguration, der Leitungsverfügbarkeit und natürlich auch der absehbaren Projektauswirkungen ein- schließlich der zu erwartenden Einschränkung der sonstigen Grundstücksnutzung in die Betrachtung einfließen müssen. Allgemeine gesetzliche Festlegungen, wann jedenfalls eine bestimmte Ausführungsform eingesetzt werden muss, sind aufgrund der Vielschichtigkeit der im Einzelfall für eine zutreffende Entscheidung anzustellenden Überlegungen nicht sinnvoll.

Die Frage, welche Mehrkosten durch eine Verkabelung auftreten würden, kann nicht allgemein beantwortet werden, da die tatsächlichen Kosten von einer Viel- zahl von Faktoren (etwa Spannungsebene, Anzahl der eingesetzten Systeme, Topografie, Netzkonfiguration, Art und Umfang der erforderlichen Nebenanlagen) abhängen.

Mehrkosten durch Verkabelungen werden im Endeffekt nicht von den Netzbetreibern, sondern von der Gemeinschaft der Stromkonsumenten getragen. Es wäre

äußerst problematisch, die Allgemeinheit ohne Einzelfallprüfung mit den Kosten für eine generelle Verkabelungspflicht "bis zum 2,75-fachen der Freileitungskosten" zu belasten.

Die Kabeltechnik ist in etlichen Bereichen (z.B. Niederspannungsleitungen in der Flächenversorgung) fast schon Standard, in anderen Bereichen (bis 110 kV, See- kabel) technisch hinreichend erprobt, im Überland-Höchstspannungsbereich (220 kV und 380 kV) aber noch nicht weit verbreitet. Hinreichende Langzeiterfahrungen mit langen Überland-Höchstspannungskabeln fehlen bisher zur Gänze. Es kann folglich auch noch nicht zuverlässig beurteilt werden, ob lange Verkabelungen etwa im Österreichischen Übertragungsnetz die an sie gestellten Anforderungen erfüllen könnten. Derzeit laufen in Deutschland mehrere Verkabelungs-Pilotprojekte im Höchstspannungsbereich. Die dabei gewonnenen Erfahrungen werden zweifellos auch für mögliche österreichische Anwendungsfälle wertvolle Erkenntnisse liefern.

Das starkstromwegerechtliche Bewilligungsverfahren sieht eine umfassende Ab- stimmung des jeweils eingereichten Projekts mit allen betroffenen öffentlichen Interessen vor. So erfolgt etwa gemäß § 7 StWG eine Abstimmung mit den bereits vorhandenen oder bewilligten anderen Energieversorgungseinrichtungen und mit den Erfordernissen der Landeskultur, des Forstwesens, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Raumplanung, des Natur- und Denkmalschutzes, der Wasserwirtschaft und des Wasserrechtes, des öffentlichen Verkehrs, der sonstigen öffentlichen Versorgung, der Landesverteidigung, der Sicherheit des Luftraumes und des Dienstnehmerschutzes. Ebenso berücksichtigt es die berechtigten Interessen der betroffenen Bevölkerung, insbesondere Leben, Gesundheit oder Eigentum, vollumfänglich. Im Zusammenwirken mit den sonst auf eine elektrische Leitungsanlage anzuwendenden Materiengesetzen besteht nach geltender Rechtslage ein Prüfungsrahmen, der allen Aspekten des jeweiligen Projekts Rechnung trägt.

Es zählt zum Wesen von Mehrparteienverfahren, dass unterschiedlichste Interessen aufeinandertreffen. Aufgabe der jeweiligen Bewilligungsbehörde ist es, die konkret zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen auftretenden Kon-

 

flikte sorgfältig zu bewerten und entsprechend den durch die Rechtsordnung vor- gegebenen Kriterien zu lösen. Das Starkstromwegerecht des Bundes stellt dies- bezüglich im Zusammenhalt mit den anderen auf elektrische Leitungsanlagen anzuwendenden Gesetzesmaterien klare Kriterien auf, die sich bewährt haben und auch in Zukunft einen geeigneten Rahmen bilden, um der Allgemeinheit eine leistungsfähige, zuverlässige Elektrizitäts-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig unvertretbare nachteilige Auswirkungen zu vermeiden.

Ein Bedarf für eine "Neufassung des Starkstromwegegesetzes" besteht daher nicht.

Die Netzbetreiber sind zur Errichtung und Erhaltung einer für die inländische Elektrizitätsversorgung oder für die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen ausreichenden Netzinfrastruktur verpflichtet, um der österreichischen Bevölke- rung und Wirtschaft kostengünstige Elektrizität in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen (§§ 4, 5 EIWOG 2010). Zudem sieht das EIWOG 2010 in §§ 37 ff vor, dass die Übertragungsnetzbetreiber der Regulierungsbehörde jedes Jahr einen zehnjährigen Netzentwicklungsplan für das Übertragungsnetz zur Genehmigung vorlegen, der sich auf die aktuelle Lage und die Prognosen im Bereich von Ange- bot und Nachfrage stützt.

Zu Punkt 2:

Wurden alle für ein konkretes Projekt erforderlichen Bewilligungen erteilt, hat der Bewilligungsinhaber einen Rechtsanspruch auf Bewilligungsausübung. Zudem verbietet es das geltende Aktienrecht dem (Mit-)Eigentümer, auf konkrete Un- ternehmensentscheidungen Einfluss zu nehmen.

Zu Punkt 3:

Wenn alle gesetzlich vorgesehenen Genehmigungsvoraussetzungen für ein kon- kretes Projekt erfüllt sind, besteht ein Rechtsanspruch auf Bewilligung. Die Be- hörde hat im Verfahren Beweise aufzunehmen und zu prüfen, ob ihr diese Bewei- se die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen des maß-


geblichen Sachverhalts vermitteln. Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 2 AVG "un- ter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht". Wesen der in Punkt 3 der Petition angesprochenen, durch § 45 AVG normierten "freien Beweiswürdigung" ist es, dass die Behörde an keine festen Beweisregeln gebunden ist. Eine Verpflichtung, den Ermessensspielraum bei der freien Beweiswürdigung immer in einer bestimmten Weise auszuüben, wäre mit den geltenden rechtsstaatlichen Anforderungen nicht vereinbar.

Zu Punkt 4:

Der Ständige Ausschuss des Europarates forderte in seiner Resolution 1815 (2011) "The potential dangers of electromagnetic fields and their effect on the environment" vom 27.5.2011 eine europaweite Wende in der Mobilfunkpolitik. Die in der Resolution formulierten Forderungen an die Mitgliedstaaten des Euro- parates beschäftigen sich überwiegend mit dem Hochfrequenzbereich (z.B. Mobil- funk, Mikrowellen), zu einem geringen Teil aber auch mit niedrigfrequenten Fel- dern, wie sie von Elektrogeräten und elektrischen Leitungen ausgehen.

Die die Hochspannungsleitungen betreffenden Forderungen stehen in keinem Wi- derspruch zu der in Österreich gängigen, der geltenden Rechtslage entsprechen- den Praxis, alle erwartbaren Auswirkungen eines konkreten Projekts im Bewilli- gungsverfahren zu erheben und zu bewerten, wobei, soweit sich nicht etwa aus dem Vorsorgeprinzip des UVP-G 2000 anderes ergibt, jeweils der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zugrundezulegen ist.

Stellt sich trotz bewilligungsgemäßer Ausführung und bestimmungsgemäßen Be- triebs einer Leitung heraus, dass dem Gesundheitsschutz nicht oder nicht mehr im erforderlichen Umfang Rechnung getragen wird, ist die erteilte Bewilligung entsprechend zu ändern.