12677/J XXIV. GP
Eingelangt am 27.09.2012
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Winter
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Finanzen
betreffend Skandal rund um die Wohlfahrtseinrichtung der Tabaktrafikanten
Im Juli 2012 gelangte ein ÖVP-Wirtschaftsbundskandal der Sonderklasse an die Öffentlichkeit. Der vom ÖVP-Wirtschaftsbundduo Peter Trinkl und Gabriele Karanz geleitete Verein „Wohlfahrtseinrichtung der Trafikanten“ musste einen Abgang von insgesamt 2,3 Millionen Euro gegenüber der Öffentlichkeit zugeben. Allein 2011 betrug das Bilanzminus der Wohlfahrtseinrichtung eine Million Euro. Besonders pikant ist die Tatsache, dass diese Wohlfahrtseinrichtung in „Personalunion“ mit dem Bundesgremium der Tabaktrafikanten in der WKÖ von Trinkl und Karanz, die auch privat ein Paar sind, geführt wurde. Neben den freiheitlichen Trafikantenvertretern in den Gremien von Wohlfahrtseinrichtung und Bundesgremium wurde auch von bisherigen Wirtschaftsbundkollegen heftige Kritik an Trinkl und Karanz geübt. Trinkl ist nicht nur Bundesgremialobmann der Trafikanten, sondern auch Finanzreferent der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Karanz war bis vor einigen Jahren ÖVP-Stadträtin in Korneuburg.
Fast jede Woche gelangen neue Informationen an die Öffentlichkeit. Zwischenzeitlich beschäftigt sich auch die Staatsanwaltschaft Wien mit der Gebarung der Wohlfahrtseinrichtung und dem Duo Trinkl/Karanz.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass zahlreiche Ungereimtheiten in der finanziellen Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie, aber auch Lobbying-Unternehmen bekannt wurden. Die Wohlfahrtseinrichtung war als Spielwiese von Trinkl und Karanz auch dazu da, Projekte der Wirtschaftskammervertretung „querzufinanzieren“. Damit stellt sich aber die Frage, wie unabhängig die Interessensvertretung der Trafikanten bei Fragen des Tabakmonopols, Glücksspielwesens oder andere Bereiche wirklich agiert hat, und ob hier nicht standespolitische Standpunkte eingenommen worden sind, für die die Wohlfahrtseinrichtung Zug um Zug finanzielle Mittel erhalten hat.
Zuletzt kam eine Causa an die Öffentlichkeit, die die ÖVP-Vertreter in der Trafikantenvertretung auch in die Nähe von Vorgängen rückt, die Gegenstand des Korruptionsuntersuchungsausschusses und staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen waren bzw. sind. So soll es Auftragsverhältnisse zu den beiden Lobbying-Unternehmen Headquarter und Rosam durch einen „Lenkungsausschuss“ gegeben haben. Die Aufgabe dieses „Lenkungsausschusses“ ist Lobbying gegen die bevorstehende Tabakproduktrichtlinie der Europäischen Union. Geleitet wird dieser „Lenkungsausschuss“ von den ÖVP-Mitgliedern Peter Trinkl und Tina Reisenbichler. Reisenbichler war 2010 Landtagskandidatin der ÖVP Wien und ist Geschäftsführerin der im 100 Prozent Eigentum des Finanzministeriums stehenden Monopolverwaltung GmbH.
In Medienberichten wurde von einem Auftragsvolumen von insgesamt 270.000,- Euro an Rosam und Headquarter gesprochen. Die Zahlungsströme sollen via Wohlfahrtseinrichtung der Trafikanten von der Tabakindustrie gekommen sein. Gleichzeitig berichtete das Nachrichtenmagazin Format am 4. August 2012, dass sich der unter Strafanklage stehende ehemalige ÖVP-Innenminister und EU-Abgeordnete Ernst Strasser in konspirativen Gesprächen gerühmt hatte, auch mit dem Tabaksektor in Österreich als Lobbyist ins Geschäft gekommen zu sein.
Trinkl sitzt nicht nur in der Wohlfahrtseinrichtung der Trafikanten, der Wirtschaftskammer NÖ, dem Bundesgremium der Trafikanten und dem „Lenkungsausschuss“, sondern ist auch Beiratsmitglied des sogenannten „Solidaritätsfonds“ der Trafikanten. Dort wurde er gemeinsam mit BMF-Sektionschef Wolfgang Nolz und Tina Reisenbichler durch das Finanzministerium hineinnominiert. Der „Solidaritätsfonds“ verwaltete bisher 64 Millionen Euro und soll ab 2013 zusätzliche 34 Millionen Euro erhalten. Diese Finanzen verwaltet der Beirat. Teile der Berufsvertretung verlangen die Abberufung Trinkls durch die Finanzministerin, da er wegen seiner Performance in der Wohlfahrtseinrichtung zur Verwaltung des Millionenvermögens im Solidaritätsfonds gänzlich ungeeignet erscheint.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Finanzen nachstehende
Anfrage
1. Haben Sie oder Ihr Ressort Kenntnis von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Wohlfahrtseinrichtung der Trafikanten?
2. Wann gab es zuletzt eine Betriebsprüfung in der Wohlfahrtseinrichtung der Trafikanten?
3. Wird Herr Trinkl trotz der Gebarung in der Wohlfahrtseinrichtung weiterhin als Beirat des Solidaritätsfonds ein Millionenvermögen mitverwalten?
4. Halten Sie Ihn dafür weiterhin für geeignet?
5. Gab oder gibt es Pläne, die Verwaltung des Solidaritätsfonds der Wohlfahrtseinrichtung zu übertragen, um diese zu „sanieren“?
6. Wann gab es Termine zwischen Ihnen und Herrn Trinkl in Ihrer Funktion als Finanzministerin?
7. Wann gab es Termine zwischen Ihnen und Herrn Trinkl in Ihrer Funktion als ÖVP- und Wirtschaftsbundmitglied?
8. Welche Anliegen trug Herr Trinkl bei diesen Terminen an Sie als Ressortchefin heran?
9. Welche Kabinettsmitglieder und Beamte waren bei diesen Terminen anwesend?
10. Können Sie ausschließen, dass Herr Trinkl bei diesen Terminen nicht nur die Anliegen der Trafikanten vertreten hat, sondern auch die der Tabakindustrie bzw. eines Teils der Tabakindustrie?
11. Ist ein Resultat dieser Termine die Passage über das Tabaksteuergesetz und Tabakmonopolgesetz im Abgabenänderungsgesetz 2012?
12. Haben Sie davon Kenntnis, dass sich Herr Trinkl als Bundesgremialobmann der Dienste von Lobbying-Unternehmen bedient hat?
13. Haben Sie davon Kenntnis, dass diese Dienste von Lobbying-Unternehmen über die Rechnungsadresse der Wohlfahrtseinrichtung bezahlt wurden?
14. Haben Sie davon Kenntnis, dass die Tabakindustrie die Rechnungen dieser Lobbying-Unternehmen via Wohlfahrtseinrichtung finanziert hat?
15. Haben bzw. hatten Geschäftsführer oder Mitarbeiter der Lobbyingunternehmen Rosam und Headquarter seit Ihrer Amtsübernahme als Finanzministerin Kontakt mit Ihnen?
16. Wurden bei diesen Kontakten Inhalte im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder der Trafikanten erörtert?
17. Haben bzw. hatten Geschäftsführer oder Mitarbeiter der Lobbyingunternehmen Rosam und Headquarter seit Ihrer Amtsübernahme als Finanzministerin Kontakt mit Ihrem Kabinett?
18. Wurden bei diesen Kontakten Inhalte im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder der Trafikanten erörtert?
19. Haben bzw. hatten Geschäftsführer oder Mitarbeiter der Lobbying-Unternehmen Rosam und Headquarter seit Ihrer Amtsübernahme als Finanzministerin Kontakt mit Beamten des BMF?
20. Hatte Ihr Parteifreund Ex-Innenminister und EU-Abgeordneter Ernst Strasser Kontakt mit Ihnen im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder den Trafikanten?
21. Wurden bei diesen Kontakten Inhalte im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder der Trafikanten erörtert?
22. Hatte Ihr Parteifreund Ex-Innenminister und EU-Abgeordneter Ernst Strasser Kontakt mit Ihrem Kabinett im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder den Trafikanten?
23. Wurden bei diesen Kontakten Inhalte im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder der Trafikanten erörtert?
24. Hatte Ihr Parteifreund Ex-Innenminister und EU-Abgeordneter Ernst Strasser Kontakt mit Ihren Beamten im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder den Trafikanten?
25. Wurden bei diesen Kontakten Inhalte im Zusammenhang mit der Tabakindustrie oder der Trafikanten erörtert?
26. Haben Sie als Eigentümervertreterin der Monopolverwaltung GmbH Kenntnis davon, dass die Geschäftsführerin der Monopolverwaltung DI Tina Reisenbichler, zugleich ihre ÖVP-Parteifreundin, in einem „Lenkungsausschuss“ vertreten ist?
27. Haben Sie als Eigentümervertreterin der Monopolverwaltung GmbH Kenntnis davon, dass die Geschäftsführerin der Monopolverwaltung DI Tina Reisenbichler, zugleich ihre ÖVP-Parteifreundin, in diesem „Lenkungsausschuss“ Kontakte und Vertragsbeziehungen mit Lobbying-Unternehmen angebahnt hat?
28. Haben Sie als Eigentümervertreterin der Monopolverwaltung GmbH Kenntnis davon, dass es bei den im Rahmen des „Lenkungsausschusses“ getätigten Kontakte Anbahnungen um ein finanzielles Gesamtvolumen von 270.000,- Euro geht, die an Lobbyisten geflossen sind bzw. noch fließen sollen?
29. Haben Sie als Eigentümervertreterin der Monopolverwaltung GmbH Kenntnis davon, dass dieser Lenkungsausschuss auf Rechnung der Wohlfahrtseinrichtung und mit dem Geld der Tabakindustrie diese Lobbying-Unternehmen bezahlt hat?
30. Wurde diese Tätigkeit der Geschäftsführerin der Monopolverwaltung DI Tina Reisenbichler, zugleich ihre ÖVP-Parteifreundin, im „Lenkungsausschuss“ dem Aufsichtsrat der Monopolverwaltung oder Ihnen als Eigentümervertreterin zur Kenntnis gebracht?
31. Wurde diese Tätigkeit der Geschäftsführerin der Monopolverwaltung DI Tina Reisenbichler, zugleich ihre ÖVP-Parteifreundin, im Aufsichtsrat der Monopolverwaltung genehmigt?