9805/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.11.2011
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Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz,Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Staatsanwalt Kronawetter

BEGRÜNDUNG

 

In der Tradition der einschlägig bekannten und parlamentarisch untersuchten „Politischen Abteilung“ der StA Wien war Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter in den vergangenen Jahren für einige brisante Verfahren mit politischem Zusammenhang zuständig. Kronawetter war bis zu deren scheinbaren Auflösung der politischen Abteilung der StA Wien zugeteilt.

Die Politische Abteilung wurde in Reaktion auf die Aufdeckung zahlreicher Missstände durch den Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments nicht  aufgelöst, sondern unter Beschränkung der Zuständigkeit in "Abteilung für Staatsschutz und Terrorismusbekämpfung" umbenannt. Staatsanwalt Hans Peter Kronawetter blieb weiterhin dort tätig.

Hans Peter-Kronawetter war in der politischen Abteilung für das Strafverfahren zuständig, in dem gegen Peter Westenthaler und Mitarbeiter des BZÖ-Parlamentsklubs wegen einer Presseaussendung über eine Parlamentsrede ermittelt wurde, wodurch die absolute parlamentarische Immunität verletzt wurde.

Kronawetter führte auch die Verfahren gg Westenthaler wegen der „Knie-Affäre“ und wg falscher Zeugenaussage. Im Zuge des Untersuchungsausschusses wurde Kronawetter allerdings von diesen Verfahren abgezogen, wobei dies nach Darstellung des Justizministeriums „zu seinem eigenen Schutz“ erfolgte.

In den Verfahren gegen Abgeordnete der Opposition zeichnete sich Kronawetter durch seine Bereitschaft, über die Grenzen von Gesetzen und Verfassung hinaus zu ermitteln, aus.

Für Verfahren, die die Tätigkeit und die Verantwortung von Mitgliedern der Bundesregierung betreffen, gilt im Fall „Kronawetter“ das genaue Gegenteil.

Kronawetter war der zuständige Staatsanwalt in der Causa Kampusch. Er war hier für die überfallsartige Einstellung der Verfahren im Herbst 2006 verantwortlich. Damit leistete er einen entscheidenden Beitrag, die Vertuschung geschehener Polizeipannen zu erleichtern.

Nach einer Sachverhaltsdarstellung des ehemaligen OGH-Präsidenten über schwere Mängel in der staatsanwaltschaftlichen Bearbeitung dieses Falls war in den Ermittlungen (Strafverfahren in Innsbruck wg möglichem Amtsmissbrauch) soweit bekannt ist auch Hans-Peter Kronawetter einer der Beschuldigten.

Kronawetter war weiters zuständig für das Verfahren um möglichen Amtsmissbrauch in der Angelegenheit Zogaj, bei dem es um den Verdacht des Verrats von geheimen EKIS-Daten durch Politiker wie Günther Platter und Josef Pühringer ging. Trotz eindeutiger Sachbeweise hat Kronawetter die betroffenen Politiker trotz entsprechender Aufforderungen des BIA nicht einvernehmen lassen.

Zuletzt richtete sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf Hans-Peter Kronawetter, als er einige Strafverfahren einstellen wollte, die aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses zur Beschaffung von Kampfflugzeugen resultierten. Im Strafverfahren Rumpold, in dem es um verdächtige Zahlungen in Millionenhöhe ging, denen extrem teure „Leistungen“ wie etwa die Abhaltung einer Pressekonferenz um € 96.000 gegenübergestellt wurden, verweigerte Hans-Peter Kronawetter die Öffnung der Konten, wodurch die Abklärung, ob Teile dieser Beträge an Dritte oder Politiker weitergeleitet wurden, verhindert wurde. Das Strafverfahren wegen einer Zahlung durch den Eurofighter-Lobbyisten  Erich Steininger an die Firma der Ehegattin des später suspendierten Luftwaffen-Generals Erich Wolf wollte Kronawetter ebenfalls einstellen, hier regte jedoch der Rechtsschutzbeauftrage des Justizministeriums eine Fortsetzung des Strafverfahrens an.

Kronawetter trägt damit einen wesentlichen Teil der Verantwortung für den schlechten Ruf, den sich eine regierungstreue Justiz in den letzten Jahren erworben hat. Kronawetter hat gemeinsam mit seinen Kollegen der Politischen Abteilung jahrelang dafür gesorgt, dass es in politischen Verfahren zwei Klassen von Verdächtigen gab: Regierungspolitiker, die nichts und Oppositionspolitiker, die alles zu befürchten hatten.

Wenn Regierungspolitiker im Fall strafbarer Handlungen keine ernsthafte Strafverfolgung zu befürchten haben, ist der Rechtsstaat und das Vertrauen der BürgerInnen in ihn in Gefahr.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

I.     Verfassungsbruch

 

1)    Im Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments wurde festgestellt, dass durch Kronawetter in diesem Verfahren gegen die Verfassungsbestimmung des Art. 33 B-VG, in dem die wahrheitsgemäße Berichterstattung aus dem Nationalrat von jeder Verantwortung freigestellt wird, verstoßen wurde. Sind auch Sie der Meinung, dass Kronawetter durch diese Vorgangsweise gegen Art. 33 BVG verstoßen hat?

2)    Kronawetter hat das Verfahren gegen Westenthaler abgebrochen und eine verfassungswidrige „Ersatzverfolgung“ gegen Mitarbeiter des BZÖ-Klubs geführt. Was haben Sie unternommen, um Staatsanwälte wie Kronawetter in Zukunft an derartigen Umgehungen des Art. 33 B-VG zu hindern?

3)    Was hat das BMJ bei Bekanntwerden des Verfassungsbruchs durch Kronawetter unternommen?

4)    Welche Folgen hatte der Verfassungsbruch für Kronawetter in seiner Tätigkeit als Staatsanwalt?

 

II.    Kampusch

 

5)    Ist Kronawetter Beschuldigter im „Kampusch“-Verfahren, das von der StA Innsbruck wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs geführt wurde?

6)    Kronawetter wusste von den beiden Priklopil-Hinweisen seit dem 24. August 2006. Seit Jahren führte er das Kampusch-Verfahren. Bis zur Einstellung des Verfahrens sind keine diesbezüglichen Aktivitäten des Staatsanwalts erkennbar. Warum hat sich Kronawetter nicht selbst in die Ermittlungen eingeschaltet?

7)     Warum hat auch Kronawetter keinen Auftrag gegeben, den Hundeführer schriftlich einzuvernehmen?

8)    Vor der SOKO-Vorarlberg rechtfertigte sich Kronawetter, Haidinger habe die Causa „2. Hinweis“ in der Sitzung vom 24. August als „polizeiinterne Sache“ bezeichnet und die Hinweise an Genmjr. Mahrer mit dem Auftrag, sich darum zu kümmern, übergeben. „Mir gegenüber wurden diese Hinweise folglich in keiner Weise mehr erwähnt oder näher erläutert. Ich selbst hatte also bis zum Erhalt des Abschlussberichtes der Soko Burgenland mit diesen Hinweisen nichts mehr zu tun.“  Kronawetter war Herr des Verfahrens. Aber er hatte sich seit zwei Monaten nicht darum gekümmert. „Wie bereits geschildert wurden diese Hinweise vorerst polizeilich behandelt und für mich somit kein Thema, da frag ich nicht nach.“ Warum hat sich Kronawetter als Staatsanwalt nicht um die Ermittlungen gekümmert?

9)    Warum hat Kronawetter das Kampusch-Verfahren ohne weitere Ermittlungen am 15.11.2006 eingestellt?

10) Hat Kronawetter durch die voreilige Einstellung der Ermittlungen verhindert, dass gegen mögliche weitere Täter ermittelt werden konnte?

11) Warum und in wessen Interesse hat Kronawetter Ermittlungen gegen mögliche Mittäter verhindert?

12) Was war die Leistung von Kronawetter?

13) Zum Zeitpunkt der Einstellung des Kampusch-Verfahrens befand sich das Innenministerium bereits jahrelang in den Händen der ÖVP. Es ist erwiesen, dass die ÖVP im Herbst 2006 angesichts bevorstehender Nationalratswahlen jede Irritation rund um die Causa „Kampusch“ vermeiden wollte. Warum hat Kronawetter durch sein Verhalten die ÖVP begünstigt?

 

III.   Platter-Zogaj

 

14) Innenminister Platter hat in der Absicht, Angehörige von Arigona Zogaj öffentlich in Misskredit zu bringen, in der ZiB 2 am 2.10.2007 aus vertraulichen Polizeiakten zitiert.

 

Platter Günther (ÖVP): Aber es war klar, schon im Jahre 2003, wurde bereits ein humanitärer Aufenthaltstitel verlangt. Dort wurde das in der ersten Instanz bei der Bezirkshauptmannschaft und im Innenministerium abgelehnt. Es war klar, dass man keinen Aufenthalt, keinen humanitären Aufenthalt bekommt und aber auch kein Asyl bekommt. Und eines möchte ich auch sagen: Es sind auch Familienmitglieder straffällig geworden und deshalb ist es schon notwendig, dass man hier einen Weg geht, dass man nicht alles tolerieren kann.

 

Wolf Armin (ORF): Aber können wir das jetzt einmal konkret machen, weil das den ganzen Tag heute durch die Medien geistert. Was heißt Familienmitglieder sind straffällig geworden? Soweit bekannt, gibt es gegen den älteren Bruder offenbar ein Urteil wegen versuchter gefährlicher Drohung. Das klingt ein bisschen nach Disco-Rauferei oder so etwas.

 

Platter Günther (ÖVP): Nein, es gibt hier eine Verurteilung und es gibt aber auch Anzeigen. Es –

 

Wolf Armin (ORF): Weswegen?

 

Platter Günther (ÖVP): Es – Paragraph 270 der Strafgesetzordnung, des Strafgesetzbuches, also die gefährliche Drohung (sic!), aber –

 

Der Innenminister hat hier als erster öffentlich verraten, dass zwei Mitglieder der Familie ZOGAJ wegen § 270 StGB durch die PI Vöcklabruck angezeigt wurden. Damit steht er nach wie vor im dringenden Verdacht, nach § 310 StGB das Amtsgeheimnis gebrochen zu haben.

 

Welche Ermittlungsaufträge hat Kronawetter in dieser Causa erteilt?

15) Wann hat Kronawetter den Beschuldigten Günter Platter einvernommen?

16) Wann hat Kronawetter den Beschuldigten Mathias Vogl einvernommen?

17) Wann hat Kronawetter den Beschuldigten  Lang einvernommen?

18)  Welche Beschuldigten hat Kronawetter einvernommen?

19) Ist es richtig, dass das BIA Kronawetter um einen Auftrag zur Einvernahme von Platter ersuchte?

20)  Gegen Günter Platter liegen in der Causa „Zogaj“ eindeutige Sachbeweise vor. Mit welcher Begründung hat Kronawetter trotzdem das Verfahren eingestellt?

21) Was war die Leistung von Kronawetter?

22) Warum schützt Kronawetter den ÖVP-Innenminister?

 

IV.  Rumpold-Eurofighter

 

23)  Die Rumpold-Agentur „100 % Communications“ hat EADS Leistungen in der Höhe von 6,5 Millionen Euro verrechnet. Bei diesen Rechnungen handelt es sich um Scheinrechnungen. Ein diesbezügliches Medienverfahren, das von Gernot Rumpold gegen Peter Pilz wegen dieser Behauptung angestrengt wurde, ging für Rumpold verloren. Von Grasser über Meischberger bis Mensdorff-Pouilly werden Rechnungen, bei denen der Verdacht auf Scheinrechnungen besteht, mittels Kontoöffnungen und anderen Ermittlungsmaßnahmen überprüft. Hat Kronawetter die Öffnung der Rumpold-Konten veranlasst?

24) Hat Kronawetter in der Sache Hausdurchsuchungen durchführen lassen?

25) Welche Ermittlungen hat Kronawetter geführt, um mögliche Scheinrechnungen zu überprüfen?

26) Warum hat Kronawetter im Fall „Rumpold“ trotz des Vorliegens konkreten Verdachts auf Ermittlungsmaßnahmen wie Kontenöffnungen und Hausdurchsuchungen verzichtet?

27) Was war die Leistung von Kronawetter?

28) Warum schützt Kronawetter Rumpold?

 

V.   Wolf-Eurofighter

 

29) Im Eurofighter-Untersuchungsausschuss wurde bekannt, dass der damalige Luftwaffenchef GenLt. Wolf über seine Frau in geschäftlichen Beziehungen zum EADS-Lobbyisten Steiniger stand. Dieser Umstand führte zu Wolfs Suspendierung durch den Verteidigungsminister. Gleichzeitig wurde gegen Wolf ein Strafverfahren eingeleitet, das ebenfalls von Kronawetter übernommen wurde. Welche Ermittlungsaufträge hat Kronawetter in diesem Verfahren erteilt?

30) Hat Kronawetter Konten öffnen lassen?

31) Hat Kronawetter Hausdurchsuchungen durchführen lassen?

32) Mit welcher Begründung hat Kronawetter auch dieses politisch brisante Verfahren eingestellt?

33) Warum hat Kronawetter in keinem einzigen Eurofighter-Verfahren ernsthaft ermittelt?

34) Was war seine Leistung?

35) Mit welcher Begründung hat der Rechtsschutzbeauftragte die Wiederaufnahme dieses Verfahrens angeregt?

36) Wurde über den Fortführungsantrag des Rechtsschutzbeauftragten in der Angelegenheit Steininger – Wolf mittlerweile durch das OLG entschieden?

37) Falls ja: in welchem Stadium befindet sich jetzt das Verfahren und wann ist mit einer Anklageerhebung zu rechnen?

 

VI.  Kronawetter

 

38) Von der Korruptionsstaatsanwaltschaft bis zur Wirtschaftsgruppe der StA Wien zeigen Ermittler, dass die österreichische Justiz in der Lage ist, die organisierte politische Korruption zu bekämpfen. Trotzdem gibt es noch immer einzelne Staatsanwälte, die brisante Verfahren so lange liegen lassen, bis die Beschuldigten durch Verjährung geschützt sind. Und trotzdem gibt es noch immer Staatsanwälte wie Kronawetter. Was werden Sie unternehmen, damit sichergestellt wird, dass Staatsanwälte in Zukunft ausschließlich die Interessen des Rechtsstaats und nicht von tatverdächtigen (Ex-)Regierungsmitgliedern vertreten?