12294/AB XXIV. GP

Eingelangt am 11.09.2012
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                Wien, am      September 2012

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0212-I/4/2012

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 12504/J vom 11. Juli 2012 der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Mangels eines Antrages auf Übernahme einer Bundeshaftung nach dem AusfFG ist keine Projekt- und Umweltprüfung seitens der in der Ausfuhrförderung mit der Projekt- und Umweltprüfung beauftragten Oesterreichischen Kontrollbank AG (OeKB) durchgeführt worden. Die einzigen dem Bundesministerium für Finanzen und der OeKB zur Verfügung stehenden Informationen sind Medienberichte zu diesem Projekt, die auch Menschenrechts- und Umweltaspekte beinhalten. Soweit dem Bundesministerium für Finanzen bekannt ist, wird dieses Projekt im Wesentlichen von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES finanziert.


Zu 2.:

Aus den Medien ist zu entnehmen, dass eventuell eine brasilianische Andritz-Tochtergesellschaft Lieferungen und Leistungen in einer Größenordnung von bis zu 330 Mio. Euro zum Projekt Belo Monte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von mindestens 8 Mrd. Euro – Greenpeace spricht von 13 Mrd. Euro – erbringen könnte.

 

Zu 3. bis 5.:

Das Bundesministerium für Finanzen ist im Rahmen des staatlichen Exporthaftungsverfahrens in keiner Weise in das Projekt eingebunden.

 

Zu 6.:

Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen und bestehender besonderer Verschwiegenheitsverpflichtungen ist die Nennung der Einzelprojekte – sofern sie nicht ohnehin aufgrund internationaler Verpflichtungen veröffentlicht sind (siehe dazu die Beantwortung zu den Fragen 8. und 9.) – nicht möglich.

 

Zu 7.:

Insgesamt wurden für die Andritz-Gruppe seit 1.1.2008 Haftungen in Höhe von rund 1,7 Mrd. Euro gegen risikoadäquate Haftungsentgelte in Konformität mit den relevanten OECD-Bestimmungen übernommen.

 

Diese teilen sich ländermäßig (Volumen > 10 Mio. Euro und gerundet) wie folgt auf:

 

Ägypten

Bhutan

Brasilien

China

Indien

Indonesien

Italien

Kanada

Kenia

Korea

Laos

66

42

82

455

91

21

13

16

40

13

11

Malaysia

Mazedonien

Namibia

Rumänien

Russland

Serbien

Spanien

Südafrika

Taiwan

Türkei

Vietnam

Sonstige Länder

126

16

16

185

46

16

76

12

58

211

10

30


Darauf hingewiesen wird, dass es sich dabei fast ausschließlich um kommerzielle Geschäfte handelt, wobei der überwiegende Teil mit kurzfristigen Zahlungszielen verbunden ist. Unter Berücksichtigung des Ausgangsstandes und der ab 1.1.2008 erfolgten Rückzahlungen in Höhe von 1,46 Mrd. Euro ist das aktuelle Risiko des Bundes aus bundesgarantierten Geschäften der Andritz-Gruppe aktuell bei rund 1,45 Mrd. Euro.

 

Zu 8. und 9.:

Die OeKB veröffentlicht auf ihrer Homepage Projekte, die gemäß den OECD Common Approaches und dem OeKB Umweltprüfverfahren der Umweltkategorie A und B zugeordnet werden:
http://www.oekb.at/de/exportservice/projekte/umweltkategorie-a-b/seiten/kategorien-a-b-nach-haftungsuebernahme.aspx

 

Für die Andritz-Gruppe wurden für folgende Projekte, die auch nach diesen Kriterien geprüft wurden, Haftungen übernommen:

-      Lieferung elektromechanischer Ausrüstung für das Wasserkraftwerk Dagachhu/Bhutan (Kat. A),

-      Lieferung einer Glüh- und Beizanlage für Bahru Stainless Steel/Malaysia (Kat. B),

-      Lieferung einer Schubbeize und Mischsäureregenerationsanlage/China (Kat. B).

 

Angemerkt wird, dass die OeKB auftrags des Bundesministeriums für Finanzen bei allen Anträgen die Möglichkeit potentieller Auswirkungen auf die Umwelt prüft, also auch bei jenen Fällen, die nicht gemäß den OECD Common Approaches zu prüfen sind („Watchful Eye Procedure“). Nach diesem Prinzip wurden auch Anträge der Andritz-Gruppe detaillierter geprüft und ungefähr 20 Projekte in Höhe von insgesamt rund 430 Mio. Euro der Kategorie A sowie rund 25 über insgesamt rund 550 Mio. Euro der Kategorie B zugeordnet.

 

Zu 10.:

Es liegen Anträge der Andritz-Gruppe über insgesamt rund 750 Mio. Euro vor. Außerdem wurden auf der OeKB Homepage zwei Projekte der Umweltkategorie A vor Haftungsübernahme publiziert:

-      Lieferung einer Zellstofftrocknungsanlage für das Zellstoffwerk Eldorado/Brasilien,

-      Lieferung von Ausrüstungen für eine Zellstoff- und eine Faltschachtel-kartonanlage/Vietnam.


Zu 11., 12. und 14.:

Die OeKB prüft auftrags des Bundesministeriums für Finanzen Umwelt-, Sozial- und Nachhaltigkeitsaspekte jener Projekte, für die von den Firmen/Banken eine Bundeshaftung beantragt wird und die entsprechenden Studien, Dokumente, Verträge und Unterlagen beigebracht werden. Nach den dem Bundesministerium für Finanzen vorliegenden Informationen verfahren in dieser Hinsicht alle multilateralen Entwicklungsbanken, alle internationalen Finanzierungsinstitutionen und alle Exportkreditagenturen gleich: Keine einzige Institution trifft Entscheidungen zu Projekten auf der Grundlage eines „Gesamtprofils“ des Exporteurs. Aus diesen Gründen, aber auch wegen der damit verbundenen hohen Kosten und zusätzlichen bürokratischen Belastung von Exporteuren, Banken und der Exportkreditagentur kann sich das Bundesministerium für Finanzen ebenso wie die OeKB die Implementierung eines „Gesamtprofil-Verfahrens“ nicht vorstellen.

 

Zu 13.:

Das „Österreichische Umweltprüfverfahren“ stellt die nationale Umsetzung der innerhalb der OECD erarbeiteten und ständig weiterentwickelten „Common Approaches on the Environment and Officially Supported Export Credits“ dar. Es enthält des Weiteren eine Ergänzung zur Anwendung auf solche Transaktionsarten, die von den „Common Approaches“ ausgenommen sind. Zusätzlich muss ein Projekt auch die lokalen Prüfverfahren (im Abnehmerland) bestehen, weil die lokalen Bestimmungen bezüglich Umwelt jedenfalls einzuhalten sind. Das „Gesamtprofil“ des Exporteurs wird nicht einbezogen.

 

Zu 15.:

Für ein Exportkreditversicherungssystem hat neben der umfassenden Risikobeurteilung des beantragten Projektes klarerweise das bisherige Anbietungs- und Abwicklungsverhalten des Antragstellers bei der Beurteilung von Neuanträgen im Vordergrund zu stehen: Ganz allgemein stellt in allen Industriestaaten sowie auch in zahlreichen Transitionsländern die Verfügbarkeit eines Exportkreditversicherungssystems einen wichtigen Standortfaktor für die Wirtschaft dar. Es ist daher anzunehmen, dass die Andritz-Gruppe ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in Österreich durch ein derartiges Vorgehen erheblich einschränken würde. Das Bundesministerium für Finanzen bekennt sich gerade im Hinblick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen und nachhaltigen Steuereinnahmen zu einer aktiven Industriestandortpolitik, zumal an Aufträgen industrieller Weltmarktführer auch eine Vielzahl von KMU-Zulieferbetrieben partizipiert.


Zu 16.:

Aus den in der Beantwortung zu den Fragen 4., 11., 12. und 15. angeführten Überlegungen kann und wird eine Beteiligung der Andritz-Gruppe am Belo Monte-Projekt keinen unmittelbaren Einfluss auf die Übernahme weiterer Haftungen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes haben. Das Bundesministerium für Finanzen wird aber auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass die zur Übernahme von Bundeshaftung beantragten Projekte weiterhin den hohen Prüfstandards der OeKB im Einklang mit internationalen Verpflichtungen unterzogen werden.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Maria Fekter eh.