473/J XXII. GP
Eingelangt am 04.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 93 Abs. 1 GOG
der
Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend gebrochene Versprechen und
fehlende Harmonisierung bei den
PolitikerInnenpensionen
Im
Zusammenhang mit der beabsichtigten Harmonisierung der Pensionssysteme
haben Mitglieder der Bundesregierung sowie führende Funktionäre der
Regierungsparteien immer wieder davon gesprochen, dass die im Bereich der
Sozialversicherungspensionen geplanten Harmonisierungsschritte auch bei den
Politikerpensionen, also den Ruhe- und Versorgungsbezügen nach dem
Bezügegesetz, umgesetzt würden.
Gebrochene Versprechen
So haben Sie, Herr Bundeskanzler, am 8. April 2003 erklärt, dass „die Politiker bei
den Pensionen genau die gleichen Reformen zu tragen haben, die wir für eine
umfassende Pensionssicherung beschließen werden" (APA 0181).
Am 8. Mai 2003 erklärten Sie gemeinsam mit dem Vizekanzler: „Auch bei den
Politikerpensionen werden dieselben Maßnahmen gesetzt wie bei allen anderen"
(APA 0162).
Am 15. Mai 2003 erklärten Sie in Ihrer Rede zur Lage der Nation, dass es „keinerlei
Ausnahmen bei Politikerpensionen" geben werde (OTS 0242):
Und auch gestern, am 3. Juni 2003 erklärten Sie noch: „Wir machen eins zu eins die
Harmonisierung bei den Politikerpensionen und zusätzlich noch ein spürbares
Solidaropfer" (ZIB2).
Auch
die MinisterInnen Bartenstein, Rauch-Kallat und Grasser „sprachen sich für
eine Angleichung der Politikerpensionen an
die ASVG-Bestimmungen aus" (APA
0189, 8. April 2003).
ÖVP-Generalsekretär
Lopatka erklärte noch am 10. Mai 2003, dass „der Abbau von
Politikerprivilegien im Pensionssystem
bereits auf parlamentarischer wie auch auf
Regierungsebene festgelegt worden sei und damit außer Streit stehe (...) Alle
derzeitigen Schritte im ASVG-Bereich
sind selbstverständlich auch für die
Versicherten in anderen Systemen
deckungsgleich vorgesehen" (OTS
031).
Diese
Erklärung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem der als „Trägerrakete"
bekannt
gewordene Initiativantrag Molterer/Scheibner bereits im Parlament eingebracht
worden war.
Der
Initiativantrag der Regierungsparteien enthielt allerdings nicht die
„deckungsgleiche" Umsetzung der strukturellen Maßnahmen aus den
Sozialversicherungspensionen (Abschaffung der Frühpension, Senkung des
Steigerungsbetrags, Erweiterung des Durchrechnungszeitraums usw.), sondern im
Gegenteil die Einführung einer Frühpension für Politikerinnen und die
Beibehaltung
des Pensionsantrittsalters 56,5 Jahre für Regierungsmitglieder!
Obwohl
mittlerweile die „Trägerrakete" die Frühpensionsstufe abgeworfen hat und
seit der gestrigen Einigung zwischen den Regierungsparteien eine Erhöhung des
besonderen Pensionssicherungsbeitrages vereinbart scheint, fehlen noch immer
die
strukturellen Maßnahmen zur Harmonisierung, die von Ihnen und anderen
Regierungsmitgliedern bzw. führenden Vertreterinnen der Koalitionsparteien
versprochen wurden.
Fehlende Harmonisierung
-
Während im ASVG 15 Beitragsjahre Voraussetzung für einen
Pensionsanspruch sind, reichen im
Bezügegesetz schon 4 Jahre als
Regierungsmitglied, um einen
üppigen Anspruch auf Politikerpension (50 %
des Bezugs) zu begründen.
-
Während im ASVG nach den Vorstellungen der Bundesregierung in Zukunft mit
45 Beitragsjahren bei einem
Steigerungsbetrag von 1,78 Prozent die maximale
Pension von 80 % der
Bemessungsgrundlage erreicht würde, gibt es im
Bezügegesetz für Abgeordnete nach
20 Jahren die maximale Pension von
80 % der Bemessungsgrundlage und
für Regierungsmitglieder sogar schon
nach 9 Jahren die maximale
Pension in der Höhe von 80 % des Bezugs.
-
Während im ASVG (GSVG / BSVG) mehr als 200.000 Personen nur eine
Ausgleichszulage in der Höhe von
knapp € 650,- erhalten und mehr als 50 %
der Pensionistinnen nur eine Pension
unter brutto € 1000,- monatlich, gibt es
im Bezügegesetz eine üppige
Mindestpension in der Höhe von 48 % des
Bezugs für Abgeordnete bzw. 50 %
des Bezugs für Regierungsmitglieder.
-
Während im ASVG zukünftig 40 Jahre Durchrechnungszeitraum die
Bemessungsgrundlage bilden
sollen, gibt es im Bezügegesetz weder für
Abgeordnete noch für
Regierungsmitglieder einen Durchrechnungszeitraum.
-
Während im ASVG die Höchstpension rund brutto €2.300,-
erreichen kann,
sind die Höchstpensionen aus dem
Bezügegesetz derzeit mit rund € 12.800,-
limitiert.
-
Während für die meisten im ASVG (GSVG / BSVG) Versicherten ihre
Sozialversicherungspension die
einzige Altersversorgung darstellt, ist für
faktisch alle Personen, die einen
Anspruch auf Politikerpension erworben
haben, diese Pension eine
Zusatzpension.
- Während die im ASVG Versicherten schon
jahrelang einen Beitrag von 22,8 %
des Bruttobezugs leisten, betrug
der Pensionsbeitrag für Abgeordnete bis 1996
13 % und für Regierungsmitglieder
16 % (jetzt 22,79 % bzw. 25,79 %).
-
Während im ASVG die Versicherten rund 80 % ihrer Pensionen über Beiträge
finanzieren, verhält es bei den
Politikerpensionen nach dem Bezügegesetz
genau umgekehrt. Abgeordnete, die
20 Jahre Beiträge bezahlt haben (und
dadurch die Höchstpension
erreichen), erhalten ein Vielfaches ihrer
Beitragsleistungen als Pension:
bei einem Pensionsbeitrag von 20 %
(tatsächlich war er bis vor
kurzem weit niedriger) wurden in 20 Jahren rund 5
Mio. ATS (€ 363.000,-)
einbezahlt. Bei 20 angenommenen Pensionsjahren
steht demgegenüber eine
Gesamtpensionssumme von rund 18 Mio. ATS (€ 1,3
Mio.). Diese Gesamtpensionssumme
kann noch erheblich grösser werden,
wenn in den 20 Jahren
Beitragsleistung auch Jahre als Regierungsmitglied
enthalten sind. Dann entsteht
daraus ein Doppelpensionsanspruch, der nur
durch die Deckelungsgrenze des
Bezügebegrenzungsgesetzes limitiert ist.
Nach
den Vorstellungen der Bundesregierung bzw. Regierungsparteien sollen
offensichtlich auch in zukünftigen Jahren noch Personen, die unter die
Stichtagsregelung des Bezügegesetzes fallen, mit Ruhebezügen, ja sogar
Doppelpensionen aus ein - und derselben Beitragsleistung und zusätzlichen
einmaligen Entschädigungen (Politikerabfertigungen) in Pension gehen können.
Obwohl das Bezügegesetz von 1972 im Jahr 1997 durch das transparente
Bundesbezügegesetz in den meisten Bestimmungen ersetzt wurde, wurde es durch
die Übergangsbestimmungen von 1997 und später 2000 im Bereich der Pensions-
und Abfertigungsregelungen künstlich am Leben gehalten und soll nunmehr durch
weitere Übergangsbestimmungen neuerlich so angepasst werden, dass auch die
letzten (jüngsten) Abgeordneten bzw. Regierungsmitglieder, denen 1997 durch
eine
bemerkenswerte Stichtagsregelung ein Anspruch auf Politikerpension zugeteilt
wurde, in zukünftigen Jahrzehnten noch ihre Ruhegenüsse nach dem Bezügegesetz
konsumieren können.
Dies
steht in bemerkenswertem Widerspruch zu Ihren Versprechen bzw. denen
anderer Regierungsmitglieder.
Darüberhinaus
gibt es offensichtlich keine Anstrengungen, die Harmonisierung auch
auf die Bezügeregelungen der Länder
auszuweiten.
Auch
Personen, die schon vor dem Inkrafttreten des Bezügebegrenzungsgesetzes
1997 Ruhegenüsse bzw. andere öffentliche Pensionsleistungen beansprucht haben,
die weit über der Deckelungsgrenze liegen, sollen offensichtlich weiterhin
geschont
werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende
DRINGLICHE ANFRAGE:
1). Wie viele Personen beziehen derzeit
Ruhebezüge/Versorgungsbezüge nach
dem Bezügegesetz des Bundes?
2). Wie viele Personen beziehen derzeit
Ruhebezüge/Versorgungsbezüge nach
den (alten) Bezügegesetzen der Länder?
3). Wie viele Personen fallen auf grund der Stichtagsregelung
(§ 49 e BezG) des
Bezügegesetzes in das alte System der „Politikerpensionen" und können
daraus noch einen Anspruch erwerben?
4). In der parlamentarischen Debatte über die
Neugestaltung der Politikerbezüge
1997 wurde der Aufwand für Politikerpensionen und -bezüge relativ
oberflächlich mit 1,2 Milliarden Schilling beziffert.
a) Wie hoch war der Aufwand für
Ruhebezüge/Versorgungsbezüge nach dem
Bezügegesetz des Bundes in den Jahren 1997 - 2002?
b) Wie hoch ist er voraussichtlich 2003?
c) Wie hoch war der Aufwand für Ruhebezüge
/Versorgungsbezüge nach den
bezügerechtlichen Regelungen der Länder 1997 - 2002 bzw. wie hoch ist er
voraussichtlich 2003?
5). Wie hoch waren die Einnahmen aus den
Pensionsbeiträgen ( § 12 BezG) in
den Jahren 1997 - 2002 bzw. wie hoch sind sie veranschlagt für 2003?
6). Wie hoch waren die Einnahmen aus dem besonderen
Pensionssicherungsbeitrag
(§ 44n BezG) in den Jahren 1997 - 2002 bzw. wie
hoch sind sie veranschlagt für 2003?
7). Verschiedene Mitglieder der Bundesregierung,
zuvorderst Sie, haben in der
laufenden Debatte über die Reform der Pensionssysteme davon gesprochen,
dass die Maßnahmen, die im ASVG ergriffen werden, auch bei den
Politikerpensionen bzw. im Bezügegesetz
„deckungsgleich" umgesetzt würden.
BM Bartenstein hat in einem Interview als strukturelle Reformmaßnahmen
bezeichnet:
- die Abschaffung der Frühpensionen
- die Absenkung der Steigerungsbeträge auf 1,78% und damit
- eine Ersatzrate von 80 Prozent für die Pensionen nach 45 Jahren
- die Anhebung der Durchrechnungszeiträume auf 40 Jahre.
Welche
dieser Maßnahmen werden bei der geplanten Novellierung des
Bezügegesetzes umgesetzt?
8). Das Bezügegesetz enthält auch Bestimmungen über
die Mindestpension (bei
Abgeordneten 48 % des Bezugs, bei Ministern 50 % des Bezugs). Das ASVG
bzw. die anderen Sozialversicherungspensionsgesetze enthalten keine
Bestimmungen über eine Mindestpension.
Plant
die Bundesregierung daher die Abschaffung der Mindestpension nach
dem Bezügegesetz?
9). Das Bezügegesetz enthält für Abgeordnete
Bestimmungen, wonach nach 10
Jahren Tätigkeit ein Anspruch auf Ruhebezug in der Höhe von 60 % der
Bemessungsgrundlage erworben wird. Das bedeutet einen Steigerungsbetrag
von jeweils 6% für die ersten 10 Jahre.
Plant
die Bundesregierung, diesen Steigerungsbetrag durchgängig auf 1,78 %
abzusenken?
10).
Das Bezügegesetz enthält Bestimmungen, wonach Minister nach 4 Jahren
Tätigkeit einen Anspruch auf Ruhebezug in der Höhe von 50 % des
Aktivbezugs erwerben. Das bedeutet einen impliziten Steigerungsbetrag von
12,5% pro Jahr.
Plant
die Bundesregierung, auch diesen Steigerungsbetrag auf 1,78 %
abzusenken?
11). Das Bezügegesetz des Bundes enthält
auch Bestimmungen, wonach die Zeiten
als Abgeordnete/r im Verhältnis 1:3 den Zeiten als Regierungsmitglied bei der
Bemessung des Ruhebezugs als Regierungsmitglied zugerechnet werden,
ohne dass dadurch der Anspruch auf den Ruhebezug als Abgeordnete/r
eingeschränkt würde. Es ist also im Bezügegesetz möglich, aus ein- und
demselben Pensionsbeitrag zwei Pensionen zu beanspruchen.
a) Wie viele Personen haben seit 1990 von
dieser Möglichkeit auf Doppelpension
nach den Bestimmungen des Bezügegesetzes Gebrauch gemacht (bitte nach
einzelnen Jahren aufschlüsseln)?
b) Planen Bundesregierung und
Koalitionsparteien, diesen Anspruch auf
Doppelpensionen abzuschaffen?
12). Nach den Bestimmungen des Bezügebegrenzungsgesetzes 1997 (§ 11)
konnten
bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Ruhebezüge ohne die Deckelung
und Einschränkung des Gesetzes beansprucht werden.
a) Wie viele Personen erhielten 2002 Ruhe- bzw. Versorgungsbezüge von
Rechtsträgern,
die zwar der Kontrolle des Rechnungshofes, deren Ruhe- und
Versorgungsbezüge aber nicht der Deckelung bzw. Einschränkung der Bezüge
nach dem Bezügebegrenzungsgesetz unterliegen?
b) Gab es im Jahr 2002 Ruhe- und Versorgungsbezüge für öffentliche
Funktionäre, die über dem Betrag der Deckelungsgrenze von rund € 12.800,-
brutto
monatlich liegen. Wenn ja, wie viele Personen erhielten derartig hohe
Ruhe- bzw. Versorgungsbezüge?
13). Gibt es Personen, die auf
Ruhe- bzw. Versorgungsbezüge nach dem
Bezügegesetz in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für ihre
Altersversorgung angewiesen sind? Wenn ja, wie viele?
14). BM Grasser hat Anfang Mai gegenüber der Zeitschrift „Format" gemeint:
„Aus heutiger Sicht hätten wir die neuen
Regeln für die Politikerpensionen mehr
in die Auslage stellen sollen" (zit. nach APA
205/8.5.03).
Welche
neuen Regeln für Politikerpensionen hat die Bundesregierung
erarbeitet bzw. beschlossen, die sie nicht in die Auslage gestellt hat?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese
Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu
behandeln.