3063/AB XXII. GP
Eingelangt am 03.08.2005
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BM
für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0055-Pr
1/2005
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 3112/J-NR/2005
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gerichtliche Strafverfahren nach § 168a Strafgesetzbuch“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Die dieser Beantwortung zu Grunde
liegenden Berichte der Staatsanwaltschaften beruhen auf vom Bundesrechenzentrum
zur Verfügung gestellten Registerdaten. Auf Basis dieser Daten konnten
lediglich jene Verfahren ausgewertet werden, in denen die Anzeigen im Jahr 2004
erstattet wurden. Verfahren mit einer Anzeigeerstattung vor dem 1. Jänner 2004
und einer Erledigung nach diesem Zeitpunkt konnten von den Anklagebehörden
daher nicht berücksichtigt werden. Außerdem sind Mehrfachzählungen von Anzeigen
auf Grund von Verfahrensabtretungen bzw. Verfahrensrückabtretungen zwischen den
Anklagebehörden nicht auszuschließen.
Zu 1:
Staatsanwaltschaft Wien:
"Warum immer nur Lotto",
"DPVS - Das private Vorsorgesystem", "www.reich-leicht.de",
"Club Motus", "www.worldgamesinc.com",
"www.onmasy.com", "ABC - Austrian Business Club", Der Münchner
Schenkkreis "Schluga", "Weihnachtsgeld", "Game of
Life", "www.hermitdemgeld.de.gg",
"www.kreativmensch.de", "Dream Car Ltd.",
"www.supernurnochwarten.de", "www.geldverdienen-jetzt.de.vu".
Staatsanwaltschaft St. Pölten:
"Vertrieb von e-books",
"Teilnahme an einer Geschäftsidee der World Games Inc. (WGI)".
Staatsanwaltschaft Krems an der Donau:
"World Games".
Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt:
"Dream Car", "World Games"
Staatsanwaltschaft Graz:
"Galvagin", "WOW (world of winners foundation)",
"LYONESS".
Staatsanwaltschaft Klagenfurt:
"Schenkkreise".
Staatsanwaltschaft Linz:
"Network Twentyone".
Staatsanwaltschaft Salzburg:
angezeigt wurde eine Firma "GMT" in den USA, sonst keine besondere Bezeichnung.
Staatsanwaltschaft Steyr:
"Vision 3000", "Club of Millionaires".
Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis:
1 Anzeige (keine besondere Bezeichnung).
Staatsanwaltschaft Wels:
"World Games Inc.".
Staatsanwaltschaft Innsbruck:
2 Anzeigen (keine besondere Bezeichnung).
Staatsanwaltschaft Feldkirch:
"Wirbel", "Verein der Freunde provisionsfreier Leistungen",
"Network-Marketing".
Zu 2:
Gericht |
Anzahl der Verfahren im
Jahr 2004 |
LGSt Wien |
2 |
BG Innere Stadt Wien |
2 |
BG Donaustadt |
1 |
BG Favoriten |
1 |
BG Horn |
1 |
LGSt Graz |
1 |
BG Graz |
3 |
BG Villach |
1 |
StA Linz |
3 |
BG
Mattighofen |
1 |
LG Innsbruck |
1 |
Zu 3:
Da das Bundesrechenzentrum
Registerdaten nur über im Jahr 2004 angefallene Anzeigen zur Verfügung gestellt
hat, war den Staatsanwaltschaften teilweise eine Berichterstattung nicht
möglich. Aus diesen Berichten ergibt sich lediglich eine Verurteilung durch das
Bezirksgericht Villach (vier Personen, "Schenkkreise", Geldstrafen
zwischen 50 und 90 Tagessätzen).
Zu 4:
Staatsanwaltschaft Wien |
10 Anzeigen |
Staatsanwaltschaft St. Pölten |
1 Anzeige |
Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt |
2 Anzeigen |
Staatsanwaltschaft Graz |
1 Anzeige |
Staatsanwaltschaft Linz |
1 Anzeige |
Staatsanwaltschaft Salzburg |
1 Anzeige |
Staatsanwaltschaft Steyr |
2* Anzeigen |
Staatsanwaltschaft Innsbruck |
1 Anzeige |
Staatsanwaltschaft Feldkirch |
3 Anzeigen |
* Anmerkung: Teilabtretung an eine
andere Anklagebehörde.
Zu 5:
Nach Durchführung gerichtlicher
Verfahren wurden bei der Staatsanwaltschaft Wien vier und bei den Staatsanwaltschaften
Linz und Salzburg je ein Verfahren gemäß § 90 Abs. 1 bzw. § 109 Abs. 1 StPO
eingestellt.
Zu 6 und 8.:
Derzeit sind bei der
Staatsanwaltschaft Innsbruck (bzw. beim Landesgericht Innsbruck) ein und beim Bezirksgericht
Graz drei Verfahren noch anhängig. Bei der Staatsanwaltschaft Wien sind einige
Verfahren gemäß § 412 StPO vorläufig eingestellt ("abgebrochen").
Zu 7:
Bei der Staatsanwaltschaft Wien
wurde in einem Fall gemäß § 90f StPO von der Verfolgung für eine Probezeit von
zwei Jahren vorläufig zurückgetreten. In einem bei der Staatsanwaltschaft Ried
im Innkreis angefallenen Verfahren wurde gemäß § 90c Abs. 5 StPO von der
Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages zurückgetreten.
Zu 9:
Sofern überhaupt ein Auslandsbezug
zu anderen EU- oder Drittstaaten vorlag, hat die Staatsanwaltschaft Wien
Erhebungen über Interpol veranlasst. Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg wurde
ein derartiges Verfahren gemäß § 90 Abs. 1 StPO beendet.
Zu 10:
Gegen die Betreiber der Homepage
"www.onmasy.com" wurde eine Anzeige erstattet. Die Betreiber haben
nach (nachweislicher) Einholung einer Rechtsauskunft die Seite sofort
abgeschaltet und die eingezahlten Geldbeträge rückerstattet. In den meisten derartigen
Fällen wurden keine in Österreich verfolgbaren Veranstalter im Sinne des § 168a
Abs. 1 Z 1 StGB angezeigt. Eine Anzeige hat zur Einbringung eines Antrages auf
Bestrafung beim Bezirksgericht Graz geführt.
Zu 11:
Ketten-
oder Pyramidenspiele im Sinne des § 168a StGB sind Gewinnerwartungssysteme,
deren Teilnehmern gegen Einsatz ein Vermögensvorteil unter der Bedingung in
Aussicht gestellt wird, dass diesem (oder einem damit im Zusammenhang
stehenden) System unter den gleichen Bedingungen weitere Teilnehmer zugeführt
werden und bei dem die Erlangung des Vermögensvorteils ganz oder teilweise vom
bedingungsgemäßen Verhalten jeweils weiterer Teilnehmer abhängt. Diese
Strafbestimmung richtet sich gegen Gewinnerwartungssysteme, die nach dem
Schneeballprinzip organisiert sind und mit Erschöpfung des Interessentenkreises
in sich zusammenbrechen. Gegen Entgelt wird die Chance auf einen
Vermögensvorteil eingeräumt, deren Realisierung aber die künftige Beteiligung und Einsatzleistung weiterer
Spieler voraussetzt. Deren Anwerbung dürfte zwar oftmals eine Verpflichtung der
Teilnehmer des Systems sein, Voraussetzung des Tatbestandes ist dies jedoch
nicht (vgl. Kirchbacher/Presslauer WrK StGB2, § 168a Rz 1 ff).
Nach
der Rechtsprechung des OGH (15 Os 181/95, 14 Os 203/96) handelt es sich bei
Ketten- oder Pyramidenspielen um Glücksspiele im Sinne des § 168 StGB, wobei
nach Kirchbacher/Presslauer (WrK StGB2, § 168a Rz 14) im
Anwendungsbereich des § 168a StGB von stillschweigender Subsidiarität des
Deliktes nach § 168 StGB auszugehen ist. Ist § 168a StGB auf eine
Verhaltensweise bei einem Ketten- oder Pyramidenspiel nicht anwendbar, kann
sich aber eine Strafbarkeit nach § 168 StGB ergeben.
Darüber
hinaus kann bei entsprechenden Täuschungshandlungen (echte Konkurrenz mit) Betrug
nach §§ 146 ff StGB vorliegen (vgl. 15 Os 181/95; 14 Os 203/96;
13 Os 16/97; 11 Os 160/01; Kirchbacher/Presslauer WrK StGB2,
§ 168a Rz 13).
Soweit
ersichtlich, liegen bisher keine höchstgerichtlichen Entscheidungen zur
Subsumtion von sogenannten „Schenkkreisen“ unter den Straftatbestand des § 168a
StGB vor. Auch ist keine gesicherte Abgrenzung solcher Systeme, die auch unter
anderen Bezeichnungen firmieren, bekannt, sodass eine allgemeingültige (straf-)
rechtliche Einordnung nur schwer möglich erscheint. Soweit es sich dabei um
aktuellere Varianten des Schneeballsystems handelt, wobei insbesondere die
Gewinnerwartung einzelner Teilnehmer von der Zuführung weiterer Teilnehmer und
deren entsprechendem Verhalten abhängt (was zu für Ketten- oder Pyramidenspiele
typischen Marktverengungen führen kann), so dürfte – soweit auch die anderen
Tatbestandsmerkmale erfüllt sind – eine Subsumtion unter § 168a StGB in
Betracht kommen.
Ob
ein konkretes System dieser Art aber tatsächlich ein Ketten- oder
Pyramidenspiel im Sinne des § 168a StGB darstellt oder unter einen anderen
Straftatbestand subsumiert werden kann, hängt von den Umständen des
Einzelfalles ab und ist von der unabhängigen Rechtsprechung zu beurteilen.
Zu 12 und 13:
Staatsanwaltschaft Wien |
2 (Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO
zurückgelegt) |
Staatsanwaltschaft Graz |
2 (Gerichtsverfahren noch
anhängig) |
Staatsanwaltschaft Klagenfurt |
4 (Gerichtsverfahren rechtskräftig
beendet) |
Staatsanwaltschaft Salzburg |
1 (hat zu keinem Gerichtsverfahren
geführt) |
Staatsanwaltschaft Feldkirch |
1 (hat zu keinem Gerichtsverfahren
geführt) |
Zu 14 bis 16:
Die beim Untersuchungsrichter des
Landesgerichtes Innsbruck anhängige Voruntersuchung gegen drei Personen ist
noch nicht abgeschlossen. Insbesondere ist ein Sachverständigengutachten über
die Konstruktion des inkriminierten Anlagemodells noch ausständig. Ich ersuche
daher um Verständnis, dass ich den Verfahrensergebnissen nicht vorgreifen kann.
. Juli 2005
(Maga. Karin Miklautsch)