Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

17.54

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Mir geht es heute bei dieser Debatte aus Anlaß des Todes von Marcus Omofuma darum, drei Dinge anzusprechen: einerseits die Praxis beim Umgang mit Menschen, die sich in Polizeigewahrsam befinden, zweitens um die Frage: Was heißt politische Verantwortung? und drittens um eine Kampfansage an die Politik der "Kronen Zeitung", die diese Gesellschaft dehumanisiert. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ah!)

Zum ersten Punkt, was die Praxis im Umgang mit Menschen betrifft, die sich in Polizeigewahrsam befinden: Da bin ich durch meine zehnjährige Tätigkeit in der Volksanwaltschaft geprägt. Ich erinnere mich sehr gut an die Beschwerden über Fehlverhalten und Mißhandlungen durch Polizeibeamte. Ich erinnere mich an die Reaktionen des Ressorts, von dem, wenn eine Verletzung festgestellt wurde, meist die Antwort kam, diese sei bei Überwindung des Widerstands der Betroffenen entstanden.

Ich erinnere mich daran, daß wir oft nicht feststellen konnten, ob zum Beispiel beim strafbaren Delikt des Widerstandes gegen die Staatsgewalt dieses der Anlaß für die Festnahme war oder aber die angedrohte Festnahme auslösendes Moment für dieses Delikt.

Ich erinnere mich vor allem an zwei Fälle – und es ist schon Jahre her –, wie damals mit Menschen umgegangen wurde und was damals schon an Vernachlässigung von Dienstaufsicht aufgekommen ist.

Der eine Fall hat sich in Graz abgespielt, bei welchem ein Mittelschullehrer, weil er beim Schwarzfahren erwischt wurde, letztlich in einer Arrestzelle gelandet ist, und zwar in einer Arrestzelle, in welcher in der Mitte ein Eisenring eingelassen war, und an diesen Eisenring wurde der Mittelschullehrer gekettet, und die Begründung dafür lautete, daß er renitent war und mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist.

Ich will diesen Fall jetzt hier überhaupt nicht erörtern. Tatsache ist, daß es diesen Eisenring gab, Tatsache ist, daß der Mittelschullehrer festgekettet wurde, und Tatsache ist, daß erst nach diesem Vorfall, obwohl davor Dienstinspektionen stattgefunden haben, dieser Eisenring entfernt wurde.

Ich erinnere mich – und Sie werden sich vielleicht auch noch daran erinnern – auch an den Fall jenes Mannes, der in einem Gemeindekotter in Vorarlberg vergessen wurde, und zwar 18 Tage lang. Ich erinnere mich noch an den Lokalaugenschein, den ich in diesem Gemeindekotter gemacht habe. Zig Dienstaufsichtsgänge wurden dort vorher gemacht, wie uns der Minister damals mitgeteilt hat. Ich habe diesen Gemeindekotter gesehen: Er ist ein Loch, ein ehemaliger Weinkeller ohne Fenster, ohne Sanitäranlage, mit irgendeiner Öffnung, wo vielleicht über Umwege irgendeine Belüftung dazugekommen ist. Das hat man gewußt. Erst nachdem dieser Mann dort vergessen worden war, ist man draufgekommen, daß das vielleicht doch nicht den Standards entspricht. Diese beiden Fälle wurden dann korrigiert.

Ich sage das alles deswegen, weil auch schon damals – beim damaligen Innenminister und bei seiner Beamtenschaft – das Gefühl für Verhältnismäßigkeit der Mittel und das Grundrechtsbewußtsein nur sehr sparsam ausgeprägt waren. Genau das ist es, was wir jetzt wieder feststellen müssen! (Abg. Marizzi: Das ist schon eine weitläufige Auslegung! – Abg. Parnigoni: Da ist der Bezirkshauptmann zuständig!)

Herr Innenminister! Ich gebe schon zu, diese Verhältnismäßigkeit der Mittel, dieses Grundrechtsbewußtsein ist etwas, was vor allem in den Gesetzen seinen Niederschlag zu finden hat, und für diese Gesetze sind nicht Sie, sondern ist die Mehrheit dieses Hauses verantwortlich. Sie sind nicht direkt verantwortlich für jenes mangelnde Grundrechtsbewußtsein, das zu Lausch


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