Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 166. Sitzung / 174

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Öllinger. (Abg. Öllinger – auf dem Weg zum Rednerpult –: Bitte auf 5 Minuten!) 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.15

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Graf: Wenn man auch nicht mit Öllinger einverstanden ist: Aber er ist kompetent!) Danke. – Im Jänner 1999 hat die Wahlkommission bei den Arbeiterkammerwahlen für das Land Vorarlberg getagt, um zu entscheiden, ob türkische Staatsangehörige zugelassen werden. Die Entscheidung war eindeutig, Kollege Kaufmann kennt sie: Sie lautete auf 15 Stimmen zu 1 Stimme gegen das Wahlrecht für ausländische Staatsangehörige, im konkreten Fall gegen das passive Wahlrecht für türkische Staatsangehörige.

Diese eine Stimme, die dagegen gestimmt hat, war die Stimme des Bezirkshauptmannes. Natürlich war es auch für mich verwunderlich, daß es in Vorarlberg, im Bezirk Feldkirch, einen gibt, der dagegen gestimmt hat. (Abg. Dr. Feurstein: Ich kenne ihn gut!) Ich habe versucht, mich kundig zu machen, und bin dabei fündig geworden. Mir wurde von Vorarlbergern, von Journalisten erklärt: Bei uns sind die Beamten im EU-Recht gut ausgebildet. – Dort weiß jeder und jede, was es geschlagen hat und daß das EU-Recht in dieser Frage unzweifelhaft eindeutig ist. Nur die 15 Mitglieder der Wahlkommission, SPÖ, ÖVP und Freiheitliche, diese drei haben "Nicht wissen, nicht hören, nicht sehen" gespielt: "Wir wissen von nichts."

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, spielen dieses Spiel auch. Sie wissen, daß es seit dem Jahre 1994 einen Beschluß des Europäischen Gerichtshofes gibt, in dem Luxemburg verurteilt wurde, weil es den EU-Staatsbürgern nicht das passive Wahlrecht einräumt. – Kollege Kaufmann! Sie wissen, daß Sie mit Ihrer Stimme im vorigen Jahr eine Novelle zum Arbeiterkammerwahlrecht beschlossen haben, die den EU-Staatsbürgern wiederum nicht das passive Wahlrecht einräumt. (Abg. Mag. Kaufmann schüttelt verneinend den Kopf.) Selbstverständlich, lesen Sie es doch!

Beim Wirtschaftskammergesetz wurde es immerhin gemacht, beim Arbeiterkammergesetz wegen des Herrn Khol und seiner ÖVP-Riege nicht. Das war der Grund. (Abg. Dr. Khol: Beim Wirtschaftskammergesetz auch nicht!) Selbstverständlich! Lesen Sie nach, Herr Kollege Khol! Das Wirtschaftskammergesetz hat es eingeräumt, das Arbeiterkammergesetz nicht. (Abg. Mag. Kaufmann: Das ist sowieso klar!)

Sie wissen, daß es zwei Schreiben der EU-Kommission an Österreich gibt und daß die Kommission Österreich um Stellungnahme gebeten hat. Wir werden sehen, was die Antwort ergibt – es gibt auch eine Anfrage von uns zu diesem Thema –, aber ich würde meinen, die österreichische Bundesregierung hat Besserung zugesagt. Die Besserung steht jedoch aus! Österreich ist EU-Rechts-säumig. "Vertragswidrig" heißt das auch. Wir geben den EU-Staatsangehörigen bei den Arbeiterkammerwahlen nicht das passive Wahlrecht. Es ist so, lesen Sie die Arbeiterkammergesetz-Novelle: Sie haben Gegenteiliges beschlossen, Herr Kollege Kaufmann! Ich habe das sehr aufmerksam studiert: Es wird ihnen nach wie vor verweigert.

Es geht mir natürlich nicht nur um die EU-Staatsbürger und EU-Staatsbürgerinnen. Denn selbstverständlich – Assoziationsvertrag hin und her – sind zumindest die türkischen Staatsangehörigen nach dem Assoziationsvertrag gleichzustellen, und weil Sie wissen, daß damit eine Kette losgetreten werden würde, verweigern Sie das. Denn Sie wissen: Wenn es die türkischen Staatsangehörigen bekommen, dann müßten es eigentlich auch die marokkanischen, algerischen und tunesischen Staatsangehörigen – wiederum gemäß Assoziationsvertrag – ebenfalls bekommen.

Dann aber müßten es eigentlich alle bekommen, weil es immerhin noch Diskriminierungsbestimmungen, auch im Verfassungsrang, in Österreich gibt, die verbieten, daß die eine Gruppe von ausländischen Staatsangehörigen – Nicht-EU-Bürger – den anderen gegenüber ungleich gestellt wird.


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