Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 21

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat im Verlauf der Geschichte der Zweiten Republik in Fragen der inneren Sicherheit stets eine Politik verfolgt, die das Gemeinsame vor das Trennende, die Mäßigung vor die Provokation, Deeskalation vor Eskalation und den Interessenausgleich vor den Interessengegensatz stellt. Die Suche nach gewaltfreien Konfliktbereinigungen hat unserem Land ein äußerst hohes Maß an Sicherheit und Stabilität beschert. Die österreichische Politik des Ausgleichs und die Vermittlerrolle Österreichs bei internationalen Konflikten haben das Ansehen und die Stellung unseres Landes in der internationalen Staatengemeinschaft gestärkt.

Österreich räumt unterdrückten Volksgruppen die Möglichkeit ein, in zivilisierter und gewaltfreier Form für friedliche Lösungen ihres Problems einzutreten. Dabei wird von der österreichischen Bundesregierung keinesfalls akzeptiert, daß bürgerkriegsähnliche Handlungen nach Österreich verlagert und auf unserem Staatsgebiet ausgetragen werden. Die österreichische Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungsfreiheit, jedoch ist die Ausübung dieses Rechtes nur möglich, solange keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder strafrechtswidrige Handlungen zu befürchten sind.

Es muß allen handelnden Personen bewußt sein – und dies möchte ich mit allem Nachdruck feststellen –, daß ein demokratischer Rechtsstaat verpflichtet ist, Gewaltaktionen auf seinem Territorium zu unterbinden und die den Gesetzen zuwiderhandelnden Personen nach den Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung zu belangen und zu bestrafen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Von diesen Grundsätzen ist auch die österreichische Politik gegenüber der kurdischen Volksgruppe getragen. In Österreich leben derzeit rund 40 000 Menschen kurdischer Abstammung. Es existiert eine Reihe von kurdischen Vereinen. Die PKK und die ERNK, ein politischer Zweig der PKK, sind in Österreich weder als Vereine noch als Parteien registriert. Die Sicherheitsbehörden gehen jedoch davon aus, daß in Österreich etwa 400 Aktivisten und etwa 4 000 Sympathisanten der PKK zuzurechnen sind. Internationale Beispiele haben gezeigt, daß Teile der PKK immer wieder terroristische und gewalttätige Handlungen setzen. Deshalb wurden Aktivitäten und Initiativen, die der PKK zuzurechnen waren, in Österreich von den Sicherheitsbehörden beobachtet und ein Verlassen der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltfreiheit stets mit den gesetzlich zu Gebote stehenden Mitteln verfolgt und geahndet.

Bisher hat Österreich kein Verbot der Kurdischen Arbeiterpartei und ihres politischen Flügels ausgesprochen. Dies hat verschiedene Gründe. Ein generelles Verbot, wie beispielsweise in Deutschland, oder ein Verbot von Teilorganisationen, wie in Frankreich, würde nach Ansicht des österreichischen Staatsschutzes zu einer Abwanderung von PKK-Aktivisten in den Untergrund führen. Dadurch würde eine Beobachtung der Strukturen erschwert. Nach Schätzungen der Staatspolizei und aufgrund der internationalen Erfahrungen könnte eine Untersagung eine weitere Radikalisierung oder gewalttätige Kundgebungen mit sich bringen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß ein Verbot eine Umbenennung und Neugründung beziehungsweise ein Ausweichen auf neue Vereine oder Teilorganisationen bewirken würde. Ich bin deshalb überzeugt davon, daß der österreichische Weg der friedlichen politischen Auseinandersetzung unserem Land bisher ausufernde Gewaltakte erspart hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Strategie haben wir auch bei den Besetzungen und Kundgebungen in den letzten Tagen weitergeführt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um der österreichischen Exekutive meinen ausdrücklichen Dank für ihre Vorgangsweise auszusprechen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Jene Kolleginnen und Kollegen, die in diesen Tagen einer großen psychischen und physischen Belastung ausgesetzt gewesen sind, haben in vorbildlicher Weise und mit der notwendigen Sensibilität reagiert. Die Einsätze waren durch die hervorragende Zusammenarbeit und rasche Koordination aller Dienststellen beispielgebend für die Arbeit der Polizei und Gendarmerie. Feuerwehr und Rettung erwiesen sich in diesen Tagen wiederum als äußerst verläßliche Partner der Exekutive.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite