Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 180

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Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich auch nur ein wenig mit Integration auseinandergesetzt hätten, dann wüßten Sie, daß der Besuch jeder Sondereinrichtung für Personen mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur dazu führt, daß die Integration in die Gesellschaft für das betroffene Kind, den betroffenen Jugendlichen und dann auch für den Erwachsenen nur wesentlich erschwert wird. Auf diese Weise schaffen Sie die Voraussetzung dafür, daß behinderte Menschen die Isolation, die Sie ihnen aufzwingen, nicht mehr loswerden können. Denn wer einmal in einer Sondereinrichtung war, der hat kaum mehr eine Chance, in die Gesellschaft zurückgeführt werden zu können. Er ist gebrandmarkt, er hat den Titel "Sonder-", und der bleibt ihm! Wenn heute ein Vierzigjähriger eine Bank ausraubt, weil er kein Geld hat, dann schreiben die Zeitungen auch heute noch über den "ehemaligen Sonderschüler", weil diese Menschen diesen Titel nie mehr loswerden. Der bleibt ihnen, und damit sind sie ihr Leben lang behaftet.

Damit fügen Sie zu den Problemen, die sich behinderten Menschen in der Gesellschaft ohnedies von vornherein stellen, ein weiteres hinzu: Diese Menschen sind gebrandmarkt in einer Weise, die sie ihr ganzes Leben lang verfolgt und ihnen laufend Schwierigkeiten macht.

Frau Ministerin! Ich glaube daran, daß Ihnen die Integration doch irgendwann einmal wichtig sein wird oder vielleicht jetzt schon wichtig ist. Setzen Sie sich einmal mit Fachleuten, die Sonderpädagogik leben, über Sonderpädagogik und Integration geschrieben und Literatur und Erfahrungen gesammelt haben, auseinander! Ich glaube, daß Sie, wenn Sie bereit sind, solche Gespräche zu führen, auch mehr Bereitschaft zur Integration zeigen würden. Sie könnten – davon gehe ich aus – endlich zur Kenntnis nehmen, daß Integration eine wesentliche, ja eine der wichtigsten Voraussetzungen für behinderte Menschen ist, um wirklich in der Gesellschaft leben zu können. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Frau Ministerin! Heute vormittag ist eine Gruppe von behinderten Menschen in Rollstühlen über die Ringstraße gerollt. Sie haben für Menschenrechte für behinderte Menschen gekämpft und diese eingefordert. 365 Tage ist nunmehr die Verfassungsbestimmung alt, mit welcher die Diskriminierung behinderter Menschen in Zukunft verhindert werden sollte. Und heute, genau nach einem Jahr, Frau Ministerin, setzen Sie – und nicht nur Sie, sondern auch die SPÖ und die ÖVP – sich über den Beschluß, den Sie vor einem Jahr gefaßt haben, hinweg und führen die ganze Sache ad absurdum, indem Sie die Aussonderung und Diskriminierung behinderter Menschen in diesem Gesetz wiederum weiterhin festschreiben, anstatt Diskriminierung abzubauen.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Diese Tatsache ist für behinderte Menschen nicht nur bedauerlich, sondern sie hat dazu geführt, daß sehr viele behinderte Menschen die Hoffnung verloren haben und nicht mehr an das glauben können, was in unseren Gesetzen steht und durch unsere Bundesverfassung abgesichert wird.

Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die behinderten Menschen und diejenigen, die sich für Integration einsetzen, werden diese Novellierung des Schulorganisationsgesetzes nicht zur Kenntnis nehmen! (Abg. Steibl: Das ist uns ganz neu!)

Frau Ministerin! Ich möchte Ihnen sagen: Sie zwingen uns dazu, spätestens im Herbst, wenn es wieder um die Einschulung von Kindern geht, im Interesse behinderter Kinder zu handeln! Denn wir werden nicht zulassen, daß es zu einem zweiten Fall Retter in Reutte kommt. Frau Ministerin! Das werden wir nicht zulassen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

20.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.47

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! – Geschätzte Frau Kollegin Haidlmayr, ich möchte ganz kurz auf Ihre Ausführungen eingehen. (Abg. Murauer: Ja, das ist notwendig!) Denn bei allem Verständnis für die Problematik der Behindertenintegration – und das ist zweifelsohne ein sehr, sehr sensibles Thema – möchte ich doch in aller Deutlichkeit und aller Schärfe zurückweisen, daß Sie unserer


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