Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 173

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rufsvorbereitung geschickt, und auf der anderen Seite ein Jugendlicher oder eine Jugendliche, der oder die eine Sonderschule absolviert hat und vorzeitig fertig geworden ist, im neunten Jahr in einen Polytechnischen Lehrgang oder in eine allgemeine integrative Klasse hineingesetzt? Bei dem einen ist es möglich, in der 9. Klasse – im letzten Pflichtschuljahr – soziale Integration sozusagen noch zu erschnuppern, bei dem anderen wird genau das in der 9. Kasse verweigert. Ich sehe diese Regelung nicht ein.

Frau Bundesministerin! Ich hätte mir gewünscht, daß bei all dem, was Sie zu Unrecht kritisieren, versucht wird, die Integration geistig Behinderter bis zum Universitätsstudium irgendwie mitzudenken. Bei all dem, was Sie an Bedenken haben, können Sie mir aber nicht erklären, daß Sie dagegen sind, daß Integration – und ich hoffe, Sie sind nicht dagegen – in der Berufsvorbereitung, in berufsbildenden Schulen gemeinsam stattfindet. Darüber hätten wir zumindest sprechen und dazu hätte diese Reform führen sollen und auch können. Aber auch diese Chance ist versäumt worden, und deshalb kann ich nur sagen: Trotz vieler Punkte, die in diesem ganzen Reformpaket enthalten und durchaus positiv zu beurteilen sind, ergibt das in Summe ein negatives Bild.

Abschließend eine Bemerkung zum Englischunterricht in Volksschulen. Das kann ein großer Erfolg werden, aber nur, wenn es gründlich begleitet wird, und zwar über Schulbücher und natürlich über die Lehrerbildung. Herr Kollege Höchtl, gerade Sie werden doch zugeben – da Sie ja ganz großen Wert darauf legen, daß ordentliche Leistungen erbracht werden –, daß es problematisch ist, wenn LehrerInnen, die über zehn Jahre lang oder mehr keine Möglichkeit hatten, sich in bezug auf ihre Englischkenntnisse fortzubilden, jetzt mehr oder minder dazu veranlaßt sind, Englisch zu unterrichten, drei oder vier Jahre lang mit Kindern, mit Jugendlichen Englisch zu sprechen, obwohl dieses nicht gerade als "advanced" zu bezeichnen ist. (Abg. Dr. Höchtl: Das ist in den letzten Jahren bereits gemacht worden, Herr Kollege Öllinger!) Und das wird ein gewisses Problem darstellen: nicht für die Lehrer, sondern für die Kinder, und zwar dann, wenn diese in die Mittelschule kommen, dann, wenn die neuen Lehrer ihnen zum Beispiel das "th" umlernen müssen, weil die Kinder und Jugendlichen nicht die Möglichkeiten hatten, das richtig zu erlernen. (Abg. Dr. Höchtl: Sie reden von etwas, was nicht mehr zutrifft!)

Mir fällt dabei immer dieses eine Beispiel aus Italien ein: Dort war es offensichtlich möglich, daß ein Lehrer über 20 Jahre lang Englisch unterrichten konnte, wobei man dann nachträglich draufgekommen ist, daß er kein bißchen Englisch versteht.

Das sollte uns vielleicht doch auch zu denken geben – gerade Ihnen, Herr Kollege Höchtl, mit Ihrer Anbetung des Leistungssystems –, über Leistung und Schulsystem etwas grundsätzlichere Überlegungen anzustellen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schaffenrath. )

20.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.13

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Nach den psychoanalytischen Ausführungen meines Vorredners Öllinger doch auch ein Wort zur Kollegin Schaffenrath, zur Auffrischung ihrer Erinnerung. Das Wort, das sie im Diskurs mit Kollegen Höchtl den Medienvertretern in den Mund gelegt hat, hat sie sehr wohl selbst verwendet, wie ihrer eigene Aussendung vom 5. Juli zu entnehmen ist. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Ja, dieses Wort kann ich dir dann zeigen.

Mit dem ständigen Gerede, daß es Reformen bedürfe, daß das System nicht in Ordnung sei – kaputt, desolat, was auch immer –, kann man natürlich auch eine ganz bestimmte Politik verfolgen. Man kann das Selbstbewußtsein der handelnden Personen – Lehrer, Eltern, Schüler – so weit minimieren, bis der Eindruck entsteht, es müsse jemand besserer, stärkerer, anderer kommen, der es besser machen müsse. Man kann einen Popanz aufbauen, um ihn dann "abzuschießen" und mit besseren – bei genauerem Hinsehen vielleicht gar nicht so viel besseren – Alternativen zu kommen.


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