Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 40

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Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): ... und dürfen nicht – wie Sie es wollen – mit der Gießkanne jedem das geben, von dem Sie glauben, daß es Ihren Ideologien nützt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

10.53

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Minister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Familienpolitik ist zugegebenermaßen ein sehr schwieriges Feld. (Abg. Dr. Fekter: Wie viele Kinder haben Sie? – Abg. Wabl: Zwei! Und wie viele haben Sie?) Sie ist ein Minenfeld, in dem es wirklich viele Probleme gibt, und einige davon sind in der bisherigen Debatte schon zum Vorschein gekommen.

Die Familienpolitik ist der Bereich, in dem nicht nur bis zum Erbrechen Süßholz geraspelt und zum Wohle der Familien das Weihrauchgefäß geschwungen wird, sondern in dem auch gleichzeitig – ich habe das in der bisherigen Debatte wirklich vermißt – niemand sagt, welche Probleme Kinder – sie nenne ich zuerst – und Familien in diesem Land haben. Dabei geht es beileibe nicht nur um die materielle Absicherung und Versorgung. Zwar geht es selbstverständlich auch darum, aber es geht auch in diesem Land um die hohen Scheidungsraten. Denn das ist die Realität dieser Familien, Frau Abgeordnete Bauer!

Wenn man etwas tiefer in die Materie eindringt und sich diese hohen Scheidungsraten ansieht, dann merkt man, daß die Leute an den Anforderungen zerbrechen, denen sie aufgrund ihrer Arbeitswelt, aufgrund der Gesellschaft und der Anforderungen im Zusammenleben mit Partnern und Kindern unterworfen sind. Dort werden sie von der Politik allein gelassen. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Wo sind Sie denn mit Ihren Antworten, wenn es etwa darum geht, Arbeitszeiten so zu gestalten, daß sie auch eine lebbare Familie, eine lebbare Beziehung mit Partnern und Kindern ermöglichen? Wo sind Sie denn, wenn es um lebbare Zeiten für beide Partner geht, für Männer und für Frauen, sodaß die Kinder genug Freiraum haben, ihre Eltern in gemeinsam verbrachten Zeiten kennenzulernen? Wo sind Sie denn, wenn es etwa darum geht, daß der Herr Bischof Krenn – großzügig, wie er nun einmal ist – Feiertage zur Verfügung stellt?

Wir hatten in der Frage der Sonntagsarbeit ja schon eine Debatte, in der Sie die Antwort darauf verweigerten, daß es auch um soziale Zeiten geht, die Beziehungen erst lebbar machen können. Wo waren Sie während all dieser Debatten? Waren Sie bei den Familien oder bei den Kindern? (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Waren Sie bei denen, die Sie jetzt in der Debatte beschwören? – Jetzt kommen Sie mit schönen Flugblättern daher und sagen: Fördern Sie die Familie, entlasten Sie unsere Eltern, sorgen Sie für Steuergerechtigkeit – so, als ob das die Antwort auf die Probleme wäre, die ich Ihnen jetzt geschildert habe.

Wie haben Sie denn in den letzten Jahren die Familien gefördert? Haben Sie die Familien dadurch gefördert, daß Sie die Familienbeihilfe gekürzt haben? Haben Sie die Familien dadurch gefördert, daß Sie die Geburtenbeihilfe gestrichen haben? Haben Sie die Familien dadurch gefördert, daß Sie die Heimfahrtbeihilfe gestrichen haben? Dadurch, daß Sie die Ausgaben für Schulfahrt und Schulbücher gekürzt haben? Dadurch, daß Sie das Karenzgeld gekürzt haben, insbesondere für jene Frauen, die es am dringendsten brauchen? Fördern Sie die Familien und die Alleinerziehenden, wenn Sie sie bei der Notstandshilfe drangsalieren? Fördern Sie die alleinerziehenden, alleinstehenden Mütter dadurch, daß Sie es ihnen unmöglich machen, Beruf und Familie – obwohl Sie beides immer gemeinsam beschwören – zu vereinbaren, indem Sie ihnen das Arbeitslosengeld streichen, weil sie Kinder zu betreuen haben?

Das ist Ihre Politik, jene Politik, die Sie gemeinsam zu verantworten haben. Das ist die – unter Anführungszeichen – "Familienpolitik" der letzten Jahre in diesem Land. Sie haben es zu verantworten, daß die Alleinerziehenden hierzulande keine Unterstützung mehr durch Arbeitslosengeld erhalten. Dafür sind Sie verantwortlich, und dazu müssen Sie auch stehen. (Zwischenruf der


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