3599/AB XX.GP

 

zur Zahl 3658/J - NR/1998

Die Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde haben

an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Ermittlungen der Justiz zur NS - Eutha -

nasie, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

„1. Hat die österreichische Justiz in der Nachkriegszeit jemals eine systematische

Aufarbeitung der NS - Euthanasie - Programme in Österreich betrieben?

Wenn ja, wann?

Wenn nein, warum nicht?

2. In welchen Fällen und wann hat es gerichtliche Ermittlungen gegen Beteiligte

an den NS - Euthanasie - Programmen gegeben?

3. In welchen Fällen und wann ist es dabei aus welchen Gründen zu einer Ankla -

ge gekommen?

4. In welchen Fällen und mit welcher strafrechtlichen Begründung ist es zu einer

Verurteilung gekommen?

5. Nach einer Meldung des Nachrichtenmagazins „profil“ vom 16.1.98 sind gegen

den ehemaligen NS - Arzt Dr. Heinrich Gross nunmehr doch Vorerhebungen

wegen Verdacht des Mordes nach § 211 Reichsstrafgesetz bzw. § 75 StGB

eingeleitet worden.

a) Da schon die Überlegungen, ob gegen Dr. Gross ermittelt werden soll, mehr

als ein halbes Jahr gedauert haben, ist mit einer langen Verfahrensdauer zu

rechnen. Welche Anstrengungen unternimmt das Justizministerium, um die

ermittelnde Behörde zu unterstützen und zu einer auch dem Alter des Ver -

dächtigen angemessenen Verfahrensdauer beizutragen?

b) In den Krankengeschichten der ermordeten Kinder finden sich nach unse -

rem Wissensstand keine Hinweise auf Euthanasie. Der Ablauf der Euthana -

sie und auch die Beteiligung von Dr. Gross ist aber wissenschaftlich doku -

mentiert und von Dr. Gross selbst bestätigt.

Welche neuen Erkenntnisse erhofft sich die ermittelnde Behörde von Gut -

achten über einzelne Krankengeschichten und warum soll Dr. Gross erst

nach Vorliegen dieser Gutachten befragt werden?

c) Angehörige der ermordeten Kinder verlangen schon seit längerer Zeit eine

Bestattung der sterblichen Überreste ihrer ermordeten Angehörigen.

Warum werden die Gehirnpräparate der am Spiegelgrund ermordeten Kin -

der von der Staatsanwaltschaft nicht freigegeben?

6. In den Anfragebeantwortungen 2148/AB und 2597/AB haben Sie einzelne Fra -

gen zur Tätigkeit von Dr. Gross als gerichtlicher Sachverständiger beantwortet.

So haben Sie die Honorare, die Dr. Gross allein in den Jahren 1980 bis 1983,

also bis zu seiner offiziellen Streichung aus der Gutachterliste, vom Landesge -

richt für Strafsachen Wien erhalten hat, auf über 4 Millionen Schilling beziffert.

Die Honorare, die Dr. Gross in den Jahren 1995 und 1996 ebenfalls vom Lan -

desgericht für Strafsachen Wien erhalten hat, belaufen sich auf rund 1 Million

Schilling. Darüber hinaus war Dr. Gross auch noch im Jahr 1997 als Gutachter

für die Justiz tätig. Daraus ergeben sich für uns eine Reihe von weiteren Fra -

gen:

a) Seit wann war Dr. Gross als gerichtlich beeideter Sachverständiger für die

Justiz tätig?

b) In wie vielen Fällen hat Dr. Gross Gutachten erstellt?

c) Wie hoch sind die Einkünfte von Dr. Gross aus seiner Tätigkeit als Gutachter

insgesamt?

d) Ist es richtig, daß sich die genannten Summen von rund 4 Millionen Schilling

für die Jahre 80 - 83, bzw. 95 und 96 nur auf die im Auftrag des Landesge -

richtes Wien erstellten Gutachten bezieht? Wenn ja, für welche weiteren Ge -

richte war Dr. Gross in welchen Zeiträumen beschäftigt?

e) Ist die Gutachtertätigkeit von Dr. Gross für die österreichische Justiz mittler -

weile beendet oder gibt es noch immer Gerichte, die sich des Euthanasie -

Experten bedienen?“

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

Die strafrechtliche Verfolgung von Straftaten, die im Zusammenhang mit der natio -

nalsozialistischen Gewaltherrschaft begangen wurden, setzte unmittelbar nach der

Befreiung Österreichs ein, sodaß viele Verfahren bereits in den ersten Nachkriegs -

jahren verhandelt und urteilsmäßig abgeschlossen werden konnten. Grundlage für

die Strafverfolgung wegen nationalsozialistischer Verbrechen waren das Verbotsge -

setz vom 8.5.1945 und das Kriegsverbrechergesetz (KVG) vom 26.6.1945, beide

novelliert im Jahr 1947. Für die Aburteilung der nach diesen beiden Gesetzen für

strafbar erklärten Handlungen und der mit diesen im Zusammenhang stehenden

Straftaten wurde durch Artikel V (§§ 24 bis 26) des Verbotsgesetzes ein neuer Ge -

richtstyp, nämlich das Volksgericht, geschaffen, das jeweils aus zwei Berufsrichtern

und drei Schöffen zusammengesetzt war. Ihren Sitz hatten die Volksgerichte bei den

Landesgerichten am Sitz der vier Oberlandesgerichte. In die Zuständigkeit der

Volksgerichte fielen nicht nur eigentliche nationalsozialistische Gewaltverbrechen,

sondern auch zahlreiche Formaldelikte, bei denen die Strafbarkeit ausschließlich an

Funktionen im nationalsozialistischen Staat geknüpft war. Am 20.12.1955 wurden

die Volksgerichte aufgelöst und die weitere Ahndung nationalsozialistischer Gewalt -

verbrechen in die ordentliche Gerichtsbarkeit übergeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt

bestand für die in der Anfrage angesprochenen, unter der nationalsozialistischen

Gewaltherrschaft begangenen Straftaten daher die ausschließliche Zuständigkeit

der oben erwähnten Volksgerichte.

Zur Tätigkeit der Volksgerichte und in der Folge der ordentlichen Gerichte im Zu -

sammenhang mit der Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen verweise

ich zunächst auf die Seiten 18 bis 22 der Beantwortung der an die Bundesregierung

gerichteten parlamentarischen Anfrage ZI. 2666/J - NR/1992 der Abgeordneten zum

Nationalrat Voggenhuber, Freundinnen und Freunde, betreffend Mitverantwortung

Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus, Wahrnehmung dieser Mit -

verantwortung durch die II. Republik sowie Anerkennung und Entschädigung der

Opfer, und auf die vom Bundesministerium für Justiz herausgegebene Dokumenta -

tion Volksgerichtsbarkeit und Verfolgung von nationalsozialistischen Gewaltverbre -

chen in Österreich (2. Auflage, 1987). Danach ist es allein bei den Volksgerichten zu

einem personenbezogenen Gesamtanfall von 136.829 Fällen und insgesamt zu

13.607 Schuldsprüchen gekommen. Unter Außerachtlassung der Verurteilungen

nach dem Verbotsgesetz und der Formaldelikte nach dem Kriegsverbrechergesetz

wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit etwa 6.000 Personen wegen nationalso -

zialistischer Gewaltverbrechen verurteilt. In der Zeit nach Aufhebung der Volksge -

richtsbarkeit wurden 46 Personen im Zusammenhang mit nationalsozialistischen

Gewaltverbrechen angeklagt und 18 von ihnen verurteilt.

Wie sich im einzelnen auch aus den nachfolgenden Darlegungen zu den Fragen

2 bis 4 zeigt, setzte auch die strafgerichtliche Verfolgung von Personen, die an der

NS - Euthanasie beteiligt waren, im wesentlichen bereits in der unmittelbaren Nach -

kriegszeit ein, und zwar jeweils auf Antrag der jeweils örtlich zuständigen, mit dem

Verdacht strafbarer Handlungen befaßten Staatsanwaltschaften. Soweit überblick -

bar, wurden sämtliche Verfahren, die urteilsmäßig erledigt wurden, noch in der Zeit

des Bestehens der Volksgerichte abgeschlossen. Für eine Änderung der Zuständig -

keitsregelungen der Strafprozeßordnung zwecks systematischer Aufarbeitung der

nationalsozialistischen Verbrechen und damit auch der NS - Euthanasie - Programme

im Sinn der Einrichtung einer zentralen, für derartige Verfahren zuständigen Straf -

verfolgungsbehörde (wie etwa der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen

Ludwigsburg in der Bundesrepublik Deutschland, die allerdings auch erst am

1.12.1958 ihre Tätigkeit aufnahm) fand der Gesetzgeber keinen Anlaß.

Zu 2 bis 4:

Bei den hier in Rede stehenden Tötungen während der nationalsozialistischen Ge -

waltherrschaft handelte es sich nicht um „echte Sterbehilfe“, sondern um die Tötung

sogenannten „lebensunwerten Lebens“ (Erfassung und Tötung von Kindern mit

schweren geistigen und körperlichen Leiden sowie von erwachsenen Geisteskran -

ken aus den Heil - und Pflegeanstalten im Rahmen der Aktion „T 4“) sowie um die

„Euthanasie“ an Kz - Häftlingen in Hartheim im Rahmen der Aktion „14 f 13“ und die

nach dem Ende der Aktion „T 4“ ebenfalls aufgetretenen Fälle „wilder

Euthanasie“ an Insassen von Pflegeanstalten. Grundsätzlich sei zu diesem The -

menbereich auch auf den Beitrag von Prof. Wolfgang Neugebauer zu dem vom

Bundesministerium für Justiz mitveranstalteten Symposion „Justiz und Zeitgeschich -

te“ im Jahr 1982 mit dem Titel „Zur Psychiatrie in Österreich 1938 - 1945: ‚Euthana -

sie‘ und Sterilisierung“ (veröffentlicht in Weinzierl/Rathkolb/Ardelt/Mattl [Hrsg.], Ju -

stiz - und Zeitgeschichte, Symposionsbeiträge 1976 bis 1993, Band 1,

534 ff.) hingewiesen.

Im einzelnen kam es nach den Unterlagen des Bundesministeriums für Justiz, so -

weit sie ausgemittelt werden konnten, in folgenden Komplexen zu Strafverfahren mit

folgenden Ergebnissen:

I.

Im Zusammenhang mit Tötungen im Vernichtungslager Schloß Harthelm, zu dem

organisatorisch auch die Heil - und Pflegeanstalten Niedernhart und Ybbs gehörten,

leitete die Staatsanwaltschaft Wien bereits Ende 1945 ein Strafverfahren ein. Dieses

hatte den Abtransport Hunderter Anstaltsinsassen von Ybbs zur Vergasung nach

Hartheim bei Alkoven zum Gegenstand und war unter anderem gegen den Chefarzt

der Heil - und Pflegeanstalt Ybbs, Dr. M. T., gerichtet. Da in der Folge geklärt wer -

den konnte, daß unter der Leitung Dris. 1. keine Transporte von Ybbs nach Hart -

heim stattgefunden hatten, wurde das Verfahren im Jahr 1948 insoweit zur Einstel -

lung gebracht.

Das eigentliche Strafverfahren wegen der Massentötungen in Hartheim wurde beim

Landesgericht Linz geführt und Anfang 1946 eingeleitet. Soweit ersichtlich, wurde in

diesem Verfahren das gesamte namentlich bekannte Personal der Vernichtungsan -

stalt Hartheim - insgesamt über 50 Personen - überprüft. Da die mutmaßlich Haupt -

verantwortlichen entweder bereits verstorben oder unbekannten Aufenthalts waren,

wurden jene Angehörigen des Pflege -  und sonstigen Anstaltspersonals unter Ankla -

ge gestellt, denen eine Mitwirkung an Tötungshandlungen zur Last gelegt werden

konnte. Die übrigen Strafverfahren endeten spätestens im Jahr 1948 entweder

durch Einstellung mangels Tatnachweises bzw. Todes des Verdächtigen oder - vor

allem hinsichtlich deutscher Staatsangehöriger, deren Aufenthalt nicht bekannt war -

durch Abbrechung gemäß § 412 Stpo. Im einzelnen ergibt sich aus den im vorlie -

genden Zusammenhang erstatteten Berichten der staatsanwaltschaftlichen Behör -

den folgendes Bild:

Mit Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 6.9.1947 wurde das Vorhaben der

staatsanwaltschaftlichen Behörden, gegen A. G., H. G., M. H., H. H., F. H., H. M.,

M. R. und M. W. Anklage wegen des Verbrechens der Mitschuld am Mord nach den

§§ 5, 134, 137 StG in Tateinheit mit dem Verbrechen der Mitschuld an Quälereien

und Mißhandlungen nach § 5 StG, § 3 KVG zu erheben, zur Kenntnis genommen.

Ihnen wurde zur Last gelegt, durch diverse Tathandlungen, wie Begleitung der

Transporte nach Hartheim, Auskleiden der Personen zum Zweck der Vergasung

oder Verbringung der Leichen aus der Gaskammer in den Verbrennungsraum, auf

eine entferntere Art zur Ausübung der vom Anstaltsleiter Dr. R. L. und anderen an

zahllosen Geisteskranken, Fürsorgepfleglingen und sonstigen Personen begange -

nen Morde und zu der in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch

Dr. L. und andere unter Ausnützung dienstlicher Gewalt bewirkten Versetzung der in

die Vernichtungsanstalt geschafften Personen in einen qualvollen Zustand Hilfe ge -

leistet und zur sicheren Vollstreckung dieser Übeltaten beigetragen zu haben. Nach

der am 25. und 26.11.1947 durchgeführten Hauptverhandlung wurden F. H. und

H. M. anklagekonform wegen des Verbrechens der Mitschuld am Mord nach den

§§ 5, 134, 137 StG in Tateinheit mit dem Verbrechen der Mitschuld an

Quälereien und Mißhandlungen nach § 5 StG, § 3 KVG zu dreieinhalb bzw. zwei -

einhalb Jahren schweren Kerkers verurteilt. Von den weiteren sechs Angeklagten

wurden fünf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, weil das Gericht den Schuld -

ausschließungsgrund des unwiderstehlichen Zwangs bejahte. In einem Fall trat die

Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, weil eine Be -

teiligung an den Massenmorden nicht bewiesen werden konnte.

Ein weiteres Vorhaben der staatsanwaltschaftlichen Behörden, gegen F. 5., K. H.

und L. L. Anklage wegen des Verbrechens des Mordes nach § 134 StG und des

Verbrechens der Quälereien und Mißhandlungen nach § 3 Abs. 2 KVG sowie gegen

F. M. wegen des Verbrechens der Mitschuld am Mord nach den §§ 5, 134, 137  StG

und wegen des Verbrechens der Quälereien und Mißhandlungen als Mitschuldiger

nach § 5 StG, § 3 KVG zu erheben, wurde mit Erlaß des Bundesministeriums für

Justiz vom 15.4.1948 zur Kenntnis genommen. F. S., K. H. und L. L. wurde die

Tötung von Heil -  und Fürsorgepfleglingen im bewußt gemeinsamen Zusammenwir -

ken mit Dr. H. L. und Dr. G. R. zur Last gelegt, und zwar F. S. in der Zeit vom

November 1940 bis August 1941 als organisatorischer Leiter der Massenvernich-

tungsanstalt Hartheim und K. H. und L. L. in der Zeit zwischen 1939 und 1943 in

Niedemhart durch tätige Mitwirkung an den von den genannten Ärzten an Anstalts -

pfleglingen vorgenommenen tödlichen Injektionen. F. M. wurde vorgeworfen, in der

Zeit von 1940 bis 1943 in Hartheim als Autobuslenker durch den Transport der zur

Vergasung bestimmten Personen zu den begangenen Morden auf entferntere Art

beigetragen zu haben. Während F. S. aus der Untersuchungshaft flüchten

konnte, wurden k. H. zu fünfeinhalb Jahren, L. L. zu drei Jahren und F. M. zu

einem Jahr schweren Kerkers verurteilt; Offenbar erfolgten alle Schuldsprüche

wegen des Verbrechens der entfernten Mitschuld am Mord nach den §§ 5, 134, 137

StG.

Acht Verfahren wurden gemäß § 224 StG infolge Todes des Beschuldigten beendet,

darunter lene gegen den Chefarzt von Hartheim und Niedemhart, Dr. R. L., der Sui -

zid verübt hatte, gegen den Kommandanten von Hartheim, C. W., der in Jugoslawi -

en gefallen war, und gegen den Heizer im Krematorium in Hartheim, V. N., der von

einem amerikanischen Militärgericht zum Tod verurteilt und hingerichtet wurde. Das

Verfahren gegen 16 Personen endete durch Einstellung gemäß § 90 Abs. 1 bzw.

§ 109 Abs. 1 Stpo. Das Verfahren gegen weitere 21 Personen wurde gemäß § 412

StPo abgebrochen, und zwar unter anderem auch gegen den stellvertretenden

Chefarzt von Hartheim und Niedemhart, Dr. G. R.

Auf Grund einer an das Bundesministerium für Justiz gerichteten Anzeige des Doku -

mentationszentrums des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes vom

14.2.1964 beantragte die Staatsanwaltschaft Linz Vorerhebungen gegen den Gau -

inspektor für Oberdonau bis zum Jahr 1943, S, S., seinen Nachfolger F. P. und ge -

gen weitere Personen, die im Komplex Hartheim bisher nicht überprüft worden

waren. Dieses Verfahren war gegen einige der Verdächtigen bis zum Jahr 1972 an -

hängig und endete in sieben Fällen mit der Abgabe von Einstellungserklärungen (in

einem Fall wegen Todes) und bezüglich eines Verdächtigen mit der Abtretung an

das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verdachts seiner Tätigkeit in

den Vernichtungslagern Sobibor und Treblinka.

Gegen einige jener Beschuldigten1 gegen die das Verfahren im Inland bis zu ihrer

Betretung gemäß § 412 StPO abgebrochen worden war, wurde in der Bundesrepu -

blik Deutschland zum Teil im Zusammenhang mit ihrer früheren Tätigkeit in Hart -

heim Anklage erhoben; so auch gegen den stellvertretenden Chefarzt Dr. G. R.

durch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 7.11.1967. Das Verfah -

ren gegen den Genannten wurde jedoch wegen dessen dauernder Verhandlungsun -

fähigkeit mit Beschluß des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.12.1975 einge -

stellt. Von der genannten Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt vom

7.11.1967 waren auch der Büroleiter von Hartheim, H. J. B., und der Hauptwirt -

schaftsleiter der Organisation "T 4“, F. L., betroffen. Sie wurden mit Urteil des

Schwurgerichts in Frankfurt amMain vom 27.5.1970 unter anderem wegen der Bei -

hilfe zur Ermordung von Geisteskranken und invaliden Konzentrationslagerhäftlin -

gen in Hartheim zu Gesamtfreiheitsstrafen in der Dauer von zehn bzw. sieben Jah -

ren verurteilt.

Der am 30.5.1948 in Linz aus der Untersuchungshaft geflüchtete F. S. wurde nach

seiner Auslieferung aus Brasilien in der Bundesrepublik Deutschland mit Urteil des

Schwurgerichts Düsseldorf vom 22.12.1970 wegen des gemeinschaftlichen Mordes

an mindestens 400.000 Personen (als Lagerleiter) in Treblinka zu lebenslanger Frei -

heitsstrafe verurteilt. Er verstarb am 28.6.1971 in der Haft. Das inzwischen an das

Kreisgericht Wels abgetretene Inlandsverfahren wurde in der Folge gemäß § 224

StG beendet.

Schließlich wurde der Leiter der Inspektionsabteilung der Dienststelle „T 4“, A. G. K.,

auch im Zusammenhang mit der Einrichtung der Euthanasieanstalt Hartheim von

der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main am 27.6.1966 angeklagt. Auch

dieses Verfahren mußte am 29.6.1967 wegen Verhandlungsunfähigkeit des Ange -

klagten eingestellt werden. A. G. K. verstarb am 20.8.1974. Auch das Inlandsverfah-

ren wurde daher gemäß § 224 StG zur Einstellung gebracht.

II.

Im Zusammenhang mit der Verbringung von Insassen anderer Heil - und Pflegean -

stalten zur Tötung nach Hartheim konnten folgende Strafverfahren eruiert werden:

Gegen Dr. H. Q. wurde am 26.7.1949 Anklage wegen des Verbrechens der Mit -

schuld am Verbrechen des Meuchelmordes nach den §§ 5, 134, 135  Z 1, 137 StG

erhoben. Ihm wurde zur Last gelegt, zur Vollziehung der Massenmorde in Hartheim

auf entferntere Art dadurch beigetragen zu haben, daß er als Leiter des Gesund -

heitswesens im ehemaligen Gau Tirol - Vorarlberg die Sammlung der kranken und

gebrechlichen Leute aus den Anstalten, Armen- und Versorgungshäusern und die

Überstellung von 707 Personen nach Hartheim zum Zweck ihrer Vergasung wieder -

holt ausdrücklich gefordert, unterstützt und betrieben hatte. Er wurde mit Urteil des

Volksgerichts in Innsbruck vom 1.12.1949 im Sinn der Anklage schuldig erkannt und

zu acht Jahren schweren Kerkers verurteilt.

Im Zusammenhang mit der Versendung von Geisteskranken aus dem ehemaligen

Gau Tirol - Vorarlberg war auch gegen den ehemaligen Gauleiter F. H. ein Verfah -

ren beim Landesgericht Innsbruck anhängig, das gemäß § 412 StPO abgebrochen

wurde. Ein beim Landgericht Duisburg eingeleitetes Verfahren wurde mit Beschluß

vom 5.11.1963 eingestellt.

Gegen den ehemaligen Leiter der Heilanstalt Valduna in Vorarlberg, den deutschen

Staatsangehörigen Dr. J. V., der im Verdacht stand, für die Verlegung von Geistes -

kranken aus seiner Anstalt nach Hall und von dort nach Hartheim verantwortlich ge -

wesen zu sein, wurde ein im Jahr 1947 eingeleitetes Inlandsverfahren gemäß § 412

Stpo abgebrochen. Ein gegen ihn durch die Staatsanwaltschaft Konstanz auch auf

Grund eines Ersuchens der Staatsanwaltschaft Innsbruck um Übernahme der Straf -

verfolgung eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 21.6.1966

eingestellt.

Der Leiter der Heilanstalt Schermberg, Dr. B. V., stand im Verdacht, für den Ab -

transport von 118 Personen nach Niedemhart im Jahr 1941 verantwortlich gewesen

zu sein. Da die Erhebungen ergaben, daß die Abholung dieser Insassen durch

Dr. H. L. ohne Mitwirkung des Verdächtigen erfolgt war, wurde das übereinstim -

mende Einstellungsvorhaben der staatsanwaltschaftlichen Behörden mit Erlaß des

Bundesministeriums für Justiz vom 10.11.1949 zur Kenntnis genommen.

Im Zusammenhang mit der Überstellung von 252 Pfleglingen aus der Landesheilan -

statt Lehen bei Salzburg nach Hartheim waren seit dem Jahr 1946 gegen mehrere

Personen Erhebungen anhängig. Das Verfahren gegen den Anstaltsarzt in Lehen,

Dr. H. M. - G., wurde im Jahr 1948 zur Einstellung gebracht, weil sich dieser zum

Zeitpunkt der Durchführung der Transporte bereits bei der Wehrmacht befunden

hatte. Auch die gegen den Abteilungsleiter des Gaufürsorgeamtes Salzburg,

Dr. O. H., eingeleitete Voruntersuchung wurde bereits im Jahr 1947 gemäß § 109

Abs. 1 StPO beendet, weil dessen Verantwortung, mit den Transporten nicht befaßt

gewesen zu sein, nicht widerlegt werden konnte. Der ehemalige Gauleiter von Salz -

burg, Dr. F. R., gegen den in diesem Zusammenhang ebenfalls ermittelt wurde, war

am 19.8.1947 in Jugoslawien hingerichtet worden. Gegen eine weitere Person

wurde das Verfahren im Jahr 1961 zur Einstellung gebracht, weil sich keine konkre -

ten Belastungsmomente ergeben hatten. Gegen den Leiter der Erbbiologischen Ab -

teilung der Landesheilanstalt Lehen und den Leiter der Unterabteilung Gesundheit

des ehemaligen Gaues Salzburg wurde das Verfahren schließlich gemäß § 412

Stpo abgebrochen. Dieses Strafverfahren war vorerst in Linz und nach Ende der

Volksgerichtsbarkeit bei dem sodann zuständigen Landesgericht Salzburg anhängig

gewesen.

Das gegen den für den Abtransport von Geisteskranken aus der Anstalt Solbad

Hall/Tirol verantwortlichen Dr. F. M. seit dem Jahr 1947 beim Landesgericht Inns -

bruck anhängige Strafverfahren wurde nach Bekanntwerden seines Ablebens ge -

mäß § 224 StG zur Einstellung gebracht.

Gegen den ehemaligen Direktor der Heilanstalt „Am Steinhof“, Dr. A. M., war we -

gen des Verdachts seiner Verantwortung für den Abtransport von Patienten nach

Hartheim beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein Verfahren anhängig, das im

Jahr 1950 mangels Schuldnachweises eingestellt wurde. Eine weitere wegen derar -

tiger Vorwürfe erhobene Anzeige führte Anfang der sechziger Jahre zu einem neu -

erlichen Prüfungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Wien. Wegen des Able -

bens von Dr. M. wurde das Verfahren am 24.1.1964 gemäß § 224 StG beendet.

III.

Wegen der Tötung zahlreicher Patienten durch Zu - Tode - Schocken oder Verabrei -

chung von Gift in den Heil- und Pflegeanstalten Mauer - Öhling und Gugging leitete

die Staatsanwaltschaft Wien auf Grund einer Anzeige vom 23.5.1945 ein umfangrei -

ches Strafverfahren ein. Der Leiter der genannten Landesheilanstalten, Dr. E. G.,

der einen Großteil der Tötungen selbst durchgeführt haben soll, konnte nicht zur

Verantwortung gezogen werden, weil ihm die Flucht ins Ausland gelang; er starb am

28.3.1961 in Bagdad. Das Verfahren gegen zumindest acht weitere Personen, die

ursprünglich ebenfalls im Verdacht der Mitschuld an den in den Anstalten Gugging

und Mauer - Öhling begangenen Tötungen standen, darunter den Direktor der Heil -

anstalt Gugging, Dr. J. S., wurde gemäß § 109 Abs. 1 bzw. § 90 Abs. 1 StPO einge -

stellt. Ein an den Morden von Dr. G. offenbar maßgeblich beteiligter Pfleger war bei

Kriegsende zu Tode gekommen.

In diesem komplex wurde jedoch gegen insgesamt 23 Personen Anklage erhoben:

Während dem Direktor der Landesheilanstalt Mauer - Öhling, Dr. M. S., im Hinblick

auf seine illegale Tätigkeit für die NSDAP lediglich das Verbrechen des Hochverrats

im Sinn des § 58 StG in der Fassung der §§ 10, 11 VerbotsG 1947 zur Last gelegt

wurde, hatten die übrigen Anklagepunkte in den Jahren 1944 und 1945 vorgenom -

mene Tötungen von Patienten bzw. die Beteiligung daran zum Gegenstand:

Der Gauhauptmann für Niederösterreich, Dr. J. M., und der Leiter des Gauamtes für

Volksgesundheit Niederdonau, Dr. R. E., wurden des Verbrechens des Meuchelmor -

des als Besteller nach den §§ 134, 135  Z 1 und 3 StG angeklagt. Ihnen wurde vor -

geworfen, die von Dr. G. begangenen Meuchelmorde im Jahr 1944 vorsätzlich ver -

anlaßt zu haben.

Von dem in Gugging tätigen Personal wurden angeklagt:

- die Pflegerinnen S. D., M. G., A. K., E. M., A. N. und M. N. wegen des Vorwurfs

der Tötung von Patienten durch Verabreichung von Gift des Verbrechens des be -

stellten Meuchelmordes nach den §§ 134,135 Z 1 und 3 StG,

- die Pfleger F. R. und L. W. ebenfalls wegen des Vorwurfs der Tötung von Patien -

ten durch Verabreichung von Gift des Verbrechens des bestellten Meuchelmordes

nach den §§ 134, 135 Z 1 und 3 StG, überdies wegen der Beteiligung an den von

Dr. G. durch Verabreichung von Gift begangenen Morden als entfernte

Mitschuldige nach den §§ 5, 134,135 Z 1 und 3 StG,

- der Verwaltungssekretär J. k. ebenfalls wegen der Beteiligung an den von Dr. G.

durch Verabreichung von Gift begangenen Morden des Verbrechens des bestell-

ten Meuchelmordes als entfernter Mitschuldiger nach §§ 5, 134, 135 Z 1 und 3

StG sowie des Verbrechens der versuchten Verleitung zum Verbrechen des Meu -

chelmordes nach den §§ 9,134,135 Z 1 StG und

- die Pflegevorsteherin H. F. wegen ihres Beitrags an den von Dr. G. begangenen

lötungen des Verbrechens des bestellten Meuchelmordes als entfernte

Mitschuldige nach den §§ 5, 134, 135  Z 1 und 3 StG.

Dem in der Heilanstalt Mauer - Öhling tätigen Arzt Dr. J. U. wurde die Tötung von

Patienten durch Verabreichung von Gift, sein Beitrag zu den von Dr. G.

begangenen Tötungen durch Verwahrung des zur Tötung bestimmten elektrischen

Apparats und die erfolglose Bestimmung von vier Personen zur Begehung von

Tötungshandlungen als Verbrechen des bestellten Meuchelmordes als unmittelbarer

Täter und als entfernter Mitschuldiger nach den §§ 134, 135  Z 1 und 3 StG, auch

§ 5 StG, und als Verbrechen der versuchten Verleitung zum Verbrechen des bestell -

ten Meuchelmordes nach den §§ 9, 134, 135  Z 1 und 3 StG zur Last gelegt.

Vom sonstigen Personal von Mauer - Öhling wurden

- den Pflegern J. D., F. F., J. M., A. K. und A. W. die unmittelbare Mitwirkung an den

von Dr. G. begangenen Morden als Verbrechen des bestellten Meuchelmordes

als unmittelbar Mitwirkende nach den §§ 134, 135  Z 1 und 3 StG und

- dem Pfleger F. P. sowie den Pflegerinnen M. P., R. S. und k. W. schließlich ein

entfernter Tatbeitrag zu den von Dr. G. begangenen Meuchelmorden als Verbre -

chen des bestellten Meuchelmordes als entfernte Mitschuldige nach den §§ 5,

134, 135 Z1 und 3StG,

zur Last gelegt.

Nach der vom Landesgericht für Strafsachen Wien als Volksgericht in der Zeit vom

14.6. bis 14.7.1948 durchgeführten Hauptverhandlung ergingen folgende Urteile:

Dr. J. M. und Dr. R. E. wurden wegen entfernten Tatbeitrags zu den von Dr. G. be -

gangenen Meuchelmorden des Verbrechens des bestellten Meuchelmordes als ent -

fernte Mitschuldige nach den §§ 5,134,135 Z 1,137 StG sowie des weiters ange -

klagten Verbrechens des Hochverrats im Sinn des § 58 StG i.d.F. der §§ 10,11 Ver -

botsG 1947 schuldig erkannt und gemäß § 11 VerbotsG zur Strafe des

schweren kerkers in der Dauer von zwälf bzw. zehn Jahren verurteilt.

Der Verwaltungssekretär in Gugging, J. K., wurde wegen entfernten Tatbeitrags zu

den von Dr. G. begangenen Meuchelmorden des Verbrechens des bestellten Meu -

chelmordes als entfernter Mitschuldiger nach den §§ 5, 134, 135  Z 1, 137 StG und

wegen seines erfolglosen Versuchs, eine Person zu einer Tötung durch Verabrei -

chung von Gift zu verleiten, des Verbrechens der versuchten Verleitung zum Ver -

brechen des Meuchelmordes nach den §§ 9, 134, 135  Z 1 StG schuldig erkannt

und gemäß § 137, zweiter Strafsatz, StG zur Strafe des schweren Kerkers in der

Dauer von vier Jahren verurteilt.

Die in Gugging tätigen Pflegerinnen M. G. und A. k. wurden wegen ihres Beitrags zu

den von Dr. G. durch Verabreichung von Gift begangenen Morden des Verbrechens

des bestellten Meuchelmordes als Mitschuldige nach den §§ 5, 134,  135  Z 1, 137

StG schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 137 StG zur Strafe des

schweren Kerkers in der Dauer von je dreieinhalb Jahren verurteilt.

Folgende in Mauer - Öhling tätigen Pfleger und Pflegerinnen wurden ebenfalls wegen

der Mithilfe bei den von Dr. G. zum Teil durch elektrischen Strom begangenen

Meuchelmorden des Verbrechens des bestellten Meuchelmordes als zum Teil ent -

fernte Mitschuldige nach den §§ 5, 134, 135  Z 1, 137 StG schuldig erkannt und ge -

mäß § 137, zweiter Strafsatz, StG wie folgt verurteilt:

F. P. zu zwei Jahren, J. D. zu drei Jahren, A. K. zu zweieinhalb Jahren, F. F. zu

zweieinhalb Jahren, J. M. zu zweieinhalb Jahren, K. W. zu zwei Jahren und R. S. zu

drei Jahren schweren Kerkers.

Das Verfahren gegen die Angeklagte A. N. wegen des lediglich angenommenen

Verdachts der fahrlässigen Tötung nach § 335  StG wurde ausgeschieden und dem

ordentlichen Gericht überwiesen.

Die Pfleger und Pflegerinnen F. R., L. W., S. D., E. M., H. F., M. N., A. W. und M. P.

wurden mangels sicheren Schuldnachweises gemäß § 259 Z 3 StPO freigespro -

chen.

Dr. M. S. war noch vor der Hauptverhandlung gestorben. Gegen Dr. J. U. konnte ei -

ne Hauptverhandlung wegen Verhandlungsunfähigkeit nicht durchgeführt werden; er

starb im Jahr 1958.

IV.

Wegen der Durchführung von „Todesbeschleunigungen“ an etwa 200 Kindern in der

Wiener Städtischen Nervenklinik für Kinder - Heilpädagogische Klinik „Am Spiegel -

grund“ durch Verabreichung von Giften erhob die Staatsanwaltschaft Wien am

18.6.1948 gegen den Primarius Dr. E. I. und gegen die Ärztinnen Dr. M. T. und

Dr. M. H. Anklage wegen des Verbrechens des vollbrachten Meuchelmordes nach

den §§ 134, 135  Z 1 StG und des Verbrechens der Quälereien und Mißhandlungen

nach § 3 KVG.

Nach der vom 15. bis 18.7.1946 durchgeführten Hauptverhandlung wurde Dr. E. I.

im Sinn der Anklage gemäß § 3 Abs. 2 KVG zum Tod durch den Strang verurteilt.

Dr. M. T. wurde ebenfalls gemäß § 3 Abs. 2 KVG unter Anwendung des § 13 KVG

zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von zehn Jahren verurteilt. Dr. M. H.

wurde (mangels Schuldnachweises) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Das

gegen Dr. E. I. verhängte Todesurteil wurde am 23.11.1946 vollstreckt.

Am 8.1.1948 erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen die ehemals als Kranken -

pflegerin in der Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ tätige A. K. ebenfalls An -

klage in Richtung §§ 134, 135  Z 1 StG und § 3 KVG. Das Landesgericht für Strafsa -

chen Wien als Volksgericht erkannte die Genannte mit Urteil vom 9.4.1948 (unter

ausdrücklicher Verneinung der Voraussetzungen des Mordes nach § 211 RStGB)

wegen der Tötung von mindestens 24 Pflegebefohlenen des Verbrechens des Tot -

schlags nach § 212 RStGB schuldig und verurteilte sie zu acht Jahren schweren

Kerkers. Vom Vorwurf des Verbrechens nach § 3 KVG wurde A. K. gemäß § 259

Z 3 StPO freigesprochen.

Zu dem gegen Dr. Heinrich Gross zu Vg 1 Vr 174/51 - Hv 60/51 (ursprünglich Vg 1 a

Vr 1601/48 - Hv 128/50) des Landesgerichts für Strafsachen Wien anhängig

gewesenen Verfahren verweise ich auf meine Antworten zu den parlamentarischen

Anfragen ZI. 2143/J - NR/1997 und 2612/J - NR/1997.

Der als Vorgänger von Dr. 1. bis 1.7.1942 tätige Leiter der Anstalt „Am Spiegel -

grund“, Dr. E. J., starb am 8.7.1952 in sowjetischer Haft. Das gegen ihn eingeleitete

Strafverfahren wurde daher gemäß § 224 StG beendet.

Strafverfahren gegen eine weitere Ärztin und eine Krankenschwester wurden man -

gels Schuldnachweises gemäß § 90 Abs. 1 StPO zur Einstellung gebracht. Das

Strafverfahren gegen vier Krankenschwestern wurde gemäß § 412 StPO abgebro -

chen. In zwei dieser Verfahren kam es zur Übernahme der Strafverfolgung durch

das Landgericht Bonn. Die Beschuldigten wurden mit Beschluß der Zweiten Straf -

kammer dieses Gerichts vom 25.4.1963 außer Verfolgung gesetzt.

In einem im Jahr 1946 eingeleiteten Strafverfahren gegen zwei Pfleger und zwei

Pflegerinnen, die auf Pavillon 22 der Heil - und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ tätig ge -

wesen waren und gegen die der Vorwurf erhoben wurde, täglich einige Patienten

getötet zu haben, gab die Staatsanwaltschaft Wien am 22.1.1947 nach Entkräftung

des diesbezüglichen Tatverdachts die Erklärung nach § 109 Abs. 1 StPO ab.

V.

In Kärnten war es in der Irrenanstalt und in der Siechenanstalt in Klagenfurt zu

zahlreichen Einzeltötungen von erwachsenen Geisteskranken gekommen. Den

Großteil der Tötungen hatte der Hausarzt der Siechenanstalt und Primararzt der Ir -

renanstalt, Dr. F. N., veranlaßt. Zum Teil hatte das Pflegepersonal Tötungen auch in

Eigeninitiative vorgenommen, um sich „lästiger", gebrechlicher oder solcher Patien -

ten zu entledigen, die zu viel von den ihnen bekanntgewordenen Tötungshandlun -

gen geredet oder geschrieben hatten. Das Strafverfahren wurde im Jahr 1945 ein -

geleitet. Mit Erlaß vom 18.2.1946 nahm das Bundesministerium für Justiz das über -

einstimmende Vorhaben der Staatsanwaltschaft Klagenfurt und der Oberstaatsan -

waltschaft Graz, gegen 13 Personen Anklage zu erheben1 zur Kenntnis.

Angeklagt wurden neben Dr. F. N. auch in den genannten Anstalten tätig gewesene

Pfleger, Pflegerinnen, Bedienerinnen und eine in der Siechenanstalt tätige Ober -

schwester. Allen Angeklagten wurde das Verbrechen des Mordes nach den §§ 134,

135 Z 1 und 3 StG, teilweise in den Begehungsformen der Bestimmung und der

Teilnahme nach § 5 StG und des Versuchs nach § 8 StG, sowie in allen Fällen das

Verbrechen der Verletzung der Menschlichkeit und der Menschenwürde nach § 4

KVG zur Last gelegt.

Nach der vom 20.3. bis 3.4.1946 durchgeführten Hauptverhandlung verkündete das

Volksgericht Graz, Senat Klagenfurt, am 4.4.1946 das Urteil. Danach wurde Dr. F.

N. wegen der Veranlassung von mindestens 400 Tötungen des Verbrechens des

Mordes nach den §§ 134, 135  Z 1 und 3 und § 5 StG sowie der Verletzung der

Menschlichkeit und der Menschenwürde nach § 4 KVG schuldig erkannt.

Weiters wurden A. P. wegen der Tötung von mindestens 20 Pfleglingen, O. S.

wegen der Tötung von mindestens 200 Pfleglingen, P. T. wegen der Tötung von

13 Pfleglingen, M. C. wegen der Tötung von mindestens 30 Pfleglingen, E. B. we -

gen der Tötung von ungefähr 50 bis 70 Pfleglingen und L. H. wegen der Tötung von

7 Pfleglingen verurteilt.

1. P. wurde der tätigen Mitwirkung an mehreren dieser Tötungen schuldig erkannt.

A. P. wurde, abgesehen von den von ihr eigenhändig verübten Mordtaten, auch

wegen der vorsätzlichen Veranlassung eines Großteils der von O. S. und

P. T. vorgenommenen Tötungen verurteilt; wegen der Bestimmung der P. T. zu

Tötungshandlungen wurde auch O. S. schuldig gesprochen. J. W. wiederum wurde

ebenfalls wegen der vorsätzlichen Veranlassung einiger von O. S, begangener Tö -

tungen verurteilt. Schließlich wurde A. P. in einem Fall wegen versuchten Mordes

und in mehreren Fällen des Beitrags zu den von O. S. begangenen Morden schuldig

erkannt.

Sämtliche Schuldsprüche ergingen wegen des Verbrechens des Mordes nach den

§§ 134, 135  Z 1 und 3 StG, teilweise in der Begehungsform der §§ 5 und 8 StG, und

wegen des Verbrechens der Verletzung der Menschlichkeit und der Menschen -

würde nach § 4 KVG. Dr. F. N., A. P., 0.5. und E. B. wurden nach § 4 letzter Ab -

Satz KVG zur Strafe des Todes durch den Strang verurteilt. P. T. und M. C. wurden

unter Anwendung des § 13 Abs. 1 KVG zu 15 Jahren schweren Kerkers und J. W., I.

P. und L. H. zu zehn Jahren schweren Kerkers verurteilt.

Die Pflegerinnen M. B., G. M., M. H. und L. L. wurden (mangels Schuldnachweises)

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Im Fall von J. W. erging ein Teilfreispruch.

Das über Dr. F. N. verhängte Todesurteil wurde am 16.11.1946 vollstreckt. E. B.

verübte in der Nacht nach der Urteilsverkündung in der Haft Suizid. Die über A. P.

und 0.5. verhängten Todesurteile wurden mit Entschließung des Bundespräsiden -

ten vom 19.10.1946 im einen Fall in eine lebenslange, im anderen Fall in eine

20 jährige Strafe des schweren Kerkers umgewandelt.

VI.

Schließlich richteten sich Erhebungen auch gegen zwei österreichische Staatsbür -

ger, die angezeigt worden waren1 außerhalb Österreichs an unter der nationalso -

zialistischen Gewaltherrschaft begangenen Euthanasiehandlungen beteiligt gewe -

sen zu sein.

So stand Dr. W. K. im Verdacht von Kindestötungen in der ehemaligen Gauheilan-

stalt Tiegenhof bei Gnesen. In dem im Jahr 1966 eingeleiteten Strafverfahren beim

damaligen Kreisgericht Wels konnten objektive Anhaltspunkte für ein strafbares Ver-

halten des Beschuldigten nicht erhoben werden. Das übereinstimmende Einstel-

lungsvorhaben der staatsanwaltschaftlichen Behörden wurde daher mit Erlaß des

Bundesministeriums für Justiz vom 29.8.1967 zur Kenntnis genommen.

In einer weiteren, Anfang 1969 der Staatsanwaltschaft St. Pölten übermittelten An-

zeige wurde gegen den ehemaligen Direktor des Instituts für Erb- und

Rassenhygiene an der Deutschen Karls - Universität in Prag, Dr. K. T., der Verdacht

von Euthanasiehandlungen erhoben. Nach Durchführung sicherheitsbehörd -

licher Erhebungen erwiesen sich diese Vorwürfe jedoch als haltlos. Die Anzeige

wurde daher im März 1969 gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt.

Zu 5 a):

Über Anregung der zuständigen Untersuchungsrichterin beantragte die Staatsan -

waltschaft Wien in dem seit Dezember 1997 anhängigen gerichtlichen Verfahren am

10.3.1998 die Einleitung der Voruntersuchung gegen Dr. Heinrich Gross wegen

§ 211 RStGB (§ 75 StGB) in Ansehung des Tatzeitraums 1944. Das diesbezügliche

Vorhaben der staatsanwaltschaftlichen Behörden war mit Erlaß des Bundesministe -

riums für Justiz vom 26.2.1998 zur Kenntnis genommen worden. Überdies war die

Oberstaatsanwaltschaft Wien ersucht worden, die Staatsanwaltschaft Wien anzulei -

ten, im Interesse einer Verfahrensverkürzung schon jetzt auch jene gerichtlichen

Vorerhebungsschritte zu erwirken, die der Materialsammlung für die Prüfung eines

allfälligen Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens Vg 1 Vr 174/51 des Landes -

gerichts für Strafsachen Wien hinsichtlich des Verdachts der Beteiligung an weiteren

Tötungen in den Jahren 1941 bis 1943 dienen.

In Anbetracht des Umfangs der zu sichtenden Krankengeschichten bzw. eines allen -

falls einzuholenden, darauf basierenden gerichtsmedizinischen Sachverständigen -

gutachtens ist der Abschluß des Verfahrens derzeit nicht absehbar. Die Staatsan -

waltschaft Wien ist jedoch bestrebt, im Zusammenwirken mit der zuständigen Unter -

suchungsrichterin das Verfahren im Rahmen des Möglichen zu beschleunigen. Die

zuständige Fachabteilung des Bundesministeriums für Justiz wird den Verfahrens -

fortgang fortlaufend überwachen.

Zu 5 b):

Im Hinblick auf die Einleitung der Voruntersuchung obliegt die Entscheidung über

gebotene Verfahrensschritte primär dem unabhängigen Gericht. Das gilt insbeson -

dere auch für die Einschätzung darüber, welche Erkenntnisse von weiteren Erhe -

bungen erwartet werden können, und für die Entscheidung über die Aufeinanderfol -

ge der einzelnen Erhebungsschritte.

Zu 5 c): Bislang hat die Staatsanwaltschaft Wien den ärztlichen Leiter des Psychiatrischen

Krankenhauses der Stadt Wien lediglich darum ersucht, von einer Bestattung der

Gehirnpräparate wegen des laufenden Strafverfahrens derzeit abzusehen, weil die -

se Präparate möglicherweise zu Beweiszwecken benötigt werden könnten. Eine for -

melle Beschlagnahme durch das Gericht ist laut Bericht der Staatsanwaltschaft

Wien nicht erfolgt; allfällige weitere Verfügungen werden vom Verfahrensverlauf

abhängig sein.

Zu 6 a):

Dr. Heinrich Gross wurde mit Verfügung des Präsidenten des Landesgerichts für Zi -

vilrechtssachen Wien vom 21. Jänner 1960 zum ständig beeideten gerichtlichen

Sachverständigen für die Gruppe „Neurologie“ bestellt, mit Erlaß vom 1. April 1960

auch für die Gruppe „Psychiatrie“. Für diese beiden Fachgebiete (die im Jahr 1975

unter dem neuen Fachgebiet „Nerven - und Geisteskrankheiten“ zusammengefaßt

wurden) war Dr. Gross bis zu der mit 6. September 1983 vorgenommenen Strei -

chung in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien geführten Liste der all -

gemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen eingetragen. Bei dieser Gelegen -

heit darf ich ein bei der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage

ZI. 2612/J - NR/1997 unterlaufenes Versehen richtigstellen: Dort wurde in einer Ne -

benbemerkung irrtümlich ausgeführt, Dr. Gross sei aus der Sachverständigenliste

des Landesgerichts für Strafsachen Wien gestrichen worden. Dies ist insofern un -

richtig, als das Landesgericht für Strafsachen Wien - wie von mir bereits in der Be -

antwortung der parlamentarischen Anfrage ZI. 2143/J - NR/1997 ausgeführt - keine

eigenständige Sachverständigenliste führt; die Eintragung und Streichung von

Dr. Gross betraf vielmehr - wie oben erwähnt - die Sachverständigenliste des Lan -

desgerichts für Zivilrechtssachen Wien.

Zu 6 b) und c):

Zunächst sei auf die Beantwortungen der parlamentarischen Anfragen

ZI. 2143/J - NR/1997 und 2612/J - NR/1997 hingewiesen. In wie vielen Fällen

Dr. Heinrich Gross insgesamt Gutachten in Gerichtsverfahren erstellt hat, läßt sich

nicht eruieren. Exakte Erhebungen über das Gesamtausmaß seiner Sachverständi -

gentätigkeit könnten nämlich nur durch Einsichtnahme in die bei den Rechnungsfüh -

rem der Gerichte aufliegenden Gebührenauszahlungslisten geführt werden, für die

jedoch nur eine siebenjährige Aufbewahrungspflicht besteht. Zwar werden Gebüh -

renauszahlungslisten bei einzelnen Gerichten über diese Mindestfrist hinaus aufbe -

wahrt; so reichen etwa die beim Landesgericht für Strafsachen Wien, bei dem der

Schwerpunkt der Sachverständigentätigkeit von Dr. Gross gelegen sein dürfte, ge -

führten Listen bis ins Jahr 1980 zurück. Jedoch würde zum einen die Durchsicht die -

ser Listen bei allen in Frage kommenden Gerichten einen unvertretbaren Arbeitsauf -

wand erfordern, und zum anderen könnte auch eine derart aufwendige Erhebung

nach dem Vorgesagten nur ein bruchstückhaftes Ergebnis liefern

Zu 6d):

Wie bereits zu den Fragen 6 b) und c) dargestellt, sind zielführende Erhebungen zur

vollständigen Beantwortung der Frage, für welche Gerichte Dr. Heinrich Gross in

welchen Zeiträumen als Gutachter beschäftigt war, nicht möglich. Das Bundesmini -

sterium für Justiz kann daher dazu über das schon früher Gesagte hinaus nur

auf - dem Sachverständigenpersonalakt von Dr. Gross entnommene - Angaben des

Genannten selbst zurückgreifen, aus denen sich etwa ergibt, daß dieser zwischen

1960 und 1965 „sehr häufig und ständig beim Landesgericht für Strafsachen Wien,

beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien, beim Landesgericht für Zivilrechtssachen

Wien und auch bei anderen Gerichten“ als Sachverständiger herangezogen wurde.

In diesem Akt findet sich auch eine von Dr. Gross verfaßte Aufstellung, wonach er in

den Jahren 1973 bis 1975 in zahlreichen Gerichtsverfahren beim Landesgericht für

Strafsachen Wien, beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, beim Jugendge -

richtshof Wien sowie bei den (damaligen) Kreisgerichten Wiener Neustadt, Krems

und Korneuburg als Sachverständiger tätig war. Daneben wurde er - laut dieser

Aufstellung - in einzelnen Verfahren bei verschiedenen anderen Gerichtshöfen und

Bezirksgerichten, auch außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Wien, so -

wie beim Oberlandesgericht Wien als Sachverständiger herangezogen.

Zu 6e):

Dr. Heinrich Gross wurde auch noch nach den von einem Vertreter des Präsidenten

des Oberlandesgerichts Wien im Rahmen einer Richterbesprechung beim Landes -

gericht für Strafsachen Wien gegebenen Hinweisen auf die Problematik seiner Be -

stellung zum Gerichtssachverständigen von Richtern des Landesgerichts für Straf -

sachen Wien als Sachverständiger herangezogen. Es wird daher neuerlich eine

Maßnahme zur Schärfung des diesbezüglichen Problembewußtseins im genannten

Bereich veranlaßt werden.