Bundesrat Stenographisches Protokoll 652. Sitzung / Seite 39

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Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Sie sollten sich endlich einmal darüber einig werden, welche sicherheitspolitische Zielrichtung unsere Republik verfolgt, und wie Sie es mit der Neutralität und der NATO hinkünftig halten werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir erleben derzeit einen Krieg im ehemaligen Jugoslawien, einen Angriff der NATO auf Serbien, das diesen Schlag durch eine sture und menschenverachtende Politik in der Provinz Kosovo provoziert hat. Die diplomatischen Bemühungen, an denen auch Österreich beteiligt war, hatten davor zu keinem brauchbaren Ergebnis geführt. Wir alle hoffen, daß sich dieser Konflikt wieder vom Schlachtfeld an die Verhandlungstische verlagern wird. Uns aber muß es in diesem Konflikt zuerst um die Sicherheit Österreichs und seiner Staatsbürger gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diesbezüglich gibt es, meine Herren Minister, erhebliche Lücken! Über das Sicherheitspolizeigesetz sowie das Militärbefugnisgesetz wird endlos debattiert, eine Koordinierung der Arbeit der verschiedensten Geheimdienste in Österreich, welche Ihren Ministerien unterstehen, findet nach wie vor nicht statt. Das österreichische Bundesheer ist, wenn ich verantwortlichen Kommandanten glauben darf, nicht in der Lage, seine Aufträge zu erfüllen – weder zur Verteidigung und Sicherung unseres Staatsgebietes noch als Assistenzkraft zur Sicherung von zivilen Einrichtungen.

Meine Damen und Herren! Diese von Ihren Parteien und Ihren Ministern verschleppten Probleme veranlassen uns Freiheitliche heute, an Sie beide diese dringlichen Anfragen zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.17

Präsident Gottfried Jaud: Herr Dr. Bösch hat am Beginn seiner Wortmeldung die Abwesenheit des Innenministers kritisiert. Ich möchte deshalb, damit für den Leser des Protokolls kein falscher Eindruck entsteht, feststellen, daß der Innenminister unmittelbar nach Wiederaufnahme der Sitzung hier eingetroffen ist.

Zur Beantwortung hat sich zunächst der Herr Bundesminister für Landesverteidigung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

14.17

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Bösch hat unabhängig von seiner konkreten Fragestellung insbesondere zwei Fragenkomplexe aufgeworfen: erstens die Sicherheit der Bevölkerung angesichts der militärischen Aktion in Jugoslawien und zweitens die Fragen bezüglich einer solidarischen Beteiligung, NATO-Mitgliedschaft, Neutralität, also der gegenwärtigen und zukünftigen rechtlichen sowie politischen Bewertung des österreichischen Status.

Ich werde in meiner Beantwortung versuchen, auf beide Komplexe möglichst gesondert einzugehen. Natürlich gibt es Überschneidungen mit den einzelnen Fragen, und ich werde mir daher, wenn Sie damit einverstanden sind, erlauben, nicht jede einzelne Frage bis ins Detail zu beantworten, sondern sie im Zuge der Erörterung dieser beiden Fragenkomplexe zu beantworten.

Zweifellos hat das Vorgehen der serbischen Sicherheitsbehörden und der serbischen Armee in den letzten Monaten, in den letzten Jahren zu einer absolut atypischen Situation für Europa geführt. Jugoslawien, also das, was man üblicherweise unter Serbien versteht, kann heute als die wahrscheinlich einzig verbliebene Diktatur Europas bezeichnet werden. Das Land wird von einer Regierung geführt, die nunmehr bereits den vierten Krieg begonnen hat. Nach dem Krieg in Slowenien, nach dem Krieg in Kroatien und jenem in Bosnien gibt es jetzt auch einen Krieg in Kosovo – verbunden mit unvorstellbarem Leid, mit bisher über einer Viertelmillion Toten, Millionen Vertriebenen und zerschossenen Regionen. Es ist anzunehmen, daß es Jahrzehnte, ja Generationen dauern wird, bis die Wunden dieses Krieges wieder einigermaßen verheilt sind.

Das war die Ausgangssituation dafür, daß die Staatengemeinschaft Überlegungen angestellt hat, wie sie – knapp nach dem Ausbruch der vierten kriegerischen Handlung im Kosovo – diesem Treiben ein Ende setzen könnte. Dies hat zu der in Europa bisher noch nicht dagewese


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