Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 14

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pa nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht oder als Zahler auftritt, sondern auch politisch ernst genommen wird, und dies ist in steigendem Ausmaß gelungen.

Auch Madeleine Albright oder Dennis Ross arbeiten immer enger mit der Union zusammen. Es ist das eine taktisch gar nicht schlechte Doppelconférence: Die Amerikaner sind da vielleicht mehr auf der israelischen Schiene, wir sind eher der Makler zwischen den beiden. Aus dieser Reibung, aus dieser konstruktiven Parallelität ergibt sich, glaube ich, ein sehr vernünftiger positiver Ansatzpunkt.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 865/M, der Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Vizekanzler! Meine Frage lautet:

865/M-BR/98

Aus welchen konkreten Gründen drängt Österreich auf eine rasche EU-Mitgliedschaft der mittel- und osteuropäischen Länder, zumal die ökonomischen Vorteile von Österreich aufgrund des praktisch bereits existierenden Freihandels im industriell-gewerblichen Bereich schon lukriert werden (wurden)?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Bundesrätin! Wir drängen nicht auf einen raschen Beitritt, sondern wir drängen – das habe ich eigentlich auch schon in der Beantwortung der ersten Frage von Bundesrat Penz gesagt – auf eine kluge und verantwortungsbewußte Strategie, weshalb sich dieser unser Denkansatz durchaus von anderen unterscheidet.

Interessant dabei ist – ich bitte, darauf Wert zu legen –, daß die Beitrittsstrategie schon sehr lange vorher begonnen hat: Im Dezember 1989 hat man bereits beim G-7-Gipfel von Paris der Europäischen Kommission die Koordinierung der Hilfe für Polen und Ungarn übertragen. Im ersten Jahr des Falls des Kommunismus ist das PHARE-Programm entwickelt worden. Im Dezember 1991 sind die ersten Assoziationsabkommen mit Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik, damals Tschechische und Slowakische Republik, entstanden. In der Präambel dieser Abkommen steht ausdrücklich, daß diese Länder die Mitgliedschaft an der damaligen Gemeinschaft anstreben. Im Jahr 1993 sind dann beim Kopenhagener Gipfel die Kriterien für die Mitgliedschaft festgelegt worden. In Essen hat dann im Jahr 1994 der Europäische Rat die sogenannte Vorbeitrittsstrategie beschlossen; sie heißt auch so. Die ersten Beitrittskandidaten haben dann im gleichen Jahr – am 1. April 1994 die Ungarn; das letzte Land, Slowenien, erst zwei Jahre später – die Beitrittsanträge vorgelegt. In Cannes und Madrid wurde dann der präzise Fahrplan festgelegt, nämlich wann die Kommission den Avis machen wird, also die Bewertung, wie weit diese Länder sind. Im Juli 1997 sind dann konkret die Berichte der Kommission vorgelegt worden. In Luxemburg hat man dann beschlossen, mit sechs konkrete Verhandlungen aufzunehmen.

Von einem raschen Beitritt kann also hier überhaupt nicht die Rede sein, sondern man arbeitet eigentlich seit dem Jahr 1989 an einer strategischen Orientierung dieser ehemaligen kommunistischen oder ehemaligen planwirtschaftlichen Länder in Richtung Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft. Seit 1989 sind schon neun Jahre vergangen, und Sie können sicher sein, daß mit den Strukturentscheidungen, die die Union vor sich hat – Vorbeitrittsstrategie, Agenda 2000 –, und den konkreten Verhandlungen lange Zeit vergehen wird, bis alles unter Dach und Fach ist. Und diese kluge Strategie: vorwärts gewandt, integrieren, nicht ausgrenzen, eine Alternative, eine echte Option zum ehemaligen Kommunismus und zum COMECON anzubieten, ist etwas, was im österreichischen Interesse liegt.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.


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