Parlamentskorrespondenz Nr. 612 vom 23.05.2017

CETA: Verfassungsausschuss prüft rechtliche Grundlagen des Abkommens

Wien (PK) – Nach der Generaldebatte über das Volksbegehren "Gegen CETA/TTIP" gingen die Abgeordneten heute im zweiten Teil der Sitzung des Verfassungsausschusses zu einer detaillierten juristischen Analyse des Freihandelsabkommens mit Kanada über. Im Rahmen eines Hearings stellten sämtliche Expertinnen klar, dass CETA als gemischtes Abkommen der Zustimmung des österreichischen Parlaments bedarf.

Pesendorfer: CETA ist gemischtes Abkommen

Dass CETA ein gemischtes Abkommen sei, stehe nach dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zum Freihandelsabkommen der EU mit Singapur außer Streit, betonte Christine Pesendorfer vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts. Demnach bestehe der Vertrag aus Teilen, für die die Union ausschließlich zuständig ist, während sie sich in Bezug auf andere Passagen die Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teilt.

So können nach der Rechtsansicht des EuGH die Bestimmungen über die Portfolio-Investitionen nicht von der Union allein genehmigt werden. Ähnlich verhält es sich mit der Streitbeilegung. Hier habe der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass die Genehmigung nicht ohne das Einverständnis der Mitgliedsstaaten erfolgen darf. Gegenstand einer innerstaatlichen Zustimmung durch das nationale Parlament sei aber auch die interpretative Erklärung, mit der etwa Präzisierungen über die Geltung der heimischen Standards getroffen werden, unterstrich Pesendorfer.

Fülöp: Streitbeilegungsmechanismus nur mit Zustimmung Österreichs

Der Handel mit Waren und Dienstleistungen falle in die unionsrechtliche Kompetenz, bestätigte Tuende Fülöp vom Völkerrechtsbüro des Außenministeriums. Diese umfasse überdies auch die nachhaltige Entwicklung, etwa soziale Standards oder Umweltschutz. CETA könne nicht von der Union allein genehmigt werden, zumal es ein gemischtes Abkommen sei, pflichtete sie Pesendorfer bei.

Was die vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens betrifft, so dürfe diese nur Bestimmungen erfassen, die in die alleinige Zuständigkeit der Europäischen Union fallen. Die Portfolio-Investitionen sind davon ebenso ausgeschlossen wie die Streitbeilegung, stellte Fülöp klar.

Wagner: Nationalrat und Bundesrat müssen Abkommen genehmigen

Auf EU-Ebene bestehen keine Mitentscheidungsrechte der nationalen Parlamente, schickte Gerlinde Wagner vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst der Parlamentsdirektion voraus. Der Nationalrat wie auch der Bundesrat seien aber in Österreich laufend über alle Vorhaben und Verhandlungsschritte zu informieren, wobei beide Kammern eine bindende Stellungnahme an das zuständige Regierungsmitglied beschließen können. Da es sich bei CETA um ein gemischtes Abkommen handelt, das sowohl auf EU-Ebene als auch auf mitgliedstaatlicher Ebene zu unterzeichnen ist, brauche es innerstaatlich die Genehmigung durch das Parlament.

Der Nationalrat könne dabei den Abschluss des Vertrags nur zur Gänze genehmigen oder ablehnen, präzisierte Wagner. Die Abgeordneten hätten allerdings die Möglichkeit, einen Erfüllungsvorbehalt in Bezug auf die mitgliedstaatlichen Teile des Abkommens zu beschließen. Dies hätte dann zur Folge, dass diese Teile nicht unmittelbar zur Anwendung kommen. Denkbar wäre auch ein Genehmigungsvorbehalt, der wiederum bewirkt, dass vereinfachte Änderungen des Abkommens nur mit Zustimmung des Nationalrats vorgenommen werden können.  

Kein Konsens der Abgeordneten in der Frage der Schiedsgerichte

Seitens der Abgeordneten thematisierte Kai Jan Krainer (S) die Frage, ob und wie Österreich nun die vorläufige Anwendung des Abkommens beenden könne. Beatrix Karl (V) wiederum sah sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die nunmehr gewählte Form des Gerichtshofs für Investitionsstreitigkeiten ein Novum darstellt und auf Bedenken der Kritiker Bedacht nimmt. Anders sah dies Werner Kogler (G), der die bindende Stellungnahme des Nationalrats als Aufforderung an den Bundeskanzler interpretierte, das Schiedsgerichtssystem abzulehnen. Josef Schellhorn (N) verwies auf den rechtsverbindlichen Charakter der interpretativen Erklärung, durch den Bedenken etwa hinsichtlich der heimischen Standards nun ausgeräumt seien. Christoph Hagen (T) erinnerte an das Veto Walloniens und schlug eine Ausstiegsklausel für Österreich nach dem Vorbild der belgischen Region vor. Für Reinhard Eugen Bösch (F) schließlich ist das Volksbegehren bereits beschlussreif und könnte im Rahmen des freien Spiels der parlamentarischen Kräfte sofort im Ausschuss abgestimmt werden.

Herbert Thumpser stellte abschließend als Bevollmächtigter des Volksbegehrens fest, er sei nach der heutigen Sitzung überzeugt,  dass CETA beendet oder jedenfalls neu verhandelt werden müsse,  sollte das österreichische Parlament die Ratifikation ablehnen.

Die Beratungen wurden daraufhin mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt. (Schluss Verfassungsausschuss) hof