Parlamentskorrespondenz Nr. 849 vom 23.07.2015

Bundesrat ergründet Ursachen für hohe Arbeitslosigkeit unter Älteren

Wien (PK) – Die Chancen und Probleme der Generation 50+ am Arbeitsmarkt standen heute im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde im Bundesrat. Die VertreterInnen der Länderkammer machten unterschiedliche Vorschläge zur Bekämpfung des überdurchschnittlichen Anstiegs der Arbeitslosenrate bei älteren Menschen. Während die SPÖ die Wirtschaft gefordert sah und die Einführung eines Bonus-Malus-Systems forderte, ging es der ÖVP darum, die Menschen länger und gesund im Erwerbsprozess zu halten. Die Freiheitlichen sahen die Hauptursachen in den hohen Lohnnebenkosten, während die Grünen generationsübergreifende Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts suchten.

SPÖ fordert Beitrag der Wirtschaft zur Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Menschen

Obwohl die Regierung zahlreiche Maßnahmen gesetzt hat, um die negativen Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise einzudämmen, seien die Folgen immer noch spürbar, erklärte der Wiener SPÖ-Bundesrat Reinhard Todt. Besonders dramatisch sei die Situation bei den älteren ArbeitnehmerInnen, wo mittlerweile schon 16 % der über %50-Jährigen auf Jobsuche sind. Schuld daran sei u.a. die absurde Mentalität, dass diese Personengruppe zu teuer ist, zeigte Todt auf. Viele werde in die Frühpension oder in die Arbeitslosigkeit gedrängt, obwohl sie noch gerne weiter arbeiten würden. Wenn man aus dieser Negativspirale herauskommen will, dann müsse endlich die Wirtschaft ihrer Verantwortung nachkommen, forderte er. Todt schlug daher die rasche Einführung eines Bonus-Malus-Systems vor, das jene Firmen belohnen soll, die ältere ArbeitnehmerInnen beschäftigen. Gleichzeitig brauche es ein Beschäftigungs- und Pensionsmonitoring, das eine Aufschlüsselung nach Branchen, Regionen und Altersgruppen vorsieht und zudem den öffentlichen Dienst umfasst. Einen wichtigen Beitrag könnte auch eine Wertschöpfungsabgabe leisten, weil damit jene Firmen entlastet werden, die Arbeitsplätze bieten, unterstrich Todt. Die SPÖ-Vertreterin aus dem Burgenland, Inge Posch-Gruska (S/B), hielt es für wichtig, dass die zahlreichen bestehenden Maßnahmen den Menschen auch näher gebracht werden. Es bringe auch nichts, die Sozialleistungen generell schlecht zu reden. Dort wo es Missbrauch gibt, müsse er natürlich abgestellt werden. Ablehnend stand sie dem Vorschlag gegenüber, das Frauenpensionsantrittsalter schneller anzuheben.

ÖVP: Ältere Menschen sind unverzichtbarer Teil der Arbeitswelt

Der steirische ÖVP-Bundesrat Gregor Hammerl warnte davor, der Wirtschaft allein die Schuld zu geben. Es müsse ein generelles Umdenken stattfinden und ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass ältere Menschen mit ihrer Erfahrung einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft leisten. Außerdem werden sie angesichts des steigenden Lebenserwartung und der sinkenden Geburtenraten auch in Hinkunft einen unverzichtbaren Teil der Arbeitswelt darstellen, erklärte Edgar Mayer (V/V). Es sei natürlich besorgniserregend, dass die Arbeitslosenrate bei älteren Personen gegenüber dem Juni des Vorjahres um 16,2 % gestiegen ist und somit deutlich über dem Gesamtdurchschnitt liegt, konstatierte Hammerl. Wichtig wäre es seiner Meinung nach, abgestufte Übergänge in die Pension zu ermöglichen und den Wiedereinstieg, der für ältere Menschen besonders schwierig ist, zu fördern. Aktivieren statt Pensionieren solle die Devise lauten. Kritisch äußerte er sich in Bezug auf die Mindestsicherung, da sie derzeit zu wenig Anreize biete, um wieder eine Beschäftigung aufzunehmen. Ähnlich wie in Niederösterreich und der Steiermark sollte man sich bundesweit eine teilweise Umstellung auf einen Sachbezug überlegen.

FPÖ für deutliche Entlastung des Faktors Arbeit

Die Freiheitlichen sprachen von einer völlig verkehrten Diskussion, die an den Grundproblemen vorbeigehe. Wenn man nicht endlich den Faktor Arbeit entlastet und gute Rahmenbedingungen vor allem für die kleineren und mittleren Betriebe schafft, werde es keine zusätzlichen Jobs geben, argumentierte Peter Samt (F/St). Er hielt es auch für wenig zielführend, die Arbeitslosen zum Spielball von Wirtschaft und Sozialpartnern zu machen, dafür sei die Lage viel zu ernst. Die angekündigten Maßnahmen der Regierung seien maximal ein Tropfen auf dem heißen Stein und werden an den wahren Ursachen wenig ändern, urteilte Samt. Für besonders fatal erachtete er den Vorschlag, ein Bonus-Malus-System einzuführen, weil dies nur den Klassenkampf zwischen jungen und älteren Arbeitslosen anfachen würde. Christoph Längle (F/V) appellierte an die Bundesregierung, das Problem der älteren Arbeitslosen wirklich ernst zu nehmen. Er hoffe, dass der nach dem Sommer angekündigte Arbeitsmarktgipfel wirklich Resultate bringen wird.

Grüne wünschen sich solidarische Generationenpolitik

Angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft müsse dieses Thema unter einem breiteren Kontext betrachtet werden, meinte Efgani Dönmez (G/O). Die Auswirkungen betreffen nämlich nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern etwa auch den Wohnbau, die Lebensformen, die Fort- und Weiterbildung oder die Freiwilligentätigkeit. Er plädierte generell für eine generationenübergreifende Politik, die Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts finden müsse. Was die aktuelle IHS-Studie betrifft, so widerlege sie die Annahme, dass ältere ArbeitnehmerInnen automatisch immer teurer sind und deshalb leichter ihren Job verlieren. Die Problematik sei sicherlich sehr komplex, weitere Qualifizierungsmaßnahmen und Subventionierung der ArbeitgeberInnen können daher nur Teile eines gesamten Maßnahmenbündels sein. Marco Schreuder (G/W) setzte sich vor allem für einen besseren Diskriminierungsschutz von älteren Menschen ein.

Hundstorfer: Weitere Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen vorgesehen

Sozialminister Rudolf Hundstorfer gab zu bedenken, dass man immer beide Seiten der Medaille sehen müsse. Auf der einen Seite gab es innerhalb eines Jahres bei den über 50-Jährigen einen Anstieg der Beschäftigung um 6,7 %. Allein im ersten Halbjahr 2015 konnten 61.297 ältere Personen wieder in den Erwerbsprozess eingegliedert werden. Auf der anderen Seite sei aber ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um 16,2 % feststellbar. Die besondere Schwierigkeit bestehe darin, dass 48 % der Betroffenen keine Qualifikationen haben. Es ist auch nicht ganz einfach, wenn man über 50-Jährigen, die vielleicht jahrzehntelang im selben Betrieb beschäftigt waren, nun sagen muss, sie sollen etwas völlig Neues machen. Aus diesem Grund habe die Regierung die Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen weiter aufgestockt, um maßgeschneiderte Angebote zu gewährleisten. Für einen gewissen Kreis der Personen, die etwa aus gesundheitlichen Gründen in ihre Branchen nicht mehr einsteigen können, brauche man sicher auch den zweiten Arbeitsmarkt, war der Minister überzeugt. Gefordert seien auch die österreichischen Betriebe, zumal in 10 % der Firmen, die mehr als 25 MitarbeiterInnen haben, es keinen einzigen Beschäftigten gibt, der über 50 Jahre ist.

Klarstellungen traf der Minister hinsichtlich der Mindestsicherung, die insgesamt 0,3 % der Staatsausgaben ausmacht. Von den 205.000 BezieherInnen sind 27 % Kinder bzw. Jugendliche und 7 % sehr alte Menschen. Die Umstellung auf Sachleistungen sei seit der 15a-Vereinbarung in allen Ländern möglich, erläuterte Hundstorfer, man müsse es nur tun. Angelegenheit der Länder sei es auch, eine Befristung vorzusehen, wie dies z.B. in Wien und Niederösterreich massiv durchgezogen werde.

Den Freiheitlichen gegenüber stellte Hundstorfer klar, dass man natürlich etwas bei den Lohnnebenkosten tun müsse, aber dann soll man gleichzeitig auch sagen, wie das finanziert werden kann. Was den Vergleich mit Deutschland angeht, so dürfe man nicht vergessen, dass die bessere Arbeitsmarktlage in unserem Nachbarland vor allem auf die schrumpfende Bevölkerung zurückzuführen ist. Überdies gibt es in Deutschland drei Millionen Hartz-IV-Beschäftigte, die sich mit 1-Euro-Jobs über Wasser halten müssen.

BundesrätInnen aus dem Burgenland angelobt

Die Landtagswahl im Burgenland vom Mai 2015 bringt auch Veränderungen im Bundesrat. Für die ÖVP entsendet der Landtag Marianne Hackl statt Walter Temmel, für die SPÖ folgt Peter Heger Michael Lampel nach. Wiedergewählt wurde Inge Posch-Gruska, ebenfalls SPÖ. Sie wurde auch als Vizepräsidentin des Bundesrats bestätigt. (Fortsetzung Bundesrat) sue

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