Parlamentskorrespondenz Nr. 383 vom 22.04.2015

Klubobleute verurteilen Genozid an Armeniern im Osmanischen Reich

Gemeinsame Erklärung anlässlich des 100. Jahrestages des Genozids an Armeniern

Wien (PK) – Die Klubobleute aller sechs Parlamentsparteien - Andreas Schieder (S), Reinhold Lopatka (V), Heinz-Christian Strache (F), Eva Glawischnig-Piesczek (G), Waltraud Dietrich (T) und Matthias Strolz (N) - haben heute eine gemeinsame Erklärung vorgelegt, in der sie es aufgrund der historischen Verantwortung Österreichs als eine Pflicht ansehen, die Gewalt und den Mord an den Armeniern und deren Vertreibung durch das Osmanische Reich als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen. Einen Völkermord müsse man auch als solchen bezeichnen, unterstrichen die Klubobleute unisono und werteten es als ein wichtiges Signal, dass das gesamte österreichische politische Spektrum hinter dieser Erklärung steht.

Nur wenn man historische Ereignisse beim Namen nennt, kann man auch glaubwürdig heutige Gräueltaten verurteilen, sagte etwa Andreas Schieder, und Reinhold Lopatka bekräftigte, Menschenrechte seien unteilbar und unverhandelbar. Die Wahrheit müsse ausgesprochen werden, betonte Heinz-Christian Strache, alle müssten sich zu ihrer historischen Verantwortung bekennen. Es gehe auch um den Respekt der Opfer gegenüber, stellte Eva Glawischnig-Piesczek fest. Österreich habe ebenfalls schwierige Erfahrungen gemacht, was die Aufarbeitung historischer Ereignisse bedeutet, meinte sie wie auch Matthias Strolz in Richtung Türkei, man arbeite noch immer daran, aber man habe eine Weg gefunden. "Völkermord verjährt nicht", schloss sich Waltraud Dietrich ihren KollegInnen an, ein friedliches Europa und eine friedliche Welt könne nur dann aufgebaut werden, wenn sich alle ihrer historischen Verantwortung offen und ehrlich stellen.

Die Klubobleute stellten in diesem Zusammenhang klar, dass es nicht darum gehe, die Türkei bzw. türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Österreich zu kränken oder zu provozieren. Im Vordergrund stehe die Hilfestellung bei der Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien. Man sei sich dessen bewusst, dass dieser symbolische Schritt nicht ohne Konsequenzen bleiben werde, Zielrichtung seien Austausch und Begegnung, so Strolz. Die Türkei sei ein zentraler Partner der Europäischen Union, mit dem man in guter Nachbarschaft lebe. Es sei wichtig, dass sich Nachbarn in aller Klarheit die Wahrheit zumuten. Strache kritisierte in diesem Zusammenhang scharf den offenen Brief türkischer Verbände in einzelnen Medien.

Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut:

"Am 24. April jährt sich der Genozid, welcher durch das Osmanische Reich an 1,5 Millionen Armeniern verübt wurde, zum hundertsten Mal. Vor diesem Hintergrund gedenken wir der Opfer von Gewalt, Mord und Vertreibung, zu denen auch zehntausende Angehörige anderer christlicher Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich, wie jene der Aramäer, der Assyrer, Chaldäer und der Pontos-Griechen gehören.

Aufgrund der historischen Verantwortung – die österreich-ungarische Monarchie war im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet – ist es unsere Pflicht, die schrecklichen Geschehnisse als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen. Ebenso ist es die Pflicht der Türkei, sich der ehrlichen Aufarbeitung dunkler und schmerzhafter Kapitel ihrer Vergangenheit zu stellen und die im Osmanischen Reich begangenen Verbrechen an den Armeniern als Genozid anzuerkennen.

In Zeiten, in denen internationale Krisenherde eine immer größere Gefahr für die Welt und ihre Werte darstellen, gilt es, entschieden gegen Gräueltaten und Verfolgung von Menschen in aller Welt aufzutreten. Das Verbrechen an den Armeniern vor einhundert Jahren, das von Papst Franziskus als "erster Genozid des 20. Jahrhunderts" bezeichnet wurde, macht die Notwendigkeit von Gedächtniskulturen deutlich. Denn das Bewusstsein für unsere unantastbaren Werte der Freiheit, des Friedens und der Menschenrechte ist untrennbar verbunden mit einem würdigen Andenken an die Opfer von Gewalt, Verfolgung, Vertreibung und Massenmord.

Die Klubobleute bekennen sich dazu, den bewährten österreichischen Weg des Dialogs und der Versöhnung bei der Beilegung von internationalen Konflikten im Rahmen der Möglichkeiten konsequent fortzusetzen. Dies auch in Hinblick auf historische Geschehnisse, die einen Keil zwischen Ethnien und Staaten treiben, wie im Falle der Türkei und Armenien. Seitens der Türkei gilt es, im Sinne einer transparenten Aufarbeitung Licht in das Dunkel der Vergangenheit zu bringen.

Um die Aussöhnung zu fördern, wird die Absicht erklärt, eine Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen sowie deren Aufarbeitung durch die Türkei und Armenien als ersten Schritt zur Versöhnung und zur längst überfälligen Verbesserung der türkisch-armenischen Beziehungen sowohl bilateral als auch auf europäischer Ebene aktiv zu unterstützen.

Die am 15. April 2015 im Europäischen Parlament verabschiedete Resolution (European Parliament resolution of 15 April 2015 on the centenary of the Armenian Genocide (2015/2590(RSP)) zur Aussöhnung der Türkei und Armenien wird - unbeschadet der formalen völkerrechtlichen Beurteilung - von den Klubobleuten der im Nationalrat vertretenen Parteien begrüßt". (Schluss) jan

HINWEIS: Fotos von dieser Pressekonferenz finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.