Tägliche Bewegungseinheit an ganztägigen Schulen kommt ab Herbst
Zentralmatura: Grüne machen mit Misstrauensantrag gegen Heinisch-Hosek mobil
Wien (PK) – Von A wie Autonomie für Schulen bis Z wie Zentralmatura entspann sich heute im Nationalrat eine lebhafte Grundsatzdebatte über die heimische Schulpolitik. Seitens der FPÖ und der Grünen kam vor allem scharfe Kritik an der laufenden Vorbereitung zur standardisierten Reifeprüfung im Mai, da unter SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern eine steigende Unsicherheit zu verzeichnen sei. Vorfälle wie die unlängst aufgetretene Überlastung des Servers für die vorwissenschaftlichen Arbeiten zur Reifeprüfung brachten die Grünen dazu, mit einem selbständigen Misstrauensantrag gegen die Ministerin aufzutreten. Der Antrag wurde dem Unterrichtsausschuss zugewiesen und kam im Plenum deswegen nicht zur Abstimmung. "Sicherheit geben, nicht verunsichern", mit diesem Aufruf erwiderte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek die Vorwürfe und sie unterstrich, die Zentralmatura sei gut vorbereitet worden – so gebe es beim Uploaden der vorwissenschaftlichen Arbeiten keinerlei Probleme mehr. Nunmehr müssten alle Beteiligten zum Erfolg des Projekts zusammenarbeiten.
Hauptfokus der Debattengrundlage, einer schließlich mit breiter Mehrheit angenommenen Sammelnovelle, war allerdings die Qualitätssteigerung in der schulischen Ganztagsbetreuung. Fix ist damit, dass ganztägige Schulformen ab kommendem Schuljahr eine tägliche Bewegungseinheit in ihren Stundenplänen vorsehen müssen. Wie die Schulen die Vorgaben umsetzen, bleibt ihnen weitgehend selbst überlassen: Die vorgeschriebenen fünf Bewegungseinheiten pro Woche können aus Turnstunden im Unterricht und Sport im Freizeitteil bestehen. Erstmals sind auch TrainerInnen aus Sportvereinen als "Bewegungscoaches" zur Betreuung der SchülerInnen zugelassen.
Mit dem Qualitätsschub an Schulen mit Tagesbetreuung werde nun der nächste Schritt im Ausbau dieser Schulformen gesetzt, beschrieb Heinisch-Hosek die Zielsetzung der Novelle. Bis 2018 solle flächendeckend für 30 Prozent der österreichischen SchülerInnen ein qualitativ hochwertiges Angebot an schulischer Ganztagsbetreuung vorhanden sein. Auch Halbtagsschulen könnten gemäß Novelle ausgeweitete Bewegungsangebote autonom festlegen, im Sinne der Wahlfreiheit der Eltern fokussiere man aber derzeit auf die ganztägigen Schulformen. Die Anregung der Grünen, mit einem "Bewegungs-Tausender" für jede Schule auch an halbtägig geführten Standorten Bewegungsinitiativen zu unterstützen, wurde von der Plenumsmehrheit folglich abgelehnt. Nicht ausreichend Zustimmung gab es auch für die NEOS-Forderungen nach einem parteiübergreifenden Schulterschluss für mehr Schulautonomie und die Schaffung von Bildungsregionen anstelle der Landesschulräte sowie für den Antrag der Grünen auf ein Pflichtfach "Politische Bildung".
Mehrheitlich angenommen wurde hingegen ein Antrag der Regierungsfraktionen, mit dem Externistenprüfungen im standardisierten Maturaformat auf 2017 verschoben werden, um den KandidatInnen die Organisation einer außerschulischen Vorbereitung auf die neue Prüfungsform zeitlich zu ermöglichen.
Opposition ruft zum Überdenken der Schulpolitik auf
Angesichts der neuen Reifeprüfung im Mai an sämtlichen allgemein bildenden höhere Schulen (AHS) rief Grünen-Bildungssprecher Harald Walser dazu auf, zur Fehlerbehebung in der Vorbereitungsphase das Krisenmanagement des Ministeriums zu verbessern. Mit einem "Notfallplan" sei als Übergangslösung für die nächsten drei Jahre die Prüfungsordnung zu verbessern. Nach Vorstellung der Grünen sollte bei einer negativ beurteilten Klausurarbeit die Note des betreffenden Unterrichtsfach bei der Maturabenotung miteinbezogen werden, um die Beurteilung möglicherweise auf Genügend anheben zu können. "Unsere Kinder sind zu schade, als dass sie als Versuchskaninchen dienen", machte der Freiheitliche Bildungssprecher Walter Rosenkranz seinen Unmut über die Planung der Zentralmatura geltend. Insgesamt verurteilte Rosenkranz die Bildungspolitik der letzten Jahre als unausgegoren und er sagte dem von Walser initiierten Misstrauensantrag gegen die Ministerin die Zustimmung seiner Fraktion zu.
Geteilter Meinung sind Walser und Rosenkranz jedoch hinsichtlich der Neuerungen im Betreuungsplan ganztägiger Schulformen: Während der Grüne Mandatar darin eine unterstützenswerte Initiative für mehr Bewegung an den Schulen, wenn auch nur an ganztägigen, sieht, kritisierte der FPÖ-Abgeordnete, damit werde die verschränkte Ganztagsschule vorangetrieben, was die Wahlfreiheit einschränke und daher grundsätzlich abzulehnen sei. Dem schloss sich auch sein Parteikollege Wendelin Mölzer (F) an, der sich abgesehen davon für den Erhalt von Klein- und Kleinstschulen, etwa in Form von Schulverbänden, stark machte.
Ganz anders wertete Robert Lugar vom Team Stronach das Konzept der verschränkten Ganztagsschule: diese biete auch sozial benachteiligten SchülerInnen einen Bildungserfolg und mache Nachhilfeunterricht weitgehend unnötig. Der Bildungsministerin warf er allerdings vor, nicht ausreichend Mittel in den Ausbau von Schulen mit abwechselnden Unterrichts- und Freizeitstunden zu investieren. Eine tägliche Bewegungseinheit an ganztägigen Schulen komme derzeit nur 3% der SchülerInnen zugute, womit von einer "täglichen Turnstunde" für alle keine Rede sein könne. NEOS-Klubobmann Matthias Strolz bemängelte zwar ebenfalls, dass nur ein geringer Prozentsatz der Schulen von der neuen Betreuungsordnung mit vermehrtem Sport profitiere, er schlug aber auch eine Lösung vor. Es gelte, "die Bildungswende von unten zu realisieren" und über erweiterte Schulautonomie die gestaltenden Kräfte im System zu fördern und zu fordern. Mit einem Entschließungsantrag forderte Strolz als Bildungssprecher seiner Fraktion, parteiübergreifend und gemeinsam mit SchulpartnerInnen, ExpertInnen und Sozialpartnern bis Dezember 2015 eine Strategie zur Umsetzung von weitreichender Schulautonomie zur erstellen.
Notwendig ist aus Sicht der NEOS auch eine Reorganisation der Schulverwaltung. In einem weiteren von Strolz eingebrachten Antrag heißt es, die Landesschulräte sollten in Bildungsregionen überführt werden, die wiederum proaktiv für die Qualitätssicherung an den autonomen Schulstandorten Sorge tragen.
Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek replizierte auf die Anmerkungen von Lugar und Strolz, tatsächlich nütze die Bewegungsinitiative einer weitaus höheren Zahl an SchülerInnen – nämlich 20%. Ihr Ressort sei zudem dabei, das Angebot an verschränkten Ganztagsschulen der Nachfrage entsprechend auszubauen, wiewohl hier vor allem noch die Sprengel-Frage zu klären sei. Eine tägliche Bewegungseinheit für alle Schulen bilde den nächsten Schritt in ihrem Arbeitsprogramm.
Regierungsfraktionen sehen positive Entwicklung im Bildungsbereich
Das Motto "unaufgeregt das Bildungssystem verbessern" biete bei der Problemlösung etwa hinsichtlich der Zentralmatura weit mehr Hilfe als "Notfallpläne" hielt Andrea Kuntzl (S) der Oppositionskritik am Schulwesen entgegen. Immerhin setze Ministerin Heinisch-Hosek wie ihre Vorgängerin Claudia Schmied konsequent die richtigen Schritte zur Verbesserung des Systems. Die Einführung der täglichen Bewegungseinheit sei ein Beispiel dafür. Um auch ExternistInnen weiterhin den Maturaantritt zu ermöglichen, brachte Marianne Gusenbauer-Jäger (S) einen SPÖ-ÖVP-Abänderungsantrag zum Schulunterrichtsgesetz ein, der mehrheitlich angenommen wurde. Demnach wird für KandidatInnen, die außerhalb der Schule unterrichtet worden sind und sich daher selbständig um die Betreuung der Maturavorbereitung kümmern müssen, die neue Reifeprüfung erstmals in zwei Jahren abgehalten. 2017 ist auch an Schulen für Berufstätige als Startjahr der Zentralmatura vorgesehen.
SPÖ-Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann bezog sich erneut näher auf den Kern der verhandelten Regierungsvorlage, die Qualitätssteigerung an den Ganztagsschulen durch erweiterte Sportangebote, und folgerte, damit lasse sich "der Grundstein für eine gesundheitsbewusste, sportliche Lebensweise legen".
Zusammengefasst sieht das Maßnahmenpaket zur schulischen Tagesbetreuung vor, die Anforderungen an Lernzeit und Freizeitteil in ganztägigen Schulformen mit neuen Bestimmungen zu präzisieren, wobei die Betreuungspläne zukünftig einen Teil der Lehrpläne bilden. Im Sinne der Gesundheitsförderung sind mindestens fünf Bewegungseinheiten pro Woche vorgesehen, die von den Schulen autonom zu gestalten sind und von der Schulaufsicht qualitativ bewertet werden. ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank äußerte sich positiv zur Initiative, speziell weil darin Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen erleichtert würden. Sie regte aber an, auch vermehrt Kunstorganisationen und Unternehmen in Kontakt mit den SchülerInnen zu bringen. "Schule soll nicht neben, sondern mitten in der Gesellschaft passieren", so Jank.
Weitere durchwegs positive Kommentare zur Bewegungsinitiative an Schulen kamen von den Abgeordneten Karlheinz Töcherterle (V) - "Musische und körperliche Bildung waren schon wesentliche Bestandteile vom Bildungskonzept der Antike", Hermann Krist (S) – "die tägliche Bewegungseinheit ist für den organisierten Sport überaus erfreulich", Eva-Maria Himmelbauer (V) – "Sport, Bewegung und Gesundheit werden als Aufgabe der österreichischen Schulen verankert", Marianne Gusenbauer-Jäger (S) – "Die Schule muss bei mangelnder Bewegung der Kinder einen Ausgleich schaffen" und Erwin Preiner (S) – "Der Bewegungscoach bietet zusätzliche Jobmöglichkeiten". Die ÖVP-Mandatare Hermann Gahr und Manfred Hofinger schlossen sich den VorrednerInnen an, wobei Hofinger anmerkte, schon die Kleinsten müssten zu mehr Bewegung motiviert werden, weswegen bereits in den Kindergärten dazu Initiativen am Laufen seien.
Geht es nach den Grünen, sollten allerdings sämtliche Schultypen von der Bewegungsinitiative des Ministeriums profitieren. Dazu müssten vorerst lediglich 2 Mio. € aus dem Bildungsbudget herausgelöst werden, um jeder Schule bis zu 1000 € für zweckgebundene Bewegungprogramme bereitzustellen, skizzierte der Grüne Bildungssprecher Harald Walser in einem weiteren während der Debatte eingebrachten Entschließungsantrag. Besonders halbtags geführte Schulen könnten auch durch wenig aufwendige Initiative wie Bewegungsspiele im Pausenhof den sitzenden Unterricht auflockern.
Zu einem weiteren Antrag der Grünen, der auf ein Pflichtfach "Politische Bildung" an allen Schultypen abzielt, sagte Asdin El Habbassi (V), erst sei ein entsprechendes Pflichtmodul einzuführen und zu evaluieren. Generell sprach er sich aber dafür aus, die Regierung bei der Umsetzung eines Unterrichtsgegenstandes Politische Bildung zu unterstützen, besonders zur Klärung von konkreter Ausgestaltung und Finanzierung des Fachs. (Fortsetzung Nationalrat) rei