Parlamentskorrespondenz Nr. 27 vom 19.01.2015

Besoldungssystem für öffentlichen Dienst wird auf neue Beine gestellt

Wien (PK) – Das Besoldungsschema für den öffentlichen Dienst wird auf neue Beine gestellt. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats billigte heute im Schnellverfahren ein Gesetzespaket, das insbesondere in Bezug auf Gehaltseinstufungen und Vorrückungen etliche Neuerungen für BeamtInnen und Vertragsbedienstete bringt. Bereits übermorgen, Mittwoch, soll das Plenum seine Zustimmung erteilen. Damit könnten die neuen Bestimmungen noch im Februar in Kraft treten.

Scharfe Kritik an der Eile kam von der Opposition. FPÖ, Grüne und NEOS fühlen sich überrumpelt. Sie hätten dem heutigen Verfassungsausschuss nie und nimmer zugestimmt, wenn sie gewusst hätten, dass der Gesetzestext erst Freitagnachmittag vorgelegt werde und so gut wie keine Erläuterungen enthalte, meinten die Abgeordneten Christian Lausch (F) und Albert Steinhauser (G) unisono. Bei der Terminfestlegung hätten die Regierungsparteien den Eindruck erweckt, es würde sich um ein bereits fertiges Paket mit nur kleinen Änderungen handeln, sagte Steinhauser, nun stelle sich heraus, dass es um umfangreiche Neuerungen gehe und nicht einmal eine sozialpartnerschaftliche Einigung vorliege. NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak gab zu bedenken, dass es in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit für die Abgeordneten unmöglich sei, das Regierungsvorhaben zu analysieren und herauszufinden, ob es tatsächlich kostenneutral sei.

Verteidigt wurde die Vorgangsweise von SPÖ und ÖVP. Es sei wichtig, so rasch wie möglich Rechtssicherheit herzustellen, begründeten Staatssekretärin Sonja Steßl sowie die Abgeordneten Beatrix Karl (V) und Otto Pendl (S) die Eile. Steßl zufolge wurde seit 15. Dezember mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) verhandelt, ihre Türen stünden selbstverständlich auch weiter offen. Einen Abänderungsantrag mit technischen Anpassungen stellte Steßl bereits für die Plenarsitzung am Mittwoch in Aussicht, danach will sie gemeinsam mit der Gewerkschaft analysieren, ob es in dem einen oder anderen Bereich tatsächlich zu Einbußen für die Bediensteten kommt, was die Lebensverdienstsumme betrifft, wie die GÖD befürchtet. Es sei auch ihr ein Anliegen, dass die Systemumstellung zu keinen Verlusten führe, versicherte Steßl. Insgesamt sei die Neuregelung jedenfalls budgetneutral, hob sie hervor.

Vereinfachtes Einstufungs- und Vorrückungssystem für Beamte

Eckpunkt der vorliegenden Besoldungsreform ist ein erneuertes und vereinfachtes Einstufungs- und Vorrückungssystem für Bundesbedienstete. Anstatt beim Eintritt einer Person in den Bundesdienst nach für Laien kaum verständlichen Regeln einen Vorrückungsstichtag zu ermitteln, für dessen Berechnung Ausbildungszeiten, bestimmte Vordienstzeiten und so genannte "sonstige Zeiten" herangezogen werden, wird es künftig eine Gehaltseinstufung nach klaren Vorgaben geben. Berücksichtigt werden demnach, außer Dienstzeiten bei anderen Gebietskörperschaften und maximal sechs Monaten Präsenz- bzw. Zivildienst, nur noch Zeiten einer einschlägigen, für die neue Aufgabe nützlichen Berufstätigkeit. Maximal zehn solcher Berufsjahre werden in Hinkunft im so genannten "Besoldungsdienstalter" Niederschlag finden.

Ausbildungszeiten werden hingegen nicht mehr auf die Dienstzeit angerechnet, sondern stattdessen über verbesserte Gehaltsansätze abgegolten. Sonstige Zeiten fallen zur Gänze unter den Tisch. Damit entzieht man sich auch der Gefahr, dass die Bestimmungen vom Europäischen Gerichtshof erneut als altersdiskriminierend gewertet werden, heißt es dazu in den Erläuterungen. Ein EuGH-Urteil ist schließlich unmittelbarer Anlass für die Gesetzesnovelle, dieser hat die Gehaltsregeln für öffentliche Bedienstete in Österreich im Herbst bereits zum zweiten Mal als gleichheitswidrig qualifiziert und der Klage eines Beamten stattgegeben.

Neue Gehaltsansätze gelten auch für bestehende Dienstverhältnisse

Die neuen Gehaltstabellen und Gehaltsansätze werden nicht nur für neu eintretende BeamtInnen und Vertragsbedienstete, sondern, um weitere dienstrechtliche Parallelstrukturen zu verhindern, auch für bereits bestehende Dienstverhältnisse gelten. Ein kompliziertes Überleitungssystem soll dabei gewährleisten, dass bisherige besoldungsrechtliche Ansprüche weitestgehend gewahrt bleiben und sich am bisherigen Gehalt in jedem Fall bis zum nächsten Vorrückungstermin nichts ändert. Im Wesentlichen wird das Ganze so gehandhabt, dass die derzeitigen Bundesbediensteten nach ihrem aktuellen Gehalt – und nicht nach ihrem Dienstalter – in die neuen Tabellen eingestuft werden, daraus ergibt sich dann, unter Berücksichtigung bestimmter Zurechnungszeiten zur Vermeidung von Gehaltsverlusten, ihr neues "Besoldungsdienstalter".

Den für Zulagen maßgeblichen Referenzwert legt der Gesetzentwurf nun mit 105% des Gehalts eines Beamten der Verwendungsgruppe A2 in der Gehaltsstufe 8 fest, bislang wurde die Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V als Berechnungsbasis herangezogen. Neu geregelt wird auch die Dienstalterszulage (Daz): Künftig sind im Gesetz sowohl für die kleine als auch für die große Daz jeweils Fixbeträge – je nach Verwendungsgruppe – verankert. Zudem wird sie auch in den höheren Verwendungsgruppen bereits nach zwei Jahren gewährt.

Implementiert wurde das Gesetzespaket in Form eines S-V-Abänderungsantrags in eine erst Mitte letzter Woche vorgelegte Regierungsvorlage (454 d.B.), die im Wesentlichen redaktionelle Änderungen enthält und von Vornherein lediglich als Trägervehikel für den nunmehrigen Beschluss konzipiert war, wie Staatssekretärin Steßl einräumte. Sie verstehe den Unmut der Opposition über die späte Vorlage des Gesetzestextes, meinte Steßl, man habe diesen aber nicht früher übermitteln können, weil man bis zuletzt eine Einigung mit der Gewerkschaft angestrebt und daher bis Donnerstag verhandelt habe.

Steßl: Behörden brauchen EU-konforme Rechtslage

Nach Ansicht von Steßl tut Eile Not. "Wir dürfen keinen Tag verlieren", bekräftigte sie. Es sei wichtig, dass die Behörden auf Basis einer EU-konformen Rechtslage Entscheidungen treffen können. Der Abänderungsantrag sei kompliziert, gestand Steßl zu, das liege aber daran, dass die Materie insgesamt kompliziert sei.

Die technischen Anpassungen, die Steßl bereits für das Plenum des Nationalrats in Aussicht stellte, betreffen etwa die Gehaltsanpassung für die Beamten im März. Demnach sollen die Gehälter auf Vorschlag der Gewerkschaft aufgerundet und nicht wie derzeit vorgesehen kaufmännisch gerundet werden. Überdies ist eine Neuberechnung von zwei "Lehrerstaffeln" geplant.

Weitere möglicherweise notwendige gesetzliche Anpassungen will Steßl in den Monaten nach dem Nationalratsbeschluss prüfen. Sollte sich herausstellen, dass es bei einigen Beamtengruppen oder außergewöhnlichen Lebensläufen tatsächlich zu einer niedrigeren Lebensverdienstsumme kommt, werde man die Bestimmungen überarbeiten, sicherte sie zu. Sichergestellt sei jedenfalls, dass unmittelbar nach der Überleitung in das neue System kein Bediensteter etwas verliere. Steßl machte zudem geltend, dass öffentlich Bediensteten künftig bis zu zehn Berufsjahre in der Privatwirtschaft – statt wie bisher nur sechs – als Vordienstzeiten angerechnet werden können.

Zwei Eckpunkte waren laut Steßl bei der Gesetzeserstellung vorrangig: Zum einen wurde eine budgetneutrale Regelung angestrebt, zum anderen eine Regelung, die vor dem Europäischen Gerichtshof hält. Man habe sich vor diesem Hintergrund entschieden, sich am deutschen Modell zu orientieren, schilderte sie, dieses sei vom EuGH bereits geprüft worden. Im Gegensatz dazu sei die EU-Konformität der von der Gewerkschaft präferierten Lösung fraglich gewesen.

Bei der Überleitung der bestehenden Bediensteten in das neue Gehaltssystem bleibt das Gehalt laut Steßl zunächst gleich. Die folgende Vorrückung falle dann zwar einmalig niedriger aus, das werde aber dadurch ausgeglichen, dass der nächste Biennalsprung vorgezogen werde.

Verteidigt wurde der Beschluss auch von Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP. So hielt Beatrix Karl (V) fest, ihr sei es wichtig, dass die Regelung unionsrechtskonform und kostenneutral ist und für die Betroffenen keine Nachteile mit sich bringt. Es sei gut, wenn es rasch Rechtssicherheit gebe, sagte sie. Wesentlich ist für Karl, dass die Debatte nach dem Beschluss im Nationalrat weitergeführt wird – wenn es zu Verlusten in der Lebensverdienstsumme komme, seien Nachbesserungen erforderlich.

Diesen Ausführungen schlossen sich auch die Abgeordneten Wolfgang Gerstl (V) und Otto Pendl (S) an. Jeder Tag Rechtsunsicherheit bringe mehr Verunsicherung, gab Pendl zu bedenken und zeigte sich zutiefst überzeugt, dass man etwaige auftretende Probleme in weiteren Verhandlungen im Interesse der Bediensteten erledigen werde. Abgeordneter Gerstl wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das deutsche Modell eine Günstigkeitsklausel enthalte, etwas Ähnliches wünscht er sich auch für Österreich. Generell plädierte er dafür, mit der Gewerkschaft rasch über eine generelle Besoldungsreform für BeamtInnen zu verhandeln.

Dass das Gesetz unionskonform ist, davon geht auch der Leiter des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts Gerhard Hesse aus.

Heftige Kritik der Opposition

FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch ließ sich von der Argumentation der Koalitionsparteien allerdings nicht überzeugen und prophezeite, dass die Zwangsüberleitung der Bediensteten vor dem Europäischen Gerichtshof nicht halten werde. Seiner Meinung nach hat man viel zu spät begonnen, mit der Gewerkschaft zu verhandeln, herausgekommen sei ein Flickwerk zum Nachteil der Bediensteten. Um sich ein besseres Bild von den Auswirkungen des Gesetzes machen zu können, forderten sowohl Lausch als auch Abgeordneter Albert Steinhauser (G) ein Begutachtungsverfahren, Lausch konnte sich mit einem Vertagungsantrag zur Unterbrechung der Verhandlungen aber nicht durchsetzen. Dieser wurde lediglich von der Opposition unterstützt.

Die Notwendigkeit einer Begutachtung begründete Steinhauser damit, dass die Abgeordneten aufgrund der Vorgangsweise der Regierungsparteien gezwungen seien, über ein Gesetz ohne weitere Informationen zu entscheiden. Wenn Steßl sage, der Gesetzentwurf sei kostenneutral, könne er ihr das glauben oder auch nicht, meinte Steinhauser. Mittelfristig sei diese Kostenneutralität wohl nicht gegeben, vermutet er. NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak erklärte, es könne durchaus sein, dass die vorliegende Regelung EU-Recht entspreche und sinnvoll sei. In der zur Verfügung stehenden Zeit sei es aber unmöglich, das herauszufinden. Das gleiche gelte für die Kostenfrage. (Schluss) gs