Parlamentskorrespondenz Nr. 812 vom 17.09.2014

Handelsabkommen mit Kanada wegen Investitionsschutz umstritten

Wien (PK) – Vorherrschendes Thema im EU-Unterausschuss des Nationalrats war das Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement - CETA). Die im Mai 2009 aufgenommenen diesbezüglichen Verhandlungen wurden im Oktober des Vorjahres abgeschlossen, am 5. August 2014 legte die EU-Kommission den Mitgliedstaaten die vorläufigen Abkommenstexte vor.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bekräftigte gegenüber den Abgeordneten, dass es sich bei dem Vertrag um ein gemischtes Abkommen handle, das auch in den einzelnen nationalen Parlamenten ratifiziert werde. Das sei die Meinung aller Mitgliedstaaten. Sollte die Kommission dies anders sehen, dann werde es im Rat keine Zustimmung geben. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die neue zuständige Kommissarin Cecilia Malmström die Auffassung der EU-Länder teilen wird.

Bei CETA handelt es sich um das das erste umfassende Freihandelsabkommen der EU mit einem Industriestaat, das auch einen Investitionsschutz einschließlich einer Investor-Staat Streitbeilegung (ISDS) umfasst. CETA ist wie das derzeit zwischen EU und den USA in Verhandlung stehende Abkommen TTIP umstritten, vor allem wegen ISDS.

Mitterlehner: Verständnis für Bedenken gegenüber Investitionsschutz

Auch im Ausschuss, der heute von zahlreichen interessierten BürgerInnen verfolgt wurde, konzentrierte sich die Diskussion vor allem auf dieses Thema. Es sei nicht einzusehen, Sonderklagsrechte in einem Vertrag zwischen rechtsstaatlich hochentwickelten Ländern vorzusehen, hieß es. Da der Investitionsschutz ursprünglich weder von Kanada noch von der EU Thema gewesen sei und erst später in die Verhandlungen aufgenommen wurde, mutmaßten viele Abgeordnete, dass die diesbezüglichen Bestimmungen als Präjudiz für die TTIP-Verhandlungen dienen sollen.

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister zeigte durchaus Verständnis für die artikulierten Sorgen, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es sowohl bei CETA als auch bei TTIP das sogenannte "right to regulate" gibt, wonach sichergestellt sei, dass ein Land nicht geklagt werden kann, wenn es nachträglich Gesetze ändert. Man habe auch dafür vorgesorgt, dass amerikanische Konzerne nicht über die Hintertür in Kanada klagen können. Dennoch müsse man prüfen, ob bzw. inwieweit man den Investitionsschutz tatsächlich braucht, wenn das "right to regulate" ohnehin Teil des Abkommens ist, sagte Mitterlehner. Man werde sich das in der Regierung genau anschauen und dann eine gemeinsame Position finden, bekräftigte er. Außerdem sei auch die EU-Kommission sensibilisiert und habe in dieser Frage den Konsultationsmechanismus bei den TTIP-Verhandlungen eingeleitet, der noch nicht abgeschlossen ist. Man sollte daher das Ergebnis abwarten. "Es läuft uns nichts davon", so Mitterlehner.

Abgesehen von diesem Punkt befürwortete der Vizekanzler das Abkommen und meinte, dieses stelle für beide Teile eine große Chance dar. Aufgrund des erheblichen Außenhandels Österreichs mit Kanada seien für Österreich durchaus signifikante wirtschaftliche Vorteile zu erwarten. So betrugen im Jahr 2013 die österreichischen Exporte 918 Mio. €, österreichische Importe 457 Mio. €. Österreich habe von den Freihandelsabkommen bislang immer profitiert, unterstrich er.

Eckpunkte des Abkommens mit Kanada

Konkret sieht das Abkommen den Wegfall der meisten Zölle vor, Ausnahmen gibt es bei einigen Agrarwaren, bei sensiblen Agrarprodukten wurden Marktzugangsquoten für Kanada vereinbart. Laut Information des Wirtschaftsressorts sind die öffentlichen Dienstleistungen umfassend abgesichert genauso wie die Förderung der kulturellen Vielfalt. Außerdem sichere das Abkommen eine breite Ausnahme für die Wasserversorgung und die Erzeugung nuklearer Energie sowie die praktisch bis auf wenige Ausnahmen durchgehende Aufrechterhaltung der Arbeitsmarktprüfung im Hinblick auf den Personenverkehr zu, betonte Mitterlehner im Ausschuss. Des Weiteren, so die Erwartungen, werden sich durch die Marktöffnung auch in den Sektoren Energie und Transport neue Exportmöglichkeiten öffnen.

Es werde keine Senkung von Sozial- und Umweltstandards zugunsten von Investitionen geben, versicherte Mitterlehner und wies auf das verankerte "right to regulate" der Vertragspartner hin. Auch bleibe der Schutz des geistigen Eigentums sowie der Schutz für wesentliche agrarische geografische Herkunftsbezeichnungen gewahrt.

Der offizielle Abschluss der Verhandlungen soll beim geplanten EU-Kanada-Gipfel am 26. September 2014 verkündet werden, der Vertrag wird aber bei diesem Termin nicht paraphiert. Nach Abschluss der Prüfung des gesamten Abkommenstextes durch die EU-Mitgliedstaaten und der juristische Prüfung erfolgt die Übersetzung der Texte in die EU-Amtssprachen und anschließend ein formeller Vorschlag der Kommission an den Rat zur Unterzeichnung und Genehmigung. Danach wird sich das Europäische Parlament mit dem Abkommens befassen. Schließlich müssen alle 28 EU-Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizieren.

SPÖ: CETA bietet Chancen, die Gefahren sind beträchtlich

Nicht nur seitens der Opposition sondern auch vom Koalitionspartner SPÖ kamen kritische Worte. Der Befund sei zwiespältig, sagte Christine Muttonen (S), CETA biete viele Chancen, die Gefahren seien aber beträchtlich, vor allem was die Sonderklagsrechte betreffen. So sei unklar, ob Investoren im Vergleich zum bereits bestehenden Schutz nun mehr oder weniger Rechte erhalten. Fraglich sei ferner, was vom Investitionsbegriff umfasst ist und was man unter einer "fairen und gerechten Behandlung von Investoren" zu verstehen hat. Auch beim Thema Nachhaltigkeit hätte sich Muttonen mehr Verbindlichkeiten gewünscht. Er sehe ebenfalls die Notwendigkeit von Nachschärfungen und der Klärung einzelner Fragen, reagierte darauf Mitterlehner.

Wozu entwickelte Rechtsstaaten einen übergeordneten Streitbeilegungsmechanismus brauchen, hinterfragte auch Christoph Matznetter (S) ebenso wies Hannes Weninger (S) auf die berechtigten Sorgen breiter Teile der Bevölkerung hin.

FPÖ drängt auf Ablehnung des CETA-Abkommens

Für rechtsstaatlich bedenklich hält die FPÖ das CETA-Abkommen. In einem Antrag auf Stellungnahme, der von Barbara Rosenkranz eingebracht wurde und mit den Stimmen von FPÖ und Grünen keine ausreichende Unterstützung erhielt, warnen die Freiheitlichen vor einer Aushöhlung des demokratischen Rechtssystems, sollten Sonderklagsrechte eingeräumt werden. Auf diese Weise könnten Konzerne die EU-Staaten allein durch die Androhung juristischer Schritte von neuen Auflagen für den Gesundheits- oder Verbraucherschutz abhalten, befürchten sie. Dies hätte negative Auswirkungen auf den Verbraucher- und Naturschutz, auf die Lebensmittelstandards sowie auf den Umwelt- und Arbeitnehmerschutz. Private Profitinteressen würden endgültig dem Gemeinwohl übergeordnet. Ein solcher Investitionsschutz sei ursprünglich nur für jene Investitionen gedacht gewesen, die in einem Staat mit niedrigen rechtsstaatlichen Standards getätigt werden, begründete Barbara Rosenkranz den Antrag und die darin enthaltene Forderung an die Bundesregierung, dem CETA-Vertragsentwurf eine klare Absage zu erteilen.

Grüne: Wir brauchen keine Sonderklagsrechte

Sowohl CETA als auch TTIP werden einen Trend nach unten einleiten, stellte auch Werner Kogler aus der Sicht der Grünen fest. Da es weder eine völlige Kostenwahrheit noch gleiche Standards gebe, komme es unweigerlich zu Wettbewerbsnachteilen, die eine derartige negative Entwicklung bei Umwelt- und Sozialstandards initiieren würden. Auch Kogler sprach sich dezidiert gegen den Investitionsschutz aus. "Wir brauchen das nicht", sagte er. Es stelle sich zudem die Frage, weshalb man den Investitionsschutz braucht, wenn man das "right to regulate" hat. Offensichtlich stecke da etwas anderes dahinter, so Kogler, der auch eine uneinheitliche Haltung innerhalb der Regierung zu dieser Frage ortete.

ÖVP: Abkommen geht in die richtige Richtung

Für Klein- und Mittelbetriebe sei der Investitionsschutz ein wichtiges Thema, warf Angelinka Winzig (V) ein. Für das Exportland Österreich sei es wichtig, auf Fernmärkte auszuweichen, und sie halte es für gut, wenn man engere wirtschaftliche Beziehungen mit einem demokratisch und rechtsstaatlich geprägten Land ausbaut. Ähnlich argumentierte ihr Klubkollege Wolfgang Gerstl (V), der sich von dem Freihandelsabkommen eine Exportsteigerung, mehr Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen erwartet. Das Abkommen gehe in die richtige Richtung, weil darin auch die Bestimmung verankert sei, dass es nicht möglich sein soll, Standards nur aufgrund des Wettbewerbs zu senken.

Team Stronach und NEOS: Mangelnde Transparenz schürt Misstrauen

Auch das Team Stronach und die NEOS halten derartige Freihandelsabkommen für ein exportorientiertes Land für notwendig. Rouven Ertlschweiger (T) und Rainer Hable (N) kritisierten jedoch die mangelnde Transparenz im Zuge des Verhandlungsprozesses. Eine derartige Strategie der Geheimhaltung mache die Menschen stutzig und schüre das Misstrauen, sagte Ertlschweiger. Man müsse das Parlament und die Bevölkerung viel stärker einbinden, meinte Hable, der auch darauf drängte, derartige Abkommen als Chance zu nützen, globale Standards zu setzen.

Darauf reagierte der Ausschussvorsitzende und Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf mit dem Hinweis, der EU-Unterausschuss sei jene Einrichtung des Parlaments, um mit den zuständigen Regierungsmitgliedern rechtzeitig in Dialog treten zu können. Das sei auch bei TTIP und CETA geschehen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner unterstrich, sein Ressort binde das Parlament regelmäßig und ausführlich ein, indem sämtliche Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Was das Vorgehen der EU und der USA betrifft, so teilte er die Kritik der Abgeordneten. Die Geheimhaltung habe das Misstrauen beschleunigt. (Schluss) jan